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Königliche Hoheit

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Königliche Hoheit

Fischer Tb,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Liebesgeschichte und Gesellschaftspanorama – Thomas Manns zweiter Roman.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Moderne

Worum es geht

Ein Lustspiel in Romanform

Vordergründig ist Königliche Hoheit ein Roman über die Anbahnung einer Ehe in großherzoglichem Milieu. Und anders als man es sonst in der deutschen Hochliteratur erwarten darf, hat die Geschichte sogar ein ausgesprochenes Happy End. Thomas Mann selbst hat Königliche Hoheit als „Versuch eines Lustspiels in Romanform“ bezeichnet. In der Tat wirken die wenigen, aber gewichtigen Dialogszenen wie für die Bühne geschrieben und alles Dazwischenliegende klingt berichthaft. Außenseitertum ist, wie im gesamten Werk von Thomas Mann, ein Hauptthema des Buches. Es ist das in ganz verschiedenen Ursachen begründete, letztlich aber gemeinsame Außenseiterschicksal, das die beiden Hauptfiguren Klaus Heinrich und Imma verbindet. Mit ebenso köstlicher wie genauer Ironie stellt Mann die Welt des Adels im Großherzogtum am Vorabend des Ersten Weltkriegs als Aneinanderreihung morbider Veranstaltungen bloß, die den Niedergang der Monarchie zu verschleiern suchen.

Take-aways

  • Thomas Manns zweiter Roman war, anders als Buddenbrooks, auf Anhieb ein Erfolg.
  • Inhalt: In einem verarmten Großherzogtum übernimmt der junge Prinz Klaus Heinrich die Repräsentationspflichten für seinen kränklichen Bruder. Als im Land ein amerikanischer Milliardär mit seiner Tochter ansässig wird, verringert sich im Lauf eines Jahres die Distanz der „königlichen Hoheit“ zu dieser jungen Dame. Am Ende heiraten die beiden, und der Schwiegervater saniert mit seinem Geld den Staat.
  • Thomas Mann wollte nach eigener Aussage mit Königliche Hoheit ein „Lustspiel in Romanform“ schaffen.
  • Obwohl oberflächlich gesehen heiter-ironisch, ja sogar karikaturhaft, ist die Darstellung des Lebens in dem verarmten Großherzogtum sehr realistisch.
  • Königliche Hoheit ist ein stilistisches Kunstwerk, in dem Thomas Manns sprachliche Virtuosität klar zutage tritt.
  • Mann entlarvt auf ironische und distanzierte Weise die Brüchigkeit der Lebensformen in der wilhelminischen Gesellschaft.
  • In der Figur des Prinzenerziehers Dr. Überbein reflektiert Mann kritisch die damals sehr populäre Philosophie Nietzsches.
  • Als Vorbild für die spöttische Milliardärstochter Imma diente Katia Pringsheim, die Thomas Mann kurz vor Niederschrift des Romans heiratete.
  • Das verbindende Element der beiden Hauptfiguren ist ihr Außenseitertum – dies ist auch ein Hauptthema des Romans.
  • Zitat: „Das soll fortan unsre Sache sein: beides, Hoheit und Liebe, – ein strenges Glück.“

Zusammenfassung

Prinzengeburt

Auf der Grimmburg, dem Stammsitz eines großherzoglichen Hauses, kommt der zweite Sohn des regierenden Fürsten Johann Albrecht III. und seiner schönen Gemahlin Dorothea zur Welt. Der neugeborene Klaus Heinrich steht nun an zweiter Stelle hinter dem Thronfolger Albrecht, seinem sechs Jahre älteren Bruder. Die Haupt- und Residenzstadt des kleinen Großherzogtums befindet sich eine halbe Eisenbahnstunde von der Grimmburg entfernt. Die Restauration der Burg wenige Jahre zuvor hat 1 Million Mark verschlungen. Angesichts der finanziell angeschlagenen Situation des kleinen Landes war danach kein Geld mehr für den Einbau einer Zentralheizung im sogenannten Alten Schloss, dem großherzoglichen Residenzschloss in der Hauptstadt, vorhanden. Die Dynastie regiert das Land seit 15 Generationen.

