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Discorsi

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Discorsi

Unterredungen und mathematische Beweisführungen zu zwei neuen Wissensgebieten

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Was ist drin?

Und sie bewegt sich doch!


Literatur­klassiker

  • Naturwissenschaften
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Der Urknall der Physik

Galileo Galilei ist eine ebenso schillernde wie tragische Figur, wird er doch von manchen als Märtyrer für die Freiheit der Wissenschaften verehrt, von anderen als Urvater der Atombombe verdammt oder aber als Übersetzer der göttlichen Schöpfungslehre verklärt. Sein physikalisches Hauptwerk Discorsi zeigt von alldem eher wenig: Nüchtern und sachlich erklärt Galilei darin, warum der Riese Goliath nie gelebt haben kann, wie Kanoniere unter Zuhilfenahme der Mathematik die Reichweite ihrer Geschütze optimieren können und warum ein Hund zwar durchaus drei andere Hunde auf seinem Rücken tragen kann, ein Pferd aber nicht einmal ein einziges anderes Pferd. Isaac Newton baute auf Galileis Erkenntnissen auf, und Albert Einstein sah in dem berühmten Pisaner den „Vater der modernen Physik, ja der modernen Naturwissenschaften überhaupt“. Grund genug, sich auf die Faszination Physik 1.0 einzulassen.

Take-aways

  • Mit den Discorsi begründete Galileo Galilei 1638 die moderne Physik.
  • Inhalt: Die Herren Simplicio, Sagredo und Salviati diskutieren die neuen Wissenschaften der Festigkeits- und der Bewegungslehre. Salviati leitet einige mechanische Gesetze geometrisch her, bestätigt sie experimentell und diskutiert praktische Anwendungsmöglichkeiten.
  • Vordergründig geht es um pure Mechanik: Galilei formuliert die nach ihm benannten Fallgesetze und stellt Gleichungen für Wurfparabeln auf.
  • In Wahrheit wollte Galilei aber wohl nachträglich beweisen, dass die Erde sich doch um die Sonne bewegt.
  • 1633 hatte die Inquisition ihn genötigt, diese „Irrlehre“ öffentlich zu widerrufen.
  • Unter kirchlichem Hausarrest stehend, verarbeitete der 70-Jährige nun die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen praktischen Forschungsarbeit.
  • Galilei war überzeugt, dass der Schlüssel zum Verständnis der Schöpfung in der Mathematik liege.
  • Nicht logische Gedankenspiele, sondern die Kombination aus mathematischer Abstraktion und Empirie wies ihm den Weg zur Erkenntnis.
  • Albert Einstein würdigte ihn deshalb als Vater der modernen Naturwissenschaften.
  • Zitat: „Wunderbar und zugleich überaus befriedigend ist die Macht zwingender Beweise, welche allein die mathematischen sind.“

Zusammenfassung

Der Widerstand fester Körper gegen ihre Zerteilung

Sagredo, Simplicio und Salviati unterhalten sich über Naturgesetze. Ihr erstes Thema ist die Frage, ob man bei mechanischen Konstruktionen wie Schiffen oder Maschinen vom Kleinen auf das Größere schließen kann. Es kursiert die Ansicht, dass ein und dieselbe Konstruktion, wenn sie in größerem Maßstab ausgeführt ist, weniger stabil ist als eine Ausführung im kleineren. Sagredo meint, hinter aller Mechanik stünden universelle geometrische Gesetze, weshalb die Größenordnung tatsächlich kein Faktor hinsichtlich der Stabilität sein dürfte. Salviati widerspricht, indem er ein bekanntes Phänomen beschreibt: Wenn ein kleines Kind aus einer bestimmten Höhe fällt, bleibt es unversehrt, während ein ausgewachsener Mensch sich alle Knochen bricht. Widerstand und Stärke eines Objekts verhalten sich folglich nicht proportional zu dessen Größe.

