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Über die Liebe

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Über die Liebe

Reclam,

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10 Take-aways
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Was ist drin?

Das berühmteste erotische Werk der Antike.


Literatur­klassiker

  • Erotik
  • Römische Antike

Worum es geht

Der antike Beziehungsratgeber

Als Kamasutra der römischen Antike gilt Ovids um das Jahr 2 n. Chr. erschienenes Lehrgedicht Ars amatoria. Doch das Werk, das schon zu Lebzeiten des Dichters äußerst populär war und heute zu den meistgelesenen Büchern aus jener Ära zählt, ist weit mehr als eine Sammlung von Beischlaftechniken. Es geht um die vielschichtige Kunst des Liebens, die nach Ovids Auffassung erlernbar ist wie jede andere Fertigkeit auch. Von den Gelegenheiten zum Kennenlernen über Körperpflege und die besten Stellungen beim Sex bis hin zur Eifersucht und zum Betrug spannt der Dichter einen weiten Bogen. Dabei geht es ihm um die leichte, spielerische Variante der Liebe – die Ehe schließt er ausdrücklich von seinen Betrachtungen aus. Mit Witz, Ironie und großer Menschenkenntnis gibt Ovid Ratschläge, wie sich die gegenseitige Anziehung der Partner über die Zeit der ersten Verliebtheit hinaus dauerhaft erhalten lässt. Dazu setzt er neben der Rhetorik auch auf die Kunst der Verstellung und die Fähigkeit, sich selbst ins rechte Licht zu setzen. Ein großes, psychologisch feinfühliges Werk zu einem zeitlosen Thema.

Take-aways

  • Ovids um die Zeitenwende erschienenes Lehrgedicht Ars amatoria ist das berühmteste erotische Werk der Antike.
  • Inhalt: Freie, sinnliche Liebe ist Naturmacht und Allheilmittel zugleich. Wer die Kunst der Liebe erlernen will, muss sich selbst kennen und seine Vorzüge ins rechte Licht rücken. Er muss seinen Körper und seinen Geist pflegen und sich, wenn nötig, auch glaubwürdig verstellen.
  • Die Ars amatoria steht in der Tradition des lateinischen Lehrgedichts, zugleich bricht sie aber mit den Gattungsregeln.
  • Das Werk behandelt die frivole Liebe in ironischer Weise als ernste Wissenschaft.
  • Ovid wertet die Ehe gegenüber der freien, spielerischen Liebe ab.
  • Er wendet sich gegen Kaiser Augustus’ strenge Ehegesetze, die eine moralische Erneuerung der römischen Gesellschaft verfolgten.
  • Die Sprache der Ars amatoria ist auf kunstvolle Art natürlich und alltäglich.
  • Acht Jahre nach Erscheinen der Ars amatoria wurde Ovid aus Rom verbannt. Er starb im Exil am Schwarzen Meer.
  • Das Werk übte großen Einfluss auf spätere Schriftsteller aus, darunter Shakespeare, Goethe und Puschkin.
  • Zitat: „Kunst steuert Schiffe, die mit Segel und Ruder angetrieben werden, Kunst lenkt leichte Wagen, Kunst muss auch Amor lenken.“

Zusammenfassung

Die Kunst der Eroberung

Solange ein Mann noch frei und ungebunden ist, sollte er nach der einzig wahren Liebe Ausschau halten. Doch er muss sich anstrengen, denn die passende Frau fällt nicht vom Himmel. So wie ein Jäger weiß, wo er seine Fallen aufzustellen hat, so wie ein Angler die Gewässer kennt, in denen sich viele Fische tummeln, so muss er zunächst einmal herausfinden, wo Mädchen sind. Dabei braucht er nicht in die Ferne zu schweifen: In Rom gibt es viele schöne Mädchen. Gute Gelegenheiten, ein Mädchen kennenzulernen, bieten sich im Theater und im Zirkus, wo sich im Gedränge körperliche Berührungen gar nicht vermeiden lassen. Man kann ein lockeres Gespräch mit der Sitznachbarin beginnen, ihr das Polster zurechtrücken, ihr Luft zufächeln oder dienstbeflissen das zu lange Kleid aus dem Staub heben – eine gute Gelegenheit, schon mal ihre Beine in Augenschein zu nehmen.