„Gekannt und doch fremd bewegt er sich unter den Leuten, geht im Gemenge und gleichsam doch von einer Leere umgeben, geht einsam dahin und trägt auf seinen schmalen Schultern die Last seiner Hoheit.“ (über Klaus Heinrich, S. 9)

Kurz nach der eigentlich glücklich verlaufenen Geburt stellt Großherzog Johann Albrecht bei dem Neugeborenen eine leichte Verkürzung des linken Arms und eine Verkrüppelung der linken Hand fest. Erst durch die Erklärungen des zufällig anwesenden Kinderarztes Dr. Sammet lässt sich der empörte Fürst beruhigen; er wollte zuerst die Leibärzte der Familie dafür verantwortlich machen. In der Behinderung des Neugeborenen sieht er eine „Hemmung“, einen schweren Makel in Bezug auf die Ausübung des auf Repräsentation angelegten prinzlichen Berufs. Auf der Rückfahrt in die Hauptstadt erinnert der oberste Staatsminister von Knobelsdorff den Fürsten an die im ganzen Land bekannte, etwa 100 Jahre alte Prophezeiung einer Zigeunerin, wonach ein „Prinz mit einer Hand“ dem Großherzogtum Glück bringen werde. In der Residenzstadt wird die Geburt des neuen Prinzen mit Beflaggung, Glockengeläut und Feuerwerk gefeiert.

Ein Großherzogtum in Nöten

Das kleine Großherzogtum mit etwa 1 Million Einwohnern ist ein verarmtes Land. Es gibt hauptsächlich Land- und Forstwirtschaft, aber kaum Gewerbe und Industrie. Unter dem finanziellen Druck wird an den Staatswäldern bereits Raubbau betrieben, die Steuerschraube lässt sich kaum mehr weiter anziehen. Der früher ertragreiche Silberbergbau ist stillgelegt, hier müsste investiert und exploriert werden. Die Residenzstadt verfügt über Heilquellen, doch es gibt nur wenig Heilwasserversand und kaum Fremdenverkehr.

„Wer kein Interesse daran hatte, die Dinge zu beschönigen, mußte die Staatsfinanzen zerrüttet nennen.“ (S. 39)

Die noch bewohnten Schlösser der großherzoglichen Familie aus verschiedenen Epochen sind sehr reparaturbedürftig, die übrigen verfallen. Die Fürstenfamilie speist im Alltag nicht üppiger als ein Beamtenhaushalt. Allen Personalsparmaßnahmen zum Trotz – etwa dem Zusammenziehen von Oberhofämtern oder der Entlassung von Büchsenspannern und Konfektmeistern – bleibt der kleine Staat hoch verschuldet. Man nimmt neue Gelder hauptsächlich auf, um ältere Verbindlichkeiten zu bedienen.

Prinzenerziehung

Zwei Jahre nach Klaus Heinrich kommt eine Tochter, Ditlinde, zur Welt. Die beiden Kinder wachsen unter der Obhut einer streng protestantischen Pfarrerswitwe aus der Schweiz auf. Bei ihr ist jeder Übermut verpönt, alles muss „comme il faut“ sein. Für den etwas älteren und kränklichen Bruder Albrecht war das nie ein Problem. Klaus Heinrich hingegen stöbert gelegentlich mit seiner Schwester in verlassenen Gemächern im Alten Schloss herum und plaudert gern einmal mit den Lakaien. Sie sehen in ihm einen reinen, feinen Menschen. Von einem Schuster, der sich auf den Gängen des Schlosses verirrt hat, erfährt er allerdings, dass die Lakaien Lieferanten wie ihn schikanieren und sich bestechen lassen, um die Waren weiterzuleiten.

