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Geld und Geist

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Geld und Geist

oder Die Versöhnung

tredition,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

„Bauer sucht Frau“ als christliche Erbauungsgeschichte des Schweizer Biedermeier.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Biedermeier

Worum es geht

Angst vor dem Verlust der Idylle

Geld oder Liebe, Himmel oder Hölle, Berg oder Tal – nicht umsonst nannte Gottfried Keller den Dichter Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf ein „episches Genie“. Dessen Roman Geld und Geist, geschrieben 1842, behandelt zwar vordergründig Probleme der kleinbäuerlichen Lebenswelt. Tatsächlich ging es Gotthelf aber um große Fragen: Was macht die Geldgier mit dem Menschen in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche? Für den wortgewaltigen Schweizer Dichterpfarrer war die Antwort klar: Nur ein radikales Bekenntnis zu Christus kann die Menschheit von der Geißel des modernen Materialismus befreien. Die „Entsumpfung des Volkes und der Seelen“ sah er als seine Lebensaufgabe. Dem heutigen Leser mag sein missionarischer Tonfall penetrant erscheinen. Doch bietet das Buch einen einzigartigen Einblick in die Gedankenwelt der Menschen seiner Zeit. Deren Leben war unter anderem geprägt von der Angst vor dem Fremden und dem Verlust einer vermeintlichen Idylle – ein Thema, wie es aktueller kaum sein könnte.

Take-aways

  • Geld und Geist ist ein christliches Manifest wider die kapitalistische Profitgier.
  • Inhalt: Der Verlust einer hohen Geldsumme droht die Ehe des wohlhabenden Bauern Christen zu zerstören, bis seine Frau, vom Heiligen Geist beseelt, sich mit ihm versöhnt. Dann verliebt sich ihr Sohn in die Tochter eines üblen Geizhalses, der das Mädchen aus Profitsucht verschachern will. Am Ende siegt erneut der Geist über das Geld.
  • Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei gegensätzliche Bauernfamilien: die eine von Grund auf gut und gottesfürchtig, die andere verderbt und gottverlassen.
  • Ihr Gegensatz spiegelt den Widerstreit zwischen christlicher Tradition und weltlicher Moderne.
  • Als der Schweizer Schriftsteller Jeremias Gotthelf den Roman 1842 beendete, hatte sich seine Heimat im Zuge der Industrialisierung bereits stark verändert.
  • Der praktizierende Pfarrer Gotthelf empfand den Wandel als Bedrohung.
  • Für den zunehmenden Materialismus und Individualismus seiner Mitmenschen machte er die allgemeine Abkehr vom christlichen Glauben verantwortlich.
  • Viele Kritiker schrieben ihn deshalb als tendenziösen Moralprediger und Reaktionär ab.
  • Anderen gilt Gotthelf, der weite Teile seines Werkes in Berner Mundart geschrieben hat, als großer Volksschriftsteller und episches Genie.
  • Zitat: „Ist einem Menschen Geld sein Götze, so opfert er ihm Leben, Ehre, Kinder.“

Zusammenfassung

Eine vorbildliche Familie

Auf dem schönen Hof Liebiwyl lebt eine Familie, wie es keine zweite gibt im Emmental. Der Bauer Christen, seine Frau Änneli und die drei erwachsenen Kinder sind fleißig, gottesfürchtig und barmherzig gegenüber den Armen. Freilich herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Christen zum Beispiel ist zwar nicht faul, mag sich aber auch nicht unnötig abrackern. So manche Kuh, die kaum noch Milch gibt, möchte er nicht verkaufen, weil er sie ins Herz geschlossen hat. Geld auszugeben ist ihm zuwider. Anders die geschäftige Änneli: Sie erledigt in einer Stunde die Arbeit von dreien. Da sie aber großzügig an die Armen spendet, rinnt ihr das Geld nur so durch die Finger. Zum Glück wirkt der gelegentliche Zank zwischen den Eheleuten nie lange nach. Vor dem Schlafengehen beten sie immer gemeinsam laut das Vaterunser. Das hilft ihnen, einander zu vergeben und in Frieden miteinander einzuschlafen. Die beiden haben etliche Kinder verloren, aber drei sind ihnen geblieben: Der Älteste, Christeli, ist eher introvertiert. Die hübsche Annelisi, Vaters Liebling, gilt unter den jungen Männern als vorlaut und eingebildet, hat jedoch ein gutes Herz. Der Jüngste, Resli, Mutters Liebling und künftiger Hoferbe, ist ein schöner, umtriebiger und fleißiger Bursche.

