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Draußen vor der Tür

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Draußen vor der Tür

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Das Nachkriegsdrama schlechthin: anklagend, aufwühlend, hoffnungslos.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Einer von denen

Ein Mann kommt nach Deutschland – schwer beladen mit Hunger, Schmerzen, Schuld und Verzweiflung. Er wurde verraten und verlassen, und diejenigen, die ihn verraten und verlassen haben, fangen neu zu leben an. Borcherts Kriegsheimkehrer Beckmann kann das nicht: leben im Angesicht des millionenfachen Todes, für den keiner mehr verantwortlich sein will. Er stellt Fragen, die keiner mehr beantworten, ja nicht einmal mehr hören will. – Borchert zeigt ein Deutschland, das sich feige aus der Verantwortung stiehlt, das seine Jugend für nichts geopfert hat und weghört, wenn diese Jugend Fragen stellt. Draußen vor der Tür ist ein Stück, wie es so nur unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen konnte. Doch Beckmann ist kein Einzelschicksal, er ist „einer von denen“, ein zeitloser Typus. Er ist Zeuge und literarischer Beleg dafür, dass Kriege dem Menschen genau das nehmen, was dieser zum Leben braucht: Glaube, Liebe und Hoffnung.

Take-aways

  • Draußen vor der Tür gilt als wichtigstes Drama der deutschen Nachkriegsliteratur.
  • Inhalt: Ein Soldat kehrt aus dem Krieg zurück – körperlich und seelisch kaputt. Seine Frau hat einen anderen, eine Liebschaft scheitert, ein Oberst übernimmt keine Verantwortung, ein Theaterdirektor gibt ihm keine Chance, seine Eltern haben Selbstmord begangen, und am Ende stirbt selbst die Hoffnung.
  • Borchert schrieb sein Stück im Herbst 1946 in nur einer Woche im Krankenbett.
  • Das Stück wurde zuerst als Hörspiel inszeniert und lief 1947 im NWDR-Programm.
  • Die Reaktion war heftig: Ablehnung auf der einen und Identifikation mit der Hauptfigur auf der anderen Seite.
  • Die Uraufführung als Bühnenstück erfolgte in den Hamburger Kammerspielen einen Tag nach Borcherts Tod.
  • Das Drama wurde in 40 Sprachen übersetzt und stand schon auf dem Spielplan fast jeder deutschsprachigen Bühne.
  • In den 1990er-Jahren kam Kritik an dem Stück auf, weil darin einseitig von deutschen Opfern die Rede sei. Damit verdränge das Stück die deutsche Schuld am Krieg.
  • Bis heute gehört Draußen vor der Tür zum allgemeinen Kanon der Schullektüre.
  • Zitat: „Gibt denn keiner, keiner Antwort???“

Zusammenfassung

Ein Mann kommt nach Deutschland

Abends an der Elbe beobachtet ein Beerdigungsunternehmer, wie ein Mann ins Wasser springt. Ein alter Mann steht am Ufer und trauert um ihn und all seine, des alten Mannes, Kinder. Der alte Mann bezeichnet sich als „der Gott, an den keiner mehr glaubt“. Der ständig rülpsende Beerdigungsunternehmer entpuppt sich als der Tod. Gott hatte den Tod anders in Erinnerung: abgemagert und knochig. Doch dieser Tod ist fett. Das Geschäft gehe gut in diesem Jahrhundert, erklärt er. Sein Rülpsen sei ein Anzeichen dafür, dass er sich überfressen habe. Der Tod schickt Gott nach Hause und rät ihm, nicht über jeden einzelnen Toten zu trauern.

„Ein Mensch stirbt. Und? Nichts weiter. Der Wind weht weiter. Die Elbe quasselt weiter. Die Straßenbahn klingelt weiter. Die Huren liegen weiter weiß und weich in den Fenstern.“ (der Beerdigungsunternehmer, S. 8 f.)