„Ein weites Feld zum Philosophieren bietet forschenden Geistern der häufige Besuch Ihres berühmten Arsenals, meine Herren Venezianer, und zwar besonders jener Betriebsteile, in denen es um die Mechanik geht (…)“ (Salviati, S. 11)

Salviati erwähnt das Beispiel zweier aufeinanderliegender polierter Platten, die sich zwar leicht horizontal gegeneinander verschieben lassen, aber nur schwer vertikal voneinander zu trennen sind. Der Grund ist, dass die Natur nur ungern ein Vakuum duldet. Zwischen den beiden Platten würde aber, wenn es gelänge, sie auseinanderzuziehen, für einen winzigen Moment ein luftleerer Raum enstehen, nämlich bevor Luft aus der Umgebung in die entstehende Lücke nachströmen kann. Sagredo hat diesbezüglich beobachtet, dass eine Saugpumpe nur in der Lage ist, Wasser bis zu 18 Ellen hochzupumpen. Salviati bestätigt, dass es sich bei dieser Grenze genau um den Widerstandswert der Masse gegen das Vakuum handelt. Er vermutet, dass es ebendieser Widerstand ist, der selbst die kleinsten Teile innerhalb von festen Körpern zusammenhält.

Unendlich und unteilbar

Als Nächstes widmen die Gesprächspartner sich dem Unendlichen und Unteilbaren. Salviati demonstriert mithilfe einer Zeichnung, dass ein kleiner Kreis, der im Zentrum eines größeren Kreises liegt, während dieser auf einer Geraden rollend eine Strecke zurücklegt, die genau seinem Umfang entspricht, eine Strecke zurücklegt, die größer ist als sein Umfang – ein Paradox. Das sei nur erklärbar, meint Salviati, wenn die Kreise als Vielecke mit unendlich vielen Ecken betrachtet würden: Das Abrollen des kleineren Kreises wäre dann eine Abfolge unendlich vieler Berührungen einer Linie, jeweils gefolgt von einem bogenförmigen Sprung, bei dem der Kreis die Linie nicht berührt. Die Summe dieser Sprünge mache die zusätzlich zurückgelegte Strecke aus.

„Wer weiß denn, ob nicht andere kleinste leere Räume zwischen den kleinsten Teilchen wirken, sodass es überall dieselbe Sache ist, wodurch alle Teile zusammengehalten werden?“ (Salviati, S. 31)

Ebenso lässt sich annehmen, dass jede Linie aus unendlich vielen Punkten mit unendlich vielen Leerstellen dazwischen besteht. Doch wie kann es unter solchen Umständen längere und kürzere Strecken geben? Dies hieße ja, dass ein Unendliches größer wäre als das andere. Nach Ansicht Salviatis sind solche Einwände im endlichen Verstand des Menschen begründet. Sein Fazit: Begriffe wie „gleich“, „größer“ und „kleiner“ sind für das Unendliche vollkommen bedeutungslos.

Die Geschwindigkeit fallender Objekte

Salviati bezweifelt, dass Aristoteles seine Behauptung, die Fallgeschwindigkeit verhalte sich proportional zum Gewicht der Fallobjekte, je empirisch bewiesen hat. Ein von Sagredo durchgeführtes Experiment scheint einen anderen Zusammenhang nahezulegen: Er hat eine 200 Pfund schwere Geschützkugel und eine halb so schwere Musketenkugel aus einer Höhe von 200 Ellen fallen lassen. Das Ergebnis: Beide schlugen gleichzeitig auf. Nicht das Gewicht eines Objekts ist offenbar ausschlaggebend, sondern seine Form und Konsistenz. Feine Goldblätter oder zu Pulver zerstoßene Steine fallen langsamer, selbst wenn das Gesamtgewicht konstant bleibt. Auch der Widerstand spielt eine Rolle, denn Körper fallen in der Luft anders als im Wasser. Salviati folgert daraus, dass in einem Vakuum – also in einem Raum ohne Widerstand – alle Arten von Materie mit derselben Geschwindigkeit fallen würden, egal ob es sich um eine Feder oder einen Bleiklumpen handelt.

„Erinnern wir uns aber daran, dass wir uns zwischen Unendlichem und Unteilbarem bewegen; das Erstere begreift unser endlicher Intellekt wegen seiner Größe nicht, das Letztere nicht wegen seiner Kleinheit.“ (Salviati, S. 39)

Die Fallgeschwindigkeit verschiedener Körper zu messen, ist schwierig, da man sehr große Höhen wählen müsste, um signifikante Unterschiede festzustellen. Salviati hat deshalb die Schwingungen zweier unterschiedlich schwerer Kork- und Bleikugeln an einer Pendelschnur von bestimmter Länge miteinander verglichen. Das Ergebnis: Beide kamen nach Ablauf des gleichen Zeitintervalls zum Stehen. Das Gewicht hat demnach keinen Einfluss darauf, wie schnell eine Bewegung zur Ruhe kommt.

