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Malone stirbt

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Malone stirbt

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Weniger ist mehr, noch weniger ist Beckett.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

In den Tod geboren

Was für ein Bild: Der Ich-Erzähler in Becketts Malone stirbt fantasiert, er sei ein alter Fötus und werde aus dem verwesenden Leib seiner Mutter gleichsam „durch die Nekrose (...) in den Tod geboren“. Dass in Malone stirbt nicht der tatsächliche Tod eines tatsächlichen Mannes namens Malone verhandelt wird, wird dem Leser spätestens an dieser Stelle klar. Alle Figuren, alle Beschreibungen, alle Handlung umgibt in diesem Roman eine Aura der Unwirklichkeit; der bedeutungsdurstige Verstand wird immer wieder enttäuscht. Wer ist es aber dann, der hier so schlecht und so unmenschlich stirbt, dass es scheint, er habe nie gelebt? Eine Antwort darauf kann in den Kategorien des Verstandes nicht gegeben werden. Es lässt sich höchstens sagen, dass wir ebendiesen Kategorien bei ihrer Zersetzung zuschauen. Ihre Nekrose – das Erschlaffen der Sprache, die Auflösung der Identitäten, das Ineinanderfallen von Subjekt und Objekt – ist es, die etwas ganz Andersartiges freisetzt. Dieses Andersartige ans Licht zu holen, bedarf der Nüchternheit eines Ingenieurs und der Inspiration eines Mystikers. Beckett, wie er in Malone stirbt beweist, hat beides.

Take-aways

  • Malone stirbt ist der zweite Teil von Samuel Becketts Romantrilogie.//
  • Inhalt: Auf einem Bett in einem fremden Zimmer liegend, hält der sterbende Malone einen Monolog, in dem er sich mit seinem Dasein, seinem Ende und dem Nichts beschäftigt. Hin und wieder beginnt er Geschichten zu erzählen.
  • //Eine sinnvolle Gliederung ist kaum vorhanden, nur schwer lassen sich Spuren einer Handlung ausmachen.
  • Ein beherrschendes Motiv in Malone stirbt ist der physische und psychische Verfall.
  • Philosophische Fragestellungen werden im Roman in anspruchslose, wenn auch manchmal recht blumige, teils gar vulgäre Alltagssprache gegossen.
  • Trotz der düsteren Thematik ist Malone stirbt voll abgründiger Komik.//
  • Beckett verfasste den Roman //nicht in seiner englischen Muttersprache, sondern auf Französisch.
  • Großen Einfluss auf Becketts Werk nahmen die Lehren des Schweizer Psychologen C. G. Jung.
  • 1969 wurde dem Autor der Nobelpreis für Literatur verliehen.
  • Zitat: „Ich werde in den Tod geboren, wenn ich so sagen darf. Das ist mein Eindruck. Komische Schwangerschaft. Die Füße haben die große Scheide der Existenz schon passiert. Günstige Lage, hoffe ich. Mein Kopf wird zuletzt sterben.“

Zusammenfassung

Die Zeit läuft ab

Nichts ist mehr wichtig, denn der Erzähler liegt im Sterben. Er will die Sache zu Ende bringen. Wo genau er sich in Raum und Zeit befindet, kann er nicht sagen. Er schätzt, dass ihm noch ungefähr ein Monat bleibt. Zwar erwägt er, sich selbst zu töten, doch letztlich ist er dafür zu passiv. Lieber möchte er sich in der Zeit des Wartens ein paar Geschichten erzählen. Und er hat auch noch anderes vor. Deshalb entwirft der Sterbende einen vorläufigen Plan: Zunächst will er spielen, was ihm bisher versagt geblieben ist. Dann will er vier verschiedene Geschichten erzählen. Sie könnten im Einzelnen von einem Mann, einer Frau, einem Ding und einem Tier handeln, aber ganz sicher ist er sich nicht. Zuletzt muss Inventur gemacht und ein Schlussstrich gezogen werden. Nur nicht zu früh – man weiß ja nie, was noch kommt. Alldem wird er eine Vergegenwärtigung seiner jetzigen Lage voranstellen.