„Kennt einer in diesem Volk die Liebeskunst nicht, so lese er dieses Gedicht und sei danach ein Meister in der Liebe!“ (S. 195)

Auch Gastmähler bieten einem jungen Mann Anlass, Kontakt zu einem schönen Mädchen aufzunehmen. Dabei kommt der Wein ins Spiel, der alle Sorgen vertreibt, das Herz öffnet und für glühende Leidenschaft empfänglich macht. Allerdings beeinträchtigt der Wein wie auch das schummrige Licht bei Nacht das Urteilsvermögen, und die Frauen erscheinen uns schöner, als sie in Wirklichkeit sind. Ihre körperlichen Vorzüge kann man im nüchternen Zustand und bei Tageslicht besser einschätzen.

Selbstvertrauen und Aussehen

Um eine Frau zu erobern, braucht es vor allem Selbstvertrauen. Wer meint, sie alle kriegen zu können, bekommt sie auch. Die Frauen selbst verspüren ja ebenfalls Begierde, auch wenn sie es besser verstecken als die Männer. Weibliche Leidenschaft ist sogar heftiger als männliche und näher am Wahnsinn. Bevor ein Mann eine Frau erobern möchte, sollte er unbedingt das Vertrauen ihres Dienstmädchens gewinnen. Dieses kennt die Stimmungen seiner Herrin am besten und weiß, wann sie offen ist für Liebeswerbung. Allerdings sollte man vom Dienstmädchen selbst lieber die Finger lassen, denn sie könnte bei der Vermittlung Übereifer entwickeln oder im Gegenteil den Mann für sich haben wollen. Wenn überhaupt sollte man immer zunächst die Herrin erobern und dann das Dienstmädchen.

„Kunst steuert Schiffe, die mit Segel und Ruder angetrieben werden, Kunst lenkt leichte Wagen, Kunst muss auch Amor lenken.“ (S. 195)

Blässe und Magerkeit stehen einem Liebenden gut zu Gesicht. Jeder sieht ihm sofort an, dass er unglücklich verliebt ist. Mit der Körperpflege sollten Männer es indes nicht übertreiben – nachlässige Schönheit steht ihnen gut. Zwar sollten sie sauber, wohlriechend und gut gekleidet sein. Ihre Haare sollten geschnitten, ihre Zähne und Nägel gepflegt sein. Aber das reicht auch schon – übertriebene Schönheitspflege ist etwas für Schwule.

Schmeicheleien, Versprechungen und Betrug

Frauen sind meist habgierig. Deshalb ist es nützlich, ihnen Geschenke zu versprechen. Versprechungen kosten nichts, und in der Hoffnung auf Erfüllung bleibt die Geliebte erst einmal treu. Wenn man ihr dagegen sofort alles schenkt, wird sie einen bald sitzen lassen – sie hat ja bekommen, was sie wollte. Nicht nur für Geschenke, auch für Komplimente sind Frauen extrem empfänglich. Liebesbriefe kommen immer gut an, sofern sie in einer natürlichen, nicht überkandidelten Sprache verfasst sind.

„Zuerst durchdringe dich die Zuversicht, dass alle erobert werden können. Du wirst sie fangen, spanne nur die Netze aus!“ (S. 215)

Auch wenn man nicht in eine Frau verliebt ist, mag es dennoch sinnvoll sein, so zu tun, als wäre man es. Hauptsache, man wirkt glaubwürdig. Jede Frau fällt auf Komplimente herein, jede hält sich für gut aussehend, mag sie auch noch so hässlich sein. Häufig kommt es sogar vor, dass ein Mann, der den Verliebten spielt, sich am Ende wirklich verliebt. Betrug und Verstellung sind im Umgang mit den Mädchen nicht nur erlaubt, sondern sogar dringend geboten. Man braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, denn sie betrügen einen ja auch und haben es daher nicht anders verdient. Sehr hilfreich sind auch Tränen – dadurch lässt sich selbst ein Herz aus Stahl bewegen. Wenn sie im richtigen Moment nicht kommen wollen, kann man sich die Wangen mit Wasser befeuchten.

