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Die Strudlhofstiege

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Die Strudlhofstiege

oder Melzer und die Tiefe der Jahre

dtv,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Einer der großen Gesellschaftsromane des 20. Jahrhunderts: die Liebeleien des Wiener Großbürgertums zwischen den Weltkriegen.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Ein Wiener Weltenkosmos

Die Strudlhofstiege ist eine Treppen- und Brunnenanlage im 9. Wiener Bezirk. In Doderers Roman, der in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg spielt, ist sie der Nabel der Welt – oder zumindest der Nabel Wiens. Hier spielt eine der Schlüsselszenen, hier begegnen sich die zahlreichen Figuren immer wieder; die meisten von ihnen wohnen in der Umgebung. Viele sind in wechselnden und sich überkreuzenden Konstellationen und Liebeleien miteinander verbunden. Im Zentrum stehen drei Geschwister der Familie Stangeler sowie der junge Major Melzer. Der monumentale Roman (über 900 Seiten) zeichnet sich durch eine üppige, ausschweifende Sprache aus, hat aber keine Handlung im konventionellen Sinn. Die Strudlhofstiege ist vielmehr ein Reigen um heimliche Liebschaften und unglückliche Ehen. Die eigentliche Heldin des Romans ist die Stadt Wien, in der sich die ganze Großartigkeit und Tragik des 1918 untergegangenen Kaiserstaats verdichtet.

Take-aways

  • Die Strudlhofstiege ist das bekannteste Werk des Wiener Autors Heimito von Doderer.
  • Inhalt: Kaum berührt von dem Epocheneinschnitt des Ersten Weltkriegs führt ein Kreis von Verwandten und Bekannten rund um die großbürgerliche Familie Stangeler ein Leben, das von zahlreichen Liebschaften und Ehebrüchen geprägt ist. Der Kreuzungspunkt der vielfach verknüpften Schicksale ist die Strudlhofstiege im 9. Wiener Bezirk.
  • Die zeitlichen Handlungsschwerpunkte liegen in den Sommern 1911 und 1925, die durch Vor- und Rückblenden sehr eng zusammengerückt werden.
  • Die Zeiterfahrung spielt im Roman eine wichtige Rolle. Das Auf- und Absteigen auf der Treppe kann als Symbol für das Ineinanderfließen der Zeiten interpretiert werden.
  • Die Strudlhofstiege hat keine eindeutige Hauptfigur und keine durchgehende Handlung.
  • Die diskontinuierliche Erzählweise ist ein Merkmal der literarischen Moderne.
  • Doderer schrieb das Buch während und kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs unter entbehrungsreichen Bedingungen.
  • Doderers stimmungsvolle, ironische Erzählweise steht im Kontrast zu der sonst meist nüchternen Nachkriegsliteratur.
  • Die Strudlhofstiege machte Doderer zum anerkannten Repräsentanten der österreichischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg.
  • Zitat: „Hier schien ihm eine der Bühnen des Lebens aufgeschlagen, auf welchen er eine Rolle nach seinem Geschmacke zu spielen sich sehnte, und während er die Treppen und Rampen hinabsah, erlebte er schnell und zuinnerst schon einen Auftritt, der sich hier vollziehen könnte, einen entscheidenden natürlich, ein Herab- und Heraufsteigen und Begegnen in der Mitte, durchaus opernhaft.“

Zusammenfassung

Der Sommer 1923

Frau Mary K. erwartet an einem Spätsommernachmittag des Jahres 1923 ihren Gatten Oskar. Das prächtige Wetter erinnert sie an Sommerferien in Ischl, ungefähr 15 Jahre zuvor, als ihr der stets korrekte Leutnant Melzer den Hof machte. Melzer erschien ihr damals zu langweilig, und kurz darauf heiratete sie Oskar, der sie an der Strudlhofstiege zum ersten Mal geküsst hatte. Heute wohnen die K.s und Melzer in der gleichen Nachbarschaft, ohne voneinander zu wissen.

