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Egmont

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Egmont

Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

dtv,

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12 Take-aways
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Was ist drin?

Goethes Drama um den Grafen Egmont, der politischen Intrigen zum Opfer fällt.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Weimarer Klassik

Worum es geht

Charakterdrama und Historienstück

Leicht vorstellbar, wie sehr die historische Figur des Grafen Egmont den jungen Goethe in ihren Bann gezogen haben muss. Schließlich waren nur leichte Korrekturen an der historischen Wahrheit nötig, um aus dem Stoff ein erstklassiges Sturm-und-Drang-Drama zu formen – mit einem Helden, der als Opfer einer ihm feindlich gesinnten, ränkevollen Umwelt strahlend seinem Untergang entgegengeht. In den Niederlanden Mitte des 16. Jahrhunderts bedrohen Volksaufstände den Herrschaftsanspruch der spanischen Besatzungsmacht und ihrer Regentin Margarete von Parma. Deren Bruder, der spanische König, schickt daraufhin den für seine Strenge berüchtigten Herzog von Alba in die Provinzen, der für Ordnung sorgen soll. Goethe hat diesen historischen Wendepunkt der niederländischen Geschichte zum Anlass genommen, gänzlich unterschiedliche Charaktere miteinander zu konfrontieren. Graf Egmont, Herr der Provinzen Artois und Flandern, wird als Vorbild eines tapferen, freiheitlich denkenden und dem Volk gegenüber verantwortungsvollen Potentaten skizziert und als solcher der zögerlichen Margarete, dem vernunftbeherrschten Wilhelm von Oranien und dem brutalen, absolutistische Staatsgewalt repräsentierenden Alba gegenüber gestellt.

Take-aways

  • Egmont ist ein Charakterdrama Goethes, das vor dem Hintergrund des Aufsts der Niederländer gegen die spanischen Besatzer im 16. Jahrhundert spielt.
  • Die flandrischen Provinzen wollen nicht mehr länger fremdbestimmt sein. Sie setzen ihre Hoffnung auf Egmont, einen beliebten Landesfürsten.
  • Egmont ist hin- und hergerissen: Einerseits ist er loyal zur Regentin Margarete, andererseits hat er Verständnis für die Bedürfnisse seines Volks.
  • Sein Freund Wilhelm von Oranien kündigt ihm die Ankunft des Herzogs von Alba an, der für seine Strenge gefürchtet ist und nach dem Willen des spanischen Königs Margarete als Regent ersetzen soll.
  • Alba lädt Egmont und Oranien zu einer Aussprache ein. Doch Oranien vermutet einen Hinterhalt und bleibt dem Treffen fern.
  • Alba und Egmont werfen sich ihre unterschiedlichen Auffassungen von Herrschaft an den Kopf. Als Egmont den Hof verlassen will, wird er verhaftet.
  • Seine Geliebte Clärchen will vergeblich das Volk dazu bewegen, ihn gewaltsam zu befreien
  • Egmont wird hingerichtet. Er stirbt stolz und im Glauben, dass sein Tod der Anfang einer Freiheitsbewegung sei.
  • Bereits zwischen 1775 und 1782 unternahm Goethe drei Anläufe zu seinem Egmont; erst 1787 beendete er das Stück.
  • Kritiker sehen darin den Grund für eine Reihe von stilistischen und inhaltlichen Brüchen.
  • Egmont mit seiner Freiheitsliebe, seiner Warmherzigkeit und seinem Wagemut ist ein typischer Held der Sturm-und-Drang-Epoche.
  • Goethes Freund Schiller hatte mit dem Helden des Dramas seine Probleme: „Was tut er eigentlich Großes?“

Zusammenfassung

Unruhige Zeiten

Brüssel, Mitte des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der spanischen Vorherrschaft. Während eines Wettbewerbs im Armbrustschießen entspinnt sich zwischen den Bürgern Soest und Jetter und den Soldaten Buyck und Ruysum eine Diskussion über die aktuelle politische Lage in der flandrischen Provinz. Die Sicht auf die herrschende Klasse ist schlicht und einhellig: Die spanischen Besatzer werden vom Volk nur zähneknirschend geduldet. Im Gegensatz zur spanischen Bevölkerung, sagt Soest, sei man hierzulande nicht dazu gemacht, sich tyrannisieren zu lassen.

