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Tartuffe

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Tartuffe

oder Der Betrüger

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Eine glänzende Komödie über einen glattzüngigen Heuchler.


Literatur­klassiker

  • Komödie
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Ein Wolf im Schafspelz

Er ist der berühmteste Scheinheilige der französischen Literatur und der Weltliteratur überhaupt und von ganz anderem Kaliber als viele andere Heuchler in der Belletristik: Molières Tartuffe richtet nicht sich selbst, sondern andere zugrunde. Von Anfang an hegt er böse Absichten. Was wie eine harmlose Familienstreiterei anfängt, über die man lachen oder weinen kann, entpuppt sich bald als Konsequenz gnadenloser Habgier und äußerst geschickter psychologischer Manipulation. Molière führt dem Leser und Zuschauer eindringlich vor Augen: Ideologen, die von sich behaupten, doch nur das Beste für alle zu wollen, sind oft genug Tyrannen. Ein brisantes, nach wie vor hochaktuelles Thema, und das in Form einer Komödie. Ganz großes Theater!

Take-aways

  • Die Komödie Tartuffe ist das erfolgreichste und meistgespielte Stück von Molière.
  • Inhalt: Der scheinheilige Frömmler Tartuffe macht sich den wohlhabenden Bürger Orgon hörig und tyrannisiert dessen Familie. Orgon überschreibt ihm sogar seinen Besitz und will seine Tochter mit Tartuffe verheiraten. Erst als der Heuchler Orgons Frau verführen will, erwacht dieser aus seiner Verblendung. Doch da ist es bereits fast zu spät, Tartuffe will Orgon ins Gefängnis bringen. Nur durch einen Befehl des Königs wird er gerettet.
  • Die Machenschaften im Stück sind so verwickelt, dass am Ende nur durch eine Deus-ex-Machina-Lösung eine positive Wendung eintreten kann.
  • Obwohl das Stück Molières Gönner, König Ludwig XIV., gefiel, sorgte der Einfluss konservativer Hofkreise für ein jahrelanges Verbot.
  • Tartuffe wurde als Satire auf bestimmte religiöse Strömungen in Frankreich verstanden, insbesondere auf eine streng katholische Geheimgesellschaft.
  • Die Figuren sind den Typen der italienischen Commedia dell’Arte entlehnt.
  • Die Figur von Orgons Schwager Cléante gilt als Molières philosophisches Sprachrohr; auf der Bühne spielte er selbst allerdings den Orgon.
  • Durch die geschickte Mischung verschiedener Spiel- und Sprachebenen erreichte Molière ein großes Publikum.
  • Im Original ist Tartuffe in der Versform des französischen Alexandriners verfasst.
  • Zitat: „Wer im Geheimen sündigt, sündigt nicht.“

Zusammenfassung

Ein zwielichtiger Monsieur

Frau Pernelle fühlt sich im Haus ihres Sohnes Orgon nicht mehr wohl und möchte so schnell wie möglich abreisen. Sie hat das Gefühl, von Orgons Familie und seinem Gesinde respektlos behandelt zu werden, und macht aus ihrem Missmut keinen Hehl. Orgons Frau Elmire, die ihre Schwiegermutter noch zum Bleiben bewegen will, wirft sie unverblümt vor, sich zu sehr aufzuputzen, ihren Enkel Damis schilt sie einen Dummkopf und dessen Schwester Mariane verdächtigt sie, sich nur zum Schein wie ein Unschuldslamm aufzuführen. Einzig Orgons Schwager Cléante lässt Frau Pernelle gelten.