Beckmann ist orientierungslos und fragt, wo er ist. Die Elbe antwortet ihm und fragt zurück, was er bei ihr wolle. Beckmann erwidert, er wolle schlafen, für immer schlafen, tot sein. Darum ist er von den Landungsbrücken ins Wasser gesprungen. Doch die Elbe will Beckmanns Leben nicht. Sie akzeptiert seinen Hunger, sein Humpeln und seine Heimatlosigkeit nicht als Gründe für einen Selbstmord. Beckmann ist 25 Jahre alt und solle erst einmal leben. Die Elbe hat ihn darum bei Blankenese wieder ausgespuckt. Dort trifft Beckmann auf den Anderen. Dieser bezeichnet sich selbst als Jasager und Optimisten. Beckmann fordert ihn auf, zu verschwinden, doch der Andere bleibt und stellt Fragen. Beckmann erzählt, er sei nach drei Jahren in Russland gestern zurück nach Hamburg gekommen. Seine Frau habe ihn nur noch beim Nachnamen genannt und lebe nun mit einem anderen Mann zusammen. Sein Bett sei besetzt. Sein einjähriger Sohn, ihm unbekannt, liege verschüttet unter den Trümmern der Stadt. Sein Bein sei steif von einer Kriegsverletzung, und da sei er in die Elbe gesprungen, die ihn hier wieder ausgespuckt habe. Das Gespräch mit der Elbe bezeichnet Beckmann als Hungertraum.

Ein Hoffnungsschimmer erlischt

Ein Mädchen taucht am Strand auf und bemerkt den dort liegenden Beckmann. Sie hat ihn zunächst für eine Wasserleiche gehalten und ist erfreut, dass er noch lebt. Sie hilft Beckmann auf die Beine, teilt ihm mit, dass sie gleich in der Nähe wohne und bietet ihm an, er könne mitkommen – weil er „so eine hoffnungslos traurige Stimme“ habe. Beckmann geht mit dem Mädchen, der Andere bleibt zurück und wundert sich über den Sinneswandel des verhinderten Selbstmörders: eben noch lebensmüde, jetzt durch ein bisschen weibliche Zuwendung wieder lebendig.

„Ich glaube, Sie machen nur so einen trostlosen Eindruck, weil sie immer durch diese grauenhafte Gasmaskenbrille sehen müssen.“ (das Mädchen zu Beckmann, S. 21)

Etwas später im Zimmer: Das Mädchen sieht sich Beckmann erstmals genauer an und muss lachen. Die Brille wirkt einfach zu komisch. Beckmann erklärt, das befremdliche Gestell in seinem Gesicht sei eine Gasmaskenbrille. Eine andere habe er nicht mehr. Die alte wurde kaputtgeschossen. Das Mädchen nimmt ihm die Brille ab. Beckmann sieht nur noch verschwommen. Er zieht die trockenen Sachen an, die das Mädchen ihm gibt. Sie sind viel zu groß. Als er fragt, wem die Kleidung gehöre, antwortet das Mädchen: ihrem Mann. Dieser sei in Stalingrad verschollen. Beckmann ist zunächst starr, dann will er hektisch aus der Jacke heraus und seine nassen Sachen wieder anziehen. Das Mädchen redet ihm gut zu, doch seine Angst wird immer größer. Er meint, hinter dem Mädchen einen Mann zu sehen – einen Riesen mit nur einem Bein. Der kommt näher. Das Mädchen schreit und flieht aus dem Zimmer. Der Einbeinige kommt noch näher und fragt Beckmann, was dieser in seinen, des Einbeinigen, Sachen auf seinem Platz bei seiner Frau mache. Beckmann fühlt sich an die Szene in seinem eigenen Haus mit seiner eigenen Frau vom Vortag erinnert. Der Einbeinige kommt noch näher. Er erkennt Beckmann und nennt mehrfach vorwurfsvoll dessen Namen. Beckmann flieht.

