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Leben des Galilei

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Leben des Galilei

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
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Was ist drin?

Brechts berühmtes Stück über die Verantwortung des Wissenschaftlers.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Deutsche Exilliteratur

Worum es geht

Tragödie eines genialen Wissenschaftlers

Venedig, zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Der Naturwissenschaftler Galileo Galilei hat den Beweis dafür erbracht, dass nicht die alte, aristotelische Vorstellung vom Weltall, sondern die Lehre des Kopernikus der Wahrheit entspricht: Die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Universums, vielmehr dreht sie sich um die Sonne. Die Entdeckung bringt Galilei auf direkten Konfrontationskurs mit den herrschenden Kirchenfürsten, die darin einen Angriff auf den Glauben und dessen Grundlage, die Bibel, sehen und dem Wissenschaftler mit der Inquisition drohen. Brechts Theaterstück über diesen Konflikt avancierte binnen kurzer Zeit zum Klassiker der deutschen Literatur. Die verzweifelte Auseinandersetzung des genialen Wissenschaftlers mit den Machthabern seiner Zeit, aber auch mit den eigenen Ängsten und Eitelkeiten, die Spannung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und wissenschaftlichem Ethos: das sind die Motive, die die Kraft und Lebendigkeit dieses Dramas ausmachen. Insofern ist Leben des Galilei sicherlich Brechts gehaltvollstes, wahrscheinlich sogar sein stärkstes Drama.

Take-aways

  • Leben des Galilei gehört zu den facettenreichsten und vielschichtigsten Theaterstücken Bertolt Brechts.
  • Das Drama hält sich eng an die biografischen Daten Galileo Galileis.
  • Galilei (1564–1642) war ein brillanter italienischer Astronom, Mathematiker und Physiker.
  • Er trug maßgeblich dazu bei, das Weltbild der Menschen zu verändern, und gehörte zu den ersten Wissenschaftlern, die sich streng an die experimentelle Methode hielten.
  • Die Spannung des Dramas ergibt sich aus der Konfrontation zwischen dem alten, geozentrischen Weltbild und dem neuen heliozentrischen Universum von Kopernikus und Galilei.
  • Galileis Verhältnis zur Kirche ist angespannt. Die These, dass die Erde nicht Mittelpunkt des Universums sei, schafft ihm viele Feinde.
  • Galileis Tragödie ist der Widerruf seiner wissenschaftlichen Lehre angesichts der drohenden Inquisition.
  • Seine Mitarbeiter und Freunde wenden sich daraufhin enttäuscht von ihm ab.
  • Trotz Bewachung und Kontrolle seiner Arbeit forscht Galilei im Geheimen weiter.
  • Zum Schluss schmuggelt ein Schüler eine von Galileis wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten aus Italien hinaus.
  • Brecht schrieb das Stück im dänischen Exil. Maßgeblich beeinflusst wurde der Verlauf des Dramas durch neue wissenschaftlich-technische Entwicklungen wie die Wasserstoffbombe.
  • Das Drama ist keines der für Brecht typischen Lehrstücke im Stil des „epischen Theaters“.

Zusammenfassung

Ein schlecht bezahlter Wissenschaftler

In seinem Studierzimmer in Padua erklärt Galileo Galilei dem elfjährigen Andrea, dem Sohn seiner Haushälterin Frau Sarti, auf anschauliche Weise das Universum nach der Lehre des Kopernikus. Er schwärmt vom Anbruch einer neuen Ära, in der nicht mehr die tradierten religiösen Glaubenssätze, sondern wissenschaftliche Prinzipien den Lauf der Menschheitsgeschichte bestimmen. Ludovico Marsili, ein vermögender junger Mann, tritt ein und bittet um Privatunterricht. Galilei, offensichtlich in Geldnot, sagt zu. Kurz darauf besucht Herr Priuli, der Kurator der Universität von Venedig, Galilei. Der ist dort Lehrbeauftragter und hat zuvor um eine Verdopplung seines Gehalts ersucht. Doch der Kurator lehnt ab, was Galilei verärgert. Er unterstreicht seine Forderung mit der Begründung, dass freie Forschung nur in finanzieller Unabhängigkeit möglich sei. Der Kurator hingegen weist ihn darauf hin, dass die Universität die Freiheit der Forschung gewährleiste, indem sie ihn vor der Inquisition schütze. Zumindest stellt er Galilei mehr Geld in Aussicht für den Fall, dass sich seine Forschungen und Erfindungen für die Stadt kommerziell besser ausschlachten lassen.