Gewalt und Rücksichtslosigkeit

Frauen tun nicht den ersten Schritt, sie sehen es gern, wenn der Mann den Anfang macht. Zuerst sollte man es mit Bitten und Schmeicheln versuchen. Wenn sich die Frau sträubt, darf man sie ruhig mit Gewalt nehmen. Viele Geschichten zeigen: Frauen wollen vergewaltigt werden. Andererseits ist es manchmal geraten, sich zurückzuziehen, wenn die Frau hochmütig und spröde ist. Wer zudringlich ist, wird verabscheut, wer sich dagegen rarmacht, wird begehrt. Frauen sind verschieden und jede will auf eigene Art und Weise erobert werden.

„Du musst den Verliebten spielen und seine Schmerzen mit Worten nachahmen; darin strebe mit aller Kunst nach Glaubwürdigkeit.“ (S. 239)

Man sollte sich davor hüten, Freunden, Verwandten oder auch Brüdern von der Geliebten vorzuschwärmen. Sie werden alles daran setzen, sie selbst zu bekommen. So sind die Menschen nun mal: Nur das Böse macht ihnen Spaß. Jeder sucht das eigene Vergnügen und nimmt dafür gern das Leid anderer in Kauf. Freundschaft ist nur ein leeres Wort.   

Die Liebe bewahren

Ein Mädchen zu erobern, ist eine Kunst, aber der Zufall spielt auch eine Rolle. Schwieriger ist es, die Geliebte festzuhalten. Magische Praktiken, Kräuter und Liebestränke sind dabei vollkommen nutzlos. Wer geliebt werden will, muss liebenswürdig sein. Gutes Aussehen und körperliche Vorzüge allein reichen nicht. Zur Schönheit, die ja ohnehin vergänglich ist, müssen geistige Gaben und Bildung – vor allem Beredsamkeit – hinzukommen.

„Kommt desto mehr, ihr Mädchen, denen entgegen, die Liebe erheucheln! Aus der Liebe, die eben noch unecht war, wird eine echte werden.“ (S. 239 f.)

Mit der Ehefrau mag man sich zanken, mit der Geliebten aber muss man nachgiebig und sanft sein. Man sollte ihr schmeicheln und ihre Launen mit Gleichmut ertragen. Wenn sie lacht, lacht man auch, wenn sie weint, weint man ebenfalls. Ganz gleich was sie behauptet, man sollte ihr immer zustimmen. Beim Spiel lässt man sie gewinnen. Man trägt ihr den Schirm, hält ihr den Spiegel und wärmt ihre Hände, wenn sie friert. Will die Geliebte einen sehen, muss man alles stehen und liegen lassen und zu ihr eilen. Wie ein Sklave sollte man keine Mühe und Gefahr scheuen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Liebe ist eine Art Kriegsdienst – nichts für Faule oder Ängstliche.

„Um geliebt zu werden, musst du liebenswürdig sein; das werden dir Gesicht und Schönheit allein nicht geben.“ (S. 261)

Es ist unbedingt ratsam, sich auch mit dem Personal der Geliebten gut zu stellen. Außerdem muss man ihr beistehen, wenn sie krank ist – die bittere Arznei sollte ihr aber lieber ein Rivale reichen. Auch Geschenke verfehlen nicht ihre Wirkung. Es muss nicht immer etwas Teures sein. Hauptsache, es ist klug ausgesucht und passend, wie etwa ein Korb mit frisch geernteten Lebensmitteln (man kann sie günstig kaufen und behaupten, sie seien vom eigenen Landgut). Mit Gedichten kann man dagegen nur wenige Mädchen beeindrucken. In diesen Zeiten sind es leider materielle Dinge, die zählen.

