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Peer Gynt

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Peer Gynt

Ein dramatisches Gedicht

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Von einem, der auszog, das Glück zu suchen: Der Abenteurer Peer Gynt gilt als „Faust des Nordens“.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Ein Antiheld aus dem Norden

Peer Gynt ist kein Sympathieträger. Er ist ein Trunkenbold und Schwadroneur, skrupellos in seinem Drang nach Macht, Reichtum und Frauen, größenwahnsinnig und narzisstisch. Peer Gynt lässt sich ziellos treiben, stolpert mal in diese, mal in jene Situation. Oft ist unklar, ob die Handlung reell oder nur eine Ausgeburt seiner Fantasie ist. Anders als die Helden vieler Bildungsromane reift Peer Gynt weder intellektuell noch moralisch, sondern bleibt ein selbstbezogener Narziss. Ibsen macht es einem nicht leicht, seinen Antihelden zu mögen. Neben Peer Gynt fährt er ein ganzes Arsenal seltsamer Gestalten wie Trolle, „Krumme“ und „Magere“ auf. Durch Bezüge zur nordischen Mythologie, zur zeitgenössischen Philosophie und zur norwegischen Gesellschaft bekommt das Stück eine Komplexität, die ihresgleichen sucht. Ein dichtes, ambivalentes und gänzlich unromantisches Drama, das eine Vielzahl von Deutungen provoziert hat.

Take-aways

  • Peer Gynt ist das bekannteste Drama des norwegischen Schriftstellers Henrik Ibsen.
  • Inhalt: Peer Gynt, ein Schwindler und Aufschneider, treibt sich in Norwegen, im Reich der Trolle, in Marokko und in Ägypten herum. Auf der Suche nach Ruhm und Reichtum und nach seiner Bestimmung jagt er Mädchen und dubiosen Geschäften nach. Erst in der Liebe einer Frau, die in Norwegen auf ihn wartet, findet er schließlich Verzeihung und Erlösung.
  • Peer Gynt ist ein dramatisches Gedicht in fünf Akten; es ist in Versen geschrieben.
  • Der Stoff lehnt sich motivgeschichtlich an norwegische Volks- und Feenmärchen an.
  • Ibsen schrieb das Stück während seines freiwilligen Exils in Italien.
  • Er verarbeitete darin unter anderem eigene Kindheitserlebnisse.
  • Die Bühnenmusik zur Uraufführung 1876 in Kristiania, dem heutigen Oslo, schrieb Edvard Grieg.
  • Das Stück boomte in Deutschland vor allem zwischen 1914 und 1945.
  • Das Drama ist in der norwegischen Nationalromantik verwurzelt und weist auch auf das moderne Theater voraus.
  • Zitat: „Wonach soll man trachten? / Man selbst zu sein: des Pudels Kern. / Auf sich und seins nur soll man achten. / Doch darf man dann Packesel sein / Für andrer Wohl und Wehe? Nein!“

Zusammenfassung

Der missratene Sohn

Der 20-jährige Peer Gynt, Sohn der verwitweten Bäuerin Åse, lebt zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Hof seiner Mutter. Peer kommt gerade von der Rentierjagd zurück, trägt zerschlissene Kleidung und behauptet, ein Rentierbock habe sich ihn gepackt und sei mit ihm auf einem scharfen Berggrat durch Schnee und Eis geritten. Zunächst fast ohnmächtig vor Schreck erkennt seine Mutter bald, dass er ihr nur Jägerlatein aufgetischt hat. Sie ist zutiefst verbittert, weil ihr Mann, ein Junker, seinen Reichtum mit Alkohol durchgebracht hat und sie nun auf einem heruntergekommenen Hof lebt. Auch ihr Sohn vergeudet Zeit und Geld und macht ihr nur Schande. Peer beschwichtigt sie jedoch: Sie solle warten, er werde noch Großes tun und König oder Kaiser werden. Seine Mutter ist betrübt, dass er nicht Ingrid, die Tochter des reichen Bauern Haegstad, heiratet. Da Peer nicht ausreichend um sie geworben hat, heiratet sie nun einen anderen. Peer bietet an, mit Ingrid zu sprechen, doch die Hochzeit steht bereits am darauffolgenden Tag an.