Der Sündenfall

Christen muss das Amt des Vogts übernehmen – eine Stellung, die ungewollte Verantwortung mit sich bringt. Der gewiefte Gemeindeschreiber überredet den arglosen Bauern zur Unterschlagung anvertrauter Gelder. Die Sache fliegt auf, und Christen muss der Gemeinde die verlorenen 5000 Pfund zurückerstatten. Der Verlust macht die Eheleute so verbittert, dass sie an nichts anderes mehr denken können. Eines Tages bittet Änneli um den Schlüssel zur Geldkassette, weil sie einer armen Frau mit einer halben Krone aus der Not helfen möchte. Zum ersten Mal rückt ihr Mann den Schlüssel nur widerwillig und mit einem bösen Kommentar heraus. Als Christen abends das Vaterunser betet, schweigt Änneli.

„Das wahre Glück des Menschen ist eine zarte Blume, tausenderlei Ungeziefer umschwirret sie, ein unreiner Hauch tötet sie.“ (S. 7)

Von nun an herrschen Zwietracht und Misstrauen im Haus. Auch die Kinder leiden darunter. Jede Ausgabe, jede Vergnügung scheinen die Eltern ihnen übelzunehmen, so als hätten sie nicht nur 5000 Pfund, sondern gleich alles verloren. Eines Tages geht Resli zum Baden mit anschließendem Tanz. Doch die Mädchen, die ihn umschwirren, gefallen ihm nicht. Da erblickt er eines namens Anne Mareili, das sich von den übrigen wohltuend abhebt. Die beiden tanzen wie im Rausch, bis der Vater kommt, um seine Tochter abzuholen. Resli erfährt, dass es sich bei seiner Tanzpartnerin um die Tochter des Dorngrüter handelt, eines reichen Bauern aus dem Tal.

Die Versöhnung

Resli ist verliebt. Doch zu Hause erwarten ihn nichts als Vorwürfe. Die Mutter hält ihm vor, jeder Schürze hinterherzujagen, und der Vater unterstellt ihm, dass er, der Hoferbe, ihm schon zu Lebzeiten das Heft aus der Hand reißen wolle. Ein böses Wort gibt das andere, und es dauert nicht lange, da ist der tadellose Ruf des Liebiwyl-Hofs dahin. Einige Klatschweiber lassen ihrer Schadenfreude darüber freien Lauf, und Resli vergeht der Mut, um das Mädchen zu werben, so sehr schämt er sich für den Verlust des Hausfriedens.

„Aber jetzt weiß ich, dass Glück und Geld ganz verschiedene Dinge sind, und ihr habt es auch, so Gott will, für euer Lebenlang erfahren.“ (Änneli zu ihrer Familie, S. 93)