„Aber Klaus Heinrich wußte wohl, daß Mama lange, sorgfältige Stunden an ihrer Schönheit gearbeitet hatte, daß ihr Lächeln und Grüßen voller Übung und Absicht war und daß ihr eigenes Herz nicht hochschlug, keineswegs, für nichts und für niemanden.“ (S. 60)

Seine Eltern sieht Klaus Heinrich selten. Der Etikette folgend spricht er mit seinem Vater, dem Fürsten, nur, wenn er von diesem etwas gefragt wird. Was seine Mutter, die Großherzogin Dorothea, betrifft, begreift er früh, dass sie sich nur für ihre Schönheit interessiert. Nach ersten Unterweisungen durch einen Hauslehrer kommt Klaus Heinrich gemeinsam mit einem halben Dutzend gleichaltriger Adelsjungen in ein eigens in einem Schloss gegründetes Knabeninternat. Zwei dieser Jungen stammen aus Adelsfamilien, die wohlhabender sind als Klaus Heinrichs. Das Schloss ist eher ein einfaches Landhaus. Mit dem ihm gegenüberliegenden Wirtsgarten ist es ein Ausflugsziel für die Bewohner der Residenzstadt. Die Jungen werden von Gymnasialprofessor Kürtchen unterrichtet. Dieser verabredet mit Klaus Heinrich unter vier Augen eine unauffällige Signalsprache, die darüber Auskunft gibt, wann der Prinz im Unterricht dranzukommen wünscht und wann nicht. So wird sichergestellt, dass Klaus Heinrich vor seinen Altersgenossen nicht kompromittiert wird. Im Hintergrund lenkt Staatsminister von Knobelsdorff das gesamte Ausbildungsprogramm.

„Aber Sie? Was sind Sie? Das ist schwieriger ... Sagen wir: ein Inbegriff, eine Art Ideal. Ein Gefäß. Eine sinnbildliche Existenz, Klaus Heinrich, und damit eine formale Existenz.“ (Dr. Überbein zu Klaus Heinrich, S. 85)

Unterstützt wird Professor Kürtchen vom jungen Hilfslehrer Dr. Raoul Überbein. Dieser stammt aus sehr einfachen Verhältnissen und hat sich ehrgeizig, zäh und fleißig vom Volksschullehrer zum promovierten Gymnasiallehrer hochgearbeitet. Dr. Überbein wird zum Privatrepetitor von Klaus Heinrich, der ihn wegen seiner schwärmerischen Reden bewundert. Das letzte Schuljahr verbringt Klaus Heinrich auf dem Gymnasium der Residenz. Er behält Dr. Überbein als Repetitor.

Eine Peinlichkeit

In diesem Jahr nimmt der 17-jährige Klaus Heinrich erstmals am sogenannten Bürgerball im Rathaus teil, der traditionsgemäß vom Großherzog eröffnet wird. Zu fortgeschrittener Stunde, unter dem berauschenden Einfluss von Tanz und Bowle, kommt es unter den jungen Leuten zu einem ausgelassenen Reigen mit Anfassen an den Händen und direkter Ansprache des Prinzen ohne Titel. Schwindelnd und stolpernd landet Klaus Heinrich in äußerst lächerlicher Pose und mit einem Bowlendeckel dekoriert auf einem Sofa. Als endlich Dr. Überbein hinzutritt, macht er dem für den Prinzen peinlichen Treiben sofort ein Ende.

„Repräsentieren, für viele stehen, indem man sich darstellt, der erhöhte und zuchtvolle Ausdruck einer Menge sein, – Repräsentieren ist selbstverständlich mehr und höher, als einfach Sein, Klaus Heinrich, – darum nennt man Sie Hoheit ...“ (Dr. Überbein zu Klaus Heinrich, S. 89)

An seinem 18. Geburtstag wird Klaus Heinrichs Volljährigkeit zeremoniell und mit allerlei Ordensverleihungen begangen; der ihm seit seiner Geburt zustehende Titel „Großherzogliche Hoheit“ wird bekräftigt. Klaus Heinrich tritt als junger Offizier formell ins Heer ein und besucht dann für ein Jahr eine der beiden Universitäten des Landes, nach wie vor unter dem Tutorat von Dr. Überbein. Daran schließt sich eine Bildungsreise durch Europa an. Klaus Heinrich hat inzwischen auch einen Adjutanten und einen Kammerdiener.