„Stell die Milch auf den Tisch, aber klapp kein Buch zu.“ (Galilei zu Andrea, S. 7)

Galilei präsentiert dem Dogen und den Ratsherren Venedigs seine neue Erfindung, ein Teleskop. Die Männer sind hellauf begeistert, zumal sie vom kommerziellen Erfolg des Fernrohrs überzeugt sind. Der Kurator lässt Galilei daraufhin wissen, dass die Gehaltserhöhung nun bewilligt wurde.

„Die Städte sind eng, und so sind die Köpfe. Aberglauben und die Pest. Aber jetzt heißt es: Da es so ist, bleibt es nicht so. Denn alles bewegt sich, mein Freund.“ (Galilei zu Andrea, S. 8 f.)

Später betrachtet Galilei zusammen mit seinem Freund Sagredo durch das Fernrohr den Himmel. Da stürzt der Kurator aufgebracht herein. Er macht Galilei Vorwürfe, da dessen „Erfindung“ längst auf dem Markt sei und bereits überall von holländischen Handelsleuten vertrieben werde. Wütend verlässt er das Haus. Galilei erklärt Sagredo, dass er sehr wohl von den holländischen Teleskopen gewusst, diese aber immerhin verbessert habe. Mithilfe seines präziseren Fernrohrs kann Galilei durch die Beobachtung eines Jupitermondes beweisen, dass die Gestirne keinesfalls am Firmament „angeheftet“ sind, sondern sich frei im Weltall bewegen. Sagredo warnt ihn: Der Philosoph Giordano Bruno sei zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangt und deshalb von der Inquisition verbrannt worden. Galilei will davon nichts wissen: Bruno habe lediglich Hypothesen aufgestellt; er hingegen könne seine Behauptungen schließlich auch beweisen.

Am Hof der Medici

Galilei bewirbt sich – vor allem des höheren Gehalts wegen – um eine Stelle als Mathematiker am Hof des Großherzogs von Florenz, Cosmo de Medici. Sagredo warnt seinen Freund davor, nach Florenz zu gehen, da dort die Inquisition einen härteren Zugriff habe als in Venedig und Padua. Doch Galilei schlägt die Warnung in den Wind. Nach seinem Umzug nach Florenz stattet ihm der Großherzog, ein neunjähriger Knabe, mitsamt Gefolge einen Besuch ab. Es kommt zu einer kindlichen Balgerei zwischen ihm und Andrea Sarti. Kurz darauf bietet Galilei einigen Florentiner Gelehrten in seinem Haus einen Blick durch sein neu konstruiertes Fernrohr an, um sie von der Beweiskraft seiner Beobachtungen zu überzeugen. Die Gelehrten aber wollen sich gar nicht belehren lassen, sondern beharren darauf, dass das aristotelische Weltbild das einzig wahre sei.

„Den Gestirnen gegenüber sind wir wie Würmer mit trüben Augen, die nur ganz wenig sehen.“ (Galilei, S. 21)

Florenz wird von der Pest heimgesucht. Der Großherzog schickt Galilei eine Kutsche, um ihn aus der Stadt hinaus und in Sicherheit zu bringen. Galilei weigert sich. Er will seine wissenschaftlichen Aufzeichnungen nicht im Stich lassen, da er glaubt, ohne sie im Kampf gegen seine Feinde nicht bestehen zu können. Stattdessen will er seine Tochter Virginia, seine Haushälterin und deren Sohn Andrea fortschicken. Frau Sarti entscheidet sich jedoch, nicht mit den anderen zu fahren. Sie fürchtet, dass sich dann niemand um Galilei kümmern wird. Als der Wissenschaftler am folgenden Tag nach ihr sucht, erfährt er, dass sie an der Pest erkrankt ist. Dann trifft er ihren Sohn, der unterwegs aus der Kutsche gesprungen ist, um nach seiner Mutter zu suchen. Mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen versucht Galilei den Jungen von der Krankheit seiner Mutter abzulenken.