„Wie beim Militär, wo man nicht einfach irgendwohin geht, sondern einfach irgendwohin kommt, ist Melzer, als der Zusammenbruch von 1918 die militärische Laufbahn unseres damaligen Majors beendet hatte (...) zur österreichischen Tabakregie ‚gekommen‘, und zwar als Amtsrat und nicht als Inhaber einer Trafik, denn darauf hatten nur völlig invalide Offiziere Anspruch.“ (S. 86)

Mary ist mit der Rechtsanwaltstochter Grete Siebenschein befreundet. Diese fragt Mary bezüglich ihres Verehrers René Stangeler um Rat. Als junge Frau hat Grete eine Weile als Unterhaltungspianistin in Norwegen gelebt. In dieser Zeit hatte sie zahlreiche Affären. Nun arbeitet sie in der Kanzlei ihres Vaters und ist seit zwei Jahren mit René liiert. René hat mit einem Philosophiestudium begonnen, nachdem er 1920 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt ist. Sein Kriegskamerad E. P. war der frühere Freund von Grete, inzwischen arbeitet er bei einer Bank. Er und seine Frau sind Melzers Nachbarn und mit diesem befreundet. Grete und René bleiben liiert, aber René kann sich nicht zu einer Heirat entschließen.

Melzer und die Geschwister Stangeler

Leutnant Melzer zählt zum großen Freundeskreis der Geschwister Stangeler. Melzer, stets zurückhaltend, ist durch und durch Soldat, ein Mensch, der sich keine eigenen Gedanken macht. Sein Vater war ebenfalls Offizier, seine Mutter eine Diplomatentochter. Als Mary K. ihm 1910 einen Korb gibt, reist der junge Leutnant zu seinem Stationierungsort in Bosnien ab. Dort lädt ihn Major Laska, den er sehr bewundert, zu einer Bärenjagd ein. Die Jagd und den Schuss auf den Bären erlebt Melzer als ungeheuer intensiven Moment. Großzügig überlässt Laska ihm das erbeutete Bärenfell. Laska stirbt im Krieg an einer Verwundung – in Melzers Armen. Das Bärenfell bleibt Melzers kostbarster Besitz. Im Krieg wird er zum Major befördert und findet später eine Beamtenstelle im staatlichen Tabakunternehmen, die er pflichtbewusst und tadellos bekleidet.

„Hier schien ihm eine der Bühnen des Lebens aufgeschlagen, auf welchen er eine Rolle nach seinem Geschmacke zu spielen sich sehnte, und während er die Treppen und Rampen hinabsah, erlebte er schnell und zuinnerst schon einen Auftritt, der sich hier vollziehen könnte, einen entscheidenden natürlich, ein Herab- und Heraufsteigen und Begegnen in der Mitte, durchaus opernhaft.“ (über René und die Strudlhofstiege, S. 129)

René ist der jüngere Bruder von Asta und Etelka. Im Jahr 1911 geht er noch aufs Gymnasium. Der Vater der Geschwister Stangeler ist ein wohlhabender, viel beschäftigter Eisenbahningenieur. In den Zimmern der Stangeler-Schwestern, in der elterlichen Villa, treffen sich oft junge Leute; sie führen bei Kaffee- und Tabakgenuss philosophische Gespräche und lesen orientalische Dichter. Diese Zimmer befinden sich in einer Art Anbau der Villa und werden „Quartier Latin“ genannt. Bei einem Spaziergang entdeckt René zufällig die Strudlhofstiege, die ihm wie eine Opernbühne vorkommt. Ganz unbefangen spricht er auf der Straße die etwa gleichaltrige Stenotypistin Paula Schachl an und lädt sie in eine nahe gelegene Konditorei ein. Paula macht sich lange Zeit Hoffnungen auf René, heiratet später aber den Druckermeister Pichler.

