Melden Sie sich bei getAbstract an, um die Zusammenfassung zu erhalten.

Iphigenie in Aulis

Melden Sie sich bei getAbstract an, um die Zusammenfassung zu erhalten.

Iphigenie in Aulis

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Euripides’ unsterbliches Drama über das tragische Schicksal von Iphigenie.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Griechische Antike

Worum es geht

Eine Tragödie mit Diskussionsbedarf

Iphigenie in Aulis ist ein vielschichtiges Stück, das mehr als andere antike Tragödien Anlass zu kontroversen Debatten bietet. Ist Iphigenie eine Heldin? Oder bloß ein wankelmütiges Mädchen, das sich sein unausweichliches Schicksal schönzureden versucht? Ist Agamemnon ein mieser Vater? Ein schlechter Feldherr? Oder gar beides? Die Figuren im Drama scheinen einfach nicht gewinnen zu können. Egal, wie sie sich entscheiden, die Katastrophe ist unausweichlich. Selbst der von Iphigenie so heroisch angekündigte Sieg über Troja lässt ihr Opfer nicht sinnvoll erscheinen – schließlich weist sie selbst oft genug darauf hin, dass es bei dem Krieg nur um eine untreue Ehefrau geht, die ihrem Mann nichts als Kummer bereitet hat. Das gibt Iphigenies Opfer einen mehr als bitteren Beigeschmack und lässt das Stück zu einem überraschend modernen Drama werden: Hier geht es nicht um überlebensgroße, tragische Helden, sondern um ganz normale Menschen, die sich in einer ausweglosen Lage wiederfinden und gezwungen sind, eine Entscheidung zu treffen. Wegen dieses Facettenreichtums, und natürlich auch wegen der mitreißenden Sprache, zählt Iphigenie in Aulis zu den antiken Tragödien, die Theaterschaffende seit Jahrhunderten zu immer neuen Interpretationen inspirieren und Zuschauer bis heute begeistern.

Take-aways

  • Iphigenie in Aulis gehört neben Medea und Iphigenie bei der Taurern zu den bekanntesten Stücken des griechischen Tragödiendichters Euripides.
  • Inhalt: Der Feldherr Agamemnon führt ein Heer nach Troja, um die von Paris entführte Helena zurückzufordern. Doch die Flotte wird von einer Flaute aufgehalten, worauf die Göttin Artemis fordert, dass Agamemnon seine Tochter Iphigenie opfert. Agamemnon weigert sich zunächst, doch die Soldaten wenden sich gegen ihn. Schließlich erklärt sich Iphigenie bereit, ihr Leben zu geben, damit Troja besiegt werden kann.
  • Euripides setzte die Geschichte im Stück Iphigenie bei den Taurern fort.
  • Iphigenie in Aulis ist die Bearbeitung eines in der Antike beliebten Stoffes.
  • Vor Euripides haben auch schon seine Zeitgenossen Aischylos und Sophokles Iphigenie-Tragödien verfasst.
  • Aristoteles kritisierte in seiner Poetik die Wankelmütigkeit von Iphigenies Charakter.
  • Aus der dramaturgischen Vorgabe, dass sich die Handlung möglichst binnen eines Tages abspielen soll, ergeben sich im Stück einige Ungereimtheiten.
  • Euripides schrieb Iphigenie in Aulis kurz vor seinem Tod und konnte den Text nicht abschließend bearbeiten.
  • Weil einige Textstellen wahrscheinlich von seinem Sohn ergänzt wurden, gibt es auch stilistische Brüche.
  • Zitat: „Hellas geb ich meinen Leib zum Opfer hin. / Tötet mich, verwüstet Troja! Denn ein Denkmal ist mir dies, / Ewig, das sind meine Kinder, meine Hochzeit und mein Ruhm.“ (Iphigenie)