„Ich sage dir, die Astronomie ist seit tausend Jahren stehen geblieben, weil sie kein Fernrohr hatten.“ (Galileo zu Sagredo, S. 25)

Im Saal des Collegium Romanum, des Forschungsinstituts im Vatikan, herrscht große Aufregung. Während der Astronom Christopher Clavius Galileis Beobachtungen mithilfe des Teleskops überprüft, lästern Gelehrte und Mönche über das neue Universum Galileis. Ein alter Kardinal beschuldigt ihn, die Erde zu erniedrigen und das eigene Nest zu beschmutzen. Aber Clavius bestätigt Galileis Erkenntnisse. Die Geistlichen sind konsterniert, ihre Versammlung löst sich auf. Zum Schluss wirft noch der Kardinal Inquisitor einen Blick durch das Fernrohr.

Die Kirche schlägt zurück

Trotz der Bestätigung seiner Beobachtungen setzt die Inquisition die von Galilei bewiesene kopernikanische Lehre auf den Index. Mit seiner Tochter Virginia und seinem ehemaligen Schüler Ludovico (mit dem Virginia mittlerweile verlobt ist) besucht Galilei einen Ball im Haus des Kardinals Bellarmin. Dort kommt es zu einer längeren Unterredung zwischen Galilei, dem Hausherrn und dem Kardinal Barberini. Dabei erfährt der Forscher, dass das Heilige Offizium beschlossen habe, die Lehre des Kopernikus als „töricht, absurd und ketzerisch im Glauben“ zu verurteilen. Galilei wird von den Kardinälen ermahnt, seine Forschungsarbeiten nicht in diese Richtung weiterzutreiben. Im Gespräch mit Galileis Tochter Virginia wiederholt der Kardinal Inquisitor diese Mahnung noch einmal eindringlich.

„Ich glaube an den Menschen, und das heißt, ich glaube an seine Vernunft. Ohne diesen Glauben würde ich nicht die Kraft haben, am Morgen aus meinem Bett aufzustehen.“ (Galilei, S. 34)

Im Palast des florentinischen Gesandten in Rom diskutieren Galilei und ein kleiner Mönch über die alten und neuen Vorstellungen vom Universum. Der Mönch, ein Mathematiker, vertritt die Auffassung, dass die Heilige Schrift – auch wenn ihre Darstellung des Weltbilds tatsächlich nicht korrekt sein sollte – zumindest Ordnung in das Leben der Menschen gebracht habe sowie den Glauben, dass sie der Mittelpunkt des Universums seien. Galilei erwidert, dass diese Ordnung nur den Absichten der Kirche diene, nicht aber denen des einfachen Mannes. Auch der Auffassung des Mönchs, dass sich die Wahrheit ohne Zutun der Menschen durchsetzen werde, widerspricht Galilei. Schließlich wirft er dem Mönch als Köder einen Packen Manuskripte hin, und dieser, von wissenschaftlicher Neugierde getrieben, vertieft sich sogleich darin.

Familiäre Komplikationen

Acht Jahre lang schweigt Galilei, um einer Anklage wegen Ketzerei keinen Vorschub zu leisten. Filippo Mucius, ein früherer Schüler, will mit ihm reden. Filippo ist mittlerweile zur aristotelischen Lehre zurückgekehrt und möchte seine Gründe dafür darlegen, aber Galilei wirft ihn hinaus. Herr Gaffone, der Rektor der Universität von Florenz, bringt Galilei eine Abhandlung über Sonnenflecken ins Haus, ein Phänomen, das zu dieser Zeit viele europäische Wissenschaftler zu erklären versuchen. Daran entzündet sich ein wissenschaftlicher Schlagabtausch zwischen Galilei und seinen Mitarbeitern Andrea Sarti und Federzoni.

„Meine Herren, der Glaube an die Autorität des Aristoteles ist eine Sache, Fakten, die mit Händen zu greifen sind, eine andere.“ (Galilei zu den Gelehrten, S. 48)

Später kommt Ludovico hinzu. Von ihm erfährt Galilei, dass der Papst im Sterben liege. Als möglicher Nachfolger wird Kardinal Barberini genannt, der früher Mathematiker war. Galilei nimmt diese Neuigkeit mit großer Freude auf. Sie ermutigt ihn, seine Forschungsergebnisse in größerem Umfang zu publizieren. Seine Begeisterung geht sogar so weit, dass er glaubt, für die Wissenschaft breche ein neues Zeitalter an.