„Ich denke, dass die Überlegungen und Beweisführungen, die Sie dazu angestellt haben, rein mathematisch sind, abstrahiert und getrennt von der erfahrbaren Materie, und dass ihre Anwendung auf körperliche und natürliche Materialien diese Regeln nicht bestätigen würde.“ (Simplicio zu Salviati, S. 69)

Das Pendelthema führt die Diskutanten zur Musik und zu der Frage, wie Schwingungen Töne erzeugen. Bei Saiteninstrumenten, so Salviati, spielten für die Erzeugung verschiedener Tonhöhen, die nichts anderes sind als das unterschiedliche Verhältnis von Schwingungszahlen, nicht nur die Länge der Saiten sondern auch deren Gewicht und Spannungsgrad eine Rolle. Konsonanzen sind nach dieser Definition Zusammenklänge, deren jeweilige Schwingungszahlen in einem regelmäßigen Verhältnis zueinander stehen, Dissonanzen hingegen solche, bei denen sie sich in einem Missverhältnis befinden.

Die Ursache des Zusammenhaftens

Die vielen Abschweifungen haben vom eigentlichen Diskussionsthema abgelenkt, der Frage nämlich, warum sich feste Körper der Zerteilung widersetzen. Zunächst beweist Salviati, dass sich ungleich schwere Gegenstände auf einer Balkenwaage dann im Gleichgewicht befinden, wenn die Länge der Arme sich umgekehrt proportional zum Gewicht der Gegenstände verhält. Das erklärt auch, weshalb ein vertikaler Balken ein weitaus größeres angehängtes Gewicht tragen kann als ein horizontal befestigter. Der Bruchwiderstand beliebiger Stangen oder Balken, die mit einem Gewicht beschwert werden, lässt sich mithilfe einer Formel exakt berechnen: Die Bruchfestigkeit eines quer angebrachten Balkens nimmt im quadratischen Verhältnis zur Verlängerung des Hebelarms ab, während sie im dreifachen Verhältnis zum Durchmesser eines dicker werdenden Balkens zunimmt.

Die Grenzen des Wachstums

Wie aber steht es mit der Beobachtung, dass ähnlich konstruierte Körper sich Brüchen weniger widersetzen, je größer sie werden? Auch das berechnet Salviati: Die Bruchwahrscheinlichkeit eines zylindrischen Körpers steigt im anderthalbfachen Verhältnis zu seinen Grundflächen. Die Knochen eines großen Tieres müssen deshalb überproportional größer sein als die eines kleinen, wenn es ebenso robust sein soll: Ein kleiner Hund könnte zwei oder drei gleich große Hunde auf dem Rücken tragen, ein Pferd aber nicht mal ein einziges anderes Pferd. Das ist auch der Grund, weshalb Natur, Kunst und Architektur Grenzen gesetzt sind: Egal ob Bäume, Pferde, Schiffe oder Paläste – nichts kann ins Unermessliche wachsen, da es irgendwann unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen würde.

„Ich werde niemals glauben, dass selbst im Vakuum, wenn darin eine Bewegung überhaupt möglich wäre, eine Wollfaser sich ebenso schnell bewegen würde wie ein Stück Blei.“ (Simplicio, S. 91)

Schließlich erklärt Salviati, weshalb ein Stock oder Balken immer in der Mitte am leichtesten zerbricht und dass bei einem Balken mit rechteckigem Querschnitt Material eingespart werden kann, indem man ihn so aussägt, dass die obere Längsseite eine parabolische Linie beschreibt. Auf diese Weise hat der Balken an jedem Punkt, trotz zu den Enden hin abnehmender Stärke, die gleiche Bruchfestigkeit. Und noch ein geometrisch nachweisbares Prinzip kommt in Natur und Handwerk immer wieder aufs Schönste zur Geltung: Luftleere Hohlkörper sind um ein Vielfaches widerstandsfähiger als ihre gleich schweren, massiven Gegenstücke. Die Knochen der Vögel oder Getreidehalme, die schwere Ähren tragen, sind nur einige Beispiele für dieses Gesetz.