Zusammenfassung

Agamemnon hadert mit seinem Schicksal

Der griechische Heerführer Agamemnon ruft einen alten Diener zu sich. Er erklärt, dass seine hohe Stellung und sein Posten als Heerführer ihm Unglück gebracht haben: Die hohen Würden gingen oft mit Unheil einher und man sei gezwungen, dem Volk zuliebe Opfer zu bringen. Der Diener wundert sich über die Stimmung seines Herrn und möchte wissen, was ihn so bedrückt. Agamemnon erzählt daraufhin die Geschichte von Helena, der Schwester seiner Frau Klytämestra: Zahlreiche hellenische Fürstensöhne wollten sie zur Frau und waren bereit, um sie zu kämpfen. Um das zu verhindern, ließ ihr Vater Tyndareos die Verehrer schwören, dass sie denjenigen, den Helena wählte, anerkennen und jeden, der sie zu entführen versuche, verfolgen und bestrafen würden. Die Männer erklärten sich einverstanden. Helena entschied sich für Menelaos, Agamemnons Bruder. Doch das Glück währte nur kurz, denn bald kam ein Trojaner zu Besuch, der Helena verführte und sie schließlich in seine Heimat brachte, als Menelaos gerade nicht zu Hause war. Dieser rief sofort die anderen Fürsten zu sich und forderte ihren Eid ein – sie sollten mit ihm nach Troja ziehen, um Helena zurückzuholen. Agamemnon wurde der Oberbefehl über die Truppen übergeben.

„Ich (...) beneide den Mann, der, frei von Gefahr, / Ohne Namen und Ruhm sein Leben durchmisst, / Doch Männer in Würden beneid ich nicht.“ (Agamemnon, S. 4)

Nun lagert das Heer in Aulis, weil der Wind so ungünstig steht, dass die Flotte nicht nach Troja weitersegeln kann. Der Seher Kalchas hat Agamemnon mitgeteilt, dass die Göttin Artemis dem Vorhaben der Griechen erst dann wieder gewogen sein werde, wenn Agamemnon ihr seine Tochter Iphigenie opfere. Dieser weigerte sich zunächst, dieses Opfer zu bringen, doch Menelaos gelang es, seinen Bruder zu überzeugen. So schrieb Agamemnon einen Brief an seine Frau. Er berichtete ihr, dass der tapfere Kämpfer Achilleus Iphigenie zur Frau wolle und dass Klytämestra mit ihr zur Vermählung nach Aulis kommen solle – eine List, in die auch Menelaos, Kalchas und Odysseus eingeweiht sind. Neben diesem Schreiben soll der alte Diener jedoch noch eine andere, geheime Botschaft zu Klytämestra bringen: Darin fordert Agamemnon sie auf, auf keinen Fall mit Iphigenie nach Aulis zu reisen. Agamemnon hat sich also doch wieder dagegen entschieden, seine Tochter zu opfern. Der Diener fragt, ob Achilleus nicht furchtbar wütend sein werde, wenn seinem Wunsch nicht entsprochen werde. Agamemnon entgegnet, dass Achilleus überhaupt nichts von der Hochzeit wisse, worauf der Diener aufbricht.

„Nun liegen wir vor Aulis, weil uns grollt der Wind. / Der Seher Kalchas sprach in dieser Not, / Wir müssten Iphigenia, mein geliebtes Kind, / Der Artemis zum Opfer bringen (...)“ (Agamemnon, S. 6)

Der Chor besingt die Ankunft der Truppen in Aulis, die gekommen sind, um Helena zurückzuholen. Menelaos befiehlt über gefürchtete Kämpfer wie Achilleus und gebietet über Hunderte Schiffe seiner Verbündeten, gegen die seine Gegner kaum etwas ausrichten können.

Streit zwischen Brüdern

Menelaos fängt den Diener ab, der von Agamemnon mit der Botschaft für Klytämestra losgeschickt wurde, und fordert, den Brief zu sehen. Als der Diener sich weigert, nimmt Menelaos das Schreiben mit Gewalt an sich. Agamemnon kommt hinzu und will wissen, was geschehen ist. Menelaos erklärt, dass er den Brief öffnen und dessen Inhalt dem ganzen Volk mitteilen wolle. Agamemnon ist entsetzt, dass Menelaos ihn so bloßstellen würde. Der Bruder sieht sich jedoch im Recht und unterstellt Agamemnon, nur seinen eigenen Ruhm und Vorteil im Sinn zu haben. Als der Wind den Feldzug aufgehalten habe, habe der Seherspruch von Kalchas die Lösung ihrer Probleme aufgezeigt. Doch anstatt dem Rat zu folgen, habe Agamemnon einen geheimen Brief geschrieben, um das Opfer zu umgehen. Nun müsse der Sieg über Troja aufgegeben werden, nur weil Agamemnon nicht bereit sei, seine Tochter zu opfern.

