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Emilia Galotti

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Emilia Galotti

Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ein Ehrenmord auf Verlangen der Tochter: Emilia Galotti lässt bis heute viele Fragen offen.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Aufklärung

Worum es geht

Tochtermord im Namen der Tugend

Lessings Tragödie Emilia Galotti, 1772 im Auftrag eines Herzogs entstanden, prangert die Herrschaft der absolutistischen Fürsten an: Prinz Hettore, nur mäßig an der Staatsführung interessiert und gewohnt, alles zu bekommen, wonach er begehrt, nutzt seine Machtposition, um ins Privatleben seiner Untertanen einzugreifen. Gemeinsam mit seinem Höfling Marinelli will er die bereits verlobte Emilia Galotti zu seiner Geliebten machen. Der Versuch endet mit einem toten Bräutigam und einer entführten Braut, die ebenfalls sterben wird: von der Hand ihres Vaters, auf ihren eigenen Wunsch, im Namen der Tugend. Das Stück ist einerseits völlig durchkomponiert, jede Aktion hat einen Grund und eine Folge, sodass der Romantiker Friedrich Schlegel ihm sogar eine „dramatische Algebra“ zusprach. Andererseits lässt es in seinen Andeutungen, Leerstellen, Lügen und Intrigen so vieles offen, dass es bis heute immer wieder zu Inszenierungen und Interpretationen herausgefordert hat.

Take-aways

  • Emilia Galotti ist ein Trauerspiel von Gotthold Ephraim Lessing, dem wichtigsten Schriftsteller der deutschen Aufklärung.
  • Inhalt: Prinz Hettore hat sich in die bürgerliche Emilia verliebt, diese aber soll einen Grafen heiraten. Hettores Kammerherr Marinelli versucht, diese Hochzeit zu verhindern: Er lässt die Braut entführen; dabei kommt der Bräutigam ums Leben. Weil Emilia den Tugendvorstellungen ihres Vaters nicht zu genügen glaubt, tötet dieser sie auf ihren eigenen Wunsch.
  • Die Handlung spielt innerhalb eines einzigen Tages.
  • In dem Stück wird die absolutistische Herrschaft, die selbst auf das Privatleben der Untertanen zugreift, kritisiert.
  • Dem lasterhaften Adel steht das an moralischen Werten orientierte Bürgertum gegenüber. Die Bürger revoltieren aber nicht, sondern zerstören sich selbst.
  • Emilia Galotti entstand 1772 als Auftragsarbeit für einen Herzog.
  • Aus Angst vor einem Skandal im höfischen Publikum blieb Lessing der Uraufführung fern. Die Angst war unbegründet.
  • Anders als vorher üblich stehen bei dieser Tragödie bürgerliche, nicht adlige Figuren im Zentrum, weshalb
    Emilia Galotti als „bürgerliches Trauerspiel“ bezeichnet wird.
  • Der Stoff geht auf eine Episode aus der Geschichtsschreibung des Römers Titus Livius zurück.
  • Zitat: „Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert.“

Zusammenfassung

Ein verliebter Prinz

Der Prinz von Guastalla, Hettore Gonzaga, überfliegt seine Post: nichts als Beschwerden und Bittbriefe. Plötzlich stößt er in einem Brief auf den Namen Emilia Bruneschi. Allein wegen des Vornamens gibt er der hohen Geldforderung statt, die die Frau erbittet, denn seit Tagen geht ihm eine andere Emilia, eine gewisse Emilia Galotti, nicht mehr aus dem Kopf. Die Konzentration des Prinzen ist dahin. Er möchte ausfahren und lässt nach seinem Kammerherrn Marinelli schicken. Inzwischen bringt ein Bediensteter ihm einen Brief der Gräfin Orsina, die bis vor Kurzem die Geliebte des Prinzen war. Der Prinz ist ihrer so überdrüssig, dass er den Brief nicht einmal öffnet. Danach erscheint der Maler Conti mit einem Porträt der Gräfin. Auch dieses interessiert den Prinzen jetzt nicht mehr. Conti hat noch ein anderes Porträt dabei, zufällig jenes von Emilia Galotti. Der Prinz ist tief bewegt. Er hat Emilia einige Wochen zuvor auf einer Abendgesellschaft kennen gelernt, wo sie mit ihrer Mutter Claudia war. Ihren Vater Odoardo allerdings sieht er als seinen Feind, denn dieser hat sich bestimmten Gebietsansprüchen des Prinzen vehement widersetzt.