Die Kunst der Verstellung

Die Geliebte muss das Gefühl haben, sie sei mächtig. Bittet sie etwa um die Entlassung eines Sklaven, den man ohnehin entlassen wollte, tut man am besten so, als entlasse man ihn auf ihre Entscheidung hin. Man sollte zudem ihre Frisur, ihre Kleidung, ihren Tanz, ihren Gesang und auch die Freuden, die sie im Bett bereitet, loben – selbst wenn es nicht stimmt. Dabei gilt es, glaubwürdig zu wirken und das eigene Mienenspiel gut unter Kontrolle zu haben, damit sie nicht merkt, dass man lügt. Wenn die erste Verliebtheit abgeklungen ist, tut auch ein wenig Abstand gut. Allerdings darf die Trennung nicht zu lange währen, sonst tröstet sich die einsame Geliebte mit einem anderen.  

„Setze darum schon jetzt deinen Geist in Bewegung, damit er von Dauer sei, und füge ihn zu deiner Schönheit hinzu. Er allein bleibt bis zur Bestattung bestehen.“ (S. 263)

Auf Dauer ist Monogamie nicht durchzuhalten. Wenn man aber die Geliebte betrügt, muss man sehr vorsichtig sein und sich durch nichts verraten. Frauen werden fuchsteufelswild, wenn sie von einem Seitensprung ihres Mannes erfahren, und oft fangen sie dann selbst an, ihn zu betrügen. Wenn es doch einmal herauskommt, sollte man alles rundheraus leugnen und sich auf keinen Fall unterwürfiger oder schmeichlerischer als sonst benehmen – das zeugt nämlich von Schuldbewusstsein. Sex ist ein gutes Mittel, den Frieden wiederherzustellen. Schläft man mit seiner Frau, entkräftet man ihren Vorwurf, man sei vorher bei einer anderen gewesen.

„Liebe ist eine Art Kriegsdienst: Hinweg mit euch, ihr Faulen; ängstliche Leute dürfen nicht unter dieser Standarte kämpfen.“ (S. 271)

Allerdings schadet es nicht, die Geliebte hin und wieder eifersüchtig zu machen, damit sie sich der Liebe nicht allzu sicher wird und abstumpft. Eifersucht regt die Liebe mehr an als jeder Liebestrank. Was für eine Freude ist es für den Mann, zu sehen, wie sie leidet, wenn sie von seinen Verfehlungen erfährt! Was für ein Glück, wenn sie tobt und einem vor Eifersucht die Haare zerrauft und mit den Nägeln das Gesicht zerkratzt! Nach einem solchen Wutanfall nimmt man sie in die Arme, küsst und liebt sie – und sie wird besänftigt sein.    

Ein echter Kavalier

Die Liebe ist eine Naturmacht, der sich Menschen ebenso wie Tiere freudig hingeben. Sie ist ein Allheilmittel, schenkt Frieden und lindert Schmerz. Ein Liebender muss allerdings auch viel Schmerz ertragen – Amors Pfeile sind mit Galle getränkt. Wird man abgewiesen, sollte man zwar beharrlich sein, aber der Geliebten auf keinen Fall lästig werden. Betrügt einen die Geliebte mit einem anderen Mann, darf man sich nicht vom Zorn hinreißen lassen oder ihr hinterherspionieren. So etwas mögen Ehemänner mit ihren Gattinnen machen – in der spielerischen, leichten Liebe ist dafür kein Platz.

„Wir haben jetzt wahrhaft goldene Zeiten; für Gold werden die höchsten Ehrenstellen verkauft, mit Gold gewinnt man Liebe.“ (S. 273)

Man sollte sich selbst kennen und seine eigenen Vorzüge zur Geltung bringen, ohne es dabei zu übertreiben. Völlig unangebracht dagegen ist es, mit seinen Liebschaften öffentlich zu prahlen. Manche Männer schlafen mit allen Mädchen, die sie kriegen können, nur um hinterher sagen zu können: „Die hat mir auch gehört.“ Noch schlimmer aber ist, sich Affären mit Mädchen, die man nicht kriegen konnte, auszudenken und damit aufzuschneiden. Man hat sie nicht einmal berührt, und doch ist ihr guter Ruf dahin. Der Kavalier genießt und schweigt.