„Hellas aber, das geplagte, jammert mich am meisten, das / Wider Trojas nichtig Volk zu hoher Tat sich angeschickt, / Jetzt um dich und deine Tochter, ihm ein Spott, es ziehen lässt.“ (Menelaos zu Agamemnon, S. 16)

Agamemnon wird nun auch wütend. Er fragt seinen Bruder, was er eigentlich wolle. Schließlich habe er seine Ehefrau durch seine eigene Unaufmerksamkeit verloren. Das sei weder Agamemnons Schuld noch die der zahlreichen Verehrer, die damals in blinder Liebe für Helena ihren Eid geschworen hätten. Agamemnon ist nicht bereit, zugunsten eines wenig durchdachten Befreiungsplans seine Tochter zu opfern. Menelaos wendet sich von seinem Bruder ab, während der Chor Agamemnons Position unterstützt.

Iphigenies Schicksal wird besiegelt

Man meldet die baldige Ankunft von Klytämestra und Iphigenie an, die zusammen mit dem kleinen Orestes nach Aulis gekommen sind. Im Lager machen schon die ersten Gerüchte die Runde: Steht etwa eine Hochzeit bevor? Agamemnon ist verzweifelt und weiß nicht, wie er mit der Situation umgehen soll. Wie soll er Klytämestra gegenübertreten? Vor allem aber kann er den Gedanken nicht ertragen, dass Iphigenie vergebens um ihr Leben flehen wird.

„Was sag ich meinem Weibe doch? Wie soll ich ihr / Entgegentreten? Wie begegn’ ich ihrem Blick? / Denn sie vollendet unser Leid, vernichtet mich (...)“ (Agamemnon nach Klytämestras Ankunft, S. 19)

Der Chor schließt sich Agamemnons Klage an – und auch Menelaos lässt sich erweichen. Aus Mitleid mit seinem Bruder will er den Plan, Iphigenie zu opfern, aufgeben. Helena sei es nicht wert – er finde auch eine andere Frau. Der Chor lobt Menelaos’ Großherzigkeit, und auch Agamemnon dankt ihm dafür, dass er seine Meinung geändert hat. Doch er ist überzeugt, dass das Opfer trotzdem unvermeidlich ist: Agamemnon befürchtet nämlich, dass der listige Odysseus, der die Weissagung des Kalchas kennt, das Heer aufwiegeln, Agamemnon und Menelaos töten und Iphigenie opfern würde. Deshalb bittet er Menelaos nur um eines: Klytämestra soll so lange wie möglich nichts von der Opferung erfahren.

Die Familie wird wieder vereint

Der Chor besingt die Konsequenzen allzu großer Leidenschaft, durch die auch der gerade stattfindende Krieg verursacht wurde. Iphigenie und Klytämestra treffen ein. Iphigenie freut sich aufrichtig, den geliebten Vater endlich wiederzusehen. Sie erkennt jedoch sofort, dass etwas nicht stimmt: Agamemnon wirkt traurig. Er schiebt seine Tränen auf seine Aufgabe als Feldherr, die ihm viele Sorgen bereite, und deutet an, dass auf bald eine lange Reise auf seine Tochter warte, dass zuvor aber noch ein Opfer gebracht werden müsse. Agamemnon beginnt wieder zu weinen und schickt Iphigenie ins Zelt. Zu seiner Frau sagt er, dass er zwar glücklich über die baldige Hochzeit zwischen Achilleus und Iphigenie sei, aber auch traurig darüber, sie fortgeben zu müssen. Klytämestra soll nicht bis zur Hochzeit warten: Agamemnon bittet sie, nach Argos zurückzukehren. Sie weigert sich jedoch, ihre Tochter zu verlassen. Er erkennt, dass er wieder verloren hat – er wollte mit seiner Bitte wenigstens den Zorn seiner Frau umgehen. Nun will er den Seher Kalchas aufsuchen, um mehr über dessen Prophezeiung zu erfahren.