Widrige Umstände

Als Marinelli endlich erscheint, hat der Prinz keine Lust mehr, auszufahren. Auf seine Frage nach Neuigkeiten antwortet der Kammerherr, Gräfin Orsina sei in Guastalla. Der Prinz hat Orsina gegenüber behauptet, seine bevorstehende, rein politisch motivierte Heirat mit der Prinzessin von Massa verlange, dass er die Beziehung zur Gräfin abbreche. Doch Orsina weiß laut Marinelli, dass eine solche Ehefrau kein Hindernis für eine Geliebte ist. Sie fürchtet aber, einer neuen Geliebten weichen zu müssen. Das streitet der Prinz denn auch nicht ab. Er zeigt wenig Mitleid mit der Gräfin, deren Zustand laut Marinelli besorgniserregend ist, seit der Prinz sich von ihr abgewendet hat. Marinelli erzählt, sie flüchte sich ins Lesen und das werde sie vollends den Verstand kosten – den sie im Übrigen wohl auch ohne ihre Liebesnöte verloren hätte, bemerkt der Prinz. Er fragt Marinelli nach weiteren Neuigkeiten aus der Stadt. Da sei nichts außer der noch an diesem Tag anstehenden Hochzeit des Grafen Appiani. Er heirate eine Bürgerliche, weshalb er sich mit seiner künftigen Frau auf sein Landgut zurückziehen wolle, denn sein Ruf sei dann ohnehin ruiniert. Seine Zukünftige sei Emilia Galotti. Der Prinz ist außer sich und gesteht Marinelli, dass er ebendiese Emilia liebt. Er ist verzweifelt, die Lage scheint aussichtslos – doch Marinelli bietet ihm an, das Unmögliche für ihn zu versuchen. Er solle ihm nur freie Hand lassen. Marinelli schickt den Prinzen aus der Stadt weg, auf dessen Lustschloss nach Dosalo. Er will versuchen, den Grafen Appiani zu einem Gesandten des Prinzen zu machen, unter der Bedingung, dass er noch am selben Tag nach Massa abreise. So soll die Hochzeit verhindert werden.

Begegnung in der Kirche

Indessen sinnt der Prinz selbst auf Auswege, und ihm fällt ein, dass Emilia zu dieser Stunde oft in der Kirche ist. Er will nachsehen, ob sie selbst an ihrem Hochzeitstag dort ist, und versuchen, sie zu sprechen. In seiner Erregung sind ihm seine Amtsgeschäfte völlig gleichgültig. Einer seiner Räte kommt mit einem Todesurteil, das der Prinz unbesehen „recht gern“ unterzeichnen will. Der Rat ist so schockiert, dass er vorgibt, die Urkunde vergessen zu haben.

„Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles? Kann sein, ich habe sie auch wirklich geliebt. Aber – ich habe!“ (der Prinz über Gräfin Orsina, S. 10)

Inzwischen erfährt Odoardo Galotti, Emilias Vater, von seiner Frau Claudia, dass der Prinz auf der Abendgesellschaft einige Wochen zuvor mit Emilia gesprochen hat und offensichtlich von ihr hingerissen war. Während Claudia stolz darauf ist, zeigt sich Odoardo entsetzt: Er hält den Prinzen für einen abgebrühten Lüstling und die Nähe zu seinem Hof für gefährlich. Am liebsten wäre ihm, Emilia und Claudia hätten gar nicht in der Stadt gelebt, sondern bei ihm auf dem Landgut. Dorthin reitet er zurück, kurz bevor Emilia aus der Messe heimkehrt. Sie erscheint in aufgewühltem Zustand und berichtet ihrer Mutter, dass ihr jemand in der Kirche, hinter ihr sitzend, ein beschwörendes Liebesgeständnis ins Ohr geflüstert hat. Und als sie sich am Ende der Messe umdrehen konnte, sah sie den Prinzen. Sie wollte fliehen, aber im Vorraum der Kirche fasste er sie bei der Hand. Von da an, sagt sie, lasse ihr Gedächtnis sie im Stich: Sie wisse nur noch, dass er gesprochen und sie ihm geantwortet habe, aber nicht mehr, was. Claudia beruhigt Emilia: Das Ganze sei so folgenlos wie ein Traum, schließlich heirate sie heute. Außerdem redet sie ihr aus, Graf Appiani davon zu erzählen.