„Was tust du hier. Du? In meinem Zeug? Auf meinem Platz? Bei meiner Frau?“ (der Einbeinige zu Beckmann, S. 25)

Draußen auf der Straße begegnet Beckmann wieder dem Anderen. Beckmann will zur Elbe. Der Andere versucht ihn aufzuhalten. Doch Beckmann will nicht weiterleben. Er erzählt, wie er einem Obergefreiten – bevor dieser zum Einbeinigen wurde – befohlen habe, um jeden Preis die Stellung zu halten. Beckmann fühlt Schuld, Kälte, Hunger, Müdigkeit. Der Andere überredet Beckmann mitzukommen. Sie wollen einen Mann besuchen, dem Beckmann die Verantwortung zurückgeben will, die er einst von ihm übertragen bekommen hat.

Von Schuld und Verantwortung

Der Oberst und seine Familie sitzen beim Abendessen, als Beckmann dazukommt. Dieser erklärt, er wolle herausfinden, ob er sich heute Nacht noch ertränken soll oder nicht. Der Oberst wiegelt ab und rät ihm, sich zusammenzureißen. Seiner Frau graut vor Beckmanns Gasmaskenbrille, die Tochter ist peinlich berührt, der Schwiegersohn ist empört und hält den Eindringling für betrunken. Beckmann beginnt wie in Trance, dem Oberst von einem wiederkehrenden Traum zu erzählen.

„Ich habe aber doch stark den Eindruck, dass Sie einer von denen sind, denen das bisschen Krieg die Begriffe und den Verstand verwirrt hat.“ (der Oberst zu Beckmann, S. 30)

In diesem Traum sieht Beckmann einen außergewöhnlich fetten Mann Xylophon spielen. Das Insrument ist riesig und der Mann muss beim Spielen ständig hin und her laufen. Dabei schwitzt er Blut, das ihm wie Generalsstreifen an der Hose herunterläuft. Das Xylophon besteht aus einer Unmenge Menschenknochen. Der blutige General spielt mit langen Prothesen, die seinen Armstümpfen entspringen. Dann tauchen die Toten aus den Massengräbern auf. Eine Legion der Toten ergießt sich stinkend und stöhnend über die Welt. Schließlich überträgt der blutige General ihm, Beckmann, die Verantwortung. Beckmann solle abzählen lassen. Die Toten meutern und skandieren „Unteroffizier Beckmann“ – bis Beckmann schreiend erwacht.

„Die Toten wachsen uns über den Kopf. Gestern zehn Millionen. Heute sind es schon dreißig. Morgen kommt einer und sprengt einen ganzen Erdteil in die Luft. Und nächste Woche erfindet einer den Mord aller in sieben Sekunden mit zehn Gramm Gift.“ (Beckmann, S. 40 f.)

Nun sei er gekommen, dem Oberst die Verantwortung zurückzubringen – die Verantwortung für 20 Mann, die ihm der Oberst in Gorodok in Sibirien gegeben hat. Elf jener Soldaten fehlten nach der Rückkehr des Stoßtrupps in die Stellung. Seither werde er, Beckmann, jede Nacht von den Hinterbliebenen heimgesucht. Bei der Menge von Toten, die der Oberst zu verantworten habe, sei die Übernahme für die Verantwortung von elf weiteren doch kein Problem, meint Beckmann.