Das Zimmer

Da ist zunächst das Zimmer, in dem er sich befindet. Seit wann, weiß er nicht genau. Er zieht die Möglichkeit in Betracht, dass er den Raum von einem Toten geerbt hat. Dass er sich in so etwas wie einem Krankenhaus befindet, schließt er aus. Wie er in das Zimmer gelangt ist, ist ihm nicht klar, ebenso wenig, was vorher war. Wieder kann er nur spekulieren: Er muss einmal bewusstlos geworden sein, und als er dann, in diesem Zimmer, aus der Ohnmacht erwachte, waren seine Erinnerungen zerrüttet, wenn nicht gar gelöscht. Jedenfalls nimmt er an, dass er sein Leben lang unterwegs war. Dunkel kann er sich an einen Wald erinnern. Hat ihn dort jemand bewusstlos geschlagen? Egal. Das Zimmer ist ganz gewöhnlich. Nackt und zahnlos liegt der Sterbende in seinem Bett, nah am Fenster, durch das er vor allem Himmel sehen kann; in der Nacht Mond und Sterne, manchmal auch die Leute von gegenüber, wenn deren Fenster erleuchtet ist. Es gibt einen Schrank, doch den hat er nie geöffnet. Seine Habseligkeiten liegen auf einem Haufen in der Ecke. Mithilfe eines Hakenstocks kann er heranziehen, was er benötigt. Für seine leiblichen Bedürfnisse ist gesorgt: Eine alte Frau bringt ihm regelmäßig Essen und leert seinen Nachttopf. Von ihr sieht er inzwischen nur noch eine dürre Hand, die auch jemand anderem gehören könnte.

Ein Mann namens Saposcat

Er beginnt mit der ersten der angekündigten vier Geschichten. Sie handelt von einem Sonderling namens Saposcat, kurz: Sapo. Schon als Kind war er nicht von dieser Welt. Seine Eltern, krank und arm, sorgten sich darüber, was aus ihm einmal werden sollte. Chirurg, meinte der Vater, doch Sapo war ein Träumer. Er schien immun gegen alle Versuche seiner Lehrer, ihm etwas beizubringen. Sein Geist nahm nichts auf. Immerhin besaß er einen Schädel, dessen Form und Größe den Eindruck hoher Intelligenz erweckte, und das ließ Sapos Vater hoffen. In den großen Ferien bekam Sapo morgens Privatstunden und unternahm nachmittags lange Wanderungen. Hier unterbricht der Sterbende seine Geschichte. Er sinniert über seine Utensilien. Der Haufen in der Ecke enthält Dinge, die der Erzähler vorher nie gesehen hat, etwa einen Pfeifenkopf. Aber manches fehlt auch. Der Sterbende vermisst einen Zinkring und einen Schnürstiefel.

Familie Louis

Sapo besuchte die Bauernfamilie Louis. Vater Louis war nebenbei ein begehrter Metzger. Schweine zu töten lag ihm. Dafür ging ihm die Fähigkeit ab, Schweine aufzuziehen. Über seine Frau herrschte er mit dem Knüttel. Sapo brachte Geschenke mit und erhielt eine Schale Ziegenmilch. Die Familie ließ ihn allein in der Küche sitzen. Wieder unterbricht sich der Sterbende. Er stellt Betrachtungen über sein Gehör an. Dieses scheint sich schlagartig verbessert zu haben. Es ist fast wie früher, als er aus dem nächtlichen Tosen eines Sturms die einzelnen Stimmen der gezausten Bäume heraushören konnte. Dann spaltet sich ein Anderer von seinem Ich ab, einer, dessen Geschichte dort beginnt, wo die des Erzählers aufgehört hat. Mit einem Bleistift schreibt der Sterbende alles in ein Heft. Es geht weiter mit Sapo: Wieder besuchte er die Familie Louis, die eben dabei war, einen Maulesel zu begraben. Der Vater hatte das Tier für kleines Geld gekauft, als es zum Schlachthof geführt wurde. Ganze zwei Jahre hatte der Maulesel ihm noch genützt. Frau Louis bereitete das Abendessen vor. Sapo beobachtete sie beim Auslesen der Linsen und fand Gefallen daran, dass sie die mühevoll sortierten Haufen schließlich wieder vermischte: Etwas beenden, indem man aufgab – war nicht das Leben selbst genauso? Sapo verließ Familie Louis, als es ans Essen ging. Später zog sich der Sohn, Edmond, zum Onanieren zurück. Wie sein Vater hegte er den Wunsch, mit Lise, der Schwester, zu schlafen.