„Gleichwohl hat mich dieses noch sehr unzufrieden mit mir gelassen. – Und doch bin ich wiederum sehr zufrieden mit meiner Unzufriedenheit mit mir selbst.“ (Maler Conti über sein Bild, S. 14)

Dieser kommt zu einem kurzen Besuch bei Emilia vorbei. Er ist ungewöhnlich ernst. Emilia erwähnt, dass sie dreimal von ihrem Hochzeitsschmuck geträumt habe, einem Geschenk des Grafen, und dass jeder Stein sich in eine Perle, das Symbol für Tränen, verwandelt habe. Der Graf reagiert schwermütig auf dieses Bild. Er zeigt sich Claudia gegenüber in düsterer Stimmung – viel könne noch passieren vor der Hochzeit, er habe gar nicht das Gefühl, kurz vor dem Ziel zu sein. Außerdem ärgert ihn, dass seine Freunde meinen, er solle dem Prinzen seine Heirat ankündigen, aus Respekt. Dennoch hat er es ihnen versprochen.

Ein teuflischer Plan

Marinelli taucht auf und möchte den Grafen sprechen. Wie vereinbart trägt er ihm vor, dass der Prinz ihn dazu auserwählt habe, als Gesandter nach Massa zu gehen. Appiani fühlt sich geehrt und nimmt an – bis er erfährt, dass er noch am selben Tag abreisen müsse. So lehnt er seiner eigenen Hochzeit wegen ab. Als Marinelli weiter versucht, ihn zu überreden, wird Appiani so wütend, dass er Marinelli als Affen bezeichnet. Dieser fordert ihn zum Duell – Appiani will es auch sofort austragen, aber Marinelli reißt sich los. Immerhin muss Appiani nun dem Prinzen keine Meldung seiner Hochzeit mehr machen.

„Wollen Sie mir freie Hand lassen, Prinz? Wollen Sie alles genehmigen, was ich tue?“ (Marinelli, S. 22)

Als Marinelli dem Prinzen Bericht erstattet, stellt er die Sachlage so dar, als hätte Appiani das Duell auf einen Zeitpunkt nach seiner Vermählung verschoben und als hätte Marinelli sich ohne Zögern geopfert, um dem Prinzen mehr Handlungsspielraum zu verschaffen. Doch selbst damit kann er dem frustrierten Prinzen kaum Dankbarkeit entlocken. Dieser erzählt, er habe Emilia in der Kirche gesprochen, und sie sei seinem Verlangen durchaus entgegengekommen. Marinelli schlägt als letzte Möglichkeit vor, die Hochzeitskutsche zu überfallen und die Braut zu entführen – ein allerdings riskantes Unterfangen mit ungewissem Ausgang. Der Plan ist, dass in der Nähe von Dosalo ein Raubüberfall vorgetäuscht wird und kurz darauf ebenfalls von Marinelli abgestellte Leute als Retter herbeieilen. Diese sollen Emilia ins Schloss des Prinzen bringen. Während Marinelli noch davon spricht, wird der Plan bereits in die Tat umgesetzt: Marinelli hat schon alles eingeleitet, es sind Schüsse zu hören.

