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Eugen Onegin

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Eugen Onegin

Manesse,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ein Roman in eleganten Versen: das Nationalgedicht der Russen.


Literatur­klassiker

  • Versroman
  • Realismus

Worum es geht

Das russische Nationalgedicht

War es Ironie des Schicksals, dass Alexander Puschkin auf die gleiche Weise zu Tode kam wie der romantische Dichter Lenski in seinem bekanntesten Werk Eugen Onegin? Genau wie seine Romanfigur starb der russische Nationaldichter in einem Duell. Der Grund im Roman wie im richtigen Leben: Eifersucht und gekränkter Stolz. Puschkin entwickelte mit seinem Titelhelden den Typus des „überflüssigen Menschen“: ein reicher, aber stets gelangweilter, der Welt und ihrer Verlockungen überdrüssiger Adliger, den es bald hierhin, bald dorthin zieht, der seinen Freund im Duell tötet und der sich an nichts und niemanden binden kann, bis er wie eine verdorrte Frucht zurückbleibt. Eugen Onegin ist ein Roman in meisterhaften Versen, die auch in der deutschen Übertragung zu begeistern wissen. Viel mehr noch müssen sie Puschkins Zeitgenossen betört haben: Verschmitzt flocht der Autor aktuelle Themen in seinen Roman ein und wies damit dem russischen Realismus den Weg.

Take-aways

  • Puschkins Versroman Eugen Onegin ist das russische Nationalgedicht schlechthin.
  • Inhalt: Eugen Onegin, ein russischer Dandy, zieht von der Stadt aufs Land. Dort langweilt er sich und freundet sich mit dem Dichter Lenski sowie mit der Familie Larin an. Er verdreht Tatjana Larin den Kopf, weist ihre Avancen jedoch ab. Als Onegin mit Lenskis Verlobter flirtet, fordert dieser ihn zum Duell – und wird getötet. Einige Jahre später erwacht Onegins Liebe zur inzwischen verheirateten Tatjana doch noch. Aber jetzt ist sie es, die ihm einen Korb gibt.
  • Onegin verkörpert den „überflüssigen Menschen“ – einen beliebten Typus der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts.
  • Das Werk zeichnet sich durch feine Ironie aus: Tatjanas Hingabe zu Onegin ist in Wahrheit eine von sentimentalen Romanen angeregte Liebe zu einem Phantom.
  • Für den Roman erfand Puschkin eine eigene Versstruktur: die so genannte Onegin-Strophe.
  • Eugen Onegin markierte das Ende der Romantik und läutete die realistische Epoche in der russischen Literatur ein.
  • Das kapitelweise Erscheinen des Romans verstärkte die Spannung der Leser und machte aus jeder neuen Veröffentlichung ein literarisches Ereignis.
  • Der Versroman inspirierte Peter Iljitsch Tschaikowsky zu seiner gleichnamigen Oper.
  • Wie seine Figur Lenski starb auch Puschkin selbst bei einem Duell.
  • Zitat: „Zwei Kugeln, zwei Pistolen – und / so tu sich dann das Schicksal kund!“

Zusammenfassung

Petersburger Nächte

Der junge Eugen Onegin ist ein echter Lebemann. Jeden Abend ist er in Gesellschaft, öfter hat er sogar mehrere Verabredungen. Ob Abendgesellschaft, Ball oder Theater: Onegin weiß sich in Szene zu setzen, ohne unangenehm aufzufallen, ist witzig und charmant; die Frauen lieben, die Männer schätzen ihn. Auf vielen Gebieten blendet er durch oberflächliches Wissen. Bei ernsten Gesprächen aber setzt er ein kluges Gesicht auf und schweigt vielsagend. Hie und da zitiert er einen Philosophen, obwohl er kein Latein versteht. Bei alledem verwundert es nicht, dass Onegin so manche Liebelei hat. Ist eine vorbei, trauert er ihr nicht lange nach, sondern stürzt sich gleich in das nächste Abenteuer. Er verschläft die Vormittage, macht dann lange Spaziergänge um „zufällig“ Mädchen zu begegnen, und begibt sich schließlich nach Hause, wo er sich sorgfältig nach neuester Mode für den Abend ankleidet. Trotz dieses abwechslungsreichen Lebens beginnt er sich immer mehr zu langweilen. Die Gespräche bei Tisch werden ihm zu einer endlosen Qual, die Abendgesellschaften zu einem Zwang.