„Ich würde meinen, als Wissenschaftler haben wir uns nicht zu fragen, wohin die Wahrheit uns führen mag.“ (Galilei, S. 49)

Dann kommen er und Ludovico auf die Verlobung zwischen ihm und Galileis Tochter Virginia zu sprechen. Dabei fühlt der Vater sich in dem bestätigt, was er schon vermutet hat: Ludovico zögert, das Hochzeitsversprechen einzulösen. Er fürchtet, mögliche Auseinandersetzungen zwischen Galilei und der Kirche könnten sich für ihn und seine Familie als problematisch erweisen. Schließlich kommt es zum Streit. Ludovico stellt sich auf die Seite der Kirche. Er will die bestehende Ordnung beibehalten, von der er als reicher Landbesitzer und Unternehmer profitiert. Der Meinungsverschiedenheit zum Trotz gibt Galilei Ludovico zu verstehen, dass er nicht gegen dessen Heirat mit seiner Tochter sei. Ludovico verlässt jedoch verärgert sein Haus; es scheint klar, dass die Verlobung mit Virginia damit gelöst ist. Als diese mit ihrem Brautkleid hereinkommt und erfährt, was geschehen ist, fällt sie in Ohnmacht.

In den Fängen der Inquisition

In den Folgejahren wird Galileis Popularität beim Volk größer und größer. Anlässlich der Fastnacht wird ein Gesangsstück aufgeführt, das die Auseinandersetzung zwischen der herrschenden Weltsicht und Galileis Universum auf spielerische Weise parodiert. Vor allem die Potentaten werden mit Spott überzogen.

„Wozu ist die Heilige Schrift noch gut, die alles erklärt und als notwendig begründet hat, den Schweiß, die Geduld, den Hunger, die Unterwerfung, und die jetzt voll von Irrtümern befunden wird?“ (der kleine Mönch, S. 76)

Ein Jahr später wartet Galilei zusammen mit seiner Tochter im Palast der Medici darauf, vom Großherzog eingelassen zu werden. Dabei trifft er auf Herrn Vanni, den Besitzer einer Eisengießerei, der von Galileis Erfindungen profitiert hat. Er warnt den Wissenschaftler vor den Gefahren, von denen er ihn bedroht sieht, versichert ihn aber der Unterstützung der italienischen Unternehmer. Die schlechten Vorzeichen häufen sich. Der Großherzog rät Galilei, er solle doch „seinen Augen zuliebe“ das Teleskop weniger häufig benutzen. Zudem hält sich der Kardinal Inquisitor im Palast auf. Ein hoher Beamter teilt Galilei schließlich mit, dass sich Florenz der Absicht der Inquisition, ihn in Rom zu verhören, nicht mehr widersetzen wird.

„Ich sage Ihnen: Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ (Galileo zu Mucius, S. 81)

In einem der Gemächer des Vatikans berät sich Papst Urban VIII., der ehemalige Kardinal Barberini, mit dem Inquisitor. Dieser rät dem Papst, die neuen Lehren zu verbieten, um das Vertrauen in die Heilige Schrift nicht noch weiter zu erschüttern. Er hetzt gegen Galilei, den er nicht nur als schlechten Menschen, sondern auch als Wahnsinnigen beschimpft. Der Papst weigert sich zunächst, konkrete Maßnahmen gegen Galilei zu ergreifen. Schließlich kommen sie überein, ihm mit der Folter zu drohen. Sie sind überzeugt, dass Galilei unter Androhung von Gewalt einknicken wird.