Klytämestra erfährt die Wahrheit

Der Chor besingt den nahenden Angriff auf Troja, den allein Helena zu verantworten habe. Sie werde es schon bald bereuen, ihren Gatten verlassen zu haben. Achilleus kommt zu Agamemnons Zelt, um zu erfahren, wann endlich losgesegelt wird. Er und seine Kämpfer, die Myrmidonen, können es kaum noch erwarten, dass der Feldzug endlich fortgesetzt wird. Da Agamemnon nicht da ist, nimmt Klytämestra den Besucher in Empfang und stellt sich als Agamemnons Frau vor. Achilleus begrüßt sie freundlich und gibt ihr zu verstehen, dass es unschicklich sei, wenn sie sich allein unterhielten. Klytämestra wundert sich über dieses Verhalten, schließlich werde Achilleus bald ihre Tochter heiraten. Diese Aussage ruft bei Achilleus nur Staunen hervor – er versichert ihr, dass er nie um Iphigenies Hand angehalten hat.

„Und am Euripos harr ich hier bei schwachem Wind, / Die Myrmidonen haltend, die mich immerdar / Bestürmend fragen: ‚Was, Achilleus, zögern wir? / Wie lange währt’s noch, bis wir ziehn nach Ilion?‘“ (Achilleus, S. 32)

Der alte Diener tritt hinzu. Er erklärt, dass er Klytämestra einst als Mitgift gegeben worden sei und damit auch zuerst ihr diene. Deshalb klärt er Klytämestra und Achilleus über Agamemnons Plan auf, Iphigenie zu opfern. Klytämestra ist entsetzt – sie erkennt, dass Agamemnon sie unter einem Vorwand dazu gebracht hat, mit Iphigenie nach Aulis zu kommen. Der Diener berichtet daraufhin von dem zweiten Brief, der Klytämestra aufhalten sollte, der jedoch von Menelaos abgefangen wurde. In ihrer Verzweiflung wendet sich Klytämestra an Achilleus und bittet ihn, ihre Tochter zu retten. Achilleus mahnt zur Besonnenheit. Er will keine Mitschuld am Tod von Iphigenie tragen. Er erklärt Klytämestra seinen Plan: Sie soll versuchen, ihren Mann doch noch umzustimmen, damit er von sich aus Iphigenies Leben verschone. Erst wenn das fehlschlägt, will Achilleus eingreifen.

Klytämestras Anklage

Nachdem auch Iphigenie von dem geplanten Opfer erfahren hat, wartet sie zusammen mit ihrer Mutter auf Agamemnons Rückkehr. Als dieser kommt, ist er erstaunt, dass seine Frau und seine Tochter so bestürzt und traurig wirken. Klytämestra will von ihm wissen, ob er wirklich vorhabe, seine eigene Tochter zu opfern. Agamemnon erkennt, dass seine Lüge aufgeflogen und sein Plan ans Licht gekommen ist. Klytämestra trägt ihm ihre Klage vor: Agamemnon habe sie vor Jahren ihrem ersten Mann Tantalos geraubt und ihr Kind ermordet. Ihre Brüder hätten sich dafür rächen wollen, doch Klytämestras Vater Tyndareos habe sich auf Agamemnons Seite gestellt, weshalb Klytämestra bei ihm geblieben sei. Sie sei ihm immer eine treue, gute Ehefrau gewesen und habe ihm vier Kinder geboren. Nun, so wirft sie ihm vor, wolle er eines dieser Kinder töten, nur damit Menelaos seine untreue Frau zurückbekomme. Warum, fragt sie, opfert nicht Menelaos seine Tochter? Warum soll die Ehebrecherin Helena ihre Kinder behalten und sich weiter an ihren Töchtern freuen dürfen? Sie bittet Agamemnon um Gnade und der Chor schließt sich ihr an.