Das Sterben geht weiter

Der Erzähler lauscht: Leute kommen und gehen, sowohl über als auch unter ihm. Daraus schließt er, dass das Zimmer nicht im Souterrain liegt. Sicher ist er aber nicht, denn vielleicht gibt es einen Keller unter dem Keller. Er spekuliert: Ist er etwa schon tot? Schon längst gestorben, damals im Wald vielleicht? Wohl eher nicht. Am Licht kann er nicht erkennen, ob es Tag oder Nacht ist. Die Morgendämmerung erweist sich als Abenddämmerung und umgekehrt. Ganz hell wird es ohnehin nicht mehr. Dem Sterbenden, er gibt sich jetzt den Namen Malone, ist alles Zeitgefühl abhandengekommen. Verloren hat er auch seinen Bleistift; der ist hinuntergefallen. Als er nach ihm fischen will, fällt sein Heft hinterher, doch es gelingt ihm, beides wiederzugewinnen. Der Stift ist nur noch ein Stummel. Irgendwo hat Malone aber noch einen zweiten. Ein neuer Gedanke: Ist das Sterben ein Geborenwerden? Ist Malone ein Fötus, der durch das Abfaulen des umgebenden Mutterleibs in die Welt kommen wird? Es geht jedenfalls voran. Schon spürt er die Füße nicht mehr, sein Körper scheint auseinanderzustreben, die Wände des Zimmers werden immer bleicher. Er überlegt sich, wie viele Menschen er schon getötet hat. Vier? Da war noch der Alte, dessen Kehle er mit dem Rasiermesser zerschnitten hat. Also fünf. Alles Fremde. Nun schaut er durchs Fenster den Leuten von gegenüber zu. Deren seltsames Gebaren verwirrt ihn, erst nach eine Weile kommt er darauf: Sie kopulieren.

„Ich werde endlich doch bald ganz tot sein. Vielleicht nächsten Monat. Es wäre dann April oder Mai. Denn das Jahr ist kaum vorgerückt, tausend kleine Anzeichen sagen es mir.“ (S. 7)

Der Name Sapo gefällt Malone nicht mehr, also benennt er seinen Protagonisten in Macmann um. Dieser wurde irgendwann nachmittags vom Regen überrascht. Um nicht von allen Seiten durchzuweichen, legte er sich flach auf den Bauch. Der Regen hielt an und Macmann harrte aus, war aber zusehends von der Situation überfordert. Ihm kamen Gedanken von Schuld und Strafe, während der Regen auf ihn einprasselte. Bald ärgerte er sich über seinen Irrtum: Er hätte beim Einsetzen des Regens weitereilen müssen. Inzwischen war es dunkel geworden. Verzweifelt drehte Macmann sich auf den Rücken. Nun wurde er auch von vorne nass. Sein Geist war gänzlich verwirrt. Ich bin einer, dachte er sich, der alles falsch macht, der beim Unkrautzupfen auch die nützlichen Gewächse herausreißt, der beim Straßenkehren alles dreckiger macht statt sauberer. Wild warf sich Macmann jetzt von einer Seite auf die andere. So kam er ins Rollen, er rollte und rollte – und fasste den Plan, immer weiterzurollen.

Alleingelassen

Malone beginnt, Inventur zu machen. Manchmal weiß er nicht, was ihm gehört und warum. Das Heft ist auf jeden Fall seins, wenn auch unklar ist, wie es in seinen Besitz gekommen ist. Vom Bleistift bleibt nur noch die Mine, sie ist aus dem Holz gerutscht. Dann der Pfeifenkopf, eine Nadel, die zwischen zwei Korken steckt, und eine blutverschmierte Keule. Auch einen Hut besitzt Malone; er entsinnt sich, die Krempe abgerissen zu haben, da sie ihn beim Schlafen gestört hat. Weiter hat er einen Stein, einen gelben Schuh und ein Foto. Auf diesem ist ein trauriger Esel mit Strohhut zu sehen. Er überlegt sich, all sein Hab und Gut mit dem Stock heranzuziehen und zu sich ins Bett zu nehmen. Von diesem Gedanken ausgehend, stellt er eine Definition auf: Alles, was er mit dem Stock erreichen und heranziehen kann, ist seins. Seine Kleider gehören laut Definition nicht mehr dazu, die sind verschwunden. Malone überlegt: Ist der Augenblick gekommen? Schon seit Tagen bekommt er keine Suppe mehr und auch sein Nachttopf ist ungeleert, ein zweiter bald voll. Hält man ihn etwa schon für tot? Oder sind seine Versorger gestorben? Malone beschließt zu schreien, doch es gelingt ihm nicht. Wenn sein Bett auf Rollen stünde, könnte er sich mithilfe des Stocks durchs Zimmer staken, vielleicht sogar aus dem Zimmer hinaus, die Treppe hinunter, ins Freie. Gleich am nächsten Tag probiert Malone sein Glück. Dummerweise verliert er dabei den Stock. Nun ist er ganz auf sich selbst zurückgeworfen. Gemäß seiner Eigentumsdefinition bleiben ihm nur noch Heft und Bleistift.