„Aus jeder Bindung löst er meine Seele; / Und stürben Bruder, Mutter, Kinder, Frau, / Es würde mich nicht im Geringsten kümmern.“ (Orgon zu Cléante über Tartuffe, S. 14)

Inmitten der erregten Familiendebatte erwähnt Damis Tartuffe, einen Freund von Orgon, der als sehr geschätzter Gast im Haus wohnt. In Frau Pernelles Augen handelt es sich um einen sehr ehrenwerten Mann, den sich die anderen wegen seines frommen Lebenswandels zum Vorbild nehmen sollten. Sie sieht in ihm fast einen Heiligen. Dem widersprechen Damis und Dorine, Marianes Zofe, sogleich aufs Heftigste. Sie halten Tartuffe für einen Heuchler, Besserwisser und Tyrannen, der sich mit seinem frommen Getue in alles einmischt und sich wie der Herr des Hauses aufführt. Wie ein Bettler sei er aus dem Nichts aufgetaucht, und Orgon, der ihn nicht durchschaue, behandle ihn wie einen Bruder. Die jungen Leute beklagen, dass seit Tartuffes Auftauchen alle geselligen Vergnügungen verpönt seien. Dorine bemerkt sogar, Tartuffe habe wohl ein Auge auf Orgons Gattin Elmire geworfen. Doch Frau Pernelle kontert, der Zorn des frommen Mannes werde durch das sündhafte Treiben im Haus erregt. Da sie das nicht mehr mit ansehen will, geht sie.

Das Heiratsversprechen

Elmires Bruder Cléante hält, ebenso wie die jungen Leute, nicht viel von Tartuffe. Er vermutet, Frau Pernelle habe ein Auge auf den seltsamen Hausgast seines Schwagers geworfen. Die Zofe Dorine bestärkt Cléantes Vorbehalte, indem sie ihm einige Beispiele von Tartuffes offensichtlicher Heuchelei gibt und berichtet, wie Orgon immer wieder darauf hereinfällt.

„Wie falsche Helden gibt es falsche Heilige (...)“ (Cléante S. 15)

Eben will Cléante sich verabschieden, da kommt Orgon nach zweitägiger Abwesenheit zurück. So wird Cléante Zeuge, wie sein Schwager sich sogleich nur für Tartuffes Befinden interessiert. Jede Anmaßung Tartuffes, von der ihm nun berichtet wird, nimmt er wie eine gute Tat wohlwollend zur Kenntnis. Von dem Fieber und Kopfweh seiner Frau Elmire an jenen beiden Tagen nimmt Orgon kaum Notiz.

„Wozu bei Ihrem Wohlstand ausgerechnet / Zum Schwiegersohn sich einen Bettler wählen?“ (Dorine zu Orgon, S. 21)

Als Cléante mit ihm unter vier Augen spricht, macht er deutlich, dass man zwischen falscher Frömmigkeit, mit der man sich immerzu aufplustert, und echter Frömmigkeit, die von Natur aus demütig und gütig in Erscheinung tritt, sehr wohl unterscheiden könne. Die echten Frommen hätten es nicht nötig, andauernd auf ihr tugendhaftes Verhalten zu verweisen, wie es Tartuffes Art sei. Orgon hält Cléante allerdings viele Belege für Tartuffes Frömmigkeit entgegen: Er gehe täglich zur Kirche, bezichtige immerzu sich selbst und melde es ihm sofort, wenn jemand Elmire schöne Augen mache. Orgon bleibt von Tartuffe tief beeindruckt. Er hält dessen Auftreten für vollkommen glaubwürdig.

„,Ich töte mich, wenn man mich dazu zwingt.‘ / ,An diesen Ausweg hab ich nicht gedacht: / Sie sterben nur und sind aus allem raus; / Das Mittel ist vortrefflich.‘“ (Mariane und Dorine, S. 26)

Cléante sieht ein, dass er bei Orgon nichts ausrichten kann. Bevor sich die beiden Männer voneinander verabschieden, erinnert Cléante Orgon noch einmal an sein Versprechen, in die Heirat zwischen seiner Tochter Mariane und ihrem Geliebten Valère einzuwilligen. Obwohl alle voller Sympathie für diese Herzensverbindung sind und Orgon bereits seinen Segen gegeben hat, hat Cléante nun den Eindruck, sein Schwager wolle sich wieder herauswinden.