„Mir ist’s bange, wenn’s einmal unter dem Pack zu lärmen anfängt, unter dem Volk, das nichts zu verlieren hat.“ (Zimmermeister, S. 41)

Als leuchtendes Vorbild in diesen schwierigen Zeiten gilt der Landesfürst von Artois und Flandern, Graf Egmont. Seine Nähe zum Volk, seine Warmherzigkeit und Freiheitsliebe, verbunden mit soldatischem Mut, werden in glühenden Farben geschildert. Bei dem Gelage – in welches das Armbrustschießen mittlerweile übergegangen ist – wird die Parole „Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit!“ ausgerufen.

Zwei Frauen

Im königlichen Palast sucht Margarete von Parma, die spanische Regentin der Niederlande, das Gespräch mit ihrem Ratgeber Machiavell. Aufrührerische Tendenzen in den Provinzen beunruhigen sie zutiefst. Außerdem beklagt sie sich über das Verhalten des Grafen Egmont, in dessen politischen Äußerungen sie nichts als „Gleichgültigkeit und Leichtsinn“ zu erkennen glaubt.

„So seyd ihr Bürgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern überkommen habt, so lasst ihr auch das Regiment über euch schalten und walten, wie es kann und mag.“ (Vansen, S. 44)

Machiavell betrachtet die vor allem religiös motivierten Aufstände als eine rein niederländische Angelegenheit und rät Margarete, eher maßvoll darauf zu reagieren. Seiner Ansicht nach würde ein hartes Vorgehen eine noch härtere Gegenreaktion vonseiten des Volkes heraufbeschwören. Die allgemeine Missstimmung sei verständlich: Welches Volk möchte nicht lieber von den Seinigen regiert werden als von Fremden?

„Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn dran?“ (Egmont zu Richard, S. 63)

In einem Bürgerhaus unterhält sich derweil Clärchen, die Geliebte Egmonts, mit ihrer Mutter und ihrem Verehrer Brackenburg. Als sie hören, wie draußen die Leibwache der Regentin Margarete durch die Straßen zieht, bittet Clärchen Brackenburg, in Erfahrung zu bringen, was dort vor sich geht. Nachdem er das Haus verlassen hat, rät die Mutter ihrer Tochter, dem Liebeswerben Brackenburgs nachzugeben, was Clärchen mit aller Entschiedenheit ablehnt. Im Verlauf des Gesprächs wird jedoch deutlich, dass die Mutter – wenn sie auch an keine Zukunft ihrer Tochter mit dem Grafen glaubt – Egmont mit gleicher Hingabe verehrt wie Clärchen.

„Ich stehe hoch, und kann und muß noch höher steigen; ich fühle mir Hoffnung, Muth und Kraft.“ (Egmont, S. 64)

Brackenburg, zurückgekehrt, berichtet von Tumulten in Flandern. Die Regentin sei in Sorge, der Aufruhr könne auch auf Brüssel übergreifen. Von den beiden Frauen wenig später allein gelassen, beklagt er, der nichts von Clärchens heimlicher Beziehung zu Egmont weiß, seine unglückliche Liebe. Er zieht ein Fläschchen Gift aus der Tasche und kündigt seinen Selbstmord an.

Aufruhr und politische Verwicklungen

Die Unruhe in den Provinzen nimmt zu. Auf einem Platz in Brüssel sprechen Jetter und ein Zimmermeister über Plünderungen und Schändungen durch den Mob, die sie einhellig verurteilen. Vansen, ein Schreiber, tritt hinzu. Anders als die beiden hält er die Aufstände für gerechtfertigt, entspringen sie doch – seiner Auffassung nach – dem durch die Verfassung verbrieften Recht der Niederländer, sich selbst zu verwalten. Vansen gelingt es, die Bürger durch seine Reden zu polarisieren. Parolen werden ausgerufen, Streit und eine Schlägerei sind die Folge.