„Er hatte, nach dem Überschreiten der Schwelle zwischen dem Knaben- und Jünglingsalter, schon so etwas wie eine mechanistische Sicherheit im Umgange mit weiblichen Wesen erlangt, mit welchen er übrigens im springenden Punkte nahezu vertraut war.“ (über René, S. 131)

Renés älteste Schwester Etelka ist sehr gebildet, anspruchsvoll und nervös. Als Minderjährige verlässt sie heimlich die elterliche Villa, stillt sie ihren Lebenshunger und begehrt gegen das häusliche Regiment auf, in dem höhere Töchter nach strengen Anstandsregeln erzogen und behütet werden. Sie bewerkstelligt das, indem sie im Speisezimmer in ein Abendkleid schlüpft, das sie samt Cape oder Pelz in einem Bowlekübel deponiert hat. Dann wandelt sie nachts durch Bars und Kneipen. Schon 1911 ist sie heimlich mit dem angehenden Konsul Stephan Grauermann verlobt, dem sie 1915 als Ehefrau nach Konstantinopel und später nach Budapest folgt. Dort lernt sie Robert Fraunholzer kennen, einen Kollegen ihres Gatten, mit dem sie eine langjährige Beziehung eingeht, die auch dann anhält, als Grauermann nach dem Krieg in Budapest stationiert wird und Fraunholzer in Belgrad. Fraunholzer seinerseits ist mit Lea Küffer verheiratet, und diese wiederum ist eine enge Freundin von Mary K.

Der Sommer 1911 in der Ferienvilla an der Rax

Die Stangeler-Geschwister laden etliche ihrer Freunde für ein paar Tage in die elterliche Ferienvilla im Gebirgsmassiv Rax ein, darunter Melzer, Ingrid Schmeller, Editha Pastré und den jungen polnischen Diplomaten Stephan von Semski, alles unter Aufsicht von Eltern und Dienstpersonal. Sowohl Asta als auch Editha haben ein Auge auf Semski geworfen. Melzer interessiert sich für Asta. Auf einer anspruchsvollen Bergwanderung zu viert sollen René und Editha zurückbleiben, damit Asta und Melzer für sich sein können. Sie tun dies auch, und Editha nutzt die Gelegenheit, um René zu verführen. Melzers Sehnsucht nach Asta hingegen bleibt unerfüllt.

Die große Szene an der Strudlhofstiege

Von der Rax aus folgt die ganze Gesellschaft für einen Augusttag einer Einladung zu einer Gartenparty in Döbling bei Oberbaurat Schmeller, Ingrids Vater. In einem Badezimmer im Obergeschoss der Schmeller-Villa trifft sich Ingrid heimlich mit Semski. Die eifersüchtige Editha Pastré beobachtet dieses Stelldichein, bei dem es nur zu einem Kuss kommt, und erzählt Vater Schmeller davon. Dieser ohrfeigt den ertappten Semski beim Herabsteigen aus dem Obergeschoss auf der großen Treppe und verweist ihn des Hauses.

„Melzer aber war nicht so geartet, dass er in die wirkliche Beschaffenheit dieses Menschenkreises hätte einsehen können, eines Kreises, an dessen Peripherie er als Fremdling siedelte, gegen dessen Mittelpunkt er sich angesaugt fühlte.“ (S. 306)

Ingrid flüchtet zu Asta in die Stangeler-Villa. Dort wird ein Abschiedstreffen mit Semski an der Strudlhofstiege arrangiert. Ingrids Vater lauert ihr in einem Taxi vor der Stangeler-Villa auf und folgt ihr bis zur Strudlhofstiege. Gleichzeitig trifft sich René in der nahe gelegenen Konditorei zu einem von Paula Schachl lange ersehnten Wiedersehen. Unverhofft kommt Stephan Grauermann hinzu, der Verlobte seiner Schwester Etelka. Während sie zu dritt plaudern, sieht René, wie Etelka draußen im offenen Fiaker mit Regierungsrat Guys vorbeifährt, der ebenfalls auf der Rax eingeladen war. Grauermann bemerkt es nicht. Die drei brechen auf und gehen Richtung Strudlhofstiege.