Ein Schlag gegen Mariane

Kaum ist Orgon mit Mariane alleine, eröffnet er ihr, was er beschlossen hat: Sie soll Tartuffe heiraten. Er will diesen ganz eng in die Familie einbinden. Auf Marianes zögerliche Einwände lässt sich Orgon ebenso wenig ein wie auf die scharfzüngigen ihrer Zofe Dorine, die sich bald in das Gespräch einmischt. Die Gefühle seiner Tochter sind ihm herzlich egal; sie habe sich einzig dem Willen des Vaters zu fügen.

„O nein, Sie werden tartüffiert.“ (Dorine zu Mariane, S. 27)

Empört von Dorines Frechheiten lässt Orgon die beiden jungen Frauen allein. Mariane ist hin- und hergerissen zwischen ihren Tochterpflichten und der Liebe zu Valère. Ihre Zofe macht sich über sie lustig, indem sie ihr auf lächerliche Weise das langweilige Dasein als Gattin von Tartuffe vor Augen führt. Auch der hinzukommende Valère verunsichert Mariane: Er redet ihr zu, die Ehe mit Tartuffe einzugehen, denn sie habe sich ja ohnehin bereits gegen ihn, Valère, entschieden. Er selbst könne sich dann eine andere suchen. Dorine beendet das Geplänkel und versöhnt die beiden. Angesichts des Machtworts von Orgon rät die Zofe, zunächst einmal durch vorgeschobene Krankheiten und allerlei andere Ausreden Zeit zu gewinnen, um die Hochzeit mit Tartuffe so lange wie möglich hinauszuzögern.

Tartuffes wahre Liebe

Orgons Sohn Damis will seinen Vater wegen des gebrochenen Heiratsversprechens zur Rede stellen, doch Dorine rät ihm dringend davon ab: Er sei zu impulsiv, doch vielleicht könne seine Stiefmutter Elmire etwas bei ihrem Gatten ausrichten. Als Elmire den Hausgast ihres Mannes wegen der Heiratsgerüchte befragt, bedrängt Tartuffe sie sogleich und gesteht ihr unumwunden seine Liebe und sein Begehren. Elmire, von den galanten Komplimenten überrascht, erhält sogleich ein Erklärung von ihm, wie er dieses Geständnis mit seiner Rolle als frommer Mann und als Bräutigam Marianes in Einklang bringt: Einzig Elmires zauberhafte Reize trügen die Schuld an seinen Worten. Elmire sichert ihrem Verehrer zu, Orgon nichts von dem Annäherungsversuch zu erzählen, wenn Tartuffe der Verbindung zwischen Mariane und Valère nicht im Weg stehe.

„Bin ich auch fromm, so bin ich doch ein Mann (...)“ (Tartuffe zu Elmire, S. 38)

Damis, der das Gespräch zwischen Elmire und Tartuffe von einem Nebenraum aus mitverfolgt hat, glaubt nun, seinem Vater einen schlagenden Beweis für Tartuffes Doppelzüngigkeit liefern zu können. Er berichtet Orgon von der Szene. Zur Rede gestellt, streitet Tartuffe nichts ab, sondern bezichtigt sich selbst sogleich der größten Freveltaten. Durch diese Übertreibungen macht er Damis’ Aussagen unglaubwürdig.

„Ja, Bruder, ich bin böse, ich bin schuldig, / Ich bin ein Sünder, bin ein Missetäter, / Der größte Schurke, den es jemals gab.“ (Tartuffe zu Orgon, S. 42)

Orgon wittert sogleich eine Verschwörung aller Familienmitglieder gegen seinen frommen Gast und nimmt ihn vollkommen in Schutz. Nun will er die Heirat zwischen Tartuffe und Mariane noch am gleichen Abend vollzogen sehen. Außerdem enterbt er Damis und überschreibt Tartuffe auch gleich noch sein gesamtes Hab und Gut.