Am Sonntag vor Pfingsten geht Änneli als einziges Familienmitglied zur Kirche. Die Worte des Pfarrers wühlen sie auf: Dieser drängt seine Zuhörer, noch zu Lebzeiten zu vergeben und Frieden zu schließen; man wisse ja nie, wann der Tod einen hole. Änneli scheint es, als stünde der ihre kurz bevor. Nach der Predigt steigt sie auf den Abhang am Haus und betrachtet die Schönheit der Natur. Plötzlich begreift sie ihre Schuld und wird demütig. Am Abend betet sie zum ersten Mal seit langer Zeit laut das Vaterunser. Christen stimmt ein. Der Groll hat die beiden für das Leid des anderen blind gemacht, doch nun öffnen sie einander ihre Herzen. Am nächsten Tag entschuldigen sie sich bei den Kindern für ihre Torheit, und zu Pfingsten gehen alle gemeinsam in die Kirche. Wieder scheint der Pfarrer sie direkt anzusprechen, als er betont, dass der Heilige Geist sich nicht in Geld aufwiegen lasse. Nach dem Kirchgang erzählt Resli von seiner Liebe zu dem Mädchen. Er weiß aber auch, dass der Dorngrüter als übler Geizhals bekannt ist, der die Verheiratung seiner Töchter als profitables Geschäft betreibt.

Die Liebesentführung

Während sie noch Familienrat halten, läuten die Feuerglocken. Mit Feuerhaken und Eimer bewaffnet, stürmt Resli ins Dorf, um beim Löschen der betroffenen Häuser zu helfen. Beherzt setzt er sich an die Spitze eines Löschzugs. Als er zwei Mädchen untätig unter einem Baum stehen sieht, herrscht er sie wütend an – und blickt in das erstaunte Gesicht seiner Angebeteten. Kurz darauf verliert er sie wieder aus den Augen. Auf dem Heimweg mischt er sich in eine Schlägerei ein. Er wird von einem Feuerhaken am Kopf getroffen und sinkt bewusstlos zu Boden. Als Resli aufwacht, liegt er in einer Stube und sieht in die schönen Augen von Anne Mareili. Die hat ihn auf dem Rückweg unter der Eiche liegen sehen und gegen den Rat ihrer Begleiter mit zu sich nach Hause genommen. Dem Dorngrüter kommt das offenbar ungelegen. Unverhohlen drängt er Resli, sich fortzumachen. Gemeinsam mit Christeli, der ihn auf dem Hof aufgespürt hat, begibt Resli sich auf den Heimweg. Doch sein Kopf schmerzt so sehr, dass er zum Übernachten in einem nahen Wirtshaus absteigt.

Eine schrecklich unsympathische Familie

Änneli kann nicht verwinden, dass man ihren geliebten Sohn wie einen gemeinen Dieb aus dem Haus gejagt hat. Frühmorgens machen sie und ihr Mann sich im Sonntagsstaat, mit ihrem schönsten Pferd und im frisch geputzten Wagen, auf den Weg zum Wirtshaus. Die Wirtin beginnt sofort über die Dorngrüter zu schimpfen: Bis auf Anne Mareili seien sie alle schlimme Leute, und nun wollen sie das Mädchen auch noch mit dem alten, aber reichen Kellerjoggi verheiraten, dem schon drei Frauen weggestorben sind. Der Dorngüter, fährt sie fort, spekuliere darauf, dass der Kellerjoggi bald sterbe und dass das Erbe der Tochter so auf den eigenen Geldhaufen falle. Inzwischen ist die Dorngrütbäuerin am Wirtshaus aufgetaucht. Offensichtlich ist ihr die ganze Geschichte überaus peinlich. Resli habe unbedingt gehen wollen, lügt sie ohne Not, und je stärker sie sich aufplustert, desto würdiger wirkt Änneli in ihrer ruhigen Bescheidenheit.

Zwei Münzen für die Liebe

Anne Mareilis Familie gefällt Resli ganz und gar nicht. Bevor er sich für das Mädchen entscheidet, möchte er daher sichergehen, dass es zu seiner eigenen Familie passt. Deshalb vereinbart er ein Treffen mit ihr. Am verabredeten Ort wartet er stundenlang, bis Anne Mareili endlich in ärmlicher Arbeitskleidung erscheint. Sie habe zu einer Notlüge greifen müssen, um sich fortstehlen zu können. Anne Mareili erzählt, wie sie sich vor dem Kellerjoggi ekle, der seine Mitmenschen wie Dreck behandle. Und auch bei ihr zu Hause werde am laufenden Band geflucht und gesündigt, sodass sie aus Angst vor der Strafe Gottes halb umkomme. Resli hat die ersehnte Gewissheit: Anne Mareilis Elternhaus mag des Teufels sein, aber sie selbst hat ein gutes Herz und ein christliches Gewissen. Er verspricht, ihr zu helfen und bittet sie, standhaft zu bleiben. Als Liebespfand tauschen sie zwei Münzen: Er gibt ihr einen alten Bernzwanziger und sie ihm ein neues Guldenstück.