Über die Bewegung im Raum

Eine gleichförmige Bewegung ist dann gegeben, wenn ein Körper in gleichen Zeitabschnitten jeweils die gleiche Entfernung zurücklegt. Eine gleichförmig beschleunigte Bewegung ist eine, deren Geschwindigkeit von der ruhenden Position aus in gleichen Zeitabschnitten im jeweils gleichen Verhältnis zunimmt. Je höher der Punkt, von dem aus ein fester Körper herunterfällt, desto heftiger ist der Aufprall auf der Erde. Allerdings beweist Salviati seinen Freunden, dass diese Beschleunigung nicht im Verhältnis zur zurückgelegten Entfernung zunimmt – das wäre schlicht unmöglich –, sondern proportional zur verstrichenen Zeit. Tatsächlich verhalten sich die Fallstrecken wie die Quadrate der Fallzeiten.

„So beobachten wir, dass zum Beispiel eine Stange aus Stahl oder aus Glas der Länge nach ein Gewicht von tausend Pfund tragen kann, während sie, im rechten Winkel in einer Mauer befestigt, zerbricht, sobald man auch nur fünfzig daran hängt.“ (Salviati, S. 135)

Simplicio bittet um einen Beweis, und Salviati liefert ihm einen solchen: In einem seiner Experimente ließ er eine Bronzekugel eine abschüssige Holzbahn hinunterrollen und maß die Zeitintervalle, in denen die Kugel verschiedene Längen zurücklegte. Egal ob sie ein Viertel, ein Drittel oder die Hälfte der Rinne hinunterrollte, immer standen die Teilstrecken im gleichen Verhältnis zueinander wie die Quadrate der Zeitintervalle, in denen die Kugel darüberrollte. Als Zeitmesser diente Salviati eine Wasseruhr: Aus einem hängenden Eimer mit einem dünnen, am Boden befestigten Röhrchen floss ein feiner Wasserstrahl. Er wurde so lange mit einem kleinen Gefäß aufgefangen wie die Kugel eine bestimmte Strecke zurücklegte. Die Wassermenge wurde dann gewogen. Außerdem beweist Salviati, dass dieses Gesetz für beliebige Gefälle gilt: Egal ob die Kugel senkrecht hinunterfällt oder von demselben Punkt über unterschiedlich geneigte Ebenen rollt – das Quadrat der hierfür benötigten Zeit verhält sich immer proportional zur zurückgelegten Strecke.

Über die Bewegung geworfener Körper

Ein Wurf ist die Verbindung zwischen einer gleichförmigen horizontalen und einer nach unten strebenden, natürlich beschleunigten Bewegung. Zusammengenommen formen beide eine Halbparabel. Die natürliche, nach unten gerichtete Bewegung behält ihre Eigenart bei, im doppelten Verhältnis der Zeiten den Raum zu durchmessen. Diese Regel gilt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: Je größer beispielsweise die Geschwindigkeit und je geringer das Gewicht der bewegten Körper ist, desto größer ist der Luftwiderstand, der die Beschleunigung irgendwann aufhebt. Der Luftwiderstand wirkt stärker auf eine Feder als auf eine Bleikugel, und die Kugel ist wiederum einem größeren Widerstand ausgesetzt, wenn man sie aus einer Kanone abfeuert, als wenn man sie von Hand wirft. Bei einem natürlichen Fall durch die Luft sind die Unterschiede zwischen einer Kugel aus Blei und einer aus Holz oder aus Stein gering, und die Beschleunigung erreicht aufgrund des Luftwiderstands irgendwann ein Maximum, lässt sich also nicht unendlich erhöhen.

„Deshalb nehme ich an, dass ein kleiner Hund zwei oder drei ihm gleiche Hunde auf dem Rücken tragen kann, nicht aber, dass ein Pferd auch nur ein einziges ihm gleiches so tragen könnte.“ (Salviati, S. 157)

Sagredo unterbricht Salviatis Überlegungen zur doppelten Bewegung von Körpern in der Horizontalen und Vertikalen und zu den daraus resultierenden Kräften, indem er diese mit den Umlaufbahnen der Himmelskörper vergleicht – eine Beobachtung, die schon Platon gemacht und die der Autor in früheren Jahren vertieft habe. Doch Salviati winkt ab: Der Autor habe ihm davon erzählt, wolle aber nicht weiter darüber sprechen aufgrund der Empörung, die seine Entdeckungen ausgelöst hätten. Dennoch ermutige er andere, seine Erkenntnisse als Grundlage und Ansporn für weitere Untersuchungen in diese Richtung zu nutzen.