Die Enthüllung

Cléante versucht in einem Gespräch mit Tartuffe, diesen dazu zu bewegen, zu einer Versöhnung zwischen Orgon und Damis beizutragen. Außerdem will er, dass er die Schenkung ablehnt. Doch beides misslingt. Tartuffe will die Schenkung nicht verweigern. Schließlich könne er damit verhindern, dass der Besitz in falsche Hände gerate. Er werde ihn nur für gute Zwecke verwenden. Cléante nennt ihn daraufhin unumwunden einen Erbschleicher.

„Aber je mehr ihr euch darum bemüht, / Nur desto mehr will ich ihn hierbehalten.“ (Orgon zu Damis über Tartuffe, S. 44)

Der Abend rückt heran und die Familie versammelt sich. Orgon hat den Ehevertrag schon vorbereitet. Obwohl Mariane ihren Vater auf Knien anfleht, ihr die Ehe mit Tartuffe zu ersparen, bleibt Orgon hart. Cléante versucht zu vermitteln, doch Orgon schneidet ihm das Wort ab. Schließlich bringt Elmire unverhohlen zum Ausdruck, dass ihr Mann völlig verblendet sei. Orgon aber wirft ihr vor, Damis in Schutz nehmen zu wollen, der Tartuffe des versuchten Ehebruchs bezichtige. Da wird es Elmire zu bunt. Sie fühlt sich von ihrem Mann verleumdet und schickt alle anderen aus dem Zimmer. Gegenüber Orgon besteht sie nun darauf, dass er mit eigenen Ohren hören soll, wie dreist Tartuffe ihr den Hof macht. Er soll sich unter dem Tisch verstecken, während sie zum Schein auf Tartuffes Werben eingeht.

„,Ich werde Ihre Gattin meiden und ...‘ / ,Nein, gehn Sie zu ihr, allen hier zum Trotz!‘“ (Tartuffe und Orgon, S. 46)

Elmire lässt Tartuffe holen und gibt sich im Gespräch mit ihm nun zugänglicher. Ihre abweisende Haltung bei der vorigen Begegnung erklärt sie mit dem typisch weiblichen Wunsch, anstandshalber die wahren Gefühle verbergen zu wollen. Tartuffe ist entzückt und macht ihr weitere leidenschaftliche Komplimente. Nun verlangt er auch ein deutliches Zeichen ihrer Gunst. Elmire fühlt sich überrumpelt und gibt ihm zu verstehen, dass sie doch Skrupel hat, ihren Mann zu betrügen. Tartuffe versucht ihre Bedenken beiseitezuwischen: Mit dem Himmel könne man sich schon einigen; die schlechte Tat würde durch die Reinheit der Absichten geläutert, und solange alles geheim bliebe, sei es auch keine Sünde; die Sünde liege nur im öffentlichen Aufruhr. Im Übrigen nehme er alle Schuld auf sich. Elmire tut nun so, als wäre sie zum Äußersten bereit, und schickt Tartuffe noch schnell vor die Tür, damit dieser nachsehe, ob auch niemand in der Nähe ist.

„Ich gehe, Ihnen gleich in aller Form / Mein ganzes Eigentum zu überschreiben.“ (Orgon zu Tartuffe, S. 46)

Diese kurze Unterbrechung gibt Orgon Gelegenheit, unter dem Tisch hervorzukriechen. Endlich ist auch er von Tartuffes Niedertracht überzeugt. Als dieser zurückkehrt, wirft Orgon ihn aus dem Haus. Tartuffe verabschiedet sich unter Drohungen, die Elmire nicht ganz versteht. Es ist von einer Kassette die Rede.

Der Gerichtsvollzieher und der Polizist

In heller Aufregung berät sich Orgon mit Cléante wegen der Kassette. Diese war Orgon von einem Freund anvertraut worden und enthält offenbar brisante Papiere. Orgon hat sie in seinem grenzenlosen Vertrauen Tartuffe übergeben und dieser kann ihn nun damit erpressen. Orgon jammert, doch Cléante rät ihm, jetzt nicht die Nerven zu verlieren.