Heikle Heiratshändel

Resli beschließt, um Anne Mareilis Hand anzuhalten. Auf dem verlassen wirkenden Hof ihrer Eltern trifft er zunächst nur die Bäuerin, die ihn misstrauisch aus dem Bohnengarten beäugt. Als Schwiegersohn wäre ihr Resli sehr recht, gesteht sie. Doch die Sache mit dem Kellerjoggi sei wegen ihrer Buben abgemacht worden, damit die es mit dem Erbe gut hätten. Dann fügt sie resigniert hinzu: Ihr Mann und jetzt auch ihre Söhne behandelten sie schlecht, so oder so. Und warum sollte es die Tochter anders haben als die Mutter? Der Vater weicht Reslis Anliegen geschickt aus. Schließlich macht Resli ihm das Angebot, dass er sich bei ihnen Holz für Bretter aussuchen dürfe, obwohl sie eigentlich keines verkaufen. Doch der Dorngrüter kommt ihm in der Heiratssache nicht im Mindesten entgegen. Mutter und Tochter wundern sich darüber, dass der Alte Resli nicht unverzüglich hinausgeworfen hat. Nach Reslis Abschied erfahren sie warum: Offenbar versucht der Kellerjoggi hartnäckig, den Vater hinsichtlich des Ehevertrags zu übervorteilen. Anne Mareili tröstet das wenig. Sie weiß, dass niemand an ihrem Glück interessiert ist und dass ihr lediglich die Rolle des Bauernopfers zukommt. Am Sonntag geht sie erstmals seit vielen Jahren wieder zur Kirche, in die Kinderlehre. Der Pfarrer ermahnt seine Zuhörer, Gott zu vertrauen und sich nicht an irdische Launen zu hängen. Anne Mareili begreift nun, dass es bei ihr zu Hause so grausam zugeht, weil die Familie ihren christlichen Glauben nicht mehr lebt.

Dreist, dreister, Dorngrüter

Anderntags fährt der Dorngrüter mit seiner Tochter zum Liebiwyl-Hof. Das Mädchen ist schwer beeindruckt: Dort ist alles aufgeräumt und heimelig, man merkt schon am Haus, dass darin ein freundlicher Geist umgeht. Ihre Begeisterung wird jedoch überschattet von der Scham über die Habgier des Vaters. Dieser nutzt die Gutmütigkeit seiner Gastgeber schamlos aus, schlägt sich den Bauch voll und kauft Christen eine Kuh weit unter Marktpreis ab. Einsilbig stochert Anne Mareili im Essen. Dann stellt ihr Vater unmögliche Bedingungen für seine Zustimmung zur Heirat: Der Hof soll Resli vor dem Tod der Eltern überschrieben werden und seine Geschwister sollen den Kürzeren ziehen. Änneli fragt Anne Mareili, was sie von der Sache halte. Ihre Antwort: Sie habe dazu keine Meinung. In Resli steigt blanke Wut auf: Was glaubt dieser Mann eigentlich, wer er sei und wen er vor sich habe? Einfach dummdreist alles zu fordern und gar nichts zu bieten. Auf dem Rückweg spottet der Dorngrüter über die Blödheit der Liebiwyler und beglückwünscht sich zu seiner Schläue.