„Eine Hauptursache der Armut in den Wissenschaften ist meist eingebildeter Reichtum. Es ist nicht ihr Ziel, der unendlichen Weisheit eine Tür zu öffnen, sondern eine Grenze zu setzen dem unendlichen Irrtum.“ (Galilei, S. 85)

Im Palast des florentinischen Gesandten fürchten derweil Galileis wissenschaftliche Mitarbeiter um das Leben ihres Meisters. Keiner von ihnen glaubt, dass der große Forscher seine Lehre widerrufen wird. Tut er es doch, soll um fünf Uhr das Läuten der Glocke Galileis Widerruf besiegeln. Aber sie läutet nicht. Vor Freude über Galileis Standhaftigkeit liegen sich seine Mitarbeiter in den Armen. Doch zu früh, denn schließlich erschallt die Glocke doch noch. Der Widerruf Galileis, in dem er all seinen „Irrtümern und Ketzereien“ abschwört, wird öffentlich verlesen. Galilei, körperlich und geistig erschöpft, kehrt in den Kreis seiner Mitarbeiter zurück. Diese, allen voran Andrea Sarti, sind enttäuscht und wenden sich von ihm ab.

Der alte Galilei

Unter Bewachung lebt Galilei zusammen mit seiner Tochter in einem Landhaus in der Nähe von Florenz. Sein Augenlicht ist schwächer geworden. Andrea, sein einstiger Schüler, meldet sich zum Besuch an. Er ist im Begriff, Italien zu verlassen, da er sich in Holland mehr Freiheit für seine wissenschaftliche Arbeit erhofft. Andrea berichtet Galilei von der verhängnisvollen Wirkung, die sein Widerruf bei anderen Wissenschaftlern in Europa hinterlassen hat. Die Angst vor der Inquisition geht um. Auch bringt er Nachrichten von den früheren Mitarbeitern Galileis. Der kleine Mönch ist in den Schoß der Kirche zurückkehrt, Federzoni zu seinem Beruf als Linsenschleifer.

„Schließlich ist der Mann der größte Physiker dieser Zeit, das Licht Italiens, und nicht irgendein Wirrkopf. Er hat Freunde. Da ist Versailles. Da ist der Wiener Hof. Sie werden die Heilige Kirche eine Senkgrube verfaulter Vorurteile nennen. Hand weg von ihm!“ (der Papst, S. 107)

Galilei eröffnet Andrea, dass es ihm trotz der Bewachung gelungen ist, eine Abschrift seiner Discorsi anzufertigen. Darin geht es vor allem um die Eröffnung zweier neuer Wissenszweige, der Mechanik und der Fallgesetze. Andrea ist angesichts dieses Geständnisses überrascht. Er war im sicheren Glauben, dass Galilei zur anderen Seite übergelaufen sei. Galilei gesteht ihm, lediglich aus Angst vor körperlichen Schmerzen widerrufen zu haben. Er ist mittlerweile zu der Ansicht gekommen, dass die Wissenschaft allein dazu da sei, die Mühsal der menschlichen Existenz zu erleichtern. In einer bitteren Selbstanklage bezeichnet er sich als „Verräter seines Berufs“, der sich von der Obrigkeit nach Belieben manipulieren ließ. Andrea verlässt Galileis Haus und überschreitet schließlich die italienische Grenze. Die verbotenen Schriften seines Lehrers führt er mit sich.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Stück Leben des Galilei ist in 15 Szenen oder Bilder unterteilt. Diese werden jeweils mindestens mit einer Überschrift, oft auch mit erläuternden Sätzen sowie einem Einführungsgedicht eingeleitet. Die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Szenen aus dem Leben Galileis sind unterschiedlich (von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren), auch deren Länge variiert stark. Die Zusammenfassungen, die den einzelnen Szenen vorangestellt sind, reichen von knappen Überschriften („Der Papst“) über kurze Inhaltsangaben bis hin zu präzise datierten Angaben zur Biografie Galileis.

Die Dialoge im Stück – längere Monologe sind selten – haben häufig die Form wissenschaftlicher Dispute; sie sind spannungsvoll, wenn auch weniger epigrammatisch zugespitzt als in anderen Brechtdramen. Konkrete wissenschaftliche Bezüge werden nicht einfach trocken heruntergebetet, sondern als lebendige, mit starken Emotionen aufgeladene Diskurse entfaltet. Das Stück ist durchgängig in einem einfachen, gut verständlichen Stil verfasst. Selbst komplexere wissenschaftliche Zusammenhänge werden von Brecht in eine schlichte, volkstümliche Sprache gekleidet, ohne dass sie dadurch banal erscheinen. Der dramatische Höhepunkt des Stücks ist der Widerruf Galileis, auf den Brecht mit Mitteln hinarbeitet, die einem Hollywood-Regisseur zur Ehre gereichen würden.