„Scheint irgendwann dahinter gekommen zu sein, dass bei ihm im Oberstübchen das Licht nicht gerade sehr hell brennt. Wenn das einer weiß (...) so kommt’s eigentlich schon wieder der Intelligenz gleich, und so einer verhält sich praktisch wie ein sehr Intelligenter (...)“ (Eulenfeld über Melzer, S. 644)

Dort ist inzwischen Ingrid in Begleitung von Asta und Melzer angelangt. Asta und Melzer lassen Ingrid und Semski kurz allein. Sie kommen just in dem Augenblick zurück, als auch René Stangeler, Paula und Grauermann unten an der Treppe eintreffen und oben Vater Schmeller mit dem Ruf „Ingrid, zu mir!“ seine Tochter abführt. Melzer bringt Asta noch nach Hause, doch mit seiner zurückhaltenden Art, schafft er es nicht, sie für sich zu gewinnen; er wird sie bis 1925 nicht wiedersehen. Asta heiratet später einen Baurat Haupt; aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor.

Der Zerrüttmeister

Ein weiterer regelmäßiger Gast des „Quartier Latin“ und damit auch ein Bekannter Melzers ist der preußische Rittmeister von Eulenfeld, der in Wien jeden zu kennen scheint und stets viel trinkt und raucht. Wegen seiner wahllosen Frauenbekanntschaften trägt er auch den Spitznamen „Zerrüttmeister“. Melzer sieht den umtriebigen, selbstbewussten Eulenfeld als Vorbild und hält sich nach dem Krieg oft in dessen Umfeld auf, während er die Stangelers vernachlässigt. Eulenfelds hauptsächliche Geliebte ist Editha Pastré, die auf der Rax von dem damals sehr jugendlichen René entjungfert wurde und den Skandal auf der Strudlhofstiege angezettelt hat. Sie war zwischendurch verheiratet und bahnt nun parallel zu ihrer Beziehung zu Eulenfeld eine Hochzeit mit dem Tabakgroßhändler Gustav Wedderkopp in Wiesbaden an. Für Wedderkopp meint sie sich auf ein Tabak-Schmuggelgeschäft einlassen zu müssen, aus dem aber nichts wird. Melzers guter Ruf beim staatlichen Tabakunternehmen wird dadurch beinahe in Mitleidenschaft gezogen. Melzer interessiert sich intensiver für Editha, und sie stellt ihm ein Stelldichein in Aussicht.

„Mary stand am Ufer dieses Sees von Verkehr, darin die rot-weiße Straßenbahn noch das bescheidenste war, die Fülle der Kraftfahrzeuge aber am meisten Aufmerksamkeit erforderte.“ (S. 831)

Editha und ihre Zwillingsschwester Mimi sind die Töchter streng calvinistischer und sehr vermögender Schweizer Eltern, die in Wien leben. Vor dieser Strenge floh Mimi schon früh und verheiratete sich in Buenos Aires mit dem Argentinier Enrique Scarlez. Während eines einjährigen Aufenthalts in Argentinien hatte auch Eulenfeld eine Beziehung mit Mimi. Im Frühjahr 1925 kehrt Mimi nach Wien zurück und nimmt die Stelle ihrer Schwester Editha ein, während diese sich Wedderkopp widmet.