„Kunst ist nützlich, wenn sie verborgen bleibt; wird sie entdeckt, bringt sie Schande und nimmt dir verdientermaßen für alle Zeiten die Glaubwürdigkeit.“ (S. 277)

Man sollte der Geliebten nicht Fehler oder körperliche Mängel vorhalten. Ob sie nun von dunkler Hautfarbe ist oder schielt – mit der Zeit gewöhnt man sich daran und nimmt es nicht einmal mehr wahr. Wenn sie mager ist, sollte man sie „schlank“ nennen, wenn sie klein ist, „handlich“, und wenn sie dick ist „vollschlank“. Nach ihrem Geburtsdatum zu fragen, gehört sich nicht, zumal wenn sie ihre beste Zeit bereits hinter sich hat.

Das reife Liebespiel

Reifere Frauen verstehen sich besser auf die Liebe und gehen mit mehr Verstand an die Sache heran als junge. Im Liebesspiel beherrschen sie mehr Stellungen und Spielarten, und sie empfinden Lust, ohne dass man sie eigens reizen muss. Dabei ist es überaus wichtig, dass beide Partner den Sex gleichermaßen genießen. Frauen, die sich nur aus Pflicht und ohne Lust hingeben, sind ein Graus. Sie sollen schmachten und stöhnen und vor Lust dahinschmelzen – eine Fähigkeit, die sie erst ab einem Alter von 35 Jahren erlangen. Die weibliche Lust darf übrigens nicht zu schnell, sondern muss mit Verzögerung langsam hervorgelockt werden. Hat man die empfindlichen Stellen der Frau gefunden, soll man sich nicht scheuen, sie dort zu berühren. Beim Liebesakt sollte man darauf achten, dass keiner dem anderen vorauseilt. Wenn beide Partner den Höhepunkt gleichzeitig genießen, ist die Lust vollkommen.

Die perfekte Geliebte

Ein Rat an die Mädchen: Genießt die Liebe und weist keinen Verehrer zurück, solange ihr noch jung seid. Grau und faltig werdet ihr schnell genug. Nur wenige sind von sich aus wirklich schön, aber um eine gepflegte Erscheinung kann sich jede Frau bemühen. Auf Schmuck und prunkvolle Kleidung solltet ihr verzichten. Sauberkeit und schöne Haare sind das, was Männer anzieht. Ihr dürft der natürlichen Schönheit mit Schminke nachhelfen, aber versteckt eure Schminktöpfe vor eurem Liebhaber, damit er eure Kunst nicht durchschaut. Verbergt eure körperlichen Mängel, lernt, euch anmutig zu bewegen, zu singen und zu tanzen. Bemüht euch um einen freundlichen Gesichtsausdruck und lächelt.

„Die Lust, die aus Pflicht abgeleitet wird, ist mir nicht willkommen, von keinem Mädchen verlange ich eine Pflichtübung.“ (S. 305)

Meidet Schönlinge und Schwindler, die bloß viel versprechen. Nutzt die speziellen Vorzüge der Männer – sei es nun Reichtum oder Wissen – gezielt für eure Zwecke. Weist einen Liebhaber auch dann und wann einmal ab – wer zu leicht zu bekommen ist, wird nicht geliebt. Lasst ihn spüren, dass er Rivalen hat, und spielt die eifersüchtige Verliebte, wenn er eine andere hat. Achtet auf Tischmanieren und lernt verschiedene Liebesstellungen, die eure körperlichen Vorzüge ins rechte Licht setzen. Stöhnt und täuscht Lust vor, auch wenn ihr keine empfindet. Seid nur vorsichtig, dass eure Blicke und Bewegungen euch nicht verraten. Vor allem aber meidet das helle Licht, damit eure körperlichen Mängel verborgen bleiben.