„Wer im Geheimen sündigt, sündigt nicht.“ (Tartuffe zu Elmire, S. 57)

Dann kommt Orgons Sohn Damis hereingestürmt, voller Empörung darüber, wie Tartuffe sich nun gegen seinen früheren Wohltäter wendet, auch alle anderen Familienangehörigen strömen herbei. Frau Pernelle kann überhaupt nicht fassen, was vorgefallen sein soll. Was ihr Sohn über Tartuffe sagt, will sie einfach nicht wahrhaben – womit sie sich genau so verhält, wie Orgon zuvor, was diesen jetzt besonders verärgert.

„Hüten Sie sich, die Heuchelei zu ehren, / Doch schmähen Sie auch nicht den echten Eifer.“ (Cléante zu Orgon, S. 61)

Nun erscheint der Gerichtsvollzieher, Herr Loyal, mit einer Räumungsklage. Er bestätigt in höflichen Worten, dass Tartuffe nunmehr von Rechts wegen Eigentümer des Hauses ist, und räumt Orgon und seiner Familie aus Respekt und alter Verbundenheit noch eine Nacht in ihrem Haus ein. Er macht aber unmissverständlich klar, dass am nächsten Morgen die Räumung beginnen wird, für die er „starke Männer“ ausgewählt habe. Erst jetzt erfasst auch Frau Pernelle den Ernst der Lage und erkennt, dass sie einem Heuchler aufgesessen ist. Elmire rät ihrem Mann, möglichst rasch aufzudecken, unter welchen Umständen die Vermögensübertragung zustande kam, und so zu beweisen, dass sie unrechtmäßig sei.

„Es geht doch noch gerecht zu in der Welt: / Sie hörten nicht, jetzt hört man nicht auf Sie.“ (Dorine zu Orgon, S. 64)

Valère, der Verlobte von Mariane, berichtet nun, was er soeben erfahren hat: Tartuffe hat die Kassette dem König übergeben und im Zusammenhang damit Orgon wegen Hochverrats angezeigt – so brisant ist der Inhalt. Valère rät Orgon, sofort zu fliehen; einen Wagen habe er schon mitgebracht. Doch in diesem Augenblick erscheint Tartuffe und mit ihm ein Polizist.

Hilfe vom König

Tartuffe selbst erklärt Orgon für verhaftet. Dessen Vorwürfe, ihn missbraucht und verraten zu haben, prallen an ihm ab. Er spielt den Gleichgültigen und gibt vor, er halte es für seine höchste Pflicht, dem Wohl des Königs zu dienen. Alle familiären und freundschaftlichen Bindungen betrachte er als nachrangig. Cléante bemerkt, wie auffällig es sei, dass Tartuffe sich erst nach seinem Auffliegen auf seine staatsbürgerlichen Pflichten besinne, und wie widersprüchlich, sich von einem angeblichen Hochverräter beschenken zu lassen.

„Nicht, mein lieber Schwager, / Verlieren Sie jetzt nur nicht Ihre Würde; / Den Elenden ereilt schon sein Geschick, / Verschärfen Sie nicht seine Reuequalen.“ (Cléante, S. 72)

Nun schreitet der Polizist tatsächlich zur Verhaftung. Doch zur Überraschung aller verhaftet er Tartuffe und nicht Orgon. Am meisten überrascht ist Tartuffe. Der Polizist erklärt, dass der König den Hergang des Geschehens genau durchschaut habe und wisse, wie falsch Tartuffes Anschuldigungen seien. Tartuffe sei längst als Übeltäter aufgefallen und habe sich durch die Schurkerei gegenüber Orgon selbst eine Grube gegraben. Orgons Schenkungsvertrag wurde vom König für nichtig erklärt. Er wisse, dass Orgon unschuldig in die Verratsaffäre hineingezogen wurde.

Orgon macht noch eine wütende Bemerkung zu Tartuffe, doch Cléante mahnt ihn, nun Würde zu bewahren. Der Dank gelte dem König und seiner Güte. Um seine Schuld zu begleichen, willigt Orgon sofort in die Ehe zwischen Valère und Mariane ein.