Der Repräsentationsprinz

Im Winter stirbt Großherzog Johann Albrecht III. Aus seinem Winterquartier an der Riviera reist Klaus Heinrichs Bruder an, um als Albrecht II. die Nachfolge anzutreten. Wegen seiner schwachen Gesundheit hat der überaus hoheitsvolle und menschenscheue Albrecht schon seit vielen Jahren die Winter am Mittelmeer verbracht. Klaus Heinrich bezieht das kleine Empire-Schlösschen Eremitage am Stadtrand, das lange leer stand, als Wohnsitz. Ditlinde verheiratet sich glücklich mit dem geschäftstüchtigen und wohlhabenden, aber keine Landeshoheit mehr besitzenden Fürsten zu Ried-Hohenried.

„Er eröffnete als Vertreter seines Bruders den Landtag, nahm aber keinen Anteil an den Vorgängen dortselbst und vermied jedes Ja und Nein im Zwiespalt der Parteien, – unentschieden und ohne Überzeugungswärme wie einer, dessen Angelegenheit höher ist, als alles Parteiwesen.“ (über Klaus Heinrich, S. 172)

Anlässlich einer Teestunde der drei großherzoglichen Geschwister bittet der leidende Albrecht seinen jüngeren Bruder, fortan die alltäglichen Repräsentationspflichten für ihn zu übernehmen. Dafür bekommt er extra den Titel „Königliche Hoheit“ verliehen. Von nun an besteht Klaus Heinrichs Leben aus der Teilnahme an Hoffestlichkeiten, Konzerten, Theateraufführungen, Denkmalenthüllungen, Jagden, Preisverleihungen, Ausstellungseröffnungen, Turnerfesten, Fischertagen, Preisschießen und Freiaudienzen. Er hat längst gelernt, den linken Arm geschickt in die Hüfte zu stemmen und sich seitwärts zu drehen. Beim Volk ist er beliebt. Wie er es von Dr. Überbein gelernt hat, tritt er mit viel Würde auf.

Die Milliardärstochter

Bereits während der Teestunde bei Ditlinde war die Rede auf das Gerücht von dem bevorstehenden Besuch des deutschstämmigen amerikanischen Milliardärserben Samuel Spoelmann und seiner Tochter Imma gekommen. Der schwer nierenkranke Spoelmann möchte in der Residenzstadt eine Heilkur machen. Vater und Tochter reisen mit ihrem Gefolge in einem Extrazug an. Die 19-jährige Imma Spoelmann hat eine Gesellschaftsdame, Gräfin Löwenjoul, als Begleitung. Während ihres ersten, sechswöchigen Kuraufenthalts verlassen die Spoelmanns das Hotel nur, um zur Heilquelle zu gehen und aus dem Brunnen zu trinken.

„Eine Erinnerung beschäftigte ihn (...), eine alte, peinvolle Erinnerung, die den Büfettraum des ,Bürgergartens‘ zum Schauplatz hatte und mit einem Bowlendeckel endigte ... ,Kleine Schwester!‘ sagte er bei sich selbst (...) – Hauptsächlich aber sann er darauf, wie das Zusammensein mit Imma Spoelmann in kürzester Frist zu erneuern sei.“ (über Klaus Heinrich, S. 269 f.)

Ein halbes Jahr später verbreitet sich das Gerücht, der steinreiche Spoelmann wolle das kleine, unbewohnte Schloss Delphinenort am Stadtrand aus dem Besitz der großherzoglichen Familie erwerben. Das Gerücht entspricht der Wahrheit. Spoelmann lässt Delphinenort in kürzester Zeit baulich sanieren und für sich und seine Tochter bequem einrichten. Imma Spoelmann beginnt, Mathematik-Vorlesungen an der Universität der Residenzstadt zu besuchen. Auf dem Weg dorthin drängt sie sich einmal in großer Eile etwas dreist mitten durch das zur Wachablösung vor dem Schloss aufziehende Wachbataillon. Der Vorgang wird auch von Klaus Heinrich beobachtet, der sich zufällig gerade bei Offizierskollegen in der Wachstube aufhält. Er sieht Imma einige Tage später in einer Loge im Hoftheater wieder, während einer Aufführung der Zauberflöte.