Macmann im Sankt-Johannes-Asyl

Weiter geht’s mit Macmann: Nach langer Zeit der Bewusstlosigkeit kam er eines Tages wieder zu sich. Man sagte ihm, er befinde sich im Sankt-Johannes-Asyl. Dort werde er rundum versorgt und brauche sich um nichts mehr zu kümmern. Männer und Frauen in weißer Tracht drängelten sich um sein Bett. Ein bärtiger Mann, der aussah wie Jesus Christus, legte Macmann ein Dokument zur Unterschrift vor. Als Pflegerin wurde ihm eine Frau namens Moll zugeteilt. Sie war alt und unansehnlich, mit mageren, gelben Armen und zwei Elfenbeinkruzifixen als Ohrschmuck. Moll war fortan fast pausenlos bei ihm, brachte einmal täglich Essen und leerte sein Nachtgeschirr. Mit der Zeit entwickelte sich zwischen Moll und Macmann eine Liebesbeziehung, wenngleich deren sexueller Teil, dem körperlichen Verfall der beiden geschuldet, mehr schlecht als recht vonstattenging. Und der Verfall schritt voran: Moll begann abscheulich zu stinken, ihre Haare fielen aus und sie übergab sich bei jeder Gelegenheit. Macmann störte das zwar nicht, doch Moll war unangenehm berührt und zog sich emotional zurück, was Macmann als Erkalten der Liebe deutete. Er wurde rasend.

Besuch

Eines Tages stand ein Mann namens Lemuel an Macmanns Bett. Moll sei tot, teilte er Macmann mit, deshalb werde er ihn fortan pflegen. Macmann versuchte Genaueres über seine Situation zu erfahren, doch Lemuel erwies sich als Dummkopf und Wüterich, weshalb Macmanns Fragen sämtlich ins Leere liefen. Einmal zeigte ihm Lemuel sein grün und blau geschlagenes Schienbein. Er hatte sich selbst mit einem Hammer geschlagen, den er zu diesem Zweck bei sich trug. Am liebsten drosch er sich damit auf den Schädel. Konnte Macmann von so einem Menschen erwarten, dass er ihn versorgte, ihn verstand, auf seine Bedürfnisse einging? Macmann wollte endlich aufstehen, an die frische Luft gehen – Lemuel blieb stumpf.

„Die große Klarheit ist nicht erforderlich, ein schwaches Licht gestattet, im Unfassbaren zu leben, ein kleines, treues Licht.“ (S. 11)

Der sterbende Malone hat inzwischen Besuch bekommen: ein Unbekannter im schwarzen Anzug, mit Melone auf dem Kopf und leerem Blick. Da ihm ein Zollstock aus der Tasche ragt, hält Malone ihn für einen Sargmacher, der gekommen ist, um Maß zu nehmen. Der Besuch führt sich ein, indem er Malone heftig auf den Kopf schlägt. Dieser vermutet, dass der Unbekannte plant, vor Ort auf sein Ableben zu warten. Will er gar nachhelfen, mit seinem spitzen Regenschirm? Nach etlichen Stunden geht der Mann wieder, später erscheint er aber erneut. Malone weiß nicht, wann, wie oft und wieso. Und warum hat der Fremde gelbe Schuhe an? Woher rührt die Lehmkruste darauf? Diese Fragen kann Malone nur noch denken, da er inzwischen keine Stimme mehr hat. Er nimmt sich vor, eine Frageliste zu erstellen und sie dem Fremden zu präsentieren. Malones Heft ist fast voll. Sein Körper schwillt an.