„Kreuz! bist doch ein Mordskerl, du – / Reichlich schmuck und keck dazu (...)“ (Åse zu Peer, S. 9)

Von einer Anhöhe blickt Peer auf das Dorf, wo Haegstad wohnt, und ist eingeschüchtert, weil er weiß, dass er insgeheim von den anderen ausgelacht wird. Passanten machen abfällige Bemerkungen über ihn und seine Familie. Im Gras liegend und ins Blaue starrend, fantasiert er sich eine Zukunft als Kaiser zurecht, in der er von allen geachtet wird. Peer schämt sich für seine Lumpenkleidung und überlegt, zurück zu seiner Mutter zu gehen, doch die Musik und die tanzenden Mädchen auf dem Hof locken ihn an.

Der Brautraub

Der Bräutigam klagt dem Vater der Braut sein Leid: Die Braut hat sich eingeschlossen und will ihn nicht mehr heiraten. Als sich Peer Gynt einer Gruppe Mädchen nähert, weigern sich alle, mit ihm zu tanzen. Solvejg, die mit ihren Eltern aus dem Westen zugezogen ist, erklärt sich zunächst zwar dazu bereit, doch als er seinen Namen nennt, zieht sie ihre Hand zurück. Ein Bursche vom Tanzplatz bietet Peer einen Schnaps an, den dieser gern kostet. Angetrunken prahlt er von seinen Künsten, den Teufel beschwören und in der Luft reiten zu können. Als Solvejg sich erneut weigert, mit ihm zu tanzen, erst recht in diesem Zustand, droht er ihr, sich nachts in einen Werwolf zu verwandeln, ihr Blut zu saugen und ihre kleine Schwester Helga zu fressen.

„Hab ihm’s Leben geschenkt; / Muss ihm beistehn; das ist nicht mehr recht als billig; / Ihm guttun, sind andre dazu nicht willig.“ (Åse über Peer, S. 51)

Der Bräutigam bittet Peer, mit ihm zum Blockhaus zu gehen und Ingrid dazu zu bringen, herauszukommen. Der Schmied will Peer Gynt unterdessen zum Kampf auffordern und ihn zusammen mit einigen Burschen vom Hof jagen. Auch Mutter Åse taucht auf und sucht ihren Sohn, um ihn zu strafen. Dann sieht die Menge plötzlich in der Ferne, wie Peer Gynt mit der Braut auf dem Rücken den Berg hochklettert. Der Haegstadbauer will ihn für den Brautraub umbringen.

Nächtliche Eskapaden

Peer hat Ingrid verführt, will sie jetzt jedoch loswerden. Er verflucht alle Frauen bis auf eine, deren Namen er nicht nennen will. Ingrid bietet ihm den heimischen Hof, wenn er sie zur Frau nimmt. Peer jedoch weigert sich; beide gehen ihrer Wege und Ingrid schwört Rache.

„Trinkt, meine Herrn! Des Lebens Sinn / Heißt: dem Genusse sich vermieten.“ (Peer zu den Gästen, S. 63)

Es ist Abend geworden. Peer treibt sich in der Bergödnis herum. Er hat begriffen, dass eine bewaffnete Meute ihn sucht, fühlt sich durch dieses Gejagtsein jedoch neu belebt. Ihm begegnen drei Sennerinnen, die von ihren Burschen verlassen worden sind und nun auf ihren nächtlichen Troll warten. Peer stellt sich vor sie und behauptet, drei Trolle und drei Burschen aufzuwiegen. Die Mädchen tanzen und nehmen ihn mit zu ihrer Hütte.