„Vermählen? Ich? Lautloses Staunen fasst mich, Frau / Ob nicht im Irrwahn etwa du so seltsam sprichst.“ (Achilleus zu Klytämestra, S. 33)

Iphigenie wirft sich ihrem Vater zu Füßen und fleht um ihr Leben. Agamemnon erklärt, dass er selbst entsetzt sei, dass es aber keinen anderen Ausweg gebe: Ohne das Opfer müsse der Feldzug abgebrochen werden, und die erzürnten Krieger würden ihn und seine ganze Familie töten. Klytämestra erkennt, dass ihre Bitten aussichtslos sind, und Iphigenie ist sich sicher, dass ihr Tod unausweichlich ist.

Iphigenies Entscheidung

Achilleus kommt dazu und berichtet, dass die Truppen von der Prophezeiung erfahren haben und sich, als er sich für Iphigenie einsetzte, gegen ihn gewandt haben. Selbst die Myrmidonen fordern nun Iphigenies Tod. Achilleus ist allerdings bereit, sich gegen das Heer zu stellen und Iphigenie zu schützen. Iphigenie lobt seinen Einsatz. Ihr ist jedoch klar geworden, dass sie in jedem Fall sterben muss, und sie hat sich entschieden, ihren Tod einem höheren Ziel zu weihen: Mit ihrem Opfer kann sie dafür sorgen, dass nie wieder ein Fremder es wagen wird, eine Frau aus Argos zu entführen. Sie selbst wird durch ihren Tod unsterblichen Ruhm erringen. Der Chor lobt Iphigenies mutigen Entschluss, und auch Achilleus ist tief bewegt von ihrer Tapferkeit. Er rät ihr, sich die Entscheidung noch einmal gut zu überlegen, und bietet ihr an, ihr beizustehen, wenn sollte sie ihre Meinung ändern. Doch Iphigenie hat sich entschieden: Weder Achilleus noch einer der anderen Krieger soll um ihretwillen sterben. Achilleus macht sich zusammen mit den Männern, die noch zu ihm halten, auf den Weg zum Opferaltar, um dort auf Iphigenie zu warten und, sollte sie sich doch noch umentscheiden, notfalls einzugreifen.

„Was dir ein Jüngling geben kann, gewähr ich dir / Und schlinge voll Erbarmen meinen Arm um dich; / Nie soll die Jungfrau sterben durch des Vaters Hand, / Die mein genannt ward (...).“ (Achilleus, S. 38)

Iphigenie bittet ihre Mutter, nach ihrem Tod nicht um sie zu trauern und Agamemnon nicht zu hassen, schließlich habe er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Iphigenie verabschiedet sich von Klytämestra und Orestes. Sie bittet den Chor, ein Loblied auf den kommenden Sieg anzustimmen und Artemis zu preisen.