„Ja, Wahrheit! Mit der Wahrheit hat die Kunst doch nichts zu tun! Mit der Wahrheit kommen Sie nicht weit. Damit machen Sie sich nur unbeliebt.“ (der Direktor zu Beckmann, S. 49)

Der Oberst lacht unmäßig. Er erklärt Beckmanns Auftritt für eine komische Nummer, mit der dieser auf die Bühne gehen solle. Er bietet Beckmann einen alten Anzug von sich an, damit er „erst mal wieder ein Mensch“ werde. Beckmann erwacht aus seiner Trance und schreit auf die Tischgesellschaft ein. Chaos bricht aus, die Mutter bangt um das Leben der Familie, eine Lampe fällt um und es wird dunkel. Als das Licht wieder angeht, ist Beckmann verschwunden. Es fehlen eine Rumflasche und ein Brot. Die Mutter versteht nicht, wie man nur trockenes Brot essen kann. Draußen auf der Straße betrinkt sich Beckmann mit dem Rum und beschließt nun tatsächlich, zum Zirkus zu gehen.

Kein Glück beim Kabarett

Beckmann sucht den Direktor eines Kabaretts auf. Auch der wundert sich über die Gasmaskenbrille. Beckmanns Wunsch, im Kabarett aufzutreten, weist er zurück, als er erfährt, dass Beckmann Anfänger ist. Er betont seine Verantwortung gegenüber dem Publikum: Dem könne man nicht mit Neulingen kommen. Auch das gespensterhafte Auftreten Beckmanns sei heute nicht gefragt. Nur widerwillig gewährt der Direktor ihm ein Vorspechen. Beckmann trägt mit monotoner Stimme seine persönliche Version des Liedes „Tapfere kleine Soldatenfrau“ vor, worin er seine Erlebnisse schildert. Der Direktor druckst herum: „Ganz brav“ findet er Beckmanns Vortrag, doch zu düster, zu deutlich, zu viel Wahrheit, zu wenig Kunst. Er rät Beckmann, Erfahrungen zu sammeln und seinen Auftritt zu verfeinern. Doch Beckmann hat nun eben jetzt Hunger und will daher jetzt arbeiten. Der Direktor lehnt ab, und wieder steht Beckmann draußen vor der Tür. Wieder wartet der Andere dort und versucht, Beckmann vom Gang in die Elbe abzubringen. Diesmal schickt er Beckmann nach Hause zu dessen Eltern.

Gescheiterte Heimkehr

Beckmann steht vor der Tür seines Elternhauses und staunt, dass es sie noch gibt. Er erinnert sich an Einzelheiten des Hausinneren, an vertraute Gewohnheiten der Eltern. Als er das Messingschild mit dem Namen Beckmann sucht, findet er nur den Namen Kramer. Beckmann klingelt, Frau Kramer öffnet. Beckmann will wissen, wo seine Eltern sind. Frau Kramer antwortet schnoddrig, dies sei nun ihre Wohnung. Als Beckmann sich als Sohn der Vorbewohner zu erkennen gibt, will sie erst nicht glauben, dass er vom Schicksal der eigenen Eltern nichts weiß. Die seien auf dem Friedhof Ohlsdorf, erfährt Beckmann. Sein Vater habe noch im Luftschutzkeller die Juden verflucht. Der ungeduldige Beckmann drängt auf mehr Informationen. Frau Kramer berichtet, man habe den alten Beckmann nach dem Krieg entlassen und aus der Wohnung geworfen. Daraufhin habe er sich gemeinsam mit seiner Frau „selbst entnazifiziert“, also Selbstmord begangen. Frau Kramer bedauert die Verschwendung des dabei verwendeten Gases. Beckmann droht Frau Kramer und rät ihr, die Tür ganz schnell zu schließen.