Stolz und Raserei

Änneli mahnt Resli, seine große Liebe nicht wegen des Geldes aufs Spiel zu setzen. Doch ihr stolzer Sohn möchte seine Familie nicht unter Wert verkaufen. Im stattlichen Aufzug, mit vier prächtigen Rossen vor dem Wagen, transportiert Resli das Holz zum Dorngrüt. Er ist sehr geschickt im Umgang mit den Tieren, und die rasche Fahrt steigert sein Selbstwertgefühl. Doch der Dorngrüter rückt keinen Zentimeter von seinen Forderungen ab. Dem entgegnet Resli, dass der Hof auf jeden Fall in der Familie bleiben müsse – sollte er früh sterben, würde sein Bruder den Betrieb übernehmen. Anne Mareili beeilt sich zu versichern, dass sie gerne von Reslis Mutter lernen würde und gar nicht begehre, als Herrin in den Haushalt einzuziehen. Doch für ihren Vater ist die Sache erledigt. Er verlässt das Zimmer, um Geld für das Holz zu holen. Anne Mareili fleht Resli an nachzugeben. Sie verspricht, ihm zu gehorchen und alles so zu tun, wie seine Familie es wolle, wenn sie nur erst diesen schrecklichen Ort hinter sich gelassen habe. Aber Resli bleibt hart. Als er Anne Mareili zum Abschied die Hand reichen möchte, stößt sie ihn zurück. Verraten und verlassen habe er sie in ihrem Leid zischt sie, und stürmt bebend vor Wut in ihre Stube. Resli erkennt sie kaum wieder.

Tätige Nächstenliebe

Auf dem Liebiwyl-Hof gibt es gute Nachrichten: Der junge Bauer Hans-Uli möchte Annelisi heiraten, und zur großen Überraschung aller willigt sie fröhlich ein. Außerdem scheint sie endlich bereit, mehr häusliche Pflichten zu übernehmen. Gemeinsam geht die Familie am Buß- und Bettag in die Kirche. Der Pfarrer beschwört seine Gemeinde, die Familie als Tempel Gottes zu begreifen. Klagen kämen allen leicht über die Lippen: Klagen über die Herrschaften, das Gesinde, die Armen, Reichen, Kinder oder Lehrer. Dabei lägen die Ursachen aller Übel in den Häusern, in denen kein Platz mehr sei für den Geist des Herrn.

„Ist einem Menschen Geld sein Götze, so opfert er ihm Leben, Ehre, Kinder.“ (S. 178)

Im Dorf geht seit Kurzem die rote Ruhr um, und eine arme Familie hat es komplett niedergestreckt. Alle vier Kinder und die Mutter sind krank. Änneli geht zu ihnen, räumt auf, kocht Reissuppe und pflegt die Kranken. Es fehlt in der armseligen Hütte an den einfachsten Dingen. Eines der Kinder, ein blond gelocktes Mädchen, wächst ihr besonders ans Herz. Als Annelisi ihre Mutter abends ablösen möchte, schickt diese sie wieder nach Hause und bleibt über Nacht. Warum Gott solches Elend zulässt, während es ihnen an nichts fehlt, begreift sie nicht. Dennoch hadert sie nicht mit Gott, sondern vertraut auf seine Weisheit.

„Gäll, hättischs, dachte er; er empfand so eine Art Galgenfreude, wenn er sein Meitschi wie ein Stück Speck dem Mannevolk einen ganzen Tag lang durchs Maul ziehen und bei jedem denken konnte: Der nähms auch, aber ohä!“ (über den Dorngrüter, S. 215)

Zurück in Liebiwyl muss sie selbst bald das Bett hüten. Änneli hat sich angesteckt. Schließlich ruft sie Resli zu sich. Sie spürt, dass sie bald sterben wird, und beschwört ihn, Anne Mareili zu vergeben. Sie könne sich in sie hineinversetzen, da ihr eigener Vater ein Schuft gewesen sei und sie sich für ihn geschämt habe. Da steht das Mädchen auf einmal bitterlich weinend im Türrahmen. Änneli ruft es zu sich, nimmt beider Hände in ihre und besiegelt die Versöhnung zwischen den Liebenden. Nachdem die ganze Familie herbeigeeilt ist, schließt Änneli glücklich für immer die Augen.