Im Lustschloss

Der Betrüger Angelo erstattet Marinelli Bericht: Es kam zu einem Schusswechsel zwischen Graf Appiani und einem der vermeintlichen Räuber; Letzterer ist tot, Graf Appiani ist schwer verwundet und wird in die Stadt zurückgefahren – Angelo bezweifelt allerdings, dass er dort noch lebend ankommt. Inzwischen hat der Prinz gesehen, dass Emilia auf sein Schloss zueilt. Bedenken überkommen ihn. Er gesteht Marinelli, dass sie vorhin in der Kirche nicht ein Wort auf seine vielen Schmeicheleien erwidert habe: Sie sei nur zitternd dagestanden. Marinelli empfängt Emilia zunächst allein. Sie ist dankbar für ihre Rettung, aber zugleich in großer Sorge um ihre Mutter und den Grafen. Sie weiß nicht, wo sie sich befindet – erst Marinelli sagt es ihr. Dann kommt der Prinz hinzu. Sie solle nur zunächst mit ihm kommen und sich in angenehmeren Gemächern von ihrem Schrecken erholen.

Mordverdacht

Marinelli will die beiden allein lassen. doch kurz darauf kommt Claudia und ruft nach ihrer Tochter. Sie schöpft sogleich Misstrauen, als sie Marinelli sieht: Das letzte Wort des sterbenden Grafen sei „Marinelli“ gewesen, in einem unbeschreiblichen Tonfall. Sie vermutet schnell, dass der Raubüberfall in Wirklichkeit ein Auftragsmord war, allerdings geht sie zunächst noch davon aus, dass es allein um die Auseinandersetzung zwischen Marinelli und Appiani vom Vormittag ging. Als sie aber erfährt, dass sich der Prinz um Emilia kümmert, ist ihr alles klar. Sie bezichtigt Marinelli des feigen Mordes. Emilia hört die Stimme der Mutter, ruft nach ihr, und Claudia geht zu ihrer Tochter. Diese sinkt ihr ohnmächtig entgegen.

„Ein Wollüstling, der bewundert, begehrt.“ (Odoardo über den Prinzen, S. 31)

Der Prinz erfährt von Marinelli, dass Appiani tot ist. Er bestreitet, das gewollt zu haben, und Marinelli behauptet, er habe es nicht geplant. Der Prinz fürchtet aber vor allem, dass nach außen der Eindruck eines Auftragsmordes entstehen könnte, bei dem er der Urheber sei. Deshalb, so wirft er Marinelli vor, nütze ihm der Tod des Grafen gar nichts – gegen ein hilfreiches Verbrechen hätte er dagegen nichts einzuwenden gehabt. Marinelli meint, der Prinz habe sich das selbst zuzuschreiben: Er habe Emilia am Morgen in der Kirche gesprochen, und seither wüssten sie und ihre Mutter von der Liebe des Prinzen. Der Mordverdacht dränge sich nun auf.

Die gekränkte Exgeliebte

Gräfin Orsina wird angekündigt. Der Prinz möchte sie auf keinen Fall sehen und trägt Marinelli auf, sie wegzuschicken. Im Gespräch mit ihr erfährt Marinelli, dass sie erschienen ist, weil sie den Grafen in ihrem Schreiben um ein Treffen in Dosalo gebeten hat. Als sie erfährt, dass der Prinz den Brief nicht einmal gelesen hat, ist sie sehr gekränkt. Sie stellt ausführliche Betrachtungen über die Gleichgültigkeit an, in die sich die Liebe des Prinzen verwandelt hat – Marinelli kann ihr nicht folgen und hält sie deshalb für verrückt, lobt sie aber als Philosophin. Orsina wirft sich vor, dem Prinzen ihre philosophischen Gedanken nicht besser verheimlicht zu haben, denn damit machten sich Frauen für Männer sofort unattraktiv. Die Gräfin lässt sich nicht abwimmeln, und so erscheint der Prinz kurz, nur um ihr zu sagen, ihr Besuch komme sehr ungelegen; er habe zu tun und sei nicht allein. Orsina kommt es vor, als hätte er einen Bettler abgewiesen. Von Marinelli erfährt sie schließlich, wer beim Prinzen ist. Dass Emilias Bräutigam tot ist, hat sie auf ihrem Weg nach Dosalo selbst mitbekommen: Sie begegnete dem Wagen mit seinem Leichnam. Laut bezeichnet sie nun den Prinzen als Mörder. Man hat ihr nämlich auch zugetragen, was am Morgen in der Kirche geschah.