Nachricht für Klytämestra

Ein Bote kommt zu Klytämestra und berichtet, wie die Opferung verlaufen ist: Das Heer begleitete Iphigenie zu Artemis’ Hain. Als Agamemnon erneut in Tränen ausbrach, tröstete Iphigenie ihn und erklärte, dass sie sich voller Freude zum Wohl ihres Vaterlandes opfern wolle, also solle auch Agamemnon sich freuen. Alle Anwesenden waren von Iphigenies Tapferkeit und ihrem Heldenmut gerührt. Achilleus weihte Iphigenie der Göttin Artemis und erflehte ihre Gunst. Dann hob der Priester das Schwert und alle Zuschauer wandten sich ab, um Iphigenies Tod nicht mitansehen zu müssen. Als sie ihre Augen wieder öffneten, lag am Boden des Altars eine Hirschkuh, die dort verblutete. Kalchas verkündete, Artemis zeige mit diesem Wunder, dass sie Iphigenies Tod nicht wolle und dass sie dem Feldzug ihren Segen gäbe. Agamemnon schickte den Boten zu Klytämestra, um ihr zu sagen, dass Iphigenie jetzt bei den Göttern sei und dass sie, Klytämestra, Agamemnon verzeihen solle. Während der Chor schon die glückliche Wendung bejubelt, bleibt Klytämestra unsicher: Hat Agamemnon die Geschichte erfunden, um sie zu beruhigen? Wenig später kommt ihr Mann selbst dazu und sagt seiner Frau, sie solle nach Argos zurückkehren. Der Chor wünscht ihm Glück für seinen Feldzug.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Stück setzt sich aus fünf längeren Szenen zusammen, die durch vier Chorlieder voneinander abgesetzt sind. Die Handlung ist sehr gerafft, was vor allem hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs einige Fragen aufwirft: Wie etwa kann Klytämestra noch am gleichen Tag in Aulis eintreffen, an dem der Diener den Auftrag erhalten hat, ihr die Nachricht zuzustellen? Diese und andere Ungereimtheiten, die dem heutigen Leser mitunter merkwürdig erscheinen, wurden vom antiken Publikum wahrscheinlich anstandslos angenommen – sie ergaben sich einfach aus dem Anspruch, dass die gesamte Handlung innerhalb eines einzigen Tages stattfinden muss. Einige holprige Stellen sind auch darauf zurückzuführen, dass Euripides das Werk unvollendet ließ und die Lücken wahrscheinlich von seinem Sohn und späteren Bearbeitern gefüllt wurden.

Generell ist Iphigenie in Aulis ein Paradebeispiel für die attische Dichtkunst: Die auf größtmögliche Wirkung konstruierte Story und der ausgefeilte Stil sind auch für den heutigen Leser ansprechend.

Interpretationsansätze

  • Der zentrale Konflikt des Stücks besteht in Agamemnons Wahl zwischen seiner privaten Liebe zu seiner Tochter und seiner öffentlichen Verantwortung gegenüber dem Heer, das er in den Krieg gegen Troja geführt hat.
  • Alle Entscheidungen, die im Stück getroffen und zuvor rege diskutiert werden, sind genau genommen keine freien Entscheidungen: Die Akteure haben jeweils – wie sie es auch immer wieder ausführen – gar keine andere Wahl, als so zu handeln, wie sie es tun. Nicht zuletzt wird Iphigenies Opferung von einem Seher prophezeit – im antiken Verständnis ist das Opfer damit eigentlich unabwendbar.
  • Iphigenies schneller Umschwung von der flehenden Tochter zur mutigen patriotischen Heldin wird von manchen Kritikern darauf zurückgeführt, dass das Ende womöglich nicht von Euripides selbst verfasst, sondern von seinem Sohn ergänzt wurde. Schon Aristoteles kritisierte in der Poetik Iphigenies wankelmütigen Charakter: „Ein Beispiel (...) für einen ungleichmäßigen Charakter ist Iphigenie in Aulis; denn die bittflehende Iphigenie hat nichts mit der gemein, die sie im weiteren Verlauf des Stücks ist.“
  • Doch nicht nur Iphigenie, auch Menelaos, Agamemnon und Achilleus ändern ihre Meinung im Verlauf des Stücks mindestens einmal überraschend schnell. Aristoteles’ Vorwurf, Euripides gestalte seine Figuren so, wie sie sind, während z. B. Sophokles Figuren so darstelle, wie sie sein sollten (und damit einer der zentralen Anforderungen der antiken Tragödie nachkomme), kann aus heutiger Sicht auch als positiver Punkt gewertet werden: Im Unterschied zu anderen antiken Dichtern zeigt Euripides seine Figuren als echte Menschen mit Schwächen und der Fähigkeit, ihre Meinung zu ändern.
  • Die recht schwachen Begründungen für das Menschenopfer – die willkürliche Forderung des Opfers durch Artemis und der Krieg gegen Troja, der leicht zu umgehen gewesen wäre – könnten Hinweise auf eine resignierte Haltung des Autors in religiösen und politischen Fragen sein.

Historischer Hintergrund

Athen im fünften Jahrhundert v. Chr.