Kraft und Widerstand bewegter Körper

Die Kräfte der bewegten Körper, so führt er weiter aus, hängen auch vom Zustand und von den Eigenschaften der Objekte ab: Die Bewegung eines stoßenden Objekts kann durch das gestoßene Objekt abgebremst werden. Wenn jemand mit der Lanze nach einem Feind stößt, der sich mit der Geschwindigkeit des Stoßes von ihm wegbewegt, dann wird der Feind keinen Schaden davontragen. Variablen wie Größe, Material und Masse von Stoßendem und Gestoßenem, der Winkel, in dem die beiden aufeinandertreffen, und die Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegen, spielen alle eine Rolle. Beispielsweise weiß jeder erfahrene Kanonier, dass die Schussweite bei einem Abschusswinkel von einem halben rechten Winkel am größten ist. Warum das so ist, wissen die Kanoniere nicht, doch Salviati gelingt es, diesen Erfahrungswert mathematisch zu beweisen. Er zeigt zudem, dass ein beliebiger Körper, der sich schnell genug bewegt, den Widerstand eines beliebigen anderen Körpers überwinden kann, wenn die Geschwindigkeit des ersteren im Verhältnis zur Langsamkeit des letzteren proportional größer ist als der Widerstand des letzteren zum Kraftaufwand des ersteren.

Über das Schwerezentrum mehrerer Körper

Am Ende der Diskussion bittet Sagredo darum, dass Salviati ihm eine Schrift „über das Schwerezentrum mehrerer Körper“ überlasse. In dieser hatte der Autor viele Jahre zuvor anhand der Mechanik einer Balkenwaage und mithilfe geometrischer Herleitungen nachgewiesen, dass das ruhende Schwerezentrum zweier gegeneinandergerichteter Körper sich niemals im Mittelpunkt eines dieser beiden Körper befinden kann.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Discorsi sind in Anlehnung an Platon als Dialog zwischen drei Männern verfasst: Der schlichte Simplicio verkörpert den jungen Galilei und die aristotelische Weltsicht, der viele Vertreter von Wissenschaft und Kirche damals noch anhingen. Der aufgeschlossene Sagredo repräsentiert Galileis mittlere Schaffenszeit, und aus Salviati spricht der altersweise Mathematiker zur Zeit der Niederschrift. Auch Galilei selbst taucht im Text auf: Immer wieder beziehen sich die Diskutanten auf ihn als „den Autor“ oder „den Akademiker“. Daneben werden mehrfach Texte von ihm in großer Ausführlichkeit zitiert. Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die den vier Tagen der Unterhaltung entsprechen: Am ersten Tag diskutieren die Männer die Physik des Aristoteles. Salviati weist auf Unstimmigkeiten hin und führt in die neuen Wissenschaftsgebiete ein, die er an den folgenden drei Tagen behandeln möchte. Sagredo und Simplicio fungieren als Stichwortgeber. Sie ermutigen ihren Lehrmeister, wissenschaftliche Irrtümer aufzuklären, Sinnestäuschungen mithilfe der Empirie zu entlarven und den Gesetzen der Natur durch geometrische Herleitungen auf die Spur zu kommen. Über weite Strecken liest sich das Werk eher wie ein trockenes Lehrbuch als wie ein lebhafter Dialog, und das Verständnis vieler Passagen setzt einschlägige mathematische Kenntnisse voraus. Interessanter wird es für den Laien, wenn Experimente und praktische Anwendungen in der Architektur, im Maschinenbau oder in der Kriegstechnik zur Sprache kommen.