Der Ausflug

Eines Tages, es war wohl das Osterwochenende, wurde für Lemuel und seine Patienten ein Ausflug angeordnet. Die wohltätige Madame Pédale hatte ihn spendiert. Bei schönstem Frühlingswetter machte man sich in einer Kutsche auf den Weg. Fünf Patienten nahmen teil, darunter auch Macmann. Außerdem waren, neben der Madame höchstpersönlich, zwei Seeleute dabei. Es sollte ja auf eine Insel gehen. Zum Hafen ging es steil hinab, in der Kutsche purzelten die Leute wild durcheinander. Kaum war das überstanden, hob Madame Pédale auf dem Kutschbock zu singen an. Im Wageninneren herrschte jedoch Chaos. Macmann wollte fliehen, Lemuel schlug sich mit einem Beil gegen den Kopf. Dann kam man am Hafen an. Übergesetzt wurde mit einem Ruderboot. Madame Pédale, der im Gedenken an ihre Wohltätigkeit ganz sentimental zumute war, schaute sich gleich nach dem Landgang nach einem Plätzchen für das Picknick um. Es gebe auf der Insel Spuren von Druiden zu sehen, kündigte sie an. Nach dem Essen werde man sich auf die Suche danach machen. Doch dazu kam es nicht. Mit seinem Handbeil erschlug Lemuel die beiden Seeleute; Madame Pédale fiel beim Anblick der Leichen in Ohnmacht und tat sich an der Hüfte weh. Lemuel wartete die Dämmerung ab, lud seine Patienten ins Boot und stach in See.

„Wie ich hierhergekommen bin, weiß ich nicht. In einer Ambulanz vielleicht, bestimmt mit irgendeinem Gefährt. Ich befand mich eines Tages hier, in diesem Bett.“ (S. 12)

Irgendwann hört er auf zu rudern. Der Kahn treibt unter nächtlichen Lichtern dahin. Lemuel hebt sein blutiges Beil, doch nicht, um jemand zu erschlagen. Denn jetzt gibt es nichts mehr.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Konsequenz, mit der Beckett seinen mit Molloy begonnenen inhaltlichen Ansatz in Malone stirbt weiterentwickelt, spiegelt sich auch auf formaler Ebene. Eine sinnvolle Gliederung ist kaum mehr vorhanden, nur schwer lässt sich hier und da eine Handlung ausmachen. Stattdessen besteht der Text vorwiegend aus dem inneren Monolog eines nur schwach definierten Ich-Erzählers. Zu diesem Monolog gehören auch die vermeintlichen Unterbrechungen, die Erzählungen um Saposcat bzw. Macmann. Die Identitäten in Malone stirbt sind vage und unsolide, gehen oft ineinander über. Die wenigen erkennbaren Ereignisketten sind lose und lückenhaft. Ein einheitlicher zeitlicher Bezugsrahmen ist nicht vorhanden, schon gar keine objektive Welt, in der die Figuren sich bewegen.

Als wäre das noch nicht genug der Unbestimmtheit, bietet selbst die Sprache des Erzählers keinen festen Halt. Oft widerruft Malone, was er eben gesagt hat, oder er zweifelt an seinem Erinnerungsvermögen und seiner Fähigkeit, sich korrekt auszudrücken. Typisch für Beckett sind die endlos ausschweifenden Grübeleien voller Fragen, Zweifel, Mehrdeutigkeiten und Eingeständnisse der eigenen Fehlbarkeit. Auf stilistischer Ebene zeigt sich der Autor als unübertroffener Meister der geschliffenen Schlichtheit. Große philosophische Fragestellungen sind in Malone stirbt in anspruchslose (wenn auch manchmal recht blumige, oft sogar vulgäre) Alltagssprache gegossen. Hierin sowie in einer abgrundtiefen Absurdität wurzelt der unverwechselbare Beckett’sche Humor, der Malone stirbt trotz der düsteren Thematik zu einem Lesevergnügen macht.