„Denn die öffentliche Wohlfahrt, sehen Sie, und unser Glück, die bedingen sich gegenseitig.“ (Klaus Heinrich zu Imma, S. 340)

Von Dr. Überbein, der mit dem Kinderarzt Dr. Sammet befreundet ist, erfährt Klaus Heinrich, dass Imma Spoelmann das örtliche Kinderspital besichtigen wird, da sie aus ihrem eigenen Vermögen 10 000 Mark dafür gespendet hat. Sammet ist inzwischen Leiter dieses Spitals. Klaus Heinrich meldet sich für den gleichen Vormittag zur Besichtigung an. So begegnen sich die beiden zum ersten Mal in einer Weise, dass sie einander vorgestellt werden. Der Prinz wundert sich über die Art der jungen Dame, schnippische und ironische Bemerkungen zu machen.

Prinzenbesuche in Delphinenort

Einer Einladung zum Tee bei Spoelmanns kommt Klaus Heinrich sehr bald nach. Er lernt auch Immas Vater kennen, der dem Prinzen offen ins Gesicht sagt, dass er von dessen Beruf nichts hält. Spoelmanns Vater hat als deutscher Auswanderer in Amerika durch einen enormen Goldfund den Grundstein für ein Riesenvermögen gelegt, das Sam Spoelmann nun verwaltet. Er hat massiv in Kohle, Stahl und Eisenbahnen investiert, ist ein maßgeblicher Lenker großer Industrietrusts, ist aber auch angefeindet in Amerika. Deswegen macht er sich im Alter wieder in der Alten Welt ansässig. Sein persönliches Interesse gilt dem Orgelspiel und seiner Kunstsammlung von Gläsern.

„,Kleine Schwester‘, hatte er mit ruhiger Miene gesagt und sie im Tanze ein wenig fester an sich gezogen. ,Kleine Braut ...‘ Und das war in der Tat ein Sonderfall von Verlobungsgespräch gewesen.“ (über Klaus Heinrich und Imma, S. 341)

Bei Klaus Heinrichs Besuchen ist Sam Spoelmann nur manchmal zugegen. Stets anwesend, aber oftmals geistig vollkommen woanders ist die Gräfin Löwenjoul, die ein schweres Schicksal, ausgelöst durch einen gewalttätigen Ehemann, hinter sich hat. Zu den Besuchen gesellen sich gemeinsame Ausritte und Ausflüge, die der Prinz in immer kürzer werdenden Abständen wiederholt. Da Spoelmanns Vater in Bolivia geheiratet hat, hat die schwarzhaarige Imma, wie der Prinz erfährt, ein wenig „Indianerblut“ in den Adern. In Amerika ist dies ein Grund, selbst einen schwerreichen Mann wie Spoelmann und seine „farbige“ Tochter vom gesellschaftlichen Verkehr auszuschließen. In dieser Sonderrolle, die ihm wie ihr zukam, erkennt Klaus Heinrich etwas Geschwisterliches.

Die Erfüllung der Prophezeiung

Ohne dass Klaus Heinrich davon Notiz genommen hätte, haben der Hof, die Presse und die Bevölkerung der Residenzstadt diese Annäherung durchaus bemerkt. Staatsminister Knobelsdorff hält dem Prinzen bei einer langen Unterredung den Zustand des Landes und des Staates und insbesondere der Staatsfinanzen eindringlich vor Augen und ermuntert ihn, Imma zum anstehenden Hofball einzuladen, damit sie im ersten Rang bei Hof vorgestellt werde.