Zum Text

Aufbau und Stil

Tartuffe ist eine Komödie in fünf Akten mit jeweils mehreren Szenen, verfasst im Versmaß des Alexandriners. Dieses Versmaß war im französischen Barock sehr verbreitet. Eine Verszeile besteht dabei aus zwölf Silben, wobei nach der sechsten Silbe eine Zäsur folgt. Die Verse reimen sich paarweise oder umarmend. Ins Deutsche ist diese Versform nur schwer übertragbar. Die rhythmischen Reimverse des Originals verleihen dem Text im Französischen eine unnachahmliche Leichtigkeit, eleganten Schwung und sprachliche Pointen, die den komödiantischen Gesamteindruck natürlich verstärken. Zur Zeit Molières verfügte das Theater noch nicht über dasselbe Maß an Requisiten wie etwa im 19. Jahrhundert, als man auf voll möblierten Bühnen spielte. Zuvor hatte man nur Vorhänge oder einfachste Bretterkulissen. Daher finden sich im Stück auch keine Angaben zur Raumausstattung. Die Szenen sind ganz unterschiedlich gestaltet. Manche wirken wie burleske Einlagen, andere haben den Charakter von Ansprachen und dazwischen gibt es die üblichen Theaterdialoge mit Rede und Gegenrede. Die Ansprachen dienen häufig als Rückblenden: Sie geben Aufschluss über frühere Vorfälle, die nicht gezeigt worden sind. Insbesondere aus Cléantes Mund kommen auch intellektuelle Ansprachen, in denen Molière seine eigene philosophische Position darlegt. Mithilfe derartig verschiedener Spielweisen und mithilfe von Figuren aus verschiedenen sozialen Schichten mit unterschiedlichem Sprachniveau wendete sich Molière auf mehreren Ebenen an sein Publikum. Auch das sicherte dem Stück seinen großen Erfolg.

Interpretationsansätze

  • Mit dem Tartuffe verfasste Molière eine Satire auf die heuchlerischen Frommen seiner Zeit. Der Tartuffe wurde zum Inbegriff des bigotten Charakters.
  • Tartuffes erster Auftritt ist erst im dritten Akt. Davor legt Molière den Fokus ganz darauf, wie die Scheinheiligkeit sich auf die anderen Figuren ausgewirkt hat. Bereits zu Beginn des Stücks hat Tartuffe seinen Gastgeber so manipuliert, dass Orgon jede vernünftige Handlung oder Aussage wie eine Verschwörung erscheint. Indem Orgon Tartuffe verteidigt, entsteht ein Familiendrama, das sehr viel mehr ist als eine possenhafte Sittenkomödie.
  • Wo Betrüger erfolgreich sind, muss es auch immer jemanden geben, der sich betrügen lässt. Orgon entspricht dem Typ des wohlhabenden, erfolgreichen Bürgers, der sich aber nach einer Art höheren Weihe, nach einer Sinngebung sehnt, die ihm Tartuffe erfolgreich suggeriert. Das erklärt, warum Orgon den Warnungen seiner Familie gegenüber so blind ist.
  • Die Figuren des Tartuffe sind an die Commedia dell’Arte angelehnt, eine damals gängige Theaterpraxis, die auf der italienischen Volkskomödie beruht. So entspricht Orgon etwa der Figur des wohlhabenden Pantalone, die Zofe Dorine der selbstsicheren Colombina.
  • Dorine verkörpert das volkstümliche Element des gesunden, unverbildeten Menschverstandes. Sie ist eine besonders wichtige Figur, da sie Tartuffe entlarven will und dadurch die Handlung stets vorantreibt.
  • Der Konflikt um Tartuffe, der Orgon beinahe die Existenz gekostet hätte, wird am Schluss durch das Eingreifen des Königs gelöst. Orgon ist so fest in Tartuffes Fängen, dass eine Deus-ex-Machina-Lösung die einzige Möglichkeit scheint, dem Stück eine positive Wendung zu geben.