Interpretationsansätze

  • Galileo Galilei ist dominierende Figur und Held des Dramas, daran besteht von Anfang an kein Zweifel. Zugleich wird die Figur jedoch von der eigentlichen thematischen Auseinandersetzung, dem Konflikt zwischen dem geozentrischen und dem heliozentrischen Weltbild, überragt. Die Kraft, die das Stück entfaltet, besteht vor allem darin, dass sämtliche Figuren direkt oder indirekt in diese Auseinandersetzung involviert sind.
  • Zentrale Themen des Stücks sind die Verantwortung des Wissenschaftlers, der Konflikt zwischen der Freiheit der Wissenschaft und dem Herrschaftsanspruch von Staat und Kirche sowie das Problem des Werts und der Verwertbarkeit von Wissen.
  • Leben des Galilei ist vielschichtiger und weniger didaktisch angelegt als andere Dramen des Autors. Es ist kein typisch Brecht’sches Lehrstück im Sinne des „epischen Theaters“. Der Autor versucht hier weniger von höherer Warte aus zu belehren, sondern überlässt es stärker dem Zuschauer, die dargestellten Handlungen zu interpretieren. Die Aussagen des Protagonisten Galilei können nicht ohne Weiteres als Stimme Brechts gelten, zumal die Figur ihren eigenen Ansprüchen an sich selbst nicht genügt.
  • Das Stück ist eng an die authentische Biografie Galileis angelehnt. Dort, wo bestimmte Zusammenhänge aus dem biografischen Kontext herausfallen, geschieht dies der Vereinfachung bzw. der Dichte des Dramas zuliebe. So hatte beispielsweise der historische Galilei mit seiner Haushälterin drei Kinder – eine Tatsache, die bei Brecht nicht zur Sprache kommt.

Historischer Hintergrund

Die Katastrophe des 20. Jahrhunderts

Die Entstehungszeit von Brechts Leben des Galilei ist geprägt durch die Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland. Nachdem Adolf Hitler im Frühjahr 1933 die Macht übernommen hatte, waren die 30er Jahre unter seiner Diktatur durch eine zunehmende Verfolgung der Juden sowie eine zunehmende Militarisierung gekennzeichnet.

Außenpolitisch trat der Expansionsdrang des Dritten Reichs unter der Maßgabe „Eroberung von Lebensraum“ immer offener zutage. Die Angliederung des Sudetenlands und der Einmarsch in Österreich 1938 sorgten für wachsende Irritation und Unruhe bei Deutschlands Nachbarstaaten. Bereits kurz nach Beginn der Machtergreifung wurden von der NSDAP Bücherverbrennungen „wider den deutschen Ungeist“ organisiert. Denen fielen vor allem Werke von Autoren zum Opfer, die von der herrschenden Ideologie als „liberal“ oder „entartet“ betrachtet wurden.

Auch im weiteren Verlauf der 30er Jahre nahm die Verödung des kulturellen Lebens zu. Wie Brecht gingen viele bedeutende Künstler und Wissenschaftler ins Exil, andere zogen sich in die innere Emigration zurück oder dienten sich dem NS-Regime zu propagandistischen Zwecken an. In den Naturwissenschaften wurden zu gleicher Zeit große Fortschritte erzielt – vor allem solche, die sich militärisch verwerten ließen. Der Zweite Weltkrieg nahm so wahrhaft katastrophale Züge an, bis hin zum Abwurf der ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Jene Zeit war gekennzeichnet von einer Brutalität und Gewalt, wie sie die Geschichte in diesem Ausmaß noch nicht erlebt hatte.

Entstehung

Die erste Fassung von Brechts Leben des Galilei entstand 1938/39 im dänischen Exil. Uraufgeführt wurde das Stück jedoch erst 1943 in Zürich. In der ersten Fassung wird Galilei am Ende des Dramas noch als kluger alter Mann dargestellt, der der Inquisition ein Schnippchen schlägt, um seine Forschungen weiterzuführen. Mit Galilei siegen hier die Vernunft sowie persönliche Integrität und wissenschaftliche Ethik über die Unvernunft der Kirche.