„(...) noch Einen Schritt vom Ziele, oder noch gar nicht ausgelaufen sein, ist im Grunde eines.“ (Graf Appiani über seine bevorstehende Hochzeit, S. 38)

Odoardo Galotti kommt hinzu. Marinelli geht, um Odoardo beim Prinzen zu melden, und lässt ihn mit Orsina allein – nicht ohne ihn vorher zu warnen, dass die Gräfin wahnsinnig sei. Orsina prophezeit Odoardo, dass sie ihn mit ihrem Wissen um den Verstand bringen könne. Zunächst erzählt sie ihm, dass Appiani tot ist und nicht nur verwundet, wie Odoardo bislang dachte. Dann erfährt er, dass der Prinz Emilia am Morgen in der Messe gesprochen hat – und den Rest solle er sich nun denken. Vielleicht habe seine Tochter sogar freiwillig mitgemacht und alles sei mit ihr abgesprochen gewesen. Das bestreitet Odoardo vehement. Instinktiv tastet er nach einer Waffe, aber er hat keine dabei. Orsina versteht und gibt ihm ihren Dolch.

Tochtermord

Als Odoardo auf den Prinzen trifft, kündigt er an, seine Tochter in ein Kloster geben zu wollen. Marinelli gibt zu bedenken, man werde Emilia zu dem Vorfall vernehmen müssen, und deshalb müsse sie in der Stadt bleiben. Er geht noch weiter: Damit die Untersuchungen korrekt abliefen, müssten wohl auch Emilias Eltern verhört werden, und die Form des Verhörs erfordere es, die drei zunächst zu trennen. Emilia werde eine „besondere Verwahrung“ zukommen. Bei diesen Worten tastet Odoardo nach dem Dolch. Der Prinz präzisiert: Sie solle in dem Haus unterkommen, wo sie den Prinzen kennen gelernt habe. Odoardo wäre gar ein Kerker für Emilia lieber. Aber er erklärt sich mit allem einverstanden, wenn er nur seine Tochter jetzt sprechen könne. Er findet sie überraschend ruhig, selbst dann, als er ihr Appianis Tod bestätigt. Er stellt sie auf die Probe und ist erleichtert, als er hört, dass sie vom Schloss fliehen will. Darauf zeigt er ihr den Dolch: Gerade im Gespräch mit dem Prinzen und Marinelli habe er noch einen von beiden töten wollen. Emilia fordert ihn auf, stattdessen ihr die Waffe zu geben. Denn ihre Unschuld sei leider nicht völlig über die Verführungskünste des Prinzen erhaben: Sie sei jung, fühle die Sinnlichkeit, und nur eine Stunde in Gegenwart des Prinzen habe sie damals bei ihrem Kennenlernen in argen seelischen Aufruhr gebracht. Sie fordert Odoardo nochmals auf, ihr den Dolch zu geben. Dies tut er auch, nimmt ihn aber schnell wieder an sich, als sie sich wirklich anschickt, ihn sich in die Brust zu stoßen. Sie könne den hohen Anforderungen ihres Vaters nicht genügen, sagt Emilia. Sie fordert ihn auf, sie zu töten, damit ihre Ehre gerettet sei – er tut es und stößt ihr den Dolch ins Herz. Sterbend küsst sie ihm die Hand.

„Sie kam meinem Verlangen, mehr als halbes Weges, entgegen. Ich hätte sie nur gleich mitnehmen dürfen.“ (der Prinz über Emilia, S. 45)

Der Prinz und Marinelli kommen hinzu. Odoardo will sich selbst ins Gefängnis einliefern und den Prinzen als Richter erwarten – um dann vor Gott, den letzten Richter, zu treten, der auch über den Prinzen urteilen wird. Der entsetzte Prinz gibt schließlich Marinelli die Schuld an allem.