„Eilt gemeinsam zum Höhepunkt; dann ist die Lust vollkommen, wenn Mann und Frau gleichzeitig überwältigt daliegen.“ (S. 307)

 

Zum Text

Aufbau und Stil

Ovids im Versmaß elegischer Distichen – Zweizeiler aus je einem Hexameter und einem Pentameter – verfasstes Lehrwerk Ars amatoria ist in drei Bücher aufgeteilt. Buch eins und Buch zwei enthalten Anweisungen und Ratschläge für Männer, das deutlich knapper geratene dritte Buch richtet sich an die Frauen. Der Tradition des lateinischen Lehrgedichts folgend tritt Ovid in seinem Werk selbst als Lehrmeister auf, der sich an die römische Jugend wendet. Der Text ist daher vom imperativen Modus beherrscht. Die Ars amatoria ist reich an bildhaften Vergleichen und Metaphern, vor allem aus dem Bereich der Jagd, der Fischerei und des Ackerbaus, der Seefahrt und des Wagenrennens. Oft zieht Ovid Beispiele aus Mythologie und Geschichte heran, um seine Thesen zu untermauern und zu veranschaulichen. Seine Sprache ist bewusst alltäglich und natürlich. Erst bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass das ungezwungene Geplauder über die Liebe höchst kunstvoll gestaltet ist. Ovid spricht auch Fragen der Sexualität unverblümt an, ohne dabei je derb oder gar obszön zu klingen. 

Interpretationsansätze

  • Ovids Ars amatoria steht zwar in der Tradition des römischen Lehrgedichts, doch spielt es ironisch mit den Regeln der Gattung. Der humorvolle Charakter des Werks entsteht dadurch, dass es das eigentlich frivole Thema der sinnlichen Liebe wie eine Wissenschaft mit gelehrtem Ernst behandelt.
  • Trotz vieler parodistischer und scherzhafter Elemente ist die Ars amatoria nicht – wie die ältere Forschung vermutete – als Parodie zu verstehen. Unter der spielerischen Oberfläche setzt sich Ovid durchaus ernsthaft mit Konventionen in Liebesdingen auseinander und vermittelt eine neue, beide Partner erfüllende Form der Erotik.
  • In der Einleitung, dem Proömium, betont Ovid mit gespielter Bescheidenheit, er vertraue nicht auf Apoll, den griechischen Gott der Dichtkunst, und auch nicht auf Inspiration durch die Musen, sondern nur auf die eigene schmerzhafte Erfahrung. Im Lauf des Werks beruft er sich jedoch immer wieder auf göttliche Autoritäten.
  • Ovid behandelt das Thema der Liebe frei von Sentimentalität und Moralismus. Bei allem Realismus, mit dem er Habgier und Selbstsucht konstatiert, zeichnet er doch ein positives Menschenbild: Im Unterschied zum Tier folgt der Mensch, als zivilisiertes Wesen, nicht bloß seinen natürlichen Trieben. Neben der Fähigkeit zur Selbsterkenntnis besitzt er diejenige zur Selbstgestaltung: Er kann etwas für seine Attraktivität tun, sich bilden, die Kunst der Rhetorik und der Verstellung erlernen.
  • Die eheliche Liebe und die Knabenliebe, mit der er nach eigener Aussage nichts anfangen kann, schließt Ovid aus seinem Werk aus. Er betont, er richte sich nicht an römische Matronen und Bürgerstöchter, sondern vor allem an freigelassene Sklavinnen, die gesellschaftlich unter den Bürgersfrauen jedoch über den einfachen Prostituierten standen und oft über einige Bildung verfügten.
  • Auffällig ist Ovids wiederholte Abwertung der Ehe gegenüber der freien und dennoch dauerhaften Liebe: Ehefrauen seien beim Sex in Gedanken ohnehin immer nur bei der Hausarbeit; da sie immer zur Verfügung stünden, könne man sie nicht wirklich lieben, zumal die Ehe ohnehin nur aus Zankereien bestehe. Auch Prostitution lehnt er ab, weil sie die Liebe, die für ihn von Freiwilligkeit, gegenseitiger Achtung und beiderseitigem sexuellem Genuss lebt, zu einer käuflichen Ware macht. 