„Einen Morgen lagen sie steif und blau in der Küche. Sowas Dummes, sagt mein Alter, von dem Gas hätten wir einen ganzen Monat kochen können!“ (Frau Kramer, S. 57)

Beckmann ist wieder draußen vor der Tür. Sein letzter Rest Lebenswille ist dahin. Wieder versucht der Andere, ihn zum Durchhalten zu überreden. Dazu schildert er das Leben als Stück in fünf Akten: Von Akt zu Akt werde es dunkler und trostloser. Am Ende stehe man allein draußen. Beckmann schläft ein und träumt. Im Traum begegnet er dem weinerlichen Gott. Beckmann konfrontiert ihn mit seiner Abwesenheit angesichts all der Grausamkeiten auf der Welt. Gott widerspricht: Nicht er, die Menschen hätten sich abgewandt. Die Zeit sei zu laut, um ihn noch zu hören. Er tritt jammernd ab. Nun tritt der Tod in Gestalt eines Straßenkehrers auf. Sein Besen macht Geräusche wie Beckmanns rasselnde Lungen. Er habe immer eine offene Tür, auch für Beckmann, sagt er und geht ab.

Der finale Traum und ein bitteres Erwachen

Der Andere versucht, Beckmann aus seinem Traum aufzuwecken und ihn davon zu überzeugen, dass der Mensch ein Herz habe, dass das Leben sich lohne. Doch Beckmann glaubt nicht mehr daran. Niemand wolle die Wahrheit hören, ist er überzeugt. Der Oberst tritt auf. Er erkennt Beckmann zunächst nicht. Erst als dieser sich als Wasserleiche bezeichnet, erinnert sich der Oberst halbwegs, zeigt aber weder Verständnis noch Anteilnahme und verschwindet wieder. Beckmann beklagt die fehlende Empathie der Besitzenden und sieht sich mit seiner Verzweiflung im Recht. Der Direktor tritt auf. Er bedauert zwar Beckmanns Tod, bekräftigt aber seinen Eindruck, dass Beckmanns Auftritt keinem Publikum zugemutet werden könne, und tritt wieder ab. Beckmann beklagt sich bei dem Anderen über die Feigheit der Menschen und den Umstand, dass heute keiner mehr von seiner Verantwortung für Krieg und Tod wissen will, obwohl doch alle die Soldaten mit lautem Hurra in die Schlachten geschickt hätten.

„Das Leben ist so: 1. Akt: Grauer Himmel. Es wird einem wehgetan. 2. Akt: Grauer Himmel. Man tut wieder weh. 3. Akt: Es wird dunkel und es regnet. 4. Akt: Es ist noch dunkler. Man sieht eine Tür. 5. Akt. Es ist Nacht. Tiefe Nacht. Und die Tür ist zu. Man steht draußen. Draußen vor der Tür.“ (Beckmann, S. 61 f.)

Während der Andere Beckmann auffordert, aufzuwachen, tritt Frau Kramer auf. Auch sie lehnt die Verantwortung für den Tod des träumenden Beckmann ab. Man könne nun einmal nicht jeden einzelnen beweinen und müsse sich abhärten, um durchzukommen. Frau Kramer tritt ab, Beckmanns Frau tritt auf, mit ihrem neuen Mann. Beckmann konfrontiert die beiden mit seinem Tod, doch sie gehen, ohne ihn zu beachten, an ihm vorbei. Schließlich macht der Andere Beckmann auf das Mädchen aufmerksam, das ihn überall gesucht habe. Beckmann glaubt das nicht, er will sich keiner Hoffnung mehr hingeben. Doch dann tritt das Mädchen auf und bestätigt, dass sie ihn gesucht habe. Sie liebe ihn und bedauere seinen Tod. Da beschließt Beckmann, für das Mädchen lebendig zu sein und mit ihr zu gehen. Plötzlich wird es dunkel und es ertönt das Humpeln des Einbeinigen. Das Mädchen geht.