„Wonach soll man trachten? / Man selbst zu sein: des Pudels Kern. / Auf sich und seins nur soll man achten. / Doch darf man dann Packesel sein / Für andrer Wohl und Wehe? Nein!“ (Peer, S. 64)

Peer Gynt findet sich im Rondegebirge wieder. Sein Schädel brummt, da er mit den Sennerinnen gezecht hat. Er erblickt in Baumwurzeln und Baumstämmen Riesen mit Reiherfüßen und hört Glockengeläut. Er beneidet die Wildgänse, die Grenzen und Meere überwinden können. Mit den Mädchen will er nichts mehr zu tun haben. Im Wahn meint er, den Hof des Großvaters zu sehen. Dieser feierte dort Feste und Peer wurde gesagt, dass er noch zu Großem aufsteigen werde. In seinem Größenwahn springt er nach vorn, stößt jedoch gegen einen Fels und fällt.

„Das gyntsche Selbst, das ist der Schwall / Der Launen, Forderungen all, / Kurz alles, was, just mir zu eigen, / Gemacht ist, meine Art zu zeigen.“ (Peer, S. 71)

Peer Gynt folgt einem grün gekleideten Weib, das es ihm angetan hat. Sie ist die Tochter des Dovrekönigs. Peer flunkert, seine Mutter sei ebenfalls eine Königin. Die Grüngekleidete ist erfreut darüber, wie gut sie zueinander passen, und fällt ihm um den Hals. Auf einer Sau reiten sie davon.

Bei den Trollen

In der Halle des Dovrekönigs sind die Hoftrolle und Hexen aufgebracht darüber, dass ein Christ die Prinzessin bezirzt hat, und fordern Peer Gynts Tod. Der Dovrekönig gesteht jedoch seinen Vertrauten, dass es mit seinem Stamm bergab gehe und er seine Hoffnungen auf den kräftigen Peer setze. Peer Gynt verlangt von ihm die Tochter und sein Reich als Mitgift, worauf der Dovrekönig seine Bedingungen stellt: Peer Gynt dürfe sich nur innerhalb der Grenzen des Königreichs aufhalten, er müsse die heimische Kost essen und die Kleidung der Trolle anlegen. Peer Gynt akzeptiert alles. Als er jedoch den Dovretanz verspottet und die Grüngekleidete beleidigt ist, weil sie und ihre Schwester aufgespielt und getanzt haben, ist der König erzürnt. Offenbar kann er Peer Gynt seine Menschennatur nicht austreiben. Er will ihm darum den linken Augapfel aufritzen und ihm das rechte Auge ganz herausnehmen, damit er aufhört, wie ein Mensch zu sehen. Als Peer daraufhin gehen will, hält ihn der König zurück. Er schmeichelt ihm, Peer habe eine Begabung zum Troll. Peer ringt mit sich, doch er kann sein Menschsein nicht vergessen und will kein Troll werden. Der König tobt vor Wut und will ihn zwingen, seine Tochter zu heiraten. Diese überrascht ihn nun mit der Nachricht, dass sie schwanger ist. Peer Gynt bricht der Angstschweiß aus; er erklärt, dass er kein Prinz ist und ihr nichts zu bieten hat, woraufhin die Königstochter ohnmächtig wird. Voller Verachtung fordert der König, dass man Peer Gynt gegen eine Felswand werfe. Jetzt jagen ihn die jungen Trolle, beißen und quälen ihn. Erst als Kirchenglocken läuten, lassen sie von ihm ab.

„Bengel und Fratzen zu Hause haben – / Ein Trost sein, an dem sich Gemüter laben – / Dem man folgt, wohin sich sein Weg auch lenkt – / Ich habe keinen, der an mich denkt.“ (Peer, S. 110)

Die Halle stürzt ein, es wird dunkel, und eine Stimme ertönt. Peer Gynt wittert Gefahr und schlägt wild um sich. Die Stimme gibt sich als „der große Krumme“ zu erkennen. Er gebrauche keine Gewalt, sei tot und lebendig zugleich. Ein Vogelschwarm rauscht heran, woraufhin Peer Gynt zusammensinkt. Aus der Ferne ertönen Glockengeläut und Gesang. Bei Sonnenaufgang liegt Peer schlafend vor Åses Hütte. Solvejgs kleine Schwester Helga kommt mit Proviant zu ihm, Solvejg selbst versteckt sich hinter der Hütte und läuft schließlich davon. Peer trägt Helga auf, Solvejg zu sagen, sie solle ihn nie vergessen.