„Samuel Spoelmann aber, von seiner Seite, bewilligte dem Staat eine Anleihe von dreihundertundfünfzig Millionen Mark – und zwar unter Bedingungen so väterlicher Art, daß dieses Darlehen fast alle Merkmale einer Schenkung trug.“ (S. 349)

Klaus Heinrich vertieft sich nun umgehend in Studien der Finanzwirtschaft – bald auch gemeinsam mit der mathematisch gebildeten Imma. Sie gewinnt nun sehr viel Respekt für den Prinzen. Auf den Hofball folgt die Verlobung mit Immas Erhebung in den Fürstenstand und später die Vermählung. Spoelmann übernimmt mehr als die Hälfte der Staatsschulden. Das Großherzogtum blüht auf – wie der wunderschöne, aber leider nach Moder duftende Rosenstock im Burghof, der nun in eine andere Umgebung verpflanzt wird.

Zum Text

Aufbau und Stil

Königliche Hoheit ist ein Roman in zehn Kapiteln von sehr unterschiedlicher Länge. Das erste, mit dem Titel „Vorspiel“, ist nur drei Seiten lang. Mehr als 100 Seiten umfasst dagegen das längste Kapitel („Imma“), in dem die Begebenheiten seit der Ankunft der Spoelmanns in der Residenzstadt bis zu der vertraulichen Verlobung von Klaus Heinrich und Imma ziemlich genau ein Jahr später geschildert werden. Dieses Kapitel enthält die entscheidende Wende im Leben der Hauptfigur Klaus Heinrich. Die Kapitel davor schildern seine Kindheit und Jugend mit besonderem Augenmerk auf seiner Erziehung und seinem Dasein als Prinz. In den beiden Kapiteln danach wird über die Hochzeitsvorbereitungen und die Hochzeit selbst berichtet. Auffallend ist Thomas Manns blendende Sprachkunst, seine gewählte Ausdrucksweise, die bisweilen enorm verschlungenen, aber immer klaren Sätze, sein überaus ironischer Ton und seine sprachliche Musikalität. Der Erzähler ist stets sehr präsent, manchmal tritt er – als „wir“ – sogar kurz in Erscheinung. Die Figuren gewinnen darum nie viel Eigenleben. Die Dialogszenen in Königliche Hoheit kann man fast an einer Hand abzählen. Sie lesen sich wie geschliffene Dialoge im Theater.

Interpretationsansätze

  • 1909 erschienen, also noch vor dem Ersten Weltkrieg, schildert das Buch die schon sehr brüchige und offenbar dem Untergang geweihte Konstruktion der deutschen Kleinstaaten. Nichts ist mehr heil: die schlossartigen Gebäude, die Staatsfinanzen, die linke Hand des Protagonisten (die dieser übrigens mit Kaiser Wilhelm II. gemein hat).
  • Thomas Mann zeichnet diese Welt als eine Scheinwelt. Alle Figuren rund um das Fürstenhaus bemühen sich hauptsächlich und ganz bewusst, den Schein zu wahren. Erst in der Begegnung mit den Spoelmanns wird die Scheinwelt des Fürstenhofs gnadenlos bloßgelegt.
  • Der Roman enthält viele autobiografische Bezüge, insbesondere zu der Eheanbahnung zwischen Thomas Mann und der schnippischen Katia Pringsheim.
  • Die gesellschaftliche Isoliertheit sowohl von Klaus Heinrich wie von Imma, ihre Außenseiterstellung, ist ihre Gemeinsamkeit, ihre Wahlverwandtschaft. Das Thema des Fürsten als Außenseiter kann als Variante des bei Thomas Mann immer wieder vorkommenden Themas des Künstlers als Außenseiter gelesen werden.
  • Dr. Überbein ist ein wilhelminischer Pädagoge, der einer Vorstellung vom Übermenschen und von Hoheit huldigt, die der Philosophie Nietzsches entspringt. Er betont die Gegensätze von Form, Haltung und Hoheit gegenüber Unmittelbarkeit, Gemütlichkeit, Populärem und auch dem Liebesgefühl und erklärt diese Gegensätze letztlich für unvereinbar.
  • Klaus Heinrich hat dieselben Anfangsbuchstaben wie „Königliche Hoheit“. Nicht nur in solchen Sprachspielereien, sondern auch durch symbolhafte Bezüge, drollige Namen von Nebenfiguren und einen generell ironischen Ton zeigt sich Thomas Manns sehr bewusster Umgang mit der Sprache. Unterstützend wirkt dabei zusätzlich die für alle seine Romane typische, ironisch-distanzierte Erzählweise einer Hauptfigur, deren Hauptcharakteristikum hoheitsvolle Distanz ist.