Nachdem sich die griechischen Staaten in den Perserkriegen erfolgreich behauptet hatten und in der Folge den von Athen dominierten attischen Seebund gründeten (478/77 v. Chr.), entwickelte sich in Athen die erste demokratische Staatsordnung. Die entscheidende Macht im Staat hatte der Stratege Perikles inne, der die Harmonie im Inneren vor allem durch Ausschaltung seiner Gegner sicherstellte.

Auf den Friedensschluss mit dem Perserreich folgte für Athen eine Phase des äußeren Friedens, die einen bisher nicht gekannten Aufschwung im wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich ermöglichte. In dieser Zeit erblühten insbesondere die Dichtkunst (Sophokles, Aischylos, Euripides), die Geschichtsschreibung (Herodot), die bildende Kunst, die Medizin (Hippokrates) und die Philosophie (Sokrates). Prächtige Bauten wie der Parthenon auf der Akropolis wurden errichtet, und die Athener sahen sich selbst als Krone der Menschheit. Bei den alljährlich stattfindenden Festen der Großen Dionysien wurden zur Erbauung des Volkes die neuesten Stücke der Dichter aufgeführt und – je nach Publikumserfolg – ausgezeichnet.

Politisch folgten jedoch bald wieder unruhige Zeiten: In den Jahren ab 431 v. Chr. kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten, vor allem mit Sparta, die erst mit dem Sieg Spartas im Jahr 404 v. Chr. ein Ende fanden. Dennoch war Athen im kulturellen Bereich ein Vorbild für ganz Griechenland und blieb bis zum Aufstieg Roms das bedeutendste geistige Zentrum der bekannten Welt.

Entstehung

Die Geschichte von Agamemnon und seiner Tochter Iphigenie ist Teil des bekannten Atriden-Mythos, der das Schicksal des Atriden-Geschlechts thematisiert, und stellt eine Episode im größeren Zusammenhang des Trojanischen Krieges dar. Die Herkunft dieser Mythen ist heute nicht mehr vollständig rekonstruierbar: Einigen Deutungen zufolge ist der Iphigenie-Mythos erst relativ spät zum Atriden-Mythos hinzugefügt worden. Womöglich ist die Figur von Agamemnons Tochter aus der einer Göttin erwachsen, die in Konkurrenz zu Artemis stand und auf diese Weise in den Mythenschatz der Griechen Eingang fand. Zahlreiche verschiedene Versionen des Mythos sind bekannt: In einer Fassung wird Agamemnon bestraft, weil er einen Frevel gegenüber der Göttin Artemis begangen hat. Er wird zur Wiedergutmachung gezwungen, indem er seine Tochter opfern muss.

Euripides verzichtet auf diese Erklärung für Artemis’ Opferforderung, bei ihm ist das Opfer lediglich die Gegenleistung für den Beistand der Göttin bei dem Feldzug. Vor Euripides hatten auch seine berühmten Zeitgenossen Aischylos und Sophokles den Stoff bearbeitet. Euripides nahm jedoch zahlreiche Änderungen vor: In Aischylos’ Tragödie Agamemnon z. B. wird Iphigenie am Ende tatsächlich geopfert.

Iphigenie in Aulis ist der erste Teil der Iphigenie-Saga, die mit Iphigenie bei den Taurern fortgesetzt wird. Der Schluss des Stücks fehlt: Euripides verfasste es wahrscheinlich um 406 v. Chr. und konnte es vor seinem Tod nicht mehr vollenden. Doch aus der Fortsetzung wissen wir, dass Klytämestra ihren Mann Agamemnon für den vermeintlichen Mord an Iphigenie töten wird (dies deutet Agamemnon bereits in Iphigenie in Aulis an) und dass sich Iphigenies Bruder Orestes für Klytämestras Tat rächen wird, indem er sie ermordet. Iphigenie bei den Taurern setzt dann viele Jahre später ein: Die von der Göttin vom Opferaltar entrückte Iphigenie dient als Hüterin des Artemistempels im Land der Taurer und trifft dort auf ihren Bruder Orestes.