Wie gewonnen, so zerronnen

Peer Gynt schlägt im Nadelwald Kiefern. Erneut meint er im Baum ein Wesen zu erkennen und ringt mit diesem im Zweikampf. Er fühlt sich vogelfrei, wohnt im Wald und ernährt sich als Jäger und Sammler. Im Wahn glaubt er, der Haegstadbauer verfolge ihn, und versteckt sich hinter einem Baum.

„Nein, so eine Vielzahl! Schicht liegt auf Schicht. / Kommt denn nicht einmal ein Kern ans Licht? / Und ob er das tut! Bis ins innerste Innre / Nichts als Schichten – immer dünnre und dünnre. – / Die Natur ist ein Schalk!“ (Peer, S. 127)

Solvejg kommt zu Peer und verspricht, auch gegen den Willen ihres Vaters zu ihm zu halten, denn sie gehöre zu ihm. Peer Gynt ist überglücklich und lässt sie in seine Hütte eintreten. Kaum ist sie drin, taucht draußen ein zerlumptes Weib auf, präsentiert Peer einen garstigen Jungen – seinen mit der Trollfrau gezeugten Sohn – und droht seine Beziehung zu zerstören. Er erkennt, dass sein Traum vom Glück mit Solvejg geplatzt ist. So geht er nicht zu ihr in die Hütte, sondern besucht seine Mutter, die im Sterben liegt. Der Gerichtsvollzieher hat ihr kaum noch Möbel gelassen. Mutter und Sohn erinnern sich an gute Zeiten. Er erzählt ihr Fantasiegeschichten, die ihr den Tod erleichtern. Peer Gynt bittet die Häuslerin Kari, die Mutter zu beerdigen, da er ans Meer müsse.

Afrikanisches Intermezzo

Peer Gynt, elegant gekleidet und deutlich älter geworden, lebt an der Südwestküste Marokkos und hat zu einem Gelage eingeladen. Seine Gäste loben ihn als Freigeist, Weltbürger und Genie. Gynt begründet dies damit, dass er ehelos lebe und nur er selbst sei. Er ist von seinem Übermut genesen und keiner Frau mehr ins Netz gegangen. Durch Sklavenhandel und den Export von Götzenbildern nach China ist er reich geworden. Mit zunehmendem Alter hat er sich jedoch besonnen und versucht, die alten Missetaten wiedergutzumachen. Nun aber will Peer Gynt Kaiser werden, sein Reichtum soll ihm dabei helfen. Als die Nachricht von einem Aufruhr in Griechenland kommt, erklärt Gynt, er wolle nicht die Griechen, sondern die Türken unterstützen. Seine Gäste und Geschäftspartner sind erzürnt, stehlen ihm sein Schiff und lassen ihn zurück. Das Schiff geht jedoch kurz darauf unter.

„Nun werde Pfingsten im stillen Wald. / Lieber Junge, in der Ferne – / Kommst du wohl bald? / Hast du schwer zu karren, / So bleib noch fort – / Ich werde harren; / Ich gab dir mein Wort.“ (Solvejgs Lied, S. 127)

Allein in Marokko muss Peer Gynt sich vor Löwen und Affen schützen. In der Wüste findet er zufällig ein Pferd, Kleidung, Schmuck und Waffen; er verkleidet sich und reitet davon. In einer Oase verehrt man ihn als Propheten, vor ihm tanzt und singt ein Chor. Er verliebt sich in Anitra, die er auf seinem weißen Pferd entführt. Anitra scheint zunächst von dem Propheten ganz angetan, doch dann luchst sie ihm seine Reichtümer ab, schwingt sich aufs Pferd und jagt allein zurück in die Wüste.

„Eins, das gedachte – und eins, das vergaß. / Eins, das verscherzte – und eins hielt Maß. / O Pein! – Was verderbt ist, wird nie mehr schier! / O Angst! – Mein Kaisertum war hier!“ (Peer, S. 127 f.)