Historischer Hintergrund

Männer und Frauen im antiken Rom

Die römische Gesellschaft zur Zeit Ovids beruhte auf einer strikten Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen: Die öffentliche, politische Sphäre sowie Tätigkeiten im Freien waren den Männern vorbehalten, während die Frauen auf den häuslichen Bereich, Kindererziehung und Beaufsichtigung der Sklaven, auf Weben und Nähen beschränkt waren. Im Vergleich zur griechischen Frau durfte sich die römische Frau jedoch  – vor allem die römische Aristokratin – in der Gesellschaft freier bewegen und an Gastmählern, Theater- oder Zirkusaufführungen teilnehmen.

Ehe und Familie waren die Grundpfeiler des römischen Staates. Römische Mädchen heirateten schon in sehr jungem Alter, oftmals vor ihrer ersten Menstruation. Als „matrona“, also Gattin eines römischen Bürgers und Mutter seiner legitimen Kinder, genossen Frauen ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Ihre wichtigste Aufgabe bestand darin, für Nachwuchs, insbesondere männlichen, zu sorgen und somit den Fortbestand des Staates zu sichern. Die Verbindung zwischen Ehe und Sexualität war nicht zwingend. Männer, zumal Angehörige der Oberschicht, durften außereheliche Verhältnisse mit anderen Frauen, vor allem Sklavinnen und Prostituierten, eingehen. Für Frauen dagegen, die ein Vorbild der Tugendhaftigkeit zu sein hatten, galten Seitensprünge als unschicklich.

Nach den Bürgerkriegen, die 30 v. Chr. endeten, erlebte Rom eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Zugleich klagten viele Bürger über den Verfall der Sitten und sehnten sich nach der guten alten Zeit des tugendhaften Patriotismus ohne ausschweifenden Sex und Luxus zurück. Mit den julischen Gesetzen über die Eheordnung, die Kaiser Augustus dem Senat 18 v. Chr. vorlegte, wollte er die moralische Neuordnung der Gesellschaft in Angriff nehmen und Rom zu seiner alte Größe und zu traditionellen Werten zurückführen. Zugleich diente das Gesetz der Steigerung der Geburtenrate vor allem in der Oberschicht, deren Zahl durch den Bürgerkrieg deutlich dezimiert worden war. Angehörige der beiden höchsten Gesellschaftsschichten – also Senatoren und Ritter – im heiratsfähigen Alter wurden gesetzlich zur Ehe verpflichtet. Aus jeder Ehe sollten mindestens drei Kinder hervorgehen, bei Kinderlosigkeit sollten die Ehepartner sich scheiden lassen. Ehebruch mit unverheirateten frei geborenen Frauen wurde gesetzlich verboten und unter Strafe gestellt. Das Sexualleben der Römer, das bis dahin weitgehend Privatsache gewesen war, wurde durch die julischen Gesetze Gegenstand staatlicher Kontrolle.

Entstehung

Die heute verfügbare Ausgabe der Ars amatoria, die aus drei Büchern besteht, wurde um das Jahr 2 n. Chr. fertiggestellt. Viele Details – unter anderem spöttische Bemerkungen über die augusteischen Ehegesetze – deuten darauf hin, dass Ovid nach seinem Erstlingswerk, den Amores, eine erste Fassung der Ars amatoria bereits in jungen Jahren verfasste. Während man lange vermutete, das dritte Buch mit den Ratschlägen für Frauen sei erst später hinzugefügt worden, gehen neuere Untersuchungen von einer einheitlichen Konzeption des Werks, eventuell sogar zusammen mit den Remedia amoris aus, in denen Ovid davor warnte, der Liebe vollkommen zu verfallen.