„Ich glaube, der Tod muss ganz erträglich sein. Es ist noch keiner wieder zurückgekommen, weil er den Tod nicht aushalten konnte. Vielleicht ist er ganz nett, der Tod, vielleicht viel netter, als das Leben (…)“ (Beckmann, S. 63)

Der Einbeinige wirft Beckmann vor, er habe ihn ermordet, indem er kurz seinen Platz an der Seite des Mädchens eingenommen habe. Der Einbeinige sei direkt nach ihrem Treffen in die Elbe gegangen und fordert nun von Beckmann, wenigstens er, sein Mörder, solle ab und zu an ihn denken, wenn es schon kein anderer mehr tue. Beckmann versichert, er werde ihn nicht vergessen. Der Einbeinige geht ab, und Beckmann erwacht aus seinem Traum. Er rekapituliert alles, was ihm seit seiner Heimkehr passiert ist, und findet keinen Grund zum Leben. Er fragt, was er tun solle. Er fragt, warum und für wen er leben solle. Er bemerkt, dass gerade jetzt, wo er Antworten will und einfordert, niemand mehr da ist: kein Gott, kein Tod, und auch der Andere ist verschwunden. Er steht allein draußen vor allen Türen, und keiner antwortet.

Zum Text

Aufbau und Stil

Draußen vor der Tür ist ein Drama in fünf Szenen mit sechzehn Sprechrollen. Es ist ein Stationenstück, das heißt, es verzichtet auf den für das klassische Drama üblichen Handlungsbogen mit Höhe- und Wendepunkt, und reiht sttattdessen Stationen aneinander. Am Ende befindet sich die Hauptfigur in der gleichen Situation wie am Anfang. Das Stück wird eingeleitet durch eine Vorrede in Form einer allgemein gehaltenen Zusammenfassung der Handlung. Es folgen ein Vorspiel und ein Traum, bevor die eigentlichen fünf Szenen einsetzen. Die Regieanweisungen enthalten teilweise prägnante Charakterisierungen der Figuren (zum Beispiel Frau Kramer – „mit einer gleichgültigen, grauenhaften, glatten Freundlichkeit, die furchtbarer ist als alle Rohheit und Brutalität“). Sprachlich ist der Text durchgehend einfach gehalten, die Sätze sind meist kurz, oft unvollständig. Die Wortwahl orientiert sich am gesprochenen Jargon mit Hamburger Einschlag. Häufig benutzte Stilmittel sind Wiederholung und Sarkasmus. Ebenso finden sich immer wieder Lautmalereien (zum Beispiel das „kchch kchch“ des Besens oder das Humpeln des Einbeinigen), Aufzählungen und Alliterationen („breit, breiig, bresthaft, blutig“). Besonders auffällig ist die Häufung von (oft rhetorischen) Fragen, die Beckmann den anderen Figuren oder sich selbst stellt.

Interpretationsansätze

  • Das Stück stellt die unbequeme Frage nach der Verantwortung jedes Einzelnen für die Katastrophe des Krieges und des millionenfachen Todes. Durch den Untertitel „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“ (der übrigens durch die Realität gründlich widerlegt wurde), wurde Draußen vor der Tür zu einer an die ganze Gesellschaft gerichteten Provokation.
  • Borchert behandelt allerdings nur die deutschen Opfer. Insofern er weder jüdische noch russische oder polnische Opfer erwähnt, verdrängt der Text die Tatsache, dass der Zweite Weltkrieg ein von Deutschland verschuldeter Angriffskrieg war. Damit macht sich Borchert zum Teil derselben Verdrängung schuldig, die er anprangert.
  • „Der Andere“ verkörpert das Prinzip Hoffnung, das in jedem Menschen vorhanden ist. Er steht für den Überlebenswillen des Menschen. Dass selbst er am Ende nicht mehr antwortet, bestätigt das Sprichwort: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch sie stirbt.
  • Die Gasmaskenbrille steht für die Trennung zwischen Kriegsheimkehrer und Gesellschaft. Das Frontüberbleibsel Brille verhindert einerseits die Integration Beckmanns (die Leute finden sie grausig oder lächerlich), andererseits verhindert das scharfe Sehen durch die Kriegsbrille, dass Beckmann sich selbst integrieren kann.
  • Dass Beckmanns vom Mädchen als „Fisch“ bezeichnet wird, stellt eine Parallele zur Leidensgeschichte von Jesus Christus (dessen Symbol der Fisch ist) her. So wird Beckmann zur mythischen Figur.
  • Das Stück ist ein Gegenentwurf zu den christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Alle drei gehen im Lauf des Stückes verloren. Zuerst wird „der Gott, an den niemand mehr glaubt“ nach Hause geschickt, dann scheitert die Liebe, am Ende schweigt die Hoffnung.