Peer Gynt legt seine orientalische Tracht ab und zieht sich wieder europäisch an. Er will sich nicht mehr von Frauen um den Verstand bringen lassen und einen neuen Anfang machen. In Ägypten setzt er seine Reise fort und besucht die Memnonssäule sowie die Sphinx in Gizeh. Dort trifft er auf den Deutschen Begriffenfeldt, der ihn mit zu sich nach Kairo nimmt. Begriffenfeldt leitete bislang ein Irrenhaus, doch nun werden dort die Wärter in Käfige gesperrt und die Wahnsinnigen kommen frei. Zwei Wahnsinnige töten sich vor Peer Gynts Augen. Begriffenfeldt setzt Peer einen Strohkranz auf und krönt ihn zum Kaiser.

Heimkehr

Peer Gynt befindet sich an Bord eines Schiffs vor der Küste Norwegens. Er ist alt und grau geworden und bedauert, dass er keine Familie hat, zu der er zurückkehren kann. Er beklagt die mangelnde Treue und den fehlenden Glauben der Menschen. Im Sturm spricht ein fremder Passagier ihn an; dieser erfreut sich am Gedanken, dass der Sturm Menschenopfer fordern wird, und frohlockt angesichts des baldigen Anblicks von Leichen. Er wünscht sich Peer Gynts Kadaver, zu wissenschaftlichen Zwecken: Er suche nämlich die „Stätte der Träume“. Auf mysteriöse Weise verschwindet der Fremde. Das Schiff läuft auf ein Riff und geht unter. Peer Gynt klammert sich an ein umgeschlagenes Boot und verdrängt einen Koch, der daraufhin ertrinkt. Nachdem Peer Gynt den Bootskiel erklettert hat, schwimmt der fremde Passagier plötzlich heran, hält sich am Boot fest und gleitet nach einer wirren Unterhaltung ebenso plötzlich weg, ohne seine Identität preiszugeben.

„Mein Junge, nichts Übles hast du getan!“ (Solvejg zu Peer, S. 148)

Peer Gynt ist auf einer Beerdigung im Gebirge. Die Totenrede des Pfarrers gefällt ihm, er weiß den Trost der Kirche nun zu schätzen. Bei einer Versteigerung auf einem Hof ersteigern die Dorfbewohner den ehemaligen Besitz von Peer Gynt, den sie im Ausland gehenkt glauben. Der echte Peer Gynt gibt sich nicht zu erkennen, erzählt jedoch erneut prahlerische Lügengeschichten.

„Meine Mutter; meine Gattin; Weib, rein im Minnen! – / O birg mich, birg mich da drinnen!“ (Peer zu Solvejg, S. 149)

Im Hochwald kommt er zu Solvejgs Hütte. Im Innern hört er sie singen, sie werde ausharren und ihr Wort nicht brechen. Peer Gynt erkennt: Hier wäre sein Glück gewesen. Schockiert rennt er in den Wald. Als er allein in der Natur ist, hört er die Knäuel am Boden, die Blätter, Halme und Tautropfen zu sich sprechen. Ein Knopfgießer sucht ihn, um seine Seele zu holen; sein Grab sei schon bereit. Der Knopfgießer gewährt Peer Gynt eine Frist, wenn dieser ihm beweisen kann, dass er immer er selbst war. Peer Gynt begegnet dem Dovrekönig, der fast sein Schwiegervater geworden wäre, und bittet ihn um eine eidliche Bezeugung, dass er Macht und Ehre abgelehnt habe, um er selbst zu bleiben. Der Alte verhöhnt ihn jedoch und erinnert ihn daran, dass er fast zum Troll geworden wäre, nur um zu Ruhm zu gelangen. Peer Gynt begegnet einer mageren Gestalt, die er für einen Pfarrer hält, und möchte bei ihr beichten. Der Magere tut seine Sünden jedoch als läppisch ab; er sei auf der Suche nach Peer Gynt, der sich schuldig gemacht habe. Peer Gynt verleugnet erneut seine Identität und verzweifelt, da er als „niemand“ bestattet werden wird.