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Aufbau und Stil

Das Trauerspiel Emilia Galotti folgt der Struktur des antiken Dramas: Es besteht aus fünf Akten, die einen typischen Aufbau haben. So stellt etwa der dritte Akt, in dem Emilia ins Lustschloss des Prinzen gelangt, den Wendepunkt der Geschichte dar, während der fünfte in eine Katastrophe mündet. Von den vorgeschriebenen drei Einheiten, jener der Zeit, des Schauplatzes und der Handlung, befolgt es zwei allerdings nicht: Das Stück spielt an verschiedenen Schauplätzen und hat mit Gräfin Orsina auch eine Nebenhandlung. Eingehalten wird aber die Einheit der Zeit: Das ganze Geschehen spielt sich an weniger als einem Tag ab: Der Prinz, der von Emilias Hochzeit am selben Tag erfährt, wie sie auch stattfinden soll, steht unter enormem Zeitdruck. Die Sprache der Dialoge bildet die heftigen Gefühle der Figuren ab, mit vielen unvollständigen Sätzen, Wiederholungen, Fragen und Ausrufen. Häufig wird dramatisches Geschehen nur erzählt, nicht aber auf der Bühne gezeigt – etwa die Begegnung zwischen dem Prinzen und Emilia in der Kirche –, und man muss sich aus mehreren subjektiven Schilderungen zusammenreimen, was tatsächlich passiert ist. Der Leser muss Lügen durchschauen und Ungesagtes ergänzen. Die Sprache dient in dieser Tragödie nicht der Klarheit, sondern überwiegend der Täuschung und Machtausübung.

Interpretationsansätze

  • Emilia Galotti wird als bürgerliches Trauerspiel bezeichnet – allein wegen der Tatsache, dass Figuren aus dem Bürgertum darin tragende Rollen spielen. Im 18. Jahrhundert war das eine literarische Neuerung, die Lessing in der deutschen Sprache einführte. Seit der Antike war es eine feste Regelung gewesen, dass in Tragödien ausschließlich Adlige auftreten sollten; bürgerliche Figuren waren nur für Komödien vorgesehen.
  • Das Stück beinhaltet eine Kritik an absolutistischer Fürstenherrschaft: Prinz Hettore benutzt seine Machtposition, um eine persönliche Leidenschaft zu befriedigen, und zerstört dadurch eine Familie. Er respektiert nicht, dass Emilia gebunden ist, da er die Familie Galotti wie auch Graf Appiani als seine Untertanen sieht.
  • Der Kammerherr Marinelli ist gewissermaßen ein heimlicher Herrscher. Indem der Prinz ihm alle Entscheidungsgewalt gibt und ihn die Intrigen spinnen lässt, schiebt er zugleich die Verantwortung für die Katastrophe von sich. Am Schluss gibt es keinen eindeutigen Schuldigen.
  • Die Konstellation Adel versus Bürgertum bestimmt das Stück: Die Galottis sind als bürgerliche Familie der Gegenpol zur lasterhaften Welt des Hofes. Sie stehen für klare Moralvorstellungen, starken Zusammenhalt und streng patriarchalische Ausrichtung – Werte, die Emilia von Kindheit an verinnerlicht hat. Die Gegenposition des Bürgertums mündet allerdings nicht in eine politische Revolte – auch wird der Prinz am Ende nicht bestraft. Statt zu einem Tyrannenmord führen die rigiden Tugendvorstellungen Odoardos zu einem Tochtermord: Das politisch ohnmächtige Bürgertum zerfleischt sich selbst und wird damit keineswegs nur als vorbildlich dargestellt.
  • Widersprüche finden sich auch in Emilias Rolle: Einerseits artikuliert sie in ungewöhnlicher Deutlichkeit sexuelles Begehren, wenn sie ihrem Vater gesteht, dass ihre Gefühle und Gedanken dem Prinzen gegenüber nicht über jeden Zweifel erhaben sind. Andererseits hat sie keineswegs vor, tatsächlich die Geliebte des Prinzen zu werden. So macht sie sich zur Märtyrerin, indem sie ihren Vater auffordert, sie zu töten.