August 1925

Eine enge Freundin von Paula Pichler, geborene Schachl, ist die 26-jährige Thea Rokitzer, die Tochter eines Schreibwarenhändlers in der Nähe der Strudlhofstiege. Die hübsche Thea ist eine Geliebte des Rittmeisters Eulenfeld, für ihn eine Art Betthupferl. Bei Eulenfeld hat die schüchterne Thea gelegentlich Melzer angetroffen und sich heimlich in ihn verliebt. Paula und Melzer haben sich bisher nur einmal kurz gesehen: in jenem denkwürdigen skandalösen Moment an der Strudlhofstiege im Jahr 1911. Paula lebt mit Mann und Kind im Obergeschoss eines kleinen Häuschens im Stadtteil Liechtenthal, ebenfalls im 9. Wiener Bezirk, aber gleichwohl in einer anderen Welt. Sie hält den Rittmeister für einen Schuft. Melzer lädt sie zu einem Nachmittag im erweiterten Familienkreis ein, weil sie ihn näher kennen lernen will.

„Aber ein Schrecken packte ihn: fertig und nicht mehr rückgängig zu machen, rasch und groß vor ihm aufgewachsen, stand seine Gemeinsamkeit mit Thea: durchaus ein ‚Wir‘; und so hatte er mit ihr seine Wohnung betreten.“ (über Melzer, S. 850)

In der zweiten Augusthälfte des Jahres 1925 ist Robert Fraunholzer von Belgrad unterwegs nach Wien, um wegen Etelka Grauermann, geborene Stangeler, die Scheidung von seiner Frau Lea einzuleiten. Die Mutter der drei gemeinsamen Kinder hat in all den Jahren die Situation mit Etelka erduldet. Zunächst will Fraunholzer Etelka im Ferienort der Stangelers an der Rax treffen. Am Abend seiner Ankunft vergnügt sich Etelka mit ihrem gegenwärtigen Liebhaber Kurt von W. Fraunholzer überreicht daraufhin der ebenfalls anwesenden Asta einen Brief, mit der er seine Beziehung zu Etelka beendet. Er fährt schnurstracks zu seiner Frau Lea, um sich mit ihr zu versöhnen.

René Stangeler will die lange Zeit verreiste Grete Siebenschön am Westbahnhof abholen. Weil er seine Beziehung zu Grete so lange in der Schwebe gehalten hat, ist sie mit einem befreundeten Ehepaar monatelang durch Italien und Frankreich gereist. Am Bahnhof begegnet René zufällig Paula Pichler, die ihre Freundin Thea Rokitzer abholen will. Zu beider Überraschung entdecken sie dabei das Zwillingspaar, die Schwestern Pastré. Wenige Tage zuvor hat René wie vor 14 Jahren bei der Klettertour an der Rax mit Editha geschlafen – das glaubt er zumindest. In Wirklichkeit war es jedoch die Zwillingsschwester Mimi. Editha hingegen kehrt nun nach monatelangem Zusammensein mit Wedderkopp nach Wien zurück. Als René die Täuschung bewusst wird, treibt ihn das endgültig in die Arme von Grete Siebenschein.

21. September 1925

Mary K. erfährt beiläufig von einem Bekannten, dass die Beziehung zwischen Etelka und Fraunholzer offenbar zu Ende ist. Alarmiert möchte sie die Neuigkeit so schnell wie möglich ihrer Freundin Lea überbringen, damit diese sich nicht gegen eine eventuelle Versöhnung sperrt. Mit Lea, die nur wenige Stunden auf Durchreise in Wien ist, arrangiert sie für den frühen Abend ein Treffen. Mary weiß, dass René vor Kurzem überstürzt zu seiner Schwester Etelka nach Budapest abgereist ist. Lea erwägt einen Zwischenstopp bei dieser. Davon will Mary sie abbringen.