„Am letzten Kreuzweg sei es dann, Peer; / Und da sehn wir dann, ob – ich sage nicht mehr.“ (Knopfgießer, S. 148)

Der Knopfgießer kommt erneut und will Peer Gynts Sündenregister sehen. Da sieht Peer Licht in einer Hütte und vernimmt Gesang. Solvejg tritt heraus, Peer bittet sie, ihm seine Sünden zu nennen. Sie jedoch behauptet, er habe nichts Übles getan. Sie birgt ihn wie eine Mutter in ihrem Mantel und singt ihm ein Wiegenlied. Hinter dem Haus droht ein letztes Mal der Knopfgießer, er werde ihn schon noch wiedertreffen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Peer Gynt ist in sich reimenden Versen verfasst. Rein formal hält Henrik Ibsen zwar die Fünf-Akte-Struktur des klassischen Dramas ein, doch innerhalb dieser Akte springt die Handlung munter von einem Ort zum nächsten. Die rund 40 Szenen bewegen sich ohne die geringste Rücksicht auf die von Aristoteles und anderen Theoretikern verlangte Einheit von Zeit und Raum, sie wechseln zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Realismus und Surrealismus, und spiegeln so den unsteten Lebenswandel des Titelhelden. Thematisch können die Akte 1 bis 3 als eine Einheit gelten, da sie Peer Gynts Jugend schildern, während die Akte 4 und 5 die Reife bzw. das Alter darstellen. Im Stück wird ein enormes Figurenarsenal von sicherlich 50 Gestalten aufgeboten. Im Gegensatz etwa zu Ibsens Gesellschaftsdramen Nora oder Gespenster wird hier kein bestimmtes soziales Milieu widergespiegelt. Die Handlung entwickelt sich nicht nach einem Ursache-Wirkungs-Prinzip, sondern, wie es scheint, rein zufällig. Mit seiner Mischung aus Moralität, absurdem Theater sowie symbolistischen und expressionistischen Elementen war Peer Gynt seiner Zeit weit voraus.

Interpretationsansätze

  • Der physisch und psychisch rastlose Peer Gynt, der dem Alkohol und den Mädchen verfällt, von der Gesellschaft verstoßen wird und vogelfrei ist, hat zu zahlreichen tiefenpsychologischen Deutungen Anlass gegeben. Unter anderem wird er als bindungsscheuer Jüngling interpretiert, der präödipal auf seine Mutter fixiert ist und keine normale Liebesbeziehung eingehen kann. Sein Lebensweg erscheint in dieser Sicht als eine einzige Regression, als Rückfall in kindliche Verhaltensmuster.
  • Eine wichtige Rolle spielt das Thema der Identität: So wie Peer Gynt ständig die Tracht wechselt und Zitate anderer ausspricht, besitzt er kein eigenes Selbst, sondern spielt ständig Rollen. In einer Szene im fünften Akt schält Peer Gynt eine Zwiebel und sieht diesen Akt selbst allegorisch als Vordringen zum Kern seiner Persönlichkeit. Doch obwohl er sich Schicht um Schicht seiner Lebensabschnitte entledigt, kommt kein Kern zum Vorschein. Er bleibt unstet und unentschlossen.
  • Mal Kaufmann, mal Ingenieur, mal Wissenschaftler: Im vierten Akt erweist sich Peer Gynt als typischer Vertreter des Kapitalismus und Imperialismus des 19. Jahrhunderts. Er bereichert sich am Sklavenhandel, exportiert nach Übersee und spielt mitten in der Wüste mit dem Gedanken, einen Kanal zu bauen. Sein Größenwahn kennt keine Grenzen.
  • Solvejg nimmt die Doppelgestalt der Mutter-Geliebten an. Das letzte Bild, als Peer sein Gesicht in ihrem Schoß birgt, trägt die Züge einer Pieta. Peer Gynt wird so einerseits als Christusfigur überhöht, andererseits ist er endgültig zum Kind regrediert.
  • Das Stück ist voller mysteriöser Gestalten und Anspielungen, zu deren Deutung kulturgeschichtliche Kenntnisse hilfreich sind. Das Pferd Grane etwa, das sich Peer Gynt am Sterbebett seiner Mutter zurechtfantasiert, ist der altnordischen Edda-Dichtung entnommen. Mit dem schrillen Irrenarzt Begriffenfeldt verspottet Ibsen zentrale Begriffe der Philosophie Hegels. Und die Trolle verweisen nicht nur auf Volksmärchen, sondern erinnern auch an norwegische Patrioten, die nach Ibsens Meinung selbstgefällig und engstirnig waren.
  • Das Stück vermischt munter fantastische und realistische Elemente. Peer Gynt selbst, der nur zu gern Lügengeschichten erzählt, kann als Personifikation der Dichtkunst angesehen werden.