Interpretationsansätze

  • Die Bewegungslehre in den Discorsi erbringt den nachträglichen Beweis für das zuvor formulierte galileische Relativitätsprinzip. Danach bewegt sich ein Körper stets relativ zu einer ihm innewohnenden Geschwindigkeit: Ein Ball etwa, den man in einem fahrenden Schiff loslässt, schnellt nicht etwa nach hinten, sondern bewegt sich mit diesem fort.
  • Diese Erkenntnis bietet eine Erklärung für das kopernikanische Weltbild: Die Erde kann sich durchaus mit großer Geschwindigkeit um sich selbst und durch das Weltall bewegen, ohne dass wir alle herunterfallen, sobald wir den Boden unter den Füßen verlieren. Galilei schuf mit seinen Überlegungen die Grundlage für das 50 Jahre später von Isaac Newton entwickelte Trägheitsgesetz.
  • Galileo war der Geburtshelfer der gedanklichen Abstraktion in den Wissenschaften: Er misstraute dem bloßen Augenschein, etwa der aristotelischen Lehre, dass schwere Gegenstände schneller fallen als leichte. Ohne es experimentell überprüfen zu können, gelangte er durch mathematische Herleitungen zu dem Schluss, dass in einem Vakuum alle Körper gleich schnell fallen.
  • Er verwarf die aristotelische Methode der deduktiven Beweisführung und sah die Mathematik als Basis der Wissenschaft. Als gläubiger Mensch war er der Ansicht, dass das göttliche Buch der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben sei. Er wollte diese Sprache entziffern, um so die natürlichen Ursachen beobachtbarer Phänomene induktiv zu bestimmen und anschließend experimentell zu beweisen.
  • Galilei fragte nicht nach dem Warum, sondern nach dem Wie. Mit seiner empirisch-analytischen Methode stieß er Metaphysiker und Mystiker vor den Kopf, die eine Verengung der Weltsicht auf vereinzelte, quantitativ erfassbare Größen beklagten. René Descartes kritisierte ihn daher 1638 als einen Denker, der „ohne Fundament gebaut“ habe.

Historischer Hintergrund

Italien und die Kirche zwischen Mittelalter und Neuzeit

Im 17. Jahrhundert war Italien neben Spanien das Kernland der Gegenreformation, die sich unter Führung des Jesuitenordens der Ausbreitung des Protestantismus widersetzte. Zugleich war es aber auch Ausgangspunkt der Renaissance, während der nicht nur Kunst und Handel, sondern auch die Wissenschaften aufblühten. Obwohl sich das von Nikolaus Kopernikus begründete heliozentrische Weltbild gegenüber dem geozentrischen in Wissenschaftskreisen längst durchgesetzt hatte, hielt die katholische Kirche an der wörtlichen Auslegung der Bibel fest. 1600 verbrannte die Inquisition den Priester und Astronomen Giordano Bruno für dessen ketzerische Ansichten über die Unendlichkeit des Weltraums auf dem Scheiterhaufen, 16 Jahre später setzte sie die kopernikanische Lehre auf den Index.

Doch der Geist der Neuzeit war längst aus der Flasche. Könige, Fürsten und vor allem das aufstrebende Bürgertum – Manufakturbesitzer, Kaufleute und Bankiers – verlangten nach technischen Innovationen und förderten Wissenschaftler, die sie lieferten. Die gleichen physikalischen Gesetze, die den Bau revolutionärer Maschinen, Mess- und Kriegsgeräte ermöglichten, trugen letztlich dazu bei, den mittelalterlichen Glauben von der Erde als Mittelpunkt des Universums zu überwinden und die absolute Autorität der Kirche zu untergraben.

Entstehung

„Eppur’ si move!“ („Und sie bewegt sich doch!“) – dieser weltberühmte Satz Galileo Galileis ist zwar nicht historisch verbürgt. Gedacht hat der strenggläubige Katholik ihn vermutlich aber schon, nachdem er 1633 unter dem Druck der Inquisition die vermeintliche Irrlehre von der um die Sonne kreisenden Erde widerrufen hatte. Der 69-jährige Galilei begann im Juli 1633 mit der Niederschrift der Discorsi. Von der Inquisition unter lebenslangen Hausarrest gestellt, durfte er zwar nicht mehr unterrichten, konnte aber an unverfänglichen Themen weiterforschen.

Mit den Gesetzen der Mechanik hatte er sich schon als junger Mann beschäftigt und dazu 1590 die Schrift Über die Bewegung verfasst, die zunächst unveröffentlicht blieb. Galilei versuchte als einer der Ersten, seine Theorien durch Experimente zu beweisen oder aber zu widerlegen. Die Fallgesetze belegte er beispielsweise, indem er Kugeln über schiefe Ebenen rollen ließ – nicht aber, indem er Steine vom Schiefen Turm von Pisa warf, wie eine Legende besagt. Zu praktischer Forschung in angewandter Mechanik, Festungsbau, Schiffbau und Ballistik ließ er sich zwischen 1592 und 1610 von den Technikern und Handwerkern im mächtigen Arsenal Venedigs inspirieren, dem damals größten Produktionsbetrieb Europas.

Als Gefangener im eigenen Haus brachte er nun die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit zu Papier, und zwar überwiegend in italienischer statt in lateinischer Sprache, um sie so einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Allerdings durfte im Dunstkreis des Vatikans keines seiner Werke mehr erscheinen, weshalb Freunde das Manuskript in die protestantischen Niederlande brachten. Im Juli 1638 wurde es in Leiden veröffentlicht.