Historischer Hintergrund

Das Ende des Dritten Reichs und die Renaissance des Theaters

1945 lag Deutschland in Trümmern – nicht nur die Fabriken waren zerstört, sondern auch die Theater. Zahlreiche Staats-, Landes- und Stadttheater auf dem Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches waren zerbombt. Viele weitere Spielstätten waren so beschädigt, dass sie ebenfalls nicht genutzt werden konnten. Für den Kulturbetrieb in Deutschland bedeutete die „Stunde Null“ aber nicht den Stillstand – im Gegenteil: Nach der von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels verordneten Einstellung des Theaterbetriebs im September 1944 war der Bedarf an Theateraufführungen enorm.

Im besetzten Nachkriegsdeutschland wurde das Theater von den alliierten Besatzungsmächten als „moralische Anstalt“ zur Umerziehung verstanden und daher stark subventioniert. Die improvisierten Bühnen standen in Turnhallen, Kinos, Hinterzimmern von Kneipen oder Vorlesungssälen, doch das tat der Theaterbegeisterung keinen Abbruch. Auf dem Programm standen neben Klassikern wie Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise vor allem Stücke aus den USA, aus Großbritannien und Frankreich – oft, aber nicht nur, leichtes Boulevardtheater. Von den moderneren deutschen Stücken feierte Carl Zuckmayers Des Teufels General mit einer Vielzahl von Aufführungen ein furioses Comeback. Ein weitere Bühnensparte, die nach dem Krieg boomte, war das Kabarett: Nach Kriegsende lagen den Behörden mehr Anträge auf Eröffnung eines Kabaretts vor als solche auf Eröffnung eines Theaters. Erich Kästner stichelte 1945, es gebe „bald mehr Kabaretts als unzerstörte Häuser.“

Entstehung

Wolfgang Borchert kam im Mai 1945 nach zwei Fronteinsätzen, einer Reihe von Gefängnis- und Lazarettaufenthalten sowie kurzer Kriegsgefangenschaft zurück in seine Heimatstadt Hamburg. Ungeachtet seiner zerrütteten Konstitution, verursacht unter anderem durch Gelbsucht und eine chronische Leberkrankheit, stürzte er sich jetzt ins Theaterleben. Nach einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt im Frühjahr 1946 kehrte Borchert nach Hause zurück, ohne jedoch genesen zu sein. Im Herbst 1946 schrieb er im Krankenbett innerhalb einer Woche das Stück Draußen vor der Tür. Darin verarbeitete er seine Fronterfahrungen und zahlreiche Lektüreeindrücke, die er als Buchhändler vor dem Krieg gesammelt hatte.

Als bewusste oder unbewusste Quellen für den Text gelten Ernst Tollers Tragödie Hinkemann (ebenfalls über einen Kriegsheimkehrer), Georg Büchners Woyzeck, Hugo von Hofmannsthals Jedermann und Bertolt Brechts Der Jasager. Der eigentliche Titel, den Borchert für sein Stück vorgesehen hatte, sollte „Ein Mann kommt nach Deutschland“ lauten. Der endgültige Titel stammt vom Dramaturgen der Hörspielfassung Ernst Schnabel.