Historischer Hintergrund

Norwegen im 19. Jahrhundert

Seit 1523 hatte Dänemark de facto über Norwegen geherrscht, als im Januar 1814 der Friede von Kiel eine territoriale Neuordnung Skandinaviens festlegte. Dänemark, das während der Napoleonischen Kriege aufseiten Frankreichs gestanden hatte, musste Norwegen an Schweden abtreten. Die Norweger gaben sich jedoch 1814 eine eigene Verfassung, die der Schwedenkönig anerkannte. Er gestand dem Land weitgehende Selbstverwaltung zu, auch wenn es erst 1905 zur endgültigen Unabhängigkeit kam.

Wie die anderen Länder Europas wandelte sich Norwegen im Lauf des 19. Jahrhunderts rasant von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Insbesondere die norwegische Handelsflotte brachte dem Land einen wirtschaftlichen Aufschwung, der aber auch zunehmende Klassengegensätze mit sich brachte.

Das intellektuelle Leben Norwegens um 1850 stand ganz im Zeichen der Nationalromantik, das heißt einer Hinwendung zur eigenen Geschichte und Folklore in dem Versuch, eine eigenständige nationale Kultur zu begründen. Norwegen wollte eine eigene Literatur und ein eigenes Theater etablieren und sich nicht nur politisch, sondern auch sprachlich vom Dänischen emanzipieren.

Während manche für eine Beibehaltung des Dänischen und eine Re-Norwegisierung durch Entlehnungen aus den Volksmundarten plädierten, forderten andere eine ganz neue, künstlich entstandene norwegische Schriftsprache. Zur Sprachpflege und Rückbesinnung auf die norwegische Kultur gehörte auch das Sammeln von norwegischen Volkssagen und -liedern.

Entstehung

Zum Zeitpunkt der Arbeit an Peer Gynt hatte Ibsen bereits zahlreiche enttäuschende Theatererfahrungen gemacht. 1851 war er zwar als Dichter und künstlerischer Leiter an das Norwegische Theater in Bergen berufen worden, doch seine Stücke stießen beim Publikum auf wenig Anklang. Nachdem er 1857 die Leitung des Norwegischen Theaters in Kristiania, dem heutigen Oslo, übernommen hatte, hatte er mit einem minimalen Theateretat und ablehnenden Reaktionen der Presse und des Bürgertums zu kämpfen. So begab er sich mit einem Reisestipendium 1864 ins italienische Exil und lebte insgesamt 27 Jahre in Italien und Deutschland. Nachdem er der provinziellen Enge seines Heimatlands entkommen war, entstand zunächst Brand (1866) und dann Peer Gynt (1867). Erst 1876 kam es jedoch zur Uraufführung in Kristiania.

Ibsen erklärte, in dem dramatischen Gedicht Peer Gynt seine Kindheitserlebnisse fiktionalisiert zu haben. Seine eigene Mutter stand Patin für die Åse. Motivgeschichtliche Anregungen fand er ebenfalls in der in den 1840er-Jahren erschienenen Sammlung norwegischer Feenmärchen von Peter Christen Asbjørnsen. Andere Motive lernte er vermutlich auf einer Reise durch Gudbrandsdalen und Vestland kennen. In Gudbrandsdalen soll es um 1800 einen Peer Gynt gegeben haben; auch in den Feenmärchen ist von einem Abenteurer und Lügenbaron Peer Gynt die Rede.