Historischer Hintergrund

Das Deutsche Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Krieg Deutschlands gegen Frankreich 1870/71 wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet, maßgeblich auf Betreiben von Reichskanzler Otto von Bismarck. Das Reich war eine konstitutionelle Monarchie und zugleich ein Bundesstaat: Neben den drei Hansestädten gab es 25 Bundesglieder. Das mit Abstand größte Bundesland war das Königreich Preußen mit 25 Millionen Einwohnern, gefolgt vom Königreich Bayern mit fast 5 Millionen und vom Königreich Sachsen mit 2,5 Millionen Einwohnern (alle Einwohnerzahlen von 1871). Zudem gab es sechs Großherzogtümer, fünf Herzogtümer und sieben Fürstentümer. Der nach Einwohnern kleinste Gliedstaat des Deutschen Reichs war das Fürstentum Schaumburg-Lippe mit gerade einmal 30 000 Einwohnern. Da die Reichspolitik hauptsächlich von Kaiser Wilhelm II. selbst und vom Reichskanzler geleitet wurde, hatten die Landesfürsten vom Großherzog bis zum einfachen Fürsten keine ausgeprägten Regierungskompetenzen mehr. Sie waren eher auf Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Steuerwesen, Bildungswesen und auf das Zeremonielle beschränkt.

In der Wilhelminischen Ära erlebte das Reich einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Deutschland wurde zum führenden Industrieland und überflügelte Großbritannien. Daran hatten auch manche der kleineren Bundesländer ihren Anteil. Im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach beispielsweise gab es Weltmarktführer der Glas- und feinoptischen Industrie (Schott und Carl Zeiss) sowie reichlich Textilindustrie. In Eisenach entstand 1898 sogar ein Automobilwerk. Auch die Großherzogtümer Baden und Hessen-Darmstadt wurden im Lauf des 19. Jahrhunderts industrialisiert.

Andere, vor allem die kleineren, bevölkerungs- und rohstoffarmen Länder blieben agrarisch geprägt und somit im ökonomischen Sinn rückständig. Wenn hier einige reiche Adelsfamilien über großen Grundbesitz verfügten, fiel das im Hinblick auf die Sozialstruktur besonders ins Gewicht. Als regierende Häuser waren indes viele deutsche Fürsten eng verwandt mit dem europäischen Hochadel und selbst mit den Königs- und Kaiserhäusern Englands und Russlands. Dazu zählten namentlich Württemberg und Hessen-Darmstadt, aber auch Sachsen-Coburg-Gotha oder Sachsen-Meinigen. Das entsprechende aristokratische Standesbewusstsein stand dann bisweilen im krassen Gegensatz zu der Bedeutung des regierten Territoriums.

Am Ende des Ersten Weltkriegs stürzten dann allerdings sämtliche Throne. Die monarchische Regierungsform in Deutschland wurde von der republikanisch-parlamentarischen Staatsform abgelöst.

Entstehung

Königliche Hoheit war nach Buddenbrooks der zweite Roman von Thomas Mann. Der später weltberühmte Erstling war 1901 erschienen und 1903, als Mann mit der Planung für Königliche Hoheit begann, noch nicht zum Welterfolg geworden. Die erste, zweibändige Ausgabe war in einer Auflage von 1000 Exemplaren erschienen und verkaufte sich nicht gut. Erst ab 1903 begann Thomas Manns Ruhm und Erfolg mit einer einbändigen Ausgabe allmählich zu wachsen. In dieser Zeit lernte er Katia Pringsheim kennen, die Tochter eines sehr wohlhabenden, jüdischstämmigen Münchner Mathematikprofessors. Er heiratete sie 1905. Die junge Katia Mann gilt als Vorbild für die Romanfigur der Imma. Das Romanmanuskript entstand mit vielen Umarbeitungen zwischen 1905 und dem Frühjahr 1909. Es erschien zuerst in der literarischen Zeitschrift Neue Rundschau des S. Fischer Verlags und im Herbst des gleichen Jahres auch in Buchform in diesem Verlag.