Historischer Hintergrund

Die Compagnie du Saint-Sacrement

Unter der Herrschaft Ludwigs XIII., des Vaters des Sonnenkönigs, gründeten einige erzkatholische Adlige und Prälaten eine Geheimgesellschaft, die Compagnie du Saint-Sacrement. Nicht einmal allen Mitgliedern war deren ganzer Umfang bekannt. So ließ die Gesellschaft z. B. nie etwas drucken. Sie war Teil der innerkirchlichen Reformbewegung in Frankreich nach dem Konzil von Trient (abgeschlossen 1563), das die Grundsätze der Gegenreformation festgelegt hatte. Die Hauptziele der Compagnie waren die Beachtung der Kirchenzucht, also die kirchliche Ordnung, das Vorgehen gegen Amtsmissbrauch, Wohltätigkeit für die Armen, Kranken und Gefangenen und die Rückgewinnung von Protestanten zum katholischen Glauben.

Was die Wohltätigkeit anbelangt, verdankt Paris der Compagnie u. a. sein erstes allgemeines Krankenhaus, das der Kardinal Jules Mazarin auf Druck der Gesellschaft 1656 gründete, sowie ein enormes Lagerhaus für abgelegte Kleidung, die den Armen zur Verfügung gestellt wurde. Hinsichtlich der strengen Kirchenzucht wollte man auch Vorbild für Laien sein. Die Compagnie wandte sich gegen das Duellieren, den Bruch von Fastengeboten, allerlei Freizügigkeiten am Hof des lebenszugewandten Königs Ludwig XIV., das Tabakrauchen, das Singen von Spottliedern und zu freizügige Dekolletés der Damen.

Ludwig XIII., Königin Anna, eine spanische Habsburgerprinzessin, und Kardinal Richelieu duldeten und unterstützten die Compagnie inoffiziell, leugneten nach außen aber jede Verbindung. Einige Mitglieder der Compagnie übertrieben womöglich ihren heiligen Eifer einer spirituellen Reform des barocken Frankreich; sie wurden im Volk als „faux dévots“, als heuchlerische Fromme, verspottet. Unter Ludwig XIV. und Mazarin erschien die Compagnie auch der Krone zunehmend suspekt, man fürchtete das Entstehen eines Staats im Staat und eines undurchschaubaren Nests erzkatholischer Adliger, die womöglich mithilfe Spaniens einen Umsturz betrieben. Die Erinnerung an den Aufstand der katholischen Oppositionsbewegung Fronde, den Ludwig XIV. als Kind miterlebt hatte, verfolgte ihn sein Leben lang wie ein Albtraum. Der König, der von sich gesagt hatte: „Der Staat bin ich“, duldete keine andere Macht neben sich. Als Königinwitwe hatte Anna 1664 noch, ganz im Sinne der Compagnie, das erste Aufführungsverbot des Tartuffe durchsetzen können, doch nach ihrem Tod 1666 betrieb der junge Ludwig XIV. die Auflösung der Compagnie.

Entstehung

Das Thema des „hypocrite“, des oft religiösen Heuchlers, war während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bereits Gegenstand französischer Romane, Dramen und Novellen. Was genau Molière davon kannte und welche Stoffvorlage er nutzte, ist nicht bekannt. Zunächst schrieb er eine dreiaktige, nicht ganz vollendete Fassung seines Stücks. Sie wurde bei Privataufführungen in Versailles gezeigt; auch der König kannte sie. Zu der Zeit musste er sich noch dem Druck der streng religiösen Partei am Hof beugen, die sich vor allem hinter der Königinmutter Anna verschanzt hatte. Molière wurde stark angegriffen, man behauptete, er mache sich nicht nur über die Frömmler, sondern über die Religion an sich lustig. Molière richtete mehrere Bittschriften an Ludwig XIV., in denen er um die Aufhebung des Verbots nachsuchte. Eine Neufassung des Stücks kam unter einem anderen Titel 1667 in Paris zur Aufführung. Diese beiden ersten Texte sind verloren. Erhalten geblieben ist nur die letzte Fassung aus dem Jahr 1669, die nicht mehr zensiert wurde. Der König selbst, ein großer Förderer Molières, hatte dafür gesorgt.