Das Landleben

Als er von einem kranken Onkel aufs Land gerufen wird, ist Onegin glücklich. Bei seiner Ankunft ist der Verwandte allerdings bereits verstorben. Onegin erbt ein schönes Landgut mit Wäldern und Feldern. Der Petersburger Gesellschaft glücklich entronnen, lebt er wie ein Einsiedler. Zuerst versucht er sich in der Dichtkunst, doch da ihm diese zu mühselig ist, verlegt er sich aufs Lesen. Auch das langweilt ihn schnell. Wenn Nachbarn ihren Besuch ankündigen, nimmt er auf seinem Pferd Reißaus. Schon bald ist er als Sonderling verschrien, zumal er das althergebrachte gesellschaftliche Gefüge gründlich umkrempelt: Er erlässt seinen Bauern den Frondienst und verlangt von ihnen stattdessen nur einen geringen Zins. Die meisten seiner Nachbarn betrachten ihn mit Argwohn. Nicht so der junge Wladimir Lenski vom Nachbargut, der in Göttingen Philosophie studiert hat. Lenski ist ein sensibler Träumer, der Liebesgedichte verfasst und gern von Sehnsucht und vom Sterben spricht. Er fühlt sich als Poet unverstanden und schließt sich Onegin an. Die beiden führen lange Diskussionen, und trotz ihres gegensätzlichen Wesens entwickelt sich eine Freundschaft zwischen ihnen. Onegin ist insgeheim stets belustigt über Lenskis glühenden Eifer. Eines Tages vertraut ihm der Poet an, dass er in Olga Larin verliebt sei. Er kennt sie bereits seit Kindertagen und betrachtet sie als seine Muse.

Die Larins

Wenig später bittet Onegin Lenski, ihn zur Familie Larin mitzunehmen. Er möchte die Angebetete seines Freundes kennen lernen. Begeistert willigt Lenski ein. Die Familie Larin erweist sich als sehr konservativ. Frau Larin hatte einst in Moskau einen Sergeanten der Leibgarde als Verehrer, wurde dann aber von ihrer Familie mit einem Landedelmann verheiratet. Zuerst wollte sie ihn verlassen, doch mit den Jahren lernte sie ihr Leben als Gutsherrin lieben und schätzen. Nun, nach dem Tod ihres Mannes, ist sie eine praktisch veranlagte Frau, die Traditionen hochhält. Ganz anders ihre älteste Tochter Tatjana: Sie ist ein stilles, in sich gekehrtes Mädchen, das von Kindesbeinen an Romane verschlungen hat und in einer Traumwelt lebt, während ihre Schwester Olga ein lustiges, unbeschwertes Geschöpf ist. Nach dem Besuch bei den Larins vertraut Onegin Lenski an, dass er die stille Tatjana anziehender findet als Olga. Letztere tauge seiner Meinung nach nicht für die Liebe. Lenski ist beleidigt.