„Wer zu herrschen gewohnt ist, wer’s hergebracht hat, daß jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie in’s Grab.“ (Margarete, S. 81)

Schließlich tritt Egmont auf. Durch sein mäßigendes Eingreifen kommt der Aufruhr rasch zur Ruhe. Egmont versichert die Aufwiegler seines Beistands, mahnt aber gleichzeitig zu Vernunft und Geduld. Maßnahmen gegen das Übel seien bereits eingeleitet. Während Jetter von Exekutionen fantasiert, verlässt der Herr von Artois und Flandern die Szenerie.

„Himmelhoch jauchzend, / Zum Tode betrübt; / Glücklich allein / Ist die Seele, die liebt.“ (Clärchen, S. 82)

In seiner Wohnung wickelt Egmont zusammen mit seinem Sekretär Richard Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte ab. Er hält Gericht über Angehörige seiner Armee und über festgenommene Aufrührer. Anhand der Entscheidungen, die er dabei trifft, wird deutlich, mit welch großherziger und milder Hand Egmont Flandern regiert. Dann breitet er seine Auffassungen von Mut und Freiheit aus und zeigt persönliche Ambitionen: Er könne und müsse noch höher steigen und wolle jetzt nicht einknicken, wo es um den „Wert des Lebens“ gehe.

„O Spatzenkopf! Wo nichts heraus zu verhören ist, da verhört man hinein.“ (Vansen zum Zimmermeister, S. 102)

Wilhelm von Oranien, Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht, trifft ein. Egmont und er greifen ein Gespräch auf, das sie mit der Regentin geführt haben. Während Oranien deren Äußerungen als Zeichen einer drohenden Verschärfung der politischen Lage interpretiert, gibt sich Egmont sorglos. Oranien kündigt ihm die Ankunft des Herzogs von Alba an, eines für seine Strenge gefürchteten spanischen Heerführers. Oranien vermutet, dass Alba Margarete ersetzen soll und ihn und Egmont in eine Falle locken will, mit dem Ziel, sie zu entmachten. Egmont hält dies für unwahrscheinlich.

„Wie selten kommt ein König zu Verstand! Und sollen sich viele nicht lieber Vielen vertrauen als Einem?“ (Egmont zu Alba, S. 120)

An der Frage, wie sie auf eine Einladung zu einer Zusammenkunft mit Alba reagieren sollten, entzweien sich Oranien und Egmont. Oranien will einem solchen Angebot auf keinen Fall nachkommen, während Egmont entschlossen ist, Alba mit offenem Visier entgegenzutreten. Beim Abschied der beiden bricht Oranien in Tränen aus: Er hält Egmont für verloren.

Der Regentin droht Machtverlust

Margarete unterhält sich abermals mit ihrem Ratgeber Machiavell. Sie hat einen Brief ihres Bruders, Philipps II., erhalten, in dem dieser die Ankunft eines Heers unter Führung des Herzogs von Alba ankündigt – wie von Oranien vorhergesagt. Machiavell sieht dadurch die Stellung der Regentin noch nicht gefährdet. Diese aber erkennt darin die Vorzeichen für ihre bevorstehende Entmachtung.

„Du denkst gering vom Könige und verächtlich von seinen Räthen (...)“ (Alba zu Egmont, S. 124)

In Clärchens Wohnung rät die Mutter ihrer Tochter ein weiteres Mal, den Verehrer Brackenburg nicht zu verschmähen. Der hat sich offenbar doch nicht das Leben genommen, ahnt aber bereits (glaubt die Mutter), dass Clärchen ein Verhältnis mit Egmont hat. Schließlich unterbricht Egmont selbst die Unterhaltung der beiden Frauen. Clärchen wirft sich ihm voller Leidenschaft in die Arme. Später vertraut er ihr Details über sein Gespräch mit der Regentin an. Sein Zwiespalt: Einerseits versteht er sich mit der Regentin, andererseits ruhen die Freiheitshoffnungen des Volkes auf ihm.

Böse Vorzeichen

Jetter und der Zimmermeister besprechen die Lage in Flandern. Sie trauen sich kaum, offen zu reden, denn unmittelbar nach seiner Ankunft hat es der Herzog von Alba bereits bei Höchststrafe untersagt, über Politik zu reden. Im weiteren Gespräch – der aufwieglerische Schreiber Vansen tritt erneut hinzu – werden vorsichtig Vermutungen bezüglich Egmonts Schicksal geäußert. Vansen sieht schwarz für den Grafen, und Jetter mutmaßt, dass selbst privilegierte Bürger wie er schon bald auf dem Schafott enden könnten.