Wirkungsgeschichte

Vom Publikum wurde das Stück von Anfang an begeistert aufgenommen. Die Pariser strömten in Scharen ins Theater. Tartuffe wurde für Molière zum größten finanziellen Erfolg und ist bis heute das meistgespielte seiner Stücke geblieben. Der Molière generell sehr schätzende Johann Wolfgang von Goethe bewunderte den Kniff, dass die Titelfigur von Anfang an präsent ist, obwohl sie erst im dritten Akt auftritt. Voltaire bezeichnete fast 100 Jahre nach der Uraufführung die Ansprachen Cléantes, in denen Molières eigene philosophische Anschauung zu Wort kommt, als Musterbeispiele überzeugender und gleichzeitig elegant geschriebener, toleranter Religionskritik. Aufgrund der Bedeutung des Stücks ist das Wort „tartuffe“ sprachübergreifend zu einem Synonym für einen scheinheiligen Heuchler geworden. Tartuffe wurde die Vorlage für zwei Opern und zahlreiche Verfilmungen, darunter ein UFA-Stummfilm (1926) von F. W. Murnau mit Emil Jannings als Tartuffe, Werner Krauss als Orgon und Lil Dagover als Elmire sowie ein französischer Film von 1984 mit Gérard Depardieu.

Über den Autor

Molière wird um den 15. Januar 1622 in Paris als Jean-Baptiste Poquelin geboren. Er ist der erste Sohn des königlichen Tapissiers und Dekorateurs Jean Poquelin. Seine Mutter verliert er mit zehn Jahren. Als er mit 20 den Handwerksbetrieb des Vaters übernehmen soll, lehnt er ab, lässt sich das mütterliche Erbe ausbezahlen und gründet 1642 mit der Schauspielerin Madeleine Béjart das Illustre Théâtre in Paris. Nach drei Jahren macht das Theater Bankrott, und Molière – wie er sich mittlerweile nennt – muss für ein paar Tage ins Gefängnis. Wieder auf freiem Fuß, schließt er sich mit Madeleine einer Wandertruppe von Schauspielern an. Mit ihr touren sie von 1645 bis 1658 quer durch Frankreich. Dank guter Kontakte zum jüngeren Bruder von König Ludwig XIV. darf Molière in Paris seine ersten Komödien spielen: Le Médecin amoureux (Der verliebte Arzt, 1658) und Les Précieuses ridicules (Die lächerlichen Preziösen, 1659). Beide werden große Erfolge, ebenso das Stück L’École des femmes (Die Schule der Frauen), das 1662 folgt. Im selben Jahr heiratet Molière Armande Béjart – Madeleines Schwester oder Tochter, das ist unbekannt –, mit der er etwa sieben Jahre zusammenbleibt. Was Molière schreibt, gefällt dem König so sehr, dass er den Dichter mit einer Pension von 1000 Livres jährlich belohnt, Taufpate von dessen erstem Kind wird und Molières Truppe am Hof und im Palais Royal spielen lässt. Im Mai 1664 darf Molière im Schlossgarten von Versailles ein mehrtägiges Fest organisieren, an dem er u. a. eigene Komödien wie Le Mariage forcé (Die erzwungene Heirat) präsentiert. In diesem Rahmen wird auch der Tartuffe uraufgeführt – eine offene Attacke gegen die Frömmlerei –, der für einen Skandal sorgt und mit einem fünfjährigen Aufführungsverbot belegt wird. Ab 1668 folgen Komödien im Jahresrhythmus, so 1668 L’Avare (Der Geizige), 1670 Le Bourgeois gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) oder 1672 Les Femmes savantes (Die gelehrten Frauen). In Le Malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) spielt Molière seine letzte Rolle: Am 17. Februar 1673 bricht er während der vierten Aufführung zusammen und stirbt wenig später.

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