Tatjanas Geständnis

Onegins Besuch bei den Larins ist am nächsten Tag Thema Nummer eins auf dem Land. Ob er wohl um Tatjanas Hand anhält? Tatjana jedenfalls hat sich in Onegin verliebt und träumt Tag und Nacht von ihm. Allein in ihrem Zimmer sitzend, projiziert sie all ihre Sehnsüchte auf ihn. Eines Abends hält sie es nicht mehr aus. Rastlos eilt sie in den Garten, das Blut pocht ihr in den Adern. Sie ruft ihre alte Kinderfrau zu sich, damit diese ihr von ihrer eigenen Hochzeit erzählt. Doch Tatjana kann nicht zuhören und flüstert immer wieder, dass sie verliebt ist. Die Kinderfrau ist besorgt und glaubt, ihr Schützling habe Fieber. Später lässt Tatjana sich Tinte und Papier bringen. In der Nacht verfasst sie, ganz wie die Heldinnen in ihren Romanen, einen glühenden Liebesbrief an Onegin, den sie am Morgen zustellen lässt. Den ganzen Tag über wartet sie mit bangem Herzen auf eine Antwort – doch nichts passiert.

„Onegin lernte früh zu heucheln, / mit Hoffnungen, mit Eifersucht / sich in die Herzen einzuschmeicheln, / zu tun, als ob er Liebe sucht (...)“ (S. 17)

Als am nächsten Tag Lenski zu Besuch kommt, fragt Frau Larin ihn, ob Onegin nicht auch kommen wolle. Dabei wird Tatjana ganz rot. Doch erst am Abend bequemt sich Onegin ins Haus der Larins. Er und Tatjana treffen sich im Garten. Onegin ist von dem Brief sehr gerührt, doch er erklärt Tatjana mit behutsamen Worten, dass er sich nicht als verheirateter Mann auf dem Land sieht. Er sei einfach nicht für die Ehe geboren, ansonsten hätte er sich ganz sicher für sie, Tatjana, entschieden. Überhaupt gelte ihre Liebe wohl gar nicht wirklich ihm und sei eher eine Träumerei. Still weinend folgt Tatjana Onegin ins Haus und leidet innere Qualen, zumal Lenski und ihre Schwester täglich umschlungen im Garten spazieren gehen.

Der Albtraum

Onegin lebt weiter zurückgezogen. Im Sommer geht er vor dem Frühstück schwimmen, im Winter liest er viel und lässt sich täglich ein Bad bereiten. Eines Abends sitzt er mit Lenski, der in zwei Wochen heiraten wird, am Kaminfeuer. Dieser schwärmt von Olga und erwähnt außerdem, dass Tatjana in Kürze ihren Namenstag feiern wird und dass man Onegin zu dem Fest erwarte. Der lehnt zunähst ab, da er annimmt, dass sich sämtliche Nachbarn einfinden werden. Doch Lenski beruhigt ihn, niemand sonst werde kommen. Also willigt Onegin ein. Tatjana, die abergläubisch ist und ängstlich auf Vorzeichen achtet, hat vor ihrem Namenstag einen furchtbaren Albtraum: Sie versucht über einen tosenden Gebirgsbach ans andere Ufer zu gelangen. Unter ihr gähnt der Abgrund. Da kommt ihr auf der anderen Seite ein riesiger Bär entgegen. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als seine Tatze zu ergreifen, um nicht in den Abgrund zu stürzen. Dann will sie durch den tiefen Schnee davonrennen, doch der Bär lässt sich nicht abschütteln. Sie fällt hin und kann nicht verhindern, dass der Bär sie zu einer Hütte trägt. Drinnen tanzen und feiern gruselige Monster und mitten unter ihnen ist Onegin. Er öffnet die Tür, sieht Tatjana und schreit, sie sei sein, worauf alle Monster verschwinden. Stattdessen sind plötzlich Lenski und Olga da. Onegin bezeichnet sie als ungebetene Gäste und tötet Lenski mit einem Dolch. Schreiend erwacht Tatjana.