Wirkungsgeschichte

Anders als Buddenbrooks war Königliche Hoheit von Anfang an ein großer kommerzieller Erfolg für Thomas Mann. Nach zwei Jahren wurde bereits die 30. Auflage gedruckt. Weniger euphorisch als das Publikum waren die Kritiker. Sie störten sich hauptsächlich am Happy End, der auf den ersten Blick zu romantisch wirkenden Fürstenhochzeit, und außerdem an den als übertrieben karikaturhaft wirkenden Namensgebungen der zahlreichen Nebenfiguren. Manchen erschien das Buch auch zu operettenhaft – ein Urteil, dem andere mit Hinweis auf den vielfältigen, oftmals sehr genauen Realitätsbezug des Romans widersprachen. Heute steht Königliche Hoheit ein wenig im Schatten der umfangreichen Großromane von Thomas Mann, wie Doktor Faustus oder Der Zauberberg. Auch international ist Königliche Hoheit im Gegensatz zu den Hauptwerken Manns wenig bekannt. 1953 entstand die bisher einzige Verfilmung mit Dieter Borsche und Ruth Leuwerik in den Hauptrollen.

Über den Autor

Thomas Mann wird am 6. Juni 1875 in Lübeck geboren. Er ist der zweite Sohn einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie, sein älterer Bruder Heinrich wird ebenfalls Schriftsteller. Thomas hasst die Schule und verlässt das Gymnasium ohne Abitur. Nach dem Tod des Vaters zieht die Familie 1894 nach München, dort arbeitet Mann kurzfristig als Volontär bei einer Feuerversicherung. Als er mit 21 Jahren volljährig ist und aus dem Erbe des Vaters genug Geld zum Leben erhält, beschließt er, freier Schriftsteller zu werden. Er reist mit Heinrich nach Italien, arbeitet in der Redaktion der Satirezeitschrift Simplicissimus und schreibt an seinem ersten Roman Buddenbrooks, der 1901 erscheint und ihn sofort berühmt macht. Der Literaturnobelpreis, den er 1929 erhält, beruht vor allem auf diesem ersten Buch – Mann, nicht uneitel, erwartet die Auszeichnung allerdings schon 1927. Trotz seiner homoerotischen Neigungen heiratet er 1905 die reiche Jüdin Katia Pringsheim. Sie haben sechs Kinder, darunter Klaus, Erika und Golo Mann, die ebenfalls als Schriftsteller bekannt werden. Weil Thomas den Ersten Weltkrieg zunächst befürwortet, kommt es zwischen ihm und seinem Bruder Heinrich zum Bruch, der mehrere Jahre andauert. 1912 erscheint die Novelle Der Tod in Venedig, 1924 der Roman Der Zauberberg. In den 1930er-Jahren gerät er ins Visier der Nationalsozialisten, gegen die er sich in öffentlichen Reden ausspricht; seine Schriften werden verboten. Nach der Machtergreifung Hitlers kehrt er von einer Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurück. Zunächst leben die Manns in der Schweiz, 1938 emigrieren sie in die USA, 1944 nimmt Mann die amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1947 erscheint Doktor Faustus, eine literarische Auseinandersetzung mit der Naziherrschaft. Nach dem Krieg besucht Thomas Mann Deutschland nur noch sporadisch; die von ihm vertretene Kollektivschuldthese verschafft ihm nicht nur Anhänger. Als die Manns 1952 nach Europa zurückkehren, gehen sie wieder in die Schweiz. Thomas Mann stirbt am 12. August 1955 in Zürich.

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