Interpretationsansätze

  • Ein beherrschendes Motiv in Malone stirbt ist physischer und psychischer Verfall, ja der Verfall schlechthin. Nicht nur mit dem Ich-Erzähler geht es bergab: Alle Charaktere, alle Orte, alle Dinge scheinen von einer tödlichen Krankheit befallen, an der sie letztlich zugrunde gehen müssen. Hierin reflektiert sich eine alte philosophische Tradition, nach der das Sterben eines Menschen mit seiner Geburt beginnt.
  • Dabei wird an Malones Sterben nicht einmal unbedingt der physische Tod thematisiert. Vielmehr lässt sich dieses als Reinigung des Ichs von allem Körperlichen, Gegenständlichen und Objektiven lesen, das den Blick auf eine höhere Wirklichkeit verstellt.
  • In diesem Sinn fasst Beckett den Menschen als Opfer der kartesianischen Wende auf. Das „Ich denke, also bin ich“ des Philosophen René Descartes, das den Beginn der Aufklärung und den Triumph der Rationalität markiert, ist für Beckett der Anfang eines fatalen Irrwegs. Auch der sterbende Malone denkt, doch sein Denken ist impotent und führt ihn nirgendwo hin, am wenigsten zu sich selbst.
  • In Malone stirbt zeigt sich Becketts zwiespältiges Verhältnis zur Sprache. Einerseits führt er sie als stumpfes, unbrauchbares Schwert vor, das letztlich alle Wirklichkeit erstickt beim hilflosen Versuch, diese zu erfassen; anderseits nutzt er Sprache, um ebendiese Einsicht auszudrücken. Und natürlich wäre Beckett nicht Beckett, wenn er diesen Zwiespalt nicht wieder zum Thema machen würde.

Historischer Hintergrund

Eine veränderte Welt

Samuel Beckett schrieb seine Romantrilogie im Nachkriegsparis, inmitten von Armut und moralischer Ernüchterung. Die europäische Zivilisation war eben zum zweiten Mal von der Geschwindigkeit ihres Fortschritts aus der Kurve geworfen worden. Zwei gewaltige Kriege mit insgesamt über 60 Millionen Toten, dazu die Schrecken des Holocaust, hatten der aufsteigenden Moderne einen gewaltigen Dämpfer versetzt.

Dabei hatte man so große Hoffnungen in den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt gesetzt. Die erste Dekade des neuen Jahrhunderts, mit ihren revolutionären Entdeckungen und Erfindungen, schien der Menschheit eine goldene Zukunft zu verheißen: die Eroberung der Lüfte durch die Gebrüder Wright, der Triumph über Krankheiten (Tuberkuloseimpfung, Röntgenstrahlen, Psychoanalyse), die schier grenzenlose Mobilität dank Auto, U-Bahn und Ozeandampfer sowie das Verständnis der innersten Zusammenhänge der physikalischen Welt (Relativitätstheorie, Quantenphysik). Doch das neue Wissen barg auch Gefahren: Es konnten nun Waffensysteme von wahrhaft höllischer Effizienz entwickelt werden.

Paris, noch bis in die 1930er Jahre von magischer Anziehungskraft auf Künstler, Musiker und Literaten aus aller Welt und Ausgangspunkt fast aller großen avantgardistischen Bewegungen der Zeit, lag nach dem Kriegsende am Boden. Racheakte der leidgeprüften Bevölkerung an vermeintlichen oder tatsächlichen Kollaborateuren des eben gestürzten Vichy-Regimes waren an der Tagesordnung. Und während in Potsdam und Jalta die Siegermächte über die geopolitischen Konsequenzen des Krieges verhandelten, versuchte in Frankreich eine provisorische Regierung unter General Charles de Gaulle die Einigkeit und das Selbstbewusstsein einer erniedrigten Nation wiederherzustellen.

Entstehung

Kaum hatte Beckett 1947 mit Molloy den ersten Teil seiner Romantrilogie fertiggestellt, nahm er die Arbeit an Malone stirbt auf. Im Wesentlichen verarbeitete er darin dieselben Einflüsse: Zum einen soll er am Krankenbett seiner Mutter eine Art Vision gehabt haben, die ihm seinen künstlerischen Weg zu inhaltlicher und formaler Reduktion wies. Zum anderen war er selber gesundheitlich beeinträchtigt. 1934 hatte er eine Psychoanalyse begonnen; seit dem Tod seines Vaters im Vorjahr plagten ihn schwere Depressionen. Schließlich war Beckett vom Schweizer Psychologen C. G. Jung beeinflusst, mit dessen Lehren er sich beschäftigte.

All diese Eindrücke setzten jedoch nur in Bewegung, was sich schon seit geraumer Zeit formiert hatte. Denn bereits in Becketts frühem Essay über Marcel Proust von 1930, in dem er weniger den Autor von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit zum Thema machte als vielmehr sein eigenes, in der Entstehung begriffenes künstlerisches Weltbild, lassen sich die Anfänge jener Philosophie erkennen, die schließlich in Molloy, Malone stirbt und Der Namenlose ihre dichterische Ausformung finden sollte. Für einige konkrete Details von Malone stirbt griff Beckett auch auf persönliche Erlebnisse zurück. So verarbeitete er in der Schilderung der Familie Louis und ihrer nüchternen bäuerlichen Lebensweise seine eigenen Erfahrungen mit dem Landleben: Auf der Flucht vor der Gestapo hatte sich der Autor 1942 in einem Dorf in Südfrankreich versteckt und sich als Erntehelfer verdingt.