Zwist am Namenstag

Der Traum hat Tatjana tief verstört. Aber endlich ist ihr Namenstag da und die Ankunft der Gäste reißt sie aus ihren trüben Gedanken. Onegin fühlt sich überrumpelt, als er erkennt, dass die Larins doch zahlreiche Leute eingeladen haben und einen Ball geben. Er ärgert sich über Lenski, der ihm etwas anderes angekündigt hat. Bei Tisch bemerkt er Tatjanas innere Unruhe. Insgeheim macht er sich über die Gäste lustig und überlegt, wie er sich an Lenski rächen könnte. Nach dem Essen gehen alle zu Tatjana und gratulieren ihr. Später, nach Tee, endlosem Geplauder und Kartenspielen, beginnt endlich der Ball. Lenski bittet Tatjana zum Tanz. Jeder Herr findet seine Dame. Später fordert Onegin Olga zum Tanz auf und flirtet heftig mit ihr. Als Lenski sie um den nächsten Tanz bitten will, gibt Onegin sie nicht frei. Lenski ist rasend vor Eifersucht und fürchtet, Olga könnte von Onegin verdorben werden. Am nächsten Tag lässt er Onegin einen Brief zukommen, in dem er ihn zum Duell fordert.

Das Duell

Onegin sagt zu. Zwar denkt er flüchtig, dass er dem Freund den Glauben an die reine Liebe nicht hätte nehmen sollen. Doch wenn Lenski sich duellieren will, soll er sein Duell haben, meint Onegin. Lenski seinerseits ist immer noch wütend auf Olga, kann es aber nicht lassen, sie sofort zu besuchen. Sie lächelt so strahlend und ist so ungezwungen, dass er ihr gar nicht mehr böse sein kann. Doch die Eifersucht bleibt und auch der Wunsch, es seinem Freund einmal richtig zu zeigen. Am Abend ist Lenski unruhig, schließlich schreibt er einen Abschiedsbrief an Olga. Onegin hingegen schläft den Schlaf des Gerechten. Erst spät steht er auf und fährt im Schlitten zur Mühle, wo Lenski und dessen Sekundant Sarezki ihn ungeduldig erwarten. Die Gegner laden ihre Pistolen, und Lenskis Sekundant zählt 30 Schritte ab. Lenski und Onegin stellen sich auf und gehen dann vier Schritte aufeinander zu. Onegin feuert zuerst und trifft seinen Freund in die Brust. Lenski sackt zusammen, Onegin stürzt erschrocken zu ihm, doch er kann nichts mehr für ihn tun. Lenski ist tot.

Debüt in der Moskauer Gesellschaft

Schon kurz nach Lenskis Beerdigung heiratet Olga einen anderen und verlässt ihr Elternhaus. Tatjana bleibt allein zurück und unternimmt lange Spaziergänge. Eines Tages gelangt sie in die Nähe von Onegins Herrenhaus, doch der Lebemann befindet sich auf Reisen. Während sie noch zögernd im Hof steht, kommen Bauernkinder gelaufen und geleiten sie zur Tür. Eine Bedienstete lädt sie freundlich ein und zeigt ihr, wo der Herr sich aufzuhalten pflegt. Tatjana besieht sich jedes Detail der Innenausstattung genau. Am folgenden Tag kommt sie zurück und studiert Onegins Bücher. Sie interessiert sich dafür, welche Autoren er gelesen hat, und stößt auf seine handschriftlichen Anmerkungen. Sie recherchiert, womit er sich beschäftigt und welche Gedanken er sich dazu gemacht hat. Endlich kommt sie zu dem Schluss, dass das Bild, das sie sich von Onegin gemacht hat, ein Trugbild ist, eine aus mehreren Romanhelden zusammengesetzte Fantasiefigur. Kurz darauf eröffnet Frau Larin Tatjana, sie werde sie in die Moskauer Gesellschaft einführen. Traurig verabschiedet sie sich von den Wäldern und Feldern, dann reisen sie und ihre Mutter frühmorgens mit reichlich Gepäck ab. Sieben Tage später ist Moskau erreicht. Die Verwandten freuen sich, Tatjana wiederzusehen. Man bringt ihr städtische Umgangsformen bei und kleidet sie modisch ein. Sie besucht das Theater und tanzt auf Bällen. Auf einem davon lernt sie einen General kennen, den sie kurz darauf heiratet.