Wirkungsgeschichte

Zwar war die Erstauflage von Peer Gynt innerhalb kurzer Zeit vergriffen, doch das Werk stieß unter Kritikern wie etwa dem dänischen Literaturhistoriker Georg Brandes und dem dänischen Dichter Hans Christian Andersen auf starke Ablehnung. Andersen erklärte sogar, nie etwas Schrecklicheres in seinem Leben gelesen zu haben. Ibsen verschaffte das Stück dennoch die erhoffte Anerkennung in Norwegen und es machte ihn international bekannt. Die Bühnenmusik von Edvard Grieg wirkte sich ebenfalls sehr positiv auf die Rezeption des Stücks aus, das insbesondere im Ausland erfolgreich war.

Bereits 1881 erschien das Werk auf Deutsch, 1892 auf Englisch und 1896 auf Französisch. Allerdings zeigten sich zumindest die deutschen Bühnen reservierter. Erst 1902 kam es zu einer mäßig erfolgreichen deutschen Uraufführung in Wien. Vom Ersten Weltkrieg an bis 1945 boomte das Stück jedoch und wurde unzählige Male aufgeführt. Die Nazis stilisierten den Protagonisten zu einem mustergültigen Arier und befeuerten so den Peer-Gynt-Kult.

In mehreren Filmfassungen wurde Peer Gynt von Schauspielern wie Hans Albers, Charlton Heston oder Bruno Ganz verkörpert.

Über den Autor

Henrik Ibsen wird am 20. März 1828 als ältestes von fünf Geschwistern im norwegischen Skien geboren. Sein Vater ist ein erfolgreicher, aber auch risikofreudiger Geschäftsmann: 1835 geht er in Konkurs, die Familie muss den Ort verlassen. 1844 beginnt der Sohn eine Lehre als Apothekergehilfe in der Küstenstadt Grimstad. Er schreibt Gedichte sowie das Theaterstück Catilina und bereitet sich im Selbststudium auf das Abitur vor, um Medizin studieren zu können. 1850 zieht Ibsen in die Hauptstadt Kristiania (heute Oslo), kommt in Kontakt mit der revolutionären Arbeiterbewegung und schreibt Satiren. Catilina wird gedruckt, 1852 wird Ibsen Hausautor und Regisseur des Norwegischen Theaters in Bergen. 1856 spielt man dort sein nationalromantisches Stück Das Fest auf Solhaug (Gildet paa Solhoug). Ein Jahr später wechselt Ibsen zum Norwegischen Theater nach Kristiania. 1858 heiratet er Suzannah Thoresen, im folgenden Jahr wird Sohn Sigurd geboren. Ibsen engagiert sich für die norwegische Sprache und Kultur, hat aber wenig Erfolg; das Theater macht Bankrott und er gerät in Geldnöte. Ibsen wendet sich von der Nationalromantik ab, sucht sein Glück im Ausland und zieht mit der Familie 1864 nach Rom. Das Drama Peer Gynt von 1867 ist eine kritische Auseinandersetzung mit nationalromantischen Ideen und wird 1876 mit Edvard Griegs Musik am Kristiania-Theater uraufgeführt. 1868 zieht Ibsen mit seiner Familie nach Dresden. 1874 besucht er für einige Wochen sein Heimatland Norwegen und wird dort enthusiastisch begrüßt. Die Familie zieht nach München, dann wieder nach Rom. 1879 vollendet er das Schauspiel Nora oder Ein Puppenheim (Et Dukkehjem), das als Kampfschrift der Frauenemanzipation gelesen wird; zwei Jahre später folgt Gespenster (Gengangere), das wegen seiner provokanten Themen zunächst in Europa nicht aufgeführt wird. 1891 kehrt Ibsen nach Norwegen zurück. Er stirbt am 23. Mai 1906 nach einer Reihe von Schlaganfällen in Kristiania und erhält ein Staatsbegräbnis.

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