Editha erwartet Melzer am gleichen Abend zu einem Stelldichein. Vorher ist Melzer mit Thea Rokitzer und Paula Pichler am Donauufer verabredet. Dort will Paula die beiden allein lassen, damit es endlich zu der erhofften Annäherung kommt. Unterwegs trifft Melzer aber auf der Strudlhofstiege René Stangeler, der ihm mitteilt, dass seine Schwester Etelka sich in Budapest das Leben genommen hat. René ist eben auf dem Weg, Grete davon in Kenntnis zu setzen, die er aber erst um fünf Uhr treffen kann. Melzer lässt seine Verabredung mit Thea und Paula sausen und bleibt bei René, der ihm die genaueren Umstände vom Tod seiner Schwester schildert. Die letzten Worte auf einem Abschiedsbrief Etelkas an ihren Mann lauteten: „Nimm dir eine Frau, wie du selbst bist.“

Melzer macht sich – verspätet – auf den Weg zu Editha. Unterwegs entdeckt er auf dem verkehrsreichen Althanplatz Mary K., die eilig zu ihrer Verabredung mit Lea unterwegs ist. Seit sie ihm vor 15 Jahren in Ischl einen Korb gegeben hat, hat er sie nicht mehr gesehen. Sie überquert die Straßenbahngleise und läuft unversehens in eine ankommende Bahn, sie wird überfahren und verliert ein Bein. Melzer stürzt herbei und leistet, im Nu von Blut durchtränkt, Erste Hilfe, indem er mit seinem Gürtel und seinem Spazierstock das Bein abbindet. Jemand steht ihm bei. Es ist die von der Donaulände zurückkehrende Thea Rokitzer, die beherzt hilft, bis Ambulanz und Notarzt eintreffen. Dies ist der Moment, in dem Melzer erkennt, dass Thea für ihn die richtige Frau ist. Verlobungs- und Hochzeitsfeier finden in Liechtenthal statt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Strudlhofstiege hat keine eindeutige Hauptfigur und keine durchgehende Handlung; der Roman ist bewusst polyzentrisch angelegt. Der vermeintliche Fokus auf Melzer ist auf einen Wunsch des Verlags zurückzuführen: Kurz vor Erscheinen sollte der Titel gar um den Untertitel „Melzer und die Tiefe der Jahre“ erweitert werden. Das Buch ist in vier unterschiedlich lange Teile gegliedert, die wiederum aus einer großen Anzahl szenenartiger Abschnitte bestehen: der erste Teil aus 30 Abschnitten, der zweite aus 16, der dritte aus 33, der vierte aus 50.

Doderers Roman ist in einem – freilich sehr farbigen und hochliterarischen – Berichtsstil geschrieben. Gelegentlich wird der Leser direkt angesprochen. Es ist ein Bericht voller Vor- und Rückblenden, vor allem in den ersten beiden Teilen, in denen sich die zeitlichen Erzählschwerpunkte, die Ereignisse in den Jahren 1911 und 1925, ständig überlappen.

In der Strudlhofstiege finden sich auffallend häufig musikalische Vergleiche und Bezüge, die auf Doderers Kennerschaft schließen lassen. Auch Doderers Wortwahl und Sprache zeugt von großer Musikalität. Der Roman insgesamt lässt sich in seiner Gesamtstruktur mit einer großen, komplexen Symphonie vergleichen.

Interpretationsansätze

  • Doderer beschreibt menschliche Verhaltensweisen, wie sie sind und ohne zu werten. Er be- oder verurteilt seine Figuren nicht – Die Strudlhofstiege ist kein moralisches Drama.
  • Die epische Breite des Romans, der Verzicht auf das gewohnte Raum-Zeit-Kontinuum einer Romanhandlung und das absichtslos erscheinende Verhalten der Figuren betonen das Schicksalhafte des Geschehens, den kaum zu beeinflussenden Lauf des Lebens.
  • Die Strudlhofstiege, ein Treppenbauwerk im 9. Wiener Bezirk, das zwei Straßen miteinander verbindet, bildet den ruhenden Pol in den vielfach verschränkten Handlungsfäden des Romans.
  • Die Zeiterfahrung spielt in der Strudlhofstiege eine wichtige Rolle. Das Auf- und Absteigen auf der Treppe kann als Symbol für das Ineinanderfließen der zeitlichen Handlungsschwerpunkte 1911 und 1925 gesehen werden. Erinnertes und Erlebtes ist hier gleichermaßen gegenwärtig. Die innere Kontinuität der beiden zeitlichen Handlungsschwerpunkte spiegelt sich auch in den Jahreszeiten: Beide Male werden Hochsommer und Spätsommer sprachlich-atmosphärisch intensiv beschworen und fließen so in eins. Auch die beiden historischen Epochen Kaiserzeit und Republik werden damit fugenlos verbunden.
  • Der lange Zeit völlig konturlose Melzer, ein Mann ohne Vornamen, praktisch ohne Herkunft und ohne Eigenschaften, kommt erst gegen Ende zu einer selbstständigen Wirklichkeitserkenntnis – und einer Erkenntnis seiner selbst. Doderer nennt dies Menschwerdung.
  • Die Strudlhofstiege ist ein gattungsübergreifender Text: zugleich Entwicklungs-, Familien-, Gesellschafts- und Liebesroman.