Ein unverhofftes Wiedersehen

Durch ihre Heirat ist Tatjana in die bessere Moskauer Gesellschaft aufgestiegen. Onegin, von Reue über Lenskis Tod getrieben, reist zwei, drei Jahre rastlos umher. Eines Tages nimmt er an einem Empfang mit Diplomaten und Adligen teil. Etwas abseits stehend, fällt sein Blick auf eine Fürstin, die Gattin eines Generals. Die Dame schaut freundlich und schlicht drein, als kümmere sie die Bürde ihrer Gesellschaftspflichten überhaupt nicht. Modisch gekleidet, wenn auch nicht gerade eine strahlende Schönheit, plaudert sie locker mit der Crème de la Crème Moskaus. Onegin ist verblüfft, als er in ihr die schüchterne, linkische Tatjana erkennt. Er erkundigt sich bei einem Fürsten, der neben ihm steht, nach ihr und erfährt, dass die Dame tatsächlich Larin heiße – und im Übrigen seine Frau sei. Der Fürst führt Onegin zu ihr. Anstatt erschrocken oder gar verstört zu reagieren, begrüßt Tatjana ihn freundlich und fragt höflich, was er in der Zeit seit ihrer letzten Zusammenkunft getrieben habe. Dann wendet sie sich gleichgültig etwas anderem zu. Onegin ist fassungslos. Ist diese weltgewandte Dame wirklich das Mädchen von damals, das ihm jenen sehnsuchtsvollen Brief geschrieben hat?

Die Zurückweisung

Zu Hause denkt Onegin noch lange an die Begegnung. Als er eine Einladung des Fürsten erhält, kann er es kaum erwarten, Tatjana wiederzusehen. Er trifft sie zunächst allein an und schweigt beklommen, bis ihr Gatte dazukommt. Weitere Gäste treffen ein, Leute, die auf jeder Abendgesellschaft zu finden sind: alte Jungfern mit rosa Häubchen, ein arroganter Schnösel, der sich selbst meisterhaft in Szene setzt, und ein alter Mann, der ebenso alte Witze zum Besten gibt. Onegin nimmt jedoch von alledem nichts wahr. Er hat nur Augen für Tatjana. Plötzlich verliebt, beginnt er täglich zu ihr zu fahren. Tatjana ist zwar stets freundlich, scheint ihn aber kaum wahrzunehmen. Onegin fühlt sich ganz krank und schreibt ihr schließlich einen Brief, in dem er ihr seine Liebe gesteht. Zwei weitere folgen, doch er erhält keine Antwort. Bei einem zufälligen Zusammentreffen wirkt sie abweisend. Onegin zieht sich zurück und vertieft sich in seine Bücher. Doch er kann sich nicht konzentrieren. Immer wieder steht ihm Tatjanas Bild vor Augen. Er grübelt und grübelt und wird darüber fast selbst zum Dichter. Als der Frühling kommt, fasst er sich ein Herz und fährt zu seiner Angebeteten. Er findet Tatjana allein vor, während sie traurig einen Brief liest, und wirft sich ihr zu Füßen. Tatjana jedoch weist ihn zurück: Er habe sich in etwas verstiegen und begehre sie nur, weil sie nun in der höchsten Gesellschaft verkehre. Doch ihr gefalle das wenig, auf dem Land sei sie viel glücklicher. Sie liebe ihn zwar, werde aber ihren Mann nicht verlassen. Dann lässt sie Onegin stehen und dieser hört am Klingen von Sporen Tatjanas Mann kommen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Puschkins Eugen Onegin ist ein Versroman: Die Handlung wird in rhythmischer, reimender Sprache erzählt – vermutlich ein Tribut ans damalige Publikum, das hohe Literatur in gebundener Sprache erwartete. Der Roman besteht aus acht Kapiteln, die jeweils mehrere Strophen beinhalten. Die Versform ist dem Sonett entliehen: Jede Strophe setzt sich aus 14 Versen zusammen, die wiederum aus vier Jamben bestehen (beim klassischen Sonett sind es fünf Jamben). Das Reimschema dieser so genannten Onegin-Strophe ist durchgängig ab ab cc dd ef fe gg, was Verse zulässt, die unbeschwert und leicht wirken, zumal sie – auch in der deutschen Übertragung von Ulrich Busch – meisterlich arrangiert sind. Puschkin schafft es mit diesem Schema, den gehobenen Dichterduktus mit einfacher Volkssprache zu verbinden. Im Text gibt es zwei Erzählerinstanzen: Da ist zum einen der allwissende Erzähler, der die Handlung teilweise objektiv aus seiner Perspektive und teilweise subjektiv aus Sicht der Figuren wiedergibt. Zum anderen schaltet sich dazwischen immer wieder Puschkin selbst ein, der den poetischen Zusammenhang bewusst sprengt, indem er auf das eigene Leben, andere Werke oder Dichterkollegen – teilweise mit feiner Ironie oder beißender Polemik – zu sprechen kommt.