Wirkungsgeschichte

Der Atriden-Mythos und insbesondere die Geschichte von Iphigenie hat nicht nur in der Antike Künstler zu Adaptionen inspiriert (u. a. griff Ovid den Mythos in seinen Metamorphosen auf), sondern immer wieder auch in der Neuzeit. Friedrich Schiller übersetzte das Werk 1789. Christoph Willibald Gluck komponierte die Oper Iphigénie en Aulide (Uraufführung 1744 in Paris).

Vom späten 17. bis ins 20. Jahrhundert hinein entstanden unzählige weitere Bearbeitungen für die Oper. Zu den bekanntesten literarischen Adaptionen des Stoffs zählen die Tragödie Iphigénie des französischen Dichters Jean Racine (1674), Iphigenie auf Tauris von Johann Wolfgang von Goethe (1787), Im Taurerland von Jochen Berg (1977) und Iphigenie in Freiheit von Volker Braun (1992).

Die wohl umstrittenste Fassung ist Teil der Atriden-Tetralogie von Gerhart Hauptmann (1944), die wegen dessen Wertschätzung durch die Nazis lange Zeit geächtet war und erst in den 1960er Jahren von Erwin Piscator wieder auf die Bühne gebracht wurde.

Über den Autor

Euripides zählt neben Aischylos und Sophokles zu den drei großen Tragödiendichtern der griechischen Antike. Über sein Leben sind nur wenige Details bekannt. Die spärlichen biografischen Informationen, die uns heute noch vorliegen, verdanken wir zum Teil den Komödien des Aristophanes, der sich in seinen Stücken über den etwas älteren Zeitgenossen lustig machte. Euripides wird um 480 v. Chr. als Sohn eines Gutsbesitzers geboren und verbringt seine Jugend auf der Insel Salamis, auf der das Landgut seiner Eltern liegt. Der Überlieferung zufolge verfasst er hier in einer Höhle seine Dichtungen. Seine Ausbildung absolviert Euripides in Athen. Hier trifft er auf die berühmten Denker seiner Zeit: Anaxagoras, Archelaos und auch Sokrates zählen angeblich zu seinen Lehrern. Zunächst studiert Euripides auf Wunsch des Vaters Gymnastik, um sich dann der Tragödiendichtung zuzuwenden. Im Gegensatz zu seinen Kollegen Sophokles und Aischylos gilt Euripides als ungeselliger Einzelgänger, der sich aus den politischen und militärischen Fragen der Stadt heraushält. Er heiratet zweimal und wird Vater von drei Kindern. Euripides verfasst etwa 90 Dramen, von denen jedoch nur 19 überliefert sind. Bei vier Dramen ist unklar, ob sie von ihm selbst oder von Euripides dem Jüngeren (seinem Sohn oder Neffen) stammen. Seine bekanntesten Werke sind die Bakchen, Elektra, Iphigenie in Aulis, Iphigenie bei den Taurern und Medea. Euripides nimmt regelmäßig am Wettbewerb der Dichter teil, gewinnt aber nur vier Mal. Der mangelnde Erfolg ist wohl einer der Gründe, warum Euripides im hohen Alter einen Neuanfang wagt: Ab 408 v. Chr. wendet er Athen den Rücken, um sich in Pella am Hof des makedonischen Königs Archelaos niederzulassen. 406 v. Chr. stirbt Euripides.

Hat Ihnen die Zusammenfassung gefallen?

Buch oder Hörbuch kaufen

Diese Zusammenfassung eines Literaturklassikers wurde von getAbstract mit Ihnen geteilt.

Wir finden, bewerten und fassen relevantes Wissen zusammen und helfen Menschen so, beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen.

Für Sie

Entdecken Sie Ihr nächstes Lieblingsbuch mit getAbstract.

Zu den Preisen

Für Ihr Unternehmen

Bleiben Sie auf dem Laufenden über aktuelle Trends.

Erfahren Sie mehr

Studenten

Wir möchten #nextgenleaders unterstützen.

Preise ansehen

Sind Sie bereits Kunde? Melden Sie sich hier an.

Kommentar abgeben

Mehr zum Thema

Vom gleichen Autor