Wirkungsgeschichte

Mit seiner Trilogie hatte Beckett seine große Aufgabe gefunden, nämlich auszudrücken, „dass es nichts gibt, das auszudrücken wäre, nichts, womit sich etwas ausdrücken ließe, nichts, von wo aus sich etwas ausdrücken ließe, dass aber zugleich die Verpflichtung zum Ausdruck besteht“ – so der Autor in einem späteren Text. So präzise wie Beckett hatte noch niemand das Dilemma des modernen Künstlers benannt, dessen Thema die Auflösung war, der Zerfall überkommener Sinnkonstrukte, das Nichts am Ende allen menschlichen Wissenwollens, und der doch immer einen Sinn, eine Begründung für sein Schaffen benötigte.

Mit der Veröffentlichung der Trilogie etablierte sich Beckett als anerkannter Schriftsteller, zunächst in Frankreich und mit der englischen Übersetzung endlich auch international. Zwar wurde die Wirkung der Romane bald von der Strahlkraft des berühmtesten Werks Becketts, des Theaterstücks Warten auf Godot, überschattet; dennoch bleiben sie Schlüsselwerke der Moderne, die zahlreiche Denker, Künstler und Musiker inspiriert haben, unter ihnen Jacques Derrida, Thomas Bernhard, Harold Pinter, Václav Havel, Imre Kertész, Philip Glass oder Bruce Nauman.

Über den Autor

Samuel Beckett wird am 13. April 1906 in Foxrock nahe Dublin geboren. Er wächst in einer gut situierten und protestantischen Familie auf. Von 1923 bis 1927 studiert er Sprachen und Literatur in Dublin. Ein Jahr später geht er als Englischlektor nach Paris. Dort lernt er den Schriftsteller James Joyce kennen, mit dem er sich anfreundet. In Frankreich entstehen erste Erzählungen und Gedichte. 1930 kehrt Beckett als Lektor für Französisch ans Trinity College nach Dublin zurück und promoviert. Doch schon 1932 kündigt er seinen Vertrag mit der irischen Universität. Er kann sich nicht mit der Routinearbeit anfreunden, leidet unter Geldmangel und Depressionen. Als 1933 sein Vater stirbt und Beckett eine kleine Erbschaft antritt, reist der junge Schriftsteller jahrelang durch Frankreich, Italien und Deutschland. Seine ersten Romane Dream of Fair to Middling Women (Traum von mehr bis minder schönen Frauen, 1932) und Murphy (1938) entstehen. 1937 lässt er sich in Paris nieder. Hier lernt er seine Lebensgefährtin und spätere Frau, eine Pianistin, kennen. Beide schließen sich der Résistance an. 1942 müssen sie vor der Gestapo fliehen und sich im unbesetzten Südfrankreich verstecken. Beckett ist als Landarbeiter tätig und schreibt während dieser Zeit den Roman Watt, der 1953 veröffentlicht wird. In den Nachkriegsjahren ist der Autor äußerst produktiv. Er beginnt in französischer Sprache zu schreiben und wendet sich neben den Prosawerken dem Theater zu. Zwischen 1946 und 1950 entstehen u. a. der Roman Mercier et Camier (Mercier und Camier), sein erstes Stück Eleuthéria, die Romane Molloy, Malone meurt (Malone stirbt), L’Innommable (Der Namenlose) und das Drama En attendant Godot (Warten auf Godot). Die Uraufführung dieses Stücks bringt Beckett 1953 neben dem literarischen Durchbruch auch den ersten finanziellen Erfolg. Seine Dramen – 1957 erscheint Fin de partie (Endspiel), 1961 Happy Days (Glückliche Tage) – sind äußerst erfolgreich. 1969 erhält er den Nobelpreis für Literatur. Mehrfach inszeniert er seine eigenen Dramen in Berlin, außerdem konzipiert er Fernseh- und Hörspielproduktionen. Am 22. Dezember 1989 stirbt Samuel Beckett in Paris.

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