Historischer Hintergrund

Deutscher Kleinstaatenabsolutismus

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in 382 souveräne und halbsouveräne Staaten zerfallen. Die Fürsten dieser Klein- und Kleinstterritorien regierten absolutistisch – sie allein schufen die Gesetze. Diesen waren sie selbst allerdings nicht unterworfen. Sie betrachteten ihr Land und ihre Untertanen als ihr Eigentum. Viele dieser Herrscher füllten ihre Staatskasse auf, indem sie während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775–1783) junge Männer als Soldaten an die Engländer verkauften. In ihrer schrankenlosen Herrschaft war ihnen der französische König Ludwig XIV. Vorbild, dessen Ausspruch „L’état, c’est moi“ („Der Staat bin ich“) berühmt wurde. Aus Frankreich – vor allem von Voltaire – kam aber auch die Idee des aufgeklärten Absolutismus, der sich sehr viel stärker dem Gemeinwohl verpflichtete und zu einer wichtigen Vorform der Demokratie wurde. Preußenkönig Friedrich II. etwa empfand sich als „erster Diener des Staates“ und brachte viele Reformen auf den Weg. Die in der Epoche der Aufklärung formulierten Menschenrechte führten sowohl zur Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika (1776) als auch zur Französischen Revolution (1789).

Entstehung

Lessing bearbeitete in Emilia Galotti den so genannten Virginia-Stoff. Der römische Historiker Titus Livius berichtete Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. die vermutlich fiktive Geschichte der jungen Verlobten Virginia, die von ihrem Vater ermordet wird, da er sie vor der Verführung durch den Senator Appius Claudius bewahren will. Dieser hat sich zusammen mit einigen anderen Senatoren an die Macht geputscht und von einem bestochenen Gericht beschließen lassen, dass Virginia ihm zustehe. Die öffentlich ausgeübte Tötung Virginias durch ihren Vater löst eine Revolte aus, die zur Wiederherstellung der vorigen politischen Verhältnisse führt. Claudius tötet sich daraufhin selbst.

Vom 16. Jahrhundert an kam es in ganz Europa zu Dramenbearbeitungen dieses Stoffes. Lessing studierte als Dramaturg und Theaterkritiker einige dieser Stücke. 1757 gestaltete er eine erste, nicht erhaltene eigene Version mit dem Vorhaben, alles Politische zu entfernen und sich ganz auf die private Katastrophe zu konzentrieren. Die Figur der Gräfin Orsina gab es in dieser Fassung wohl noch nicht. Als Bibliothekar in Wolfenbüttel nahm er sich den Stoff erneut vor; Anlass war der Geburtstag der Braunschweiger Herzoginmutter, der zu Ehren das Stück aufgeführt werden sollte. Noch während der Proben schrieb Lessing am letzten Akt; er zweifelte bis zuletzt an der Qualität seines Werks und hatte zudem Angst vor der Wirkung gerade auf das höfische Publikum. Denn die Parallelen zwischen Lessings Arbeitgeber, Herzog Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel, und Prinz Hettore Gonzaga waren auffällig: Karl hielt verschwenderisch Hof und war ein Liebhaber der Künste; er unterhielt etwa ein hoch dotiertes Hoftheater. Auch häufig wechselnde Mätressen gehörten zu seinem Lebenswandel. Eine von ihnen, Gräfin von Bresconi, gilt als historisches Vorbild für die Gräfin Orsina. Karl hatte sie auf einer Bildungsreise durch Italien kennen gelernt und mit an seinen Hof nach Braunschweig genommen.

Wirkungsgeschichte

Am 13. März 1772 wurde Emilia Galotti in Braunschweig uraufgeführt. Lessing selbst fehlte bei der Premiere; als Grund gab er Zahnschmerzen an, in Wahrheit fürchtete er wohl einen Skandal. Doch zu diesem kam es nicht: Erste Kritiken der Uraufführung kommentierten die politische Dimension des Stücks nicht einmal. Von Anfang an gab es widersprüchliche Bewertungen: Während von den einen die Ökonomie der Handlungsführung gelobt wurde, fanden andere sie konstruiert und blutleer. So schrieb etwa Johann Wolfgang von Goethe: „Es ist alles nur gedacht“, und Friedrich Schlegel bezeichnete es als „Stück des reinen Verstandes (...): denn ins Gemüth dringt nichts und kann nichts dringen, weil es nicht aus dem Gemüth kommt“.