„Süßes Leben! Schöne freundliche Gewohnheit des Daseyns und Wirkens! Von dir soll ich scheiden!“ (Egmont, S. 153)

In einem Palast unterhalten sich Albas Schergen Silva und Gomez. Der Herzog hat ihnen Anweisungen gegeben, deren Sinn sie nicht recht erkennen. Ferdinand, Albas Sohn, tritt hinzu und unterrichtet sie von der bevorstehenden Ankunft der beiden niederländischen Fürsten Oranien und Egmont. Schließlich betritt der Herzog von Alba selbst die Szenerie und gibt Silva und Gomez weitere Instruktionen. Jetzt verstehen sie: Er will die Fürsten gefangen nehmen.

„Es glaubt der Mensch sein Leben zu leiten, sich selbst zu führen; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach seinem Schicksale gezogen.“ (Egmont, S. 155)

Ferdinand, noch ahnungslos, schwärmt seinem Vater vom Grafen von Egmont vor, dem er kurz zuvor begegnet ist. Alba weiht ihn daraufhin in die geplante Gefangennahme ein. Ferdinand stimmt schweren Herzens zu. Da trifft ein Brief von Oranien ein, in dem dieser im letzten Moment sein Fernbleiben von der Zusammenkunft entschuldigt. Kurz danach wird das Eintreffen Egmonts im Palast vermeldet.

Freiheit oder Ordnung?

Jetzt treffen Egmont und Alba aufeinander. Freundlich, aber bestimmt kritisiert Egmont den Einmarsch des spanischen Heeres und die drakonischen Maßnahmen, die Alba „zur Befriedung“ der Niederlanden erlassen hat. Alba wirft dem Grafen vor, die aufrührerischen Tendenzen zwar öffentlich zu missbilligen, hinter seinem Rücken aber zu befürworten.

„Es blinken Schwerter; Freunde, höh’ren Muth! Im Rücken habt ihr Eltern, Weiber, Kinder! (...) Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich euch ein Beyspiel gebe.“ (Egmont, S. 160)

Der Tonfall des Gesprächs wird schärfer, die Unvereinbarkeit der Ansichten immer offensichtlicher. Egmont hält die Freiheit des Volkes und die damit verbundene Verantwortlichkeit der Potentaten für ein unverzichtbares Gut, während Alba, ein bedingungsloser Vertreter des absolutistischen Herrschaftsprinzips, den Machthabern uneingeschränkte Führungs- und Verfügungsgewalt zumisst. Alba argumentiert heuchlerisch weiter, wissend, dass Egmonts Schicksal längst besiegelt ist. Schließlich wirft er dem Grafen Geringschätzung des Königs und offenen Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Egmont sagt, er habe nichts mehr anzufügen, und will den Saal verlassen – da nehmen ihn Albas Schergen unter Arrest.

Clärchens Opferbereitschaft

Clärchen hat von der Festnahme ihres Geliebten gehört. Sie ruft die Brüsseler Bürger dazu auf, Egmont zu befreien – vergeblich. Verängstigt von dem strengen Regiment Albas weichen die Bürger zurück und lassen sie allein. Brackenburg bittet Clärchen, Vernunft anzunehmen, aber sie ist außer sich. Er bestärkt sie in ihrer Verzweiflung; beide glauben nicht mehr, dass sich Egmonts Tod noch abwenden lässt. Clärchen greift zu dem Giftfläschchen, mit dem ihr Brackenburg mehrmals seinen Selbstmord angedroht hat, und trinkt es. Brackenburg ist untröstlich, wagt aber dennoch nicht, ihr in den Tod zu folgen.

Im Kerker findet Egmont keinen Schlaf. Noch sträubt er sich gegen sein Schicksal; er hofft, dass ihn sein Volk, angeführt von Oranien, befreien wird.