Historischer Hintergrund

Die erste österreichische Republik

Der österreichische Kaiserstaat unter den Habsburgern war spätestens seit der erfolgreichen Abwehr der Türken 1683 eine von fünf europäischen Großmächten. Die Stadt Wien hatte eine enorme kulturelle Ausstrahlung und wurde für den Balkan und Ostmitteleuropa zu dem, was Versailles für Westeuropa war: eine prachtvolle Residenzstadt, die von der Barockzeit bis ins 19. Jahrhundert beständig an Glanz gewann.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde die k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn von den Siegermächten allerdings regelrecht zerlegt. Das reiche und kulturell blühende Böhmen und Mähren wurde mit der Slowakei zu dem Kunststaat Tschechoslowakei zusammengeschlossen. Aus Serbien, Kroatien, Slowenien und weiteren Gebieten auf dem Balkan entstand das ebenso künstliche Königreich Jugoslawien. Ungarn verlor zwei Drittel seines Staatsgebiets, hauptsächlich an Rumänien. Das Südtirol ging an Italien. Gefragt, was Österreich denn nun sei, gab der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau seine berühmte zynische Antwort: „L’Autriche c’est ce qui reste“ – Österreich ist das, was übrig bleibt.

Wien und das österreichische Kernland waren damit von einem großen und wirtschaftlichen reichen Hinterland abgeschnitten. Der Anschluss an das Deutsche Reich, nach dem Krieg von vielen der Rumpfösterreicher favorisiert, war im Vertrag von St. Germain ausdrücklich verboten worden. Damit waren die Österreicher in ihrer großen Mehrheit unzufrieden. Die Erste Republik hatte quer durch alle Parteien noch weniger Freunde als die von rechten und linken Extremisten bedrohte Weimarer Republik. Auch in Österreich gab es eine Hyperinflation, die durch eine Währungsreform beendet wurde: Die Krone wurde 1925 vom Schilling abgelöst.

Extremistische Propaganda, die die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dem „internationalen jüdischen Finanzkapital“ zuschrieb, fand breiten Widerhall, die österreichischen Nationalsozialisten hatten viel Zulauf. Nach einer Pattsituation im Parlament errichtete Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ab 1933 eine faschistische Diktatur nach italienischem Vorbild. Zwar wurden sowohl die Kommunistische Partei als auch die NSDAP verboten, aber Adolf Hitler übte, insbesondere nach Dollfuß’ Ermordung durch SS-Leute am 25. Juli 1934, so viel Druck aus, dass ihm Mitte März 1938 der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich gelang und er sich auf dem Wiener Heldenplatz bejubeln lassen konnte.

Entstehung

Seit seiner russischen Kriegsgefangenschaft als etwa 20-Jähriger hatte Heimito von Doderer den Wunsch, Schriftsteller zu werden. Er suchte, u. a. während eines längeren Aufenthalts in München, nach Publikationsmöglichkeiten. Das bereits weit gediehene Romanprojekt Die Dämonen blieb liegen, als er 1940 zur Wehrmacht eingezogen und in Südwestfrankreich in der Nähe von Biarritz stationiert wurde. Dort entstanden erste Aufzeichnungen als Erinnerungen an Wien, insbesondere an das Alsergrund-Viertel.