Interpretationsansätze

  • Eugen Onegin war eine Provokation für das damalige Publikum was durchaus die Absicht des Autors war. Man erwartete Verse im Stil der englischen Romantiker, Puschkin aber nahm mit seinen alltagssprachlichen Wendungen den Romantizismus der Literaturkonsumenten auf die Schippe.
  • Auch Puschkins Figuren sind ironisch gezeichnet: Tatjana etwa ist eine typisch romantische Frauenfigur, die aber ihr Wissen über die Liebe aus Büchern schöpft. Sie überhöht ihre Verliebtheit und wird prompt enttäuscht.
  • Ein wichtiges Thema des Romans ist die wahre Identität des Titelhelden. Der Leser begleitet Tatjana bei der Aufdeckung dieser Identität: Was für ein Mensch Onegin ist, erkennt sie erst, als sie dessen Haus aufsucht und dort liest, was er gelesen hat. Anhand von Onegins Literaturgeschmack und seinen Anmerkungen in den Büchern gelingt ihr eine Einschätzung seines Charakters.
  • Onegin ist ein Dandy und Luxusgeschöpf, ein „überflüssiger Mensch“, der sich fortwährend langweilt und nichts mit sich anzufangen weiß. Der Typus des isolierten und passiven Mannes ist charakteristisch für die Literatur der krisengebeutelten russischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert.
  • In einer ironischen Spiegelung verkehrt sich Onegins Abweisung Tatjanas am Ende ins Gegenteil. Mit der Wandlung vom Provinzmädchen zur Fürstengemahlin wird Tatjana für Onegin begehrenswert, der gesellschaftliche Aufstieg macht sie für ihn erst sichtbar. Doch als adlige Dame muss sie sich auch an die gesellschaftlichen Konventionen halten – und Onegin abweisen, obwohl sie ihn noch immer liebt.
  • Puschkins Abwendung von der Romantik zeigt sich auch darin, dass er mit dem romantischen Dichter Lenski wenig zimperlich umgeht: Dessen Werk wird von ihm immer wieder als Kitsch abgetan; Lenski ist weder literarischer Ruhm beschieden, noch trauert seine Braut ihm allzu lange nach.

Historischer Hintergrund

Russland unter Nikolaus I.