Im 19. Jahrhundert entdeckte man erstmals die politische Kritik in Emilia Galotti. Das Stück wurde nun von verschiedenen Richtungen vereinnahmt: Im Vorfeld der Märzrevolution von 1848 sah man das Werk vor allem als Manifest gegen ein politisches System, das despotische Herrscher hervorbrachte und gewähren ließ. Nach 1871, zur Zeit des Kaiserreichs, betonten konservative Stimmen die Tugend des deutschen Bürgertums, die Lessing zum Ausdruck gebracht habe. Dem entgegengesetzt interpretierte Ende des 19. Jahrhunderts der Marxist Walter Mehring den umstrittenen Schluss der Tragödie als Darstellung der politischen Ohnmacht der bürgerlichen Schicht. Dem Nationalsozialismus war das Stück zu unpolitisch; nach Kriegsende galt es als zu politisch. In der politisierten Zeit nach 1968 wiederum betrachtete man es als „Klassikerleiche“. Seit den 1980er Jahren ist man gerade von der Ambivalenz und den Fragen fasziniert, die Emilia Galotti aufwirft – ein moderner Aspekt der Tragödie. Emilia Galotti wird bis heute oft gespielt und fordert immer wieder provokative Inszenierungen heraus.

Über den Autor

Gotthold Ephraim Lessing wird am 22. Januar 1729 als Sohn eines Pfarrers im sächsischen Kamenz geboren. Er studiert Theologie, Medizin und Philosophie in Leipzig und Wittenberg. Bereits in seiner Jugend verfasst er Dramen: Sein erstes Stück Der junge Gelehrte wird 1748 uraufgeführt. Von 1748 bis 1755 ist er Mitarbeiter der Berlinischen Privilegierten Zeitung. Er entscheidet sich dafür, freier Schriftsteller zu werden. In Wittenberg beendet Lessing sein Studium mit der Magisterwürde, danach betätigt er sich in Berlin als Theater- und Literaturkritiker. Es entstehen mehrere Dramen, darunter die Lustspiele Der Freigeist und Die Juden (beide 1749) sowie das erste bürgerliche Trauerspiel Miss Sara Sampson (1755). Von 1755 bis 1758 lebt Lessing wieder in Leipzig. Zusammen mit Johann Gottfried Winkler macht er sich zu einer Bildungsreise durch Europa auf, die jedoch bei Beginn des Siebenjährigen Krieges abgebrochen werden muss. 1758 kehrt Lessing nach Berlin zurück und gründet dort 1759 zusammen mit dem Philosophen Moses Mendelssohn und dem Schriftsteller Friedrich Nicolai die Zeitschrift Briefe, die neueste Literatur betreffend. Lessing selbst veröffentlicht darin mehrere Essays, in denen er u. a. den französischen Klassizismus kritisiert und William Shakespeare als Vorbild für deutsche Dramatiker hervorhebt. Von 1760 bis 1765 fungiert er als Sekretär des Generals Tauentzien in Breslau. 1767 erscheint das Erfolgsstück Minna von Barnhelm. Im gleichen Jahr folgt Lessing der Einladung, als Dramaturg am Deutschen Nationaltheater in Hamburg zu arbeiten. Hier verfasst er sein Grundsatzwerk der Dramentheorie, die Hamburgische Dramaturgie. Doch bereits ein Jahr später scheitert das Projekt Nationaltheater. Ab 1770 ist Lessing Bibliothekar der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel. Es erscheinen seine Dramen Emilia Galotti (1772) und Nathan der Weise (1779). 1776 heiratet er Eva König. Ihr gemeinsames Kind wird an Weihnachten 1777 geboren, stirbt aber schon einen Tag später; die Mutter folgt ihm wenige Tage später nach. Am 15. Februar 1781 stirbt Lessing in Braunschweig.

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    g. v. vor 6 Jahren
    Sehr aufschlussreich