Ein heldenhafter Tod

In Ferdinands Gegenwart erhält Egmont von Silva die Nachricht von seinem Todesurteil. Als die Schergen abziehen, bleibt Ferdinand in Egmonts Zelle, und beichtet ihm seine Verzweiflung und seine Scham über den Verrat. Dabei entpuppt er sich als Seelenverwandter Egmonts. Egmont fleht Ferdinand an, ihn zu retten, aber dieser überzeugt ihn von der Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens. Überdies muss Egmont von Ferdinand erfahren, dass auch sein Schreiber Richard wegen Hochverrats verurteilt und bereits enthauptet worden ist. Eine leidenschaftliche Abschiedsszene folgt.

Jetzt, wo sein Tod gewiss ist, kann Egmont endlich schlafen. Träumend hat er eine Vision: Die personifizierte Freiheit, auf einer Wolke ruhend, neigt sich ihm zu. Sie trägt Clärchens Züge und bestärkt ihn in der Ahnung, dass sein Tod letztlich zur Befreiung der Provinzen führen wird. Die Freiheit hält einen Lorbeerkranz über seinem Haupt.

Schließlich wird Egmont durch den Trommelwirbel geweckt. Stolz schreitet er seiner Hinrichtung entgegen und fordert sein Volk auf, es ihm gleichzutun: Um „ihr Liebstes“ zu erretten, sollen sie freudig fallen.

Zum Text

Aufbau und Stil

In der Sekundärliteratur finden sich höchst unterschiedliche Meinungen zum Egmont: Während manche dem Stück einen zerrissenen Stil vorwerfen, loben andere seine große sprachliche Kraft. Goethe gelingt es, die einfache Sprache des Volkes und die Rhetorik der Machthaber effektvoll zu verdichten und seine Protagonisten dadurch zu charakterisieren. Das hält das Drama auch dort lebendig, wo die Sympathien allzu einseitig verteilt sind, wo der Aufbau statisch wirkt und der Spannungsverlauf abzusacken droht. Das in fünf Akte mit jeweils zwei bis vier Szenen gegliederte Stück ist in Prosa geschrieben. Während sich die höfischen Figuren sehr gewählt ausdrücken und Goethes Sprache in diesen Szenen klassisch wirkt, bedienen sich die Vertreter des einfachen Volks einer plastischen, schlichten, zuweilen derben Sprache. Auch lyrische Passagen finden sich in dem Stück, etwa wenn Clärchen oder Egmont über ihre Lage sinnieren. Diese sprachliche Vielfalt spiegelt die Entstehungsgeschichte des Dramas, die sich über zwölf Jahre hinzog: vom jungen Goethe der Sturm-und-Drang-Zeit bis hin zum Dichterfürsten der klassischen Epoche. Neben der Haupthandlung enthält das Stück zwei Nebenhandlungen: die leidenschaftliche, durch keine irdische Gewalt zu irritierende Liebesbeziehung zwischen Egmont und Clärchen sowie die Verbrüderung von Egmont und Albas Sohn Ferdinand.

Interpretationsansätze

  • Aufgrund der Dominanz der Hauptfigur ist das Stück – entgegen Goethes Absicht – eher ein Charakterdrama als eine Auseinandersetzung mit der Geschichte. Dabei hatte sich der Dichter nach dem überragenden Erfolg seines Götz von Berlichingen, in dem demonstriert wird, wie „ein tüchtiger Mann untergeht“, beim Egmont ein etwas anderes Ziel gesetzt: Er wollte zeigen, wie sich „festgegründete Zustände (...) vor strenger, gut berechneter Despotie nicht halten können“ (so Goethe in seiner Autobiografie Dichtung und Wahrheit).
  • Mit der Wahl der Gegenspieler Egmont und Alba sind Gut und Böse klar definiert. Die einzige direkte Konfrontation der beiden Kontrahenten lässt darum kaum Spannung aufkommen, steht doch der Ausgang der Unterredung bereits von vornherein fest.
  • Deutlich differenzierter gezeichnet sind die charakterlichen Unterschiede im „Fernduell“ zwischen Egmont und Margarete, der zögerlichen, eher passiv agierenden spanischen Regentin. Bei aller Verschiedenheit sind sich beide als Verfechter einer maßvoll und verantwortlich eingesetzten Staatsgewalt grundsätzlich gewogen.
  • Ebenso vermag Egmonts Auseinandersetzung mit Wilhelm von Oranien Spannung zu erzeugen. Oraniens vernunftbetonter Charakter und seine allgegenwärtige diplomatische Vorsicht erscheinen als respektable Haltung, die jener Egmonts ebenbürtig ist. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden angesichts der drohenden Ankunft von Albas Heer ist vielleicht der eigentliche dramatische Höhepunkt des Trauerspiels.
  • Äußerst kraftvoll in sprachlicher wie inhaltlicher Hinsicht gelingt Goethe die Darstellung des Volks bzw. dessen Reaktion auf politische Veränderungen. Die Volksszenen, oft am Anfang der einzelnen Akte, beleuchten auf dynamische Weise das wechselhafte Verhältnis der Untertanen zu ihren Herrschern.
  • Inhaltliche Kritikpunkte, wie Schillers auf die Figur des Egmont gerichtete Frage: „Was tut er eigentlich Großes?“, sind schwer zugunsten Goethes zu kontern. Ob der Autor das Stück als politische Deklaration verstanden haben wollte, bleibt strittig.