Wirkungsgeschichte

Mit den Discorsi lieferte Galilei den mechanischen Beweis (oder zumindest einen Teil davon) für seine innerste Überzeugung, das heliozentrische Weltbild. Isaac Newton knüpfte mit seiner Gravitationstheorie an, wo der Italiener aufgehört hatte, doch endgültig bewiesen wurde die Erdrotation erst durch das foucaultsche Pendel 1851. Galilei gilt heute vor allem als Pionier der Empirie: Er erkannte als einer der Ersten, dass alles Wissen über die Wirklichkeit von der Erfahrung ausgeht. Albert Einstein würdigte ihn deshalb als „Vater der modernen Physik, ja, der modernen Naturwissenschaften überhaupt“.

Papst Johannes Paul II. rehabilitierte ihn 1992 im Namen der katholischen Kirche, indem er von einem „schmerzlichen Missverständnis zwischen Wissenschaft und Glauben“ sprach. Doch das späte Eingeständnis bleibt umstritten, da führende Kirchenvertreter darauf hinweisen, dass der damalige Papst und die Kurie während des Prozesses nicht gänzlich hinter der Inquisition gestanden hätten. Die versprochene Galilei-Statue im Vatikan lässt jedenfalls nach wie vor auf sich warten. Auch außerhalb der katholischen Kirche scheiden sich an dem Wissenschaftler die Geister: Carl Friedrich von Weizsäcker und Bertolt Brecht – der ihm mit dem Theaterstück Leben des Galilei ein literarisches Denkmal setzte – sahen in Galileis absolutem Wahrheitsanspruch den Beginn einer Entwicklung, die auf direktem Weg zur Atombombe geführt hat.

Über den Autor

Galileo Galilei kommt am 15. Februar 1564 in Pisa zur Welt. Er wird in einem Kloster bei Florenz erzogen und erwägt, Mönch zu werden. Sein Vater, ein Musiker und Musiktheoretiker, schickt ihn stattdessen zum Medizinstudium nach Pisa. Doch Galileis wahre Leidenschaft ist die Mathematik. Er wechselt das Fach, entwickelt den Prototyp eines Thermometers und untersucht die Fallgesetze. 1592 bietet ihm die Universität von Padua, das zur reichen und liberalen Republik Venedig gehört, eine gut dotierte Stelle an. Die folgenden 18 Jahre bezeichnet er später als die glücklichsten seines Lebens: Er beginnt eine langjährige uneheliche Beziehung mit seiner Haushälterin, aus der drei Kinder hervorgehen. 1609 verbessert er das in den Niederlanden erfundene Fernrohr und beobachtet damit als einer der Ersten den Himmel. Er sieht Berge und Krater auf dem Mond, entdeckt die vier Jupitermonde und die Sonnenflecken. 1610 wechselt er nach Florenz, um dort als Hofmathematiker ohne Lehrauftrag weiterzuforschen. Kirchenvertreter legen ihm nahe, das kopernikanische Weltbild nur als Hypothese zu lehren. Doch Galileo wähnt sich in Sicherheit, weil sein langjähriger Förderer, der seit 1623 amtierende Papst Urban VIII., ihn protegiert. 1632 veröffentlicht er den Dialog von Galileo Galilei über die zwei wichtigsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische (Dialogo di Galileo Galilei sopra i due Massimi Sistemi del Mondo Tolemaico e Copernicano), in dem er die Verteidigung der kirchlichen Doktrin dem Dummkopf Simplicius in den Mund legt – eine Provokation. Die Inquisition verbietet das Werk, bezichtigt Galilei des Ungehorsams und zwingt ihn 1633 zum Widerruf. Mit Erfolg: Galilei schwört der „ketzerischen Lehre“ ab. Den Rest seines Lebens verbringt er unter kirchlich angeordnetem Hausarrest. Während sein Augenlicht allmählich erlischt, schreibt er mit Unterredung und mathematische Demonstration über zwei neue Wissenszweige die Mechanik und die Fallgesetze betreffend (Discorsi e Dimostrazioni Matematiche intorno a due nuove scienze) sein physikalisches Hauptwerk, das 1638 in Leiden erscheint. Galileo Galilei stirbt, vollständig erblindet, am 8. Januar 1642.

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