In den Jahren 1944–1946 weitete Doderer dieses Erinnerungstagebuch zum Roman aus. Die ersten Teile entstanden noch im Krieg an wechselnden Einsatzorten in ganz Europa. Den Rest schrieb er in einer Art Schaffensrausch unter ärmlichsten materiellen Bedingungen, abgemagert und frierend, in Wien. Das Buch erschien 1951 in München.

Wirkungsgeschichte

Die Strudlhofstiege war Doderers erstes großes Werk und wurde ein Erfolg. Bei der Veröffentlichung war der Autor 55 Jahre alt. Doderer bekam viel Anerkennung und wurde endlich auch finanziell unabhängig. Im gleichen Jahr nahm er die Arbeit an den Dämonen wieder auf; der Roman erschien 1956 und ist noch umfangreicher als Die Strudlhofstiege. Doderer galt rasch als führender Vertreter, ja geradezu als Repräsentant der österreichischen Nachkriegsliteratur und sogar als Kandidat für den Nobelpreis.

Die Strudlhofstiege ist Doderers bekanntestes Buch geblieben. Mit seiner üppigen Sprache – typisch auch für andere Texte Doderers – zählt es allerdings nicht zum Mainstream der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur mit ihrer nüchterneren, sprachlich eher einfachen Erzählweise. Einen direkten literarischen Nachfolger Doderers gibt es deshalb nicht. Die Strudlhofstiege wurde Vorlage eines Fernsehmehrteilers sowie einer ebenfalls mehrteiligen Rundfunkfassung. Gelegentlich begehen literarisch gebildete Wientouristen die Schauplätze von Doderers Roman im Alsergrund-Viertel.

Über den Autor

Heimito von Doderer wird am 5. September 1896 als sechstes Kind eines österreichischen Architekten und Eisenbahningenieurs geboren. Nach der Matura im Sommer 1914 geht Doderer 1915 als Freiwilliger zur Armee und gerät im Jahr darauf in russische Kriegsgefangenschaft. In Sibirien erwachen seine literarischen Interessen und er hat Zeit, sie zu entwickeln. Wegen der Wirren des russischen Bürgerkriegs müssen die Kriegsgefangenen Jahre warten, bis sie wieder nach Hause können; Doderer erreicht Wien 1920. Nach seiner Heimkehr studiert er Geschichte und schließt 1925 mit der Promotion ab. Seine ältere Schwester Helga begeht 1927 in Budapest Selbstmord. Die Doderers gehören nach dem Ersten Weltkrieg zu den Kriegsverlierern. Sie sind wie viele Österreicher antidemokratisch gesinnt und haben als ursprünglich Deutschstämmige kein Problem mit dem aus dem Deutschen Reich auf Österreich einwirkenden Nationalsozialismus. Heimito von Doderer wird 1933 Mitglied der damals verbotenen NSDAP, distanziert sich jedoch in den Folgejahren von den Nazis. In den 1930er Jahren lebt er eine Zeit lang in München, um Anschluss an literarische Kreise zu finden. 1938 erscheint sein Roman Ein Mord, den jeder begeht. 1940 konvertiert er zum Katholizismus und nimmt am Zweiten Weltkrieg teil, vorwiegend als Etappenoffizier. Während des Krieges arbeitet er am Roman Die Strudlhofstiege, den er 1948 beendet. Er erscheint 1951 und macht Doderer schlagartig bekannt. Der inzwischen 55-jährige Autor gilt nunmehr als Repräsentant der österreichischen Nachkriegsliteratur, erhält zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1957 den Großen Österreichische Staatspreis für Literatur, und kann weiterhin erfolgreich publizieren. Doderer heiratet zweimal. Er stirbt am 23. Dezember 1966 in Wien.

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