Historischer Hintergrund

Die Niederlande unter spanischer Herrschaft

Der Hintergrund des Egmont sind die Unruhen in den spanisch besetzten Niederlanden im 16. Jahrhundert. Als eine der schillerndsten Figuren dieser Epoche hat sich der Graf Lamoral von Egmond (bei Goethe „Heinrich von Egmont“), Herr über die Provinzen Artois und Flandern, bereits unter dem spanischen König Karl V. verdient gemacht. So siegte das spanisch-niederländische Heer im August 1557 und im Juli 1558 mit seiner Unterstützung über die Franzosen. Trotz seiner militärischen Verdienste und großen Popularität bei seinen Landsleuten wurde er von Karls Nachfolger Philipp II. nicht berücksichtigt, als es die Regentschaft der Niederlande zu besetzen galt. Stattdessen ernannte Philipp seine Halbschwester Margarete von Parma 1559 zur Herrscherin über die Niederlande. Sie wandte sich gegen die Stationierung spanischer Truppen und gegen die Übernahme der rigiden Inquisitions- und Ketzergesetze, konnte aber dennoch weder die volle Gunst der niederländischen Fürsten noch jene des Volks gewinnen. Während des Aufruhrs in den Provinzen im Jahr 1566 stellte sich Egmond an ihre Seite, indem er sich aktiv für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung einsetzte. Philipp II. hingegen nutzte den Aufruhr, um unter der Führung des Herzogs von Alba ein Heer in die niederländischen Provinzen zu schicken und diese erneut zu besetzen.

Mit einem Stapel von unterzeichneten Todesurteilen erreichte Alba Brüssel Ende August des Jahres 1567 und beraumte kurz darauf eine Zusammenkunft mit den Fürsten Egmond und Wilhelm von Oranien an. Im Gegensatz zu Egmond misstraute Wilhelm Alba und fand sich nicht zu der Zusammenkunft ein. Am 9. September ließ Alba Egmond verhaften. Nach monatelanger Gefangenschaft wurde er am 2. Juni 1568 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und drei Tage später auf dem Brüsseler Marktplatz enthauptet.

Entstehung

Das Material für Egmont schöpfte Goethe vor allem aus zwei Quellen: zum einen aus einer Darstellung des niederländischen Geschichtsschreibers Emanuel van Meteren aus dem 16. Jahrhundert namens Historia, Oder Eigentlich und warhaffte Beschreibung aller fürnehmen Kriegshändel / Gedenckwürdigen Geschichten und Thaten / so sich in Niderlandt (...) zugetragen haben. Van Meterens Opus hatte, im Rahmen seiner Gattung, überraschenden Erfolg. Es wurde im Lauf der Jahrhunderte mehrfach aufgelegt und erweitert und war zu Goethes Zeit auch in deutscher Übersetzung erhältlich. Die zweite Quelle, De Bello Belgico des Jesuiten Famianus Strada, erschienen 1640. Das Studium beider Quellen bot Goethe den Vorteil, die historischen Begebenheiten aus zwei verschiedenen Perspektiven mit grundsätzlich gegensätzlichen Ansichten, geschildert zu bekommen.