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Aufbau und Stil

Geld und Geist besteht aus zwei Teilen: Der erste, der nur knapp ein Drittel der Gesamtlänge ausmacht, beschreibt das Zerwürfnis der Eltern mit der anschließenden Versöhnung. Er endet mit einem Cliffhanger, als Resli der Feuersbrunst entgegeneilt. Im zweiten Teil geht es um die holprige Eheanbahnung zwischen den Familien, deren glücklichen Ausgang der Autor nur andeutet. Der Roman ist mit religiöser Symbolik aufgeladen. So liegt etwa der Bergbauernhof Liebiwyl dem Himmel ebenso geografisch wie moralisch ganz nah, die Bäuerin ist ein Engel auf Erden; das Dorngrüt dagegen liegt im Tal, ist ein abstoßender, gottloser und höllischer Ort, mit dem Bauern als dämonischem Despoten. Während Gotthelf anfangs den Berner Dialekt eher sparsam verwendet, schreibt er zunehmend in Mundart. Je emotionaler und realistischer die Situation, desto breiter der Dialekt. Gotthelf sagte einmal, seine Romanfiguren zwängen ihn im Verlauf ihrer Geschichte geradezu dazu, Berndeutsch zu schreiben. Die Verwendung der Mundart ermöglichte es ihm, in derber und barock-bildhafter Sprache psychologisch glaubwürdige Personenporträts zu malen. Aus heutiger Sicht gewöhnungsbedürftig ist, dass der Autor sehr oft aus der Erzählung hervorlugt und seine Leser religiös zu belehren versucht. Dabei teilt er kräftig gegen die Menschen aus, von denen er offenbar keine hohe Meinung hat: Juden, städtische Großbürger, weltlich gesinnte Schriftsteller, Politiker und Gelehrte.

Interpretationsansätze

  • In Geld und Geist stehen sich das Gute und das Böse gegenüber. Zweimal besiegt der Heilige Geist der Bibel des Teufels hässliche Fratze. Zuerst versöhnt er Christen und Änneli miteinander, dann Resli und seine Braut.
  • Die Extreme spiegeln den Widerstreit zwischen Tradition und Moderne: Gotthelf stellt die überkommene Lebensweise mit ihren Tugenden wie Fleiß, Demut und Barmherzigkeit dem neuen Zeitgeist entgegen, dem er Eigenschaften wie Hochmut und Habsucht zuschreibt. Aus Gotthelfs Sicht bringt die aufdämmernde Moderne alle Laster der Industrialisierung und des Fortschritt aus den Städten in die vermeintlich unberührte Schweizer Bergwelt.
  • Geld und Geist trägt deutlich antikapitalistische und auch antisemitische Züge. Gotthelfs Moral richtet sich vor allem gegen kapitalistisches Gewinnstreben. Diese Untugend schreibt er unter anderem den Juden zu, wenngleich diese im Roman überhaupt keine Rolle spielen.
  • Der Roman betont den Wert der Gemeinschaft. Gegen diesen Wert vergeht sich etwa der Bauer Christen, als er den Schlüssel zur kollektiv verwalteten Geldkassette nicht herausrücken will. Der Schlüssel wird so zum Symbol für den Zugang zum menschlichen Herzen und zum Himmelreich.
  • Sozialrevolutionäre Ideen liegen Gotthelf fern. Als Konservativer sieht er die Lösung sozialer Probleme in christlichen Werten wie familiärem Zusammenhalt und tätiger Nächstenliebe.
  • Gotthelfs Werk wurde abwechselnd dem Realismus, dem Naturalismus oder dem Biedermeier zugeordnet. Der Dichter selbst sah sich als Volksschriftsteller.