Der militärische Erfolg Russlands gegenüber Napoleons Invasionsversuch machte aus dem Land eine europäische Großmacht und stärkte die Stellung des Zaren. Russland blieb konservativ, und der Adel verkrustete noch einiges mehr als in anderen europäischen Staaten. Diese innere Stagnation wurde 1825 noch verstärkt, als Nikolaus I. Zar wurde. Im gleichen Jahr planten die Dekabristen, eine revolutionäre Gruppe junger Offiziere, den Staatsstreich gegen das Regime. Nach dem Vorbild Europas wollte man konstitutionelle Reformen durchsetzen und den Absolutismus abschaffen. Leider erfolgte der Dekabristenaufstand etwas halbherzig, und Nikolaus I. schlug ihn nieder. Alexander Puschkin stand den Dekabristen nahe. Zwar wurde er vom neuen Zaren als „einer der klügsten Männer Russlands“ gelobt, aber gleichwohl unter strenge Zensur gestellt. Nikolaus I. verwandelte Russland in ein antiliberales, erzkonservatives Land, richtete eine Geheimpolizei ein und machte die Zensur zur tragenden Säule seiner Regierung. Unbequeme Schriftsteller wurden verhaftet, Studiengänge mit als gefährlich geltenden Inhalten wie Geschichte oder Philosophie gleich ganz abgeschafft. Das Land war gespalten in „Slawophile“ und „Westler“: Die einen traten für Russlands Autonomie, eine patriarchalische Gesellschaftsordnung und kirchliche Orthodoxie ein, die anderen hielten die Ideale der Französischen Revolution hoch und versuchten eine Annäherung an das aufgeklärte Europa. Nikolaus I. erhielt den vielsagenden Beinamen „Gendarm Europas“.

Entstehung

Im Mai 1823, als Puschkin 24-jährig und literarisch längst kein unbeschriebenes Blatt mehr war, begann er mit der Niederschrift seines Versromans Eugen Onegin. „Ich schreibe jetzt keinen Roman, sondern einen Roman in Versen – teuflischer Unterschied“, berichtete er seinem Freund Pjotr Andrejewitsch Wjasemski aus der Verbannung. Weil Puschkin sich als Sohn einer alten Adelsfamilie in seinen Gedichten, Oden und Epigrammen wiederholt über die Obrigkeit und über zaristische Würdenträger lustig gemacht hatte, bezichtigte man ihn 1820 des Verrats an seiner eigenen Klasse. Mit dem „Nestbeschmutzer“ wurde kurzer Prozess gemacht: Man verbannte ihn aus der angestammten Heimat und der pulsierenden Großstadt Petersburg aufs Land. Puschkin lebte u. a. in Kischinew (im heutigen Moldawien) unter der Aufsicht eines Generals. Die Kapitel seines Versromans veröffentlichte er in einzelnen Partien. Das erste erschien im Februar 1825, das letzte im Januar 1832. Ein Jahr später wurde der Roman als zusammenhängendes Werk in einem Band publiziert. Puschkin verfolgte beim Schreiben keinen im Voraus festgelegten Plan. Das Buch entstand vielmehr in der fortwährenden Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Der Autor nahm aktuelle Entwicklungen in den Schreibprozess auf und spielte mit den Erwartungen seines Publikums, das stets begierig auf die Fortsetzung war. Zuweilen unterbrach er die Arbeit, um andere Werke zu schreiben.

Wirkungsgeschichte

Für das zeitgenössische Publikum war schnell klar, dass Puschkin dabei war, ein Meisterwerk zu schaffen. Auf Bällen und Gesellschaften rätselte man, wie die Geschichte weitergehen würde. Einige waren allerdings auch enttäuscht darüber, dass sich der Dichter von der Romantik abwandte. In der Tat überwand Puschkin mit Eugen Onegin die romantische Literatur seiner Zeit, die sich vor allem an den Werken des englischen Autors Lord Byron orientierte. Puschkin läutete die realistische Epoche in der russischen Literatur ein, denn in Eugen Onegin skizzierte er nicht nur die Lebensweise der Oberschicht, sondern auch das Landleben und die einfachen Leute und schmückte diese Schilderungen mit Natur- und Landschaftsbeschreibungen. Für seine Zeitgenossen war es ein Roman, der im Hier und Jetzt spielte. Wissarion Grigorjewitsch Belinski, einer der angesehensten russischen Literaturkritiker, bezeichnete ihn als „Enzyklopädie russischen Lebens“, weil er das typische Russland jener Zeit darstelle. Eugen Onegin wurde zum Gründungswerk der neueren russischen Literatur und nachgerade zum Nationalgedicht, obwohl die zeitgenössischen Kritiker viel an dem Roman auszusetzen hatten, u. a. die kühle Bildlichkeit und die in ihren Augen mangelnde äußere Handlung. Man verzieh es Puschkin aber, sah man doch in seinem Werk russische Literatur von Weltniveau veröffentlicht, was dem Nationalstolz sehr entgegenkam. Bis heute gibt es wohl keinen anderen russischen Dichter, dessen Name mit so viel Emotion und Mythos aufgeladen ist wie der Puschkins.