Die ersten Aufzeichnungen Goethes zu Egmont reichen bis in das Jahr 1775 zurück. Versuche, das Stück zu vollenden, fanden in den Jahren 1778 und 1779 sowie 1782 statt und bezeugen Goethes Kampf mit dem historischen Stoff. Erst 1787 anlässlich der Arbeit an seiner Gesamtausgabe in Italien gelang die Fertigstellung des Stücks. Am 4. August schrieb er an Charlotte von Stein: „Gestern nach Sonnenuntergang (...) war ich in der Villa Borghese (...). Auf eben dem Spaziergange machte ich Anstalten, Egmont zu endigen. Wenn ich drankomme, geht es geschwind.“ Im September schließlich fand das Stück seinen Platz im fünften Band von Goethes Werken. Neben dieser Ausgabe wollte Goethe Egmont auch als Einzelwerk verlegt wissen, und so erschien das Drama im Frühjahr des kommenden Jahres in Leipzig.

Wirkungsgeschichte

Von einem sehr prominenten, anonym auftretenden Kritiker wurde Egmont in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung rezensiert: In einem ausführlichen Artikel ordnete Friedrich Schiller das Trauerspiel der Kategorie „Charaktertragödie“ zu. Seiner Ansicht nach fehlt es dem Stück an Handlungen, Situationen und Leidenschaften, die Trauerspiele im Allgemeinen antreiben. Schiller, von Egmont künstlerisch gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen, arbeitete Goethes Werk nach eigenen Vorgaben für das Theater um, was jener wohl eher duldete als billigte. Die Literaturwissenschaft hat den zwischen Charaktertragödie und Geschichtsdrama hin- und herwogenden Kategorienstreit gerne aufgenommen, aber kaum auflösen können.

Herausragend in der Wirkungsgeschichte des Egmont ist Ludwig van Beethovens gleichnamige Bühnenmusik, die 1810 uraufgeführt wurde.

Über den Autor

Johann Wolfgang von Goethe wird am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren und wächst in einer gesellschaftlich angesehenen und wohlhabenden Familie auf. Nach dem Privatunterricht im Elternhaus nimmt der 16-Jährige auf Wunsch seines Vaters ein Jurastudium in Leipzig auf, das er 1770 in Straßburg mit dem Lizentiat beendet. Dort macht er die Bekanntschaft von Johann Gottfried Herder und verfasst erste Gedichte. In Frankfurt eröffnet Goethe eine Kanzlei, widmet sich aber vermehrt seiner Dichtung. 1773 publiziert er das Drama Götz von Berlichingen, ein Jahr später den Briefroman Die Leiden des jungen Werther; beide Werke machen ihn berühmt. 1775 bittet ihn der Herzog Carl August nach Weimar; Goethe macht dort eine schnelle Karriere als Staatsbeamter. Nach zehn Jahren Pflichterfüllung am Hof reist er 1786 nach Italien. Diese „italienische Reise“ markiert einen Neuanfang für sein Werk. 1788 kehrt Goethe nach Weimar zurück, veröffentlicht sein Drama Egmont und lernt Christiane Vulpius kennen, mit der er bis zur Heirat 1806 in „wilder Ehe“ zusammenlebt. Nach anfänglichen Differenzen freundet er sich 1794 mit Friedrich Schiller an, in dessen Zeitschrift Die Horen Goethe mehrere Gedichte veröffentlicht. Die beiden Dichter verbindet fortan eine enge Freundschaft, auf der die Weimarer Klassik und ihr an der griechischen Antike orientiertes Welt- und Menschenbild aufbaut. Als „Universalgenie“ zeigt sich Goethe an vielen Wissenschaften interessiert: Er ist Maler, entwickelt eine Farbenlehre, stellt zoologische, mineralogische und botanische Forschungen an, wobei er die Theorie einer „Urpflanze“ entwickelt. 1796 erscheint der Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1808 das Drama Faust I und 1809 der Roman Die Wahlverwandtschaften. Ab 1811 arbeitet Goethe an seiner Autobiografie Dichtung und Wahrheit. Kurz vor seinem Tod vollendet er Faust II. Am 22. März 1832 stirbt er im Alter von 83 Jahren in Weimar. Er gilt bis zum heutigen Tag als der wichtigste Dichter der deutschen Literatur. Sein lyrisches Werk, seine Dramen und Romane liegen als Übersetzungen in allen Weltsprachen vor.

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