Historischer Hintergrund

Zwischen Armenhaus und Wohlfahrtsstaat

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts stand die Schweiz vor einer Zerreißprobe: Sollte man dem liberal-fortschrittlichen Zeitgeist in die Zukunft folgen und einen modernen Bundesstaat errichten oder an dem alten Modell des föderalistischen Staatenbunds festhalten, wie es die Vertreter der konservativen und überwiegend katholischen Kantone forderten? Der politische Kampf wurde im Sonderbundskrieg 1847 zugunsten der Liberalen entschieden. 1848 bekam die Schweiz eine moderne, demokratische Bundesverfassung.

Der Hintergrund dieses Kulturkampfs zwischen konservativen und liberalen Kreisen ist darin zu sehen, dass die Schweiz ein Land zweier Geschwindigkeiten und sozialer Gegensätze geworden war: In Genf, Basel, Zürich und St. Gallen waren im Zuge einer frühen Industrialisierung moderne Textil-, Nahrungsmittel- und Uhrenindustrien sowie ein florierendes Bankwesen entstanden. 1844 fuhr die erste Eisenbahn auf Schweizer Boden. Die alte, aristokratische Oberschicht wurde von einer neuen, bürgerlichen abgelöst, die sich an die Spitze der liberalen Wirtschaftsrevolution setzte. Doch die ärmeren Schichten, vor allem in den ländlichen Regionen, profitierten kaum von dieser Entwicklung. Viele Menschen waren chronisch unterernährt, und im Winter 1845/46 kam es zu schweren Hungersnöten. Kinder aus armen Familien wurden auf Märkten versteigert und auf vielen Bauernhöfen als sogenannte Verdingkinder quasi in Leibeigenschaft gehalten. Auch die Schulen waren miserabel. In Klassen mit 100 bis 200 Schülern und hoffnungslos unterbezahlten, unmotivierten Lehrern lernten die meisten nicht einmal richtig lesen und schreiben. Viele Menschen verließen die Schweiz: Allein zwischen 1850 und 1890 waren es 200 000.

Entstehung

Jeremias Gotthelf empfand die massiven Umwälzungen der Moderne als apokalyptische Bedrohung. 1853 schrieb er an einen deutschen Kollegen: „Ich rede nicht vom großen Weltkampfe, sondern vom Kampf um mein liebes Vaterland, das ich mir nicht durch landlose Schlingel will verhunzen lassen.“ Allerdings war er sich des größeren Zusammenhangs durchaus bewusst: „Freilich ist dasselbe auch ein Stück Welt, und die Erscheinungen in demselben sind nicht aparte, sondern gehören mit zum Ganzen und finden sich überall.“

Im Berner Emmental, seinem kleinen Stück Welt, erlebte der Pfarrer Gotthelf den neuen Zeitgeist als Seelsorger hautnah. Angewidert vom Materialismus der Liberalen und inspiriert durch die Ideen des Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi, engagierte er sich aktiv für die Verbesserung des Schulwesens und setzte sich für die sozial Schwachen ein. Gleichzeitig wetterte er gegen das Aufkommen von Massenliteratur und die – in seinen Augen – grassierende Pseudobildung: „Mit Schwatzen und Romänlilese sei ein Bauernhof nit gwerchet, eine Haushaltung nicht gemacht; Lumpenbücher lesen ist keine geistige Arbeit, so wenig als tanzen und gygampfen leibliche …“, schrieb er und bezog sich damit auf französische Erfolgsautoren wie Eugène Sue oder Honoré de Balzac. Literatur hatte für Gotthelf keinen ästhetischen Wert an sich. Vielmehr wollte er als Autor seine Leser auf den christlich rechten Weg bringen. Als er Geld und Geist Ende 1842 abschloss, war ihm bewusst, dass die Geschichte einigen „zu geistlich“ vorkommen werde. Aber, so schrieb er einem Freund, er wolle ihnen zeigen, dass echte Frömmigkeit sich auf eine Weise äußere, die „fromme Kamele nicht als christlich erkennen wollen“.