Der Typus des „überflüssigen Menschen“ wurde in der Nachfolge Puschkins auch von Iwan Gontscharow (Oblomow) und Fjodor M. Dostojewski (Raskolnikow in Schuld und Sühne) aufgegriffen. Eugen Onegin war die Vorlage für die gleichnamige Oper von Peter Iljitsch Tschaikowski. Es existieren außerdem mehrere Verfilmungen, u. a. eine aus dem Jahr 1999 mit Ralph Fiennes in der Hauptrolle.

Über den Autor

Alexander Puschkin wird am 6. Juni 1799 in Moskau geboren. Sein Vater entstammt einem alten russischen Adelsgeschlecht. Der kleine Alexander hat blaue Augen und braun gelocktes Haar. Diese Locken verraten seine äthiopische Abstammung: Puschkins Urgroßvater mütterlicherseits war der Mohr von Peter dem Großen, ein Umstand, den Puschkin später literarisch verarbeiten wird. Wie es für adlige Kinder typisch ist, verbringt Puschkin viel Zeit mit seiner Amme, die ihn mit russischer Volksdichtung bekannt macht. Die Alltagssprache des russischen Adels dagegen ist Französisch. 1811 tritt Alexander in das neu gegründete Lyzeum Zarskoje Selo ein. Die geistig frische Atmosphäre inspiriert den jungen Mann. Er knüpft Freundschaften, die ein Leben lang halten werden. Puschkins literarisches Talent zeigt sich, als er seine ersten Gedichte veröffentlicht. Er besucht Veranstaltungen des Literatursalons „Grüne Lampe“ und sympathisiert mit den Dekabristen, einer Bewegung junger Adliger und Offiziere, die erfolglos gegen das autokratische Zarensystem revoltieren. 1820 erscheint sein märchenhaftes Versepos Ruslan und Ljudmila. Außerdem schreibt Puschkin in dieser Zeit patriotische Gedichte und Liebeslyrik, aber auch Subversives: Wegen eines literarischen Angriffs auf die Obrigkeit wird er von seiner Sekretärsstelle im Auswärtigen Amt nach Jekaterinoslaw (in der heutigen Ukraine) versetzt. 1823 beginnt Puschkin mit der Arbeit an seinem Hauptwerk Eugen Onegin, einem Versroman, der erstmals 1833 vollständig erscheint. Bereits 1831 wird sein Drama Boris Godunow veröffentlicht. Nach einer Audienz beim Zaren darf er wieder in Moskau und St. Petersburg leben, sein Werk wird jedoch zensiert. Nach zahlreichen Liebschaften heiratet Puschkin 1831 die schöne und reiche Adlige Natalja Gontscharowa. Das Paar zieht nach St. Petersburg. Zeitlebens leidet Puschkin unter Zensur und geistiger Enge. Erst 1836 erlaubt man ihm, eine Literaturzeitschrift mit dem Namen Der Zeitgenosse herauszugeben. Am 10. Februar 1837 stirbt Puschkin, der sich zu Lebzeiten mindestens 30-mal duelliert hat, an den Folgen eines Duells mit einem französischen Gardeoffizier.

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