Eine zweite Fassung für die amerikanische Bühne entstand gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Schauspieler Charles Laughton. Sie wurde 1947 in Los Angeles uraufgeführt. Hier bekommt die Figur des Galilei ein vollkommen anderes Persönlichkeitsprofil: Er ist ein geradezu triebhaft arbeitender Wissenschaftler und Forscher, der sich keinen ethischen Grundsätzen verpflichtet fühlt und kaum noch Kontakt zum realen Leben hat. Der Galilei der zweiten Fassung ist eitler und selbstgefälliger als der der Urfassung. Nicht den Menschen dient die Wissenschaft, sondern sie ist allein um ihrer selbst willen da. Bei dieser Fassung wurde Brecht vor allem durch den Atombombenabwurf von Hiroshima beeinflusst sowie durch die Fragestellungen, die dieser bezüglich wissenschaftlicher Verantwortung und Ethik aufwarf.

In einer dritten Fassung, die 1954–1956 in Berlin geschrieben und dort im Jahr 1957 aufgeführt wurde, wird die Darstellung Galileis als in sich gespaltener Held zugespitzt: Am Ende seines Lebens ist er moralisch ein gebrochener Mann, allerdings ist er ein leidenschaftlicher Forscher geblieben.

Wirkungsgeschichte

In seiner spannungsreichen Thematik von Ethik und Wissenschaft ist Leben des Galilei immer noch ein höchst aktuelles Drama. Zumal sich Brecht nicht mehr so streng an die Grundsätze seines epischen Theaters hält und die Lebensgeschichte des Galilei weniger als einseitiges Lehrstück präsentiert, sondern durchaus versucht, das Thema in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Komplexität zu behandeln. Dass das Stück dennoch einen didaktischen Impetus hat, zeigt sich daran, dass es heute noch zu den am häufigsten benutzten Lehrmaterialien für den Deutschunterricht zählt und gerade im Schultheater oft zur Aufführung kommt.

Mit Leben des Galilei hat Brecht der Theaterwelt ein neues Themenfeld erschlossen. Nach ihm stellten Dramatiker wie Carl Zuckmayer (Das kalte Licht, 1955), Friedrich Dürrenmatt (Die Physiker, 1962) und Heinar Kipphardt (In der Sache J. Robert Oppenheimer, 1964) die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft und der Wissenschaftler für die menschliche Gesellschaft.

Über den Autor

Bertolt Brecht wird am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1917 beginnt er mit einem Medizinstudium, das er jedoch wegen des Kriegsdiensts als Sanitätssoldat abbrechen muss. 1918 verfasst er Baal, sein erstes Theaterstück. Von 1924 an arbeitet er als Dramaturg bei Max Reinhardt in Berlin. Hier setzt sich Brecht mit der Philosophie des Marxismus auseinander. 1928 gelingt ihm mit der Dreigroschenoper ein grandioser Erfolg. In diesem Stück probiert er seine Technik des epischen Theaters aus, das sich erheblich von den traditionellen Theaterformen unterscheidet. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten werden Brechts Stücke verboten, ihm selbst wird die Staatsbürgerschaft entzogen. Er flieht ins Exil. Nach vielen Zwischenstationen, darunter Prag, Paris, Schweden, Finnland und die Sowjetunion, siedelt er sich mit seiner Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, in Kalifornien an. Während des Exils entstehen seine berühmtesten Dramen, unter anderem Leben des Galilei (1938/39), Mutter Courage und ihre Kinder (1939) und Der kaukasische Kreidekreis (1944/45). Auch mit Gedichtzyklen tritt Brecht immer wieder hervor. Zwei Jahre nach dem Krieg, als in den USA die Jagd auf Kommunisten beginnt (McCarthy-Ära), kehrt Brecht den Vereinigten Staaten den Rücken. Die deutschen Westzonen verweigern ihm die Einreise, sodass er, nach einer Zwischenstation in der Schweiz, nach Ostberlin zieht. Gemeinsam mit seiner Frau gründet er hier 1949 das Berliner Ensemble. Im Theater am Schiffbauerdamm findet er eine geeignete Experimentierbühne für seine Stücke, die er dort höchstpersönlich zur Uraufführung bringt. Bertolt Brecht stirbt am 14. August 1956 in Berlin.

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