Wirkungsgeschichte

Geld und Geist erschien 1843 und 1844 in drei Fortsetzungen der Reihe Bilder und Sagen aus der Schweiz des Solothurner Verlags Jent und Gassmann. Acht Jahre später wurde es als Roman im Berliner Springer-Verlag veröffentlicht und begeisterte die deutsche Leserschaft. Für den Verleger Julius Springer wurde Gotthelf zum Goldesel, und der Schweizer Pfarrer stieg zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren seiner Zeit auf.

Die literarische Kritik war damals wie heute durchwachsen. Gotthelfs Zeitgenosse Gottfried Keller warf seinem Landsmann eine „pfäffische und bösartige“ Weltanschauung und religiöse Engstirnigkeit vor, feierte ihn aber zugleich als „das größte epische Talent (…), welches seit langer Zeit lebte und vielleicht für lange Zeit lebt“. Auch Thomas Mann fand, dass er „oft das Homerische“ berühre. Im Zuge der 1968er-Bewegung wurde Gotthelf dann als Reaktionär und ewig gestriger Moralprediger gebrandmarkt und gemieden. Noch 2004 bezeichnete der deutsche Dramatiker Franz Xaver Kroetz ihn als „christlichen Fundamentalisten“, der nichts anderes im Sinne gehabt habe, als „die Menschen zu ängstigen und zu bedrohen“ – ein Urteil, dem Gotthelf-Experten wie Hanns Peter Holl mit Nachdruck widersprechen.

Der breiten Öffentlichkeit ist der Autor vor allem als bodenständiger Heimatdichter bekannt. Dieses Bild wurde auch durch die Filme des Emmentaler Regisseurs Franz Schnyder bestärkt, dessen Verfilmung von Geld und Geist 1964 gut 2,5 Millionen Schweizer in die Kinos lockte – ein Rekord, der bis heute unerreicht geblieben ist.

Über den Autor

Jeremias Gotthelf heißt mit bürgerlichem Namen Albert Bitzius. Sein schriftstellerisches Pseudonym übernimmt er von der Titelfigur eines seiner Romane: Der Bauernspiegel oder Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf, von ihm selbst beschrieben, veröffentlicht 1837. Als Sohn eines protestantischen Pfarrers wird er am 4. Oktober 1797 in Murten im Schweizer Kanton Freiburg geboren. Wie sein Vater schlägt er eine theologische Laufbahn ein und studiert in Bern und Göttingen. Ab 1831 wirkt er in Lützelflüh im Emmental zunächst als Vikar, ab 1832 als Pfarrer. Wenige Jahre später beginnt er seine schriftstellerische Tätigkeit, zunächst als Mitarbeiter am liberalen Berner Volksfreund. 1833 heiratet Gotthelf Henriette Zeender, eine Pfarrerstochter; dieser Ehe entstammen drei Kinder. Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit ist Gotthelf zeitweise auch mit Verwaltungsaufgaben im Schulwesen befasst. Außerdem verfasst er seit der Niederlassung in Lützelflüh sein ebenso umfangreiches wie erfolgreiches literarisches Werk. Die Schauplätze von Gotthelfs Romanen und Erzählungen sind immer wieder die Umwelt und die Orte seiner bäuerisch geprägten schweizerischen Heimat. Obwohl er eigentlich aus der gebildeten, städtischen Berner Oberschicht stammt, vertritt er ein zunehmend konservatives Weltbild, im Gegensatz zu den liberalen und fortschrittlichen Strömungen und den einschneidenden Umbrüchen seiner Epoche. Neben der Novelle Die schwarze Spinne (1842) werden vor allem die Romane Uli der Knecht (1841) und Uli der Pächter (1849) einem breiteren Publikum bekannt. Gotthelf stirbt am 22. Oktober 1854 in seiner Pfarrgemeinde Lützelflüh.

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