Wirkungsgeschichte

Draußen vor der Tür war als Theaterstück angelegt, doch seine erste Inszenierung erfuhr es als Hörspiel. Als Borchert Ende 1946 einer Mitarbeiterin des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), mit der er befreundet war, sein (nach eigener Aussage unfertiges) Manuskript mitgab, ging alles ganz schnell: Dramaturg Ernst Schnabel holte sich die Rechte von Borchert, und am 13. Februar 1947 lief die Urausstrahlung mit Schauspieler Hans Quest in der Rolle des Beckmann. Die Reaktion war heftig, und das Publikum war gespalten: Die einen beklagten, dass man sich immer wieder mit Krieg und Elend beschäftigen müsse, die anderen – vor allem junge Männer – identifizierten sich mit Beckmann und machten Borchert zum Sprecher ihrer „verlorenen“ Generation. Seine Uraufführung erlebte das Stück am 21. November 1947 in den Hamburger Kammerspielen – einen Tag nach Borcherts Tod. Erneut spielte Hans Quest den Beckmann.

Rund zwei Jahre lang lief das Stück mit großem Erfolg an allen großen deutschsprachigen Bühnen. Eine erste englischsprachige Version wurde im März 1949 in New York aufgeführt. 1949 verfilmte der vorher hitlertreue Regisseur Wolfgang Liebeneiner den Stoff unter dem Titel Liebe 47. Das Stück wurde immer wieder in die Spielpläne der Theater aufgenommen und blieb durchweg präsent. 1978 erfolgte die Uraufführung der Oper Draußen vor der Tür von Sándor Balassas in Budapest. 1994 folgte eine weitere Oper von Xaver Paul Thoma, 1995 ein Ballett. Ebenfalls 1995 formulierte Jan Philipp Reemtsma sein Unbehagen hinsichtlich des Umstandes, dass Borchert in seinem Text nur deutsche, keine jüdischen und keine russischen Opfer gelten lasse. Es gibt Übersetzungen in 40 Sprachen, und bis heute ist das Stück Schulstoff.

Über den Autor

Wolfgang Borchert wird am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren. Er kommt schon früh mit klassischer und moderner Literatur in Berührung. 1937 sieht Borchert Gustav Gründgens als Hamlet auf der Bühne und fühlt sich zum Theater berufen. 1938 wird sein erstes Gedicht veröffentlicht und er schreibt ein erstes Theaterstück, Yorick der Narr, in Anlehnung an Hamlet. Er bricht die Schule ohne Abschluss ab, beginnt eine Buchhändlerlehre und nimmt Schauspielunterricht. 1939 schreibt er gemeinsam mit Günter Mackenthun die Komödie Käse, eine Persiflage auf die Repressalien des Naziregimes. 1940 wird er wegen Verdacht auf Homosexualität verhaftet, 1941 wird er eingezogen und im Dezember an die Front in Russland geschickt. Nach einer Handverletzung kommt er ins Lazarett. Es folgt eine Anklage wegen Wehrkraftzersetzung durch Selbstverstümmelung. Nach Monaten in Haft (auch wegen kritischer Äußerungen gegen Staat und Partei) entlässt man ihn zur „Frontbewährung“. Erneut in Russland erkrankt er an Gelbsucht und verbringt einige Zeit im Seuchenlazarett. 1943 ist er zurück in Hamburg, wird wegen politischer Witze denunziert und erneut verhaftet. 1945 gerät er an der Westfront in französische Gefangenschaft, flieht aber und kommt nach Hamburg zurück. Nach Kriegsende spielt er Kabarett, gründet eine Hinterhofbühne und wird Regieassistent am Schauspielhaus. Doch sein Gesundheitszustand verschlechtert sich. Weitgehend ans Bett gefesselt schreibt Borchert etwa 20 Erzählungen und sein Erfolgsstück Draußen vor der Tür. 1947 erscheint der Prosaband Die Hundeblume. Im September wird Borchert mit schweren Leberschäden in ein Schweizer Krankenhaus eingeliefert. Er stirbt am 20. November 1947 – einen Tag vor der Uraufführung von Draußen vor der Tür – in Basel.

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