Wirkungsgeschichte

Ovids Lehrgedicht Ars amatoria ist das berühmteste erotische Werk der Antike. Schon zu Lebzeiten des Autors war es in Rom ein großer Erfolg. Im Jahr 8 n. Chr., also wenige Jahre nach dem ersten Erscheinen, wurde sein Verfasser – angeblich wegen des sittlichkeitsgefährdenden Buches, wahrscheinlich aber aus politischen Gründen – mit lebenslanger Verbannung nach Tomi am Schwarzen Meer bestraft. Das Buch wurde aus allen öffentlichen Bibliotheken entfernt. Der anhaltenden literarischen Wirkung der Ars amatoria tat das indes keinen Abbruch: Von Dante, Boccaccio und Petrarca über Montaigne, Shakespeare und Diderot bis zu Stendhal, Goethe und Puschkin schätzten Schriftsteller und Dichter aller Epochen Ovids Werk und ließen sich von ihm inspirieren. Auch in der bildenden Kunst hinterließ es seine Spuren: Die Maler Aristide Maillol und Pablo Picasso schufen berühmte Illustrationen zu dem Werk.

Von Anfang an gab es aber auch Kritik an der Ars amatoria, vor allem in der christlichen Rezeption. Neben ethisch-moralischen wurden auch ästhetische Einwände immer wieder laut. Schon antike Autoren wie Seneca und Quintilian bezichtigten Ovid der Selbstverliebtheit. Später, im 18. Jahrhundert, waren es deutsche Literaten wie Johann Gottlieb Herder und August Wilhelm Schlegel, die der Ars amatoria oberflächliche Glätte, Künstlichkeit und Mangel an echtem Gefühl vorwarfen. In neuerer Zeit kritisierten Feministinnen Ovids Frauenbild und seine Aufforderung zur Gewaltanwendung gegen Frauen.

 

Über den Autor

Ovid – sein richtiger Name lautet Publius Ovidius Naso – wird 43 v. Chr. in Sulmo in den Abruzzen geboren, ein Jahr nach der Ermordung Julius Cäsars. Sein Vater ist ein wohlhabender römischer Adliger, der für ihn eine hohe Stellung als Anwalt oder Beamter vorsieht. Daraus wird jedoch nichts: Zwar studiert Ovid Rhetorik, auf einer Bildungsreise nach Athen entdeckt er aber seine dichterischen Fähigkeiten. Nach dem Tod des Vaters kann er sich mit dem großzügigen Erbe einen luxuriösen, mitunter ausschweifenden Lebensstil leisten. Er verfasst die Amores betitelten Liebeselegien (16 v. Chr.) und die Heroides (10 v. Chr.), fiktive Liebesbriefe berühmter mythologischer Liebespaare (etwa von Penelope an Odysseus oder von Dido an Aeneas). Das Gedicht über die Kunst der Liebe und der sinnlichen Verführung, die Ars amatoria (ca. 2 n. Chr.), wird dem Dichter dann jedoch zum Verhängnis, zumindest der Überlieferung nach. Angeblich stößt sich Kaiser Augustus an den freizügigen Schilderungen des Dichters und verbannt seinen einstigen Schützling 8 n. Chr. an die nordöstliche Grenze des Imperiums: nach Tomi am Schwarzen Meer. Der 50-jährige Ovid hat zu diesem Zeitpunkt seine Metamorphosen (Metamorphoseon libri, um 8 n. Chr.) und die Fasti, einen römischen Festkalender, noch nicht vollendet. Ob die Ars amatoria der wirkliche Grund für die Verbannung ist, bleibt fraglich: Von Zeitgenossen erwähnte freche Spitzen gegen den Kaiser oder gar eine Affäre mit Augustus’ Tochter bzw. Enkelin ergeben triftigere Gründe für das harte Urteil. Trotz der Bitte Ovids holt ihn Augustus nicht zurück nach Rom, und auch dessen Nachfolger Tiberius bleibt hart. In der Verbannung verfasst der Dichter nur noch melancholische Schriften. Er stirbt 17 n. Chr. in Tomi.

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