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Väter und Söhne

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Väter und Söhne

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
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Was ist drin?

Die berühmtesten Nihilisten der Weltliteratur legen sich mit ihren Vätern an: russischer Realismus der ersten Stunde.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Realismus

Worum es geht

Nihilismus und Liebe

„Sehen Sie nur, was Ihre Nihilisten anrichten! Sie brennen St. Petersburg nieder!“ – Als Turgenjew 1862 nach der Veröffentlichung seines Romans erstmals in die von Unruhen geplagte Stadt zurückkehrte, musste er sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Den Begriff „Nihilist“ hatte der Autor selbst geprägt. In Väter und Söhne wird die Figur des Jewgenij Basarow damit bezeichnet. Basarow, ein junger Mediziner, wird von seinem Freund Arkadij zu einer Reise in die Provinz eingeladen und gerät dort mit der Vätergeneration aneinander. Kein Prinzip ist ihm heilig, alle Werte und Normen will er aufgeben, um Platz für Neues zu schaffen. Er duelliert sich mit Arkadijs adligem Onkel Pawel, entbrennt trotz seines nüchternen Gemüts in heftiger Liebe zur schönen Anna Odinzowa und lernt eine Instanz kennen, die selbst ein Revolutionär nicht verneinen kann: den Tod. Turgenjew handelte sich mit dem Roman den Ärger vieler Landsleute ein und verbrachte große Teile seines Lebens unversöhnt im Ausland. Dennoch wurde Väter und Söhne zu einem Klassiker des russischen Realismus. Der Begriff des Nihilismus ging nicht nur in die Literaturgeschichte, sondern auch in das philosophische Vokabular und in den täglichen Sprachgebrauch ein.

Take-aways

  • Väter und Söhne machte Turgenjew zu einem der wichtigsten Vertreter des russischen Realismus neben Dostojewski und Tolstoi.
  • Der Begriff „Nihilismus“ wurde durch den Roman international bekannt.
  • Hauptfigur ist der junge Arkadij, der nach dem Studium in Begleitung seines Freundes Basarow auf das Landgut seines Vaters Kirsanow zurückkehrt.
  • Basarow ist Nihilist: Er lehnt Autoritäten und gesellschaftliche Normen ab, wie überhaupt alles, was er nicht selbst für gut befunden hat.
  • Mit Arkadijs Onkel Pawel, einem alten Aristokraten, gerät Basarow so sehr in Streit, dass es zum Duell kommt.
  • Obwohl Basarow die Liebe als überflüssige Sentimentalität abtut, verfällt er der schönen Anna Odinzowa.
  • Er macht ihr einen Antrag, aber sie gibt ihm einen Korb.
  • Basarow mäkelt ununterbrochen an Arkadij und dessen Familie herum; die Freunde entzweien sich.
  • Arkadij heiratet Anna Odinzowas Schwester, bleibt auf dem Landgut und schlägt sich damit wieder auf die Seite seines Vaters.
  • Basarow infiziert sich wegen eines dummen Zufalls mit Typhus und stirbt jung.
  • Bei seinem Erscheinen 1862 wurde der Roman sowohl von radikalen „Westlern“ als auch von konservativen Slawophilen heftig kritisiert.
  • Beide Seiten warfen Turgenjew vor, von ihm verunglimpft zu werden. Er wanderte nach Mitteleuropa aus.

Zusammenfassung

Zurück im Haus des Vaters

Nikolai Petrowitsch Kirsanow wuchs als Sohn eines Generals in der russischen Provinz auf und studierte in St. Petersburg. Er führte eine harmonische Ehe mit seiner Frau Mascha, die jedoch früh verstarb. Kirsanow kümmerte sich um den geliebten Sohn Arkadij, schickte ihn zum Studium ebenfalls nach St. Petersburg und lebte dort sogar vorübergehend mit ihm zusammen. Dann musste er aufs Land zurück, um sich um sein Gut zu kümmern. Nun, im Mai 1859, hat Arkadij sein Studium beendet, und Kirsanow sitzt aufgeregt vor einem Gasthof: Er erwartet die Ankunft seines Sohnes.

„(...) ein Nihilist ist ein Mensch, der sich vor keiner Autorität beugt, der ohne vorgängige Prüfung kein Prinzip annimmt, und wenn es auch noch so sehr im Ansehen steht.“ (Arkadij, S. 36)

Arkadij kommt in Begleitung seines Studienfreundes Jewgenij Wassiljew Basarow, eines Mediziners, der sich zunächst ziemlich schroff gibt. Die drei Männer fahren weiter zum Landsitz Kirsanows. Der Vater erzählt Arkadij von den jüngsten Veränderungen auf dem Gut. Er hat Probleme mit den Bauern: Nachdem er sie aus der Leibeigenschaft befreit hat, wollen sie nun ihre Abgaben nicht zahlen. Arkadij ist auf dem Gut geboren, verkündet zur Überraschung seines Vaters aber, dass ihm seine Herkunft egal sei und er sich dem Ort nicht weiter verbunden fühle. Auch ein anderes Thema kommentiert der Sohn unerwartet gleichgültig: Der Vater gesteht verschämt, die junge Magd Fenitschka zu sich ins Haus genommen zu haben, aber Arkadij scheint deswegen keinerlei moralische Bedenken zu haben. Beim gemeinsamen Essen auf dem Gut ist auch Kirsanows Bruder Pawel Petrowitsch anwesend. Der ehemalige Offizier ist vom ersten Augenblick an wenig angetan von Arkadijs Freund Basarow, der seinerseits den eleganten und am englischen Adel orientierten Pawel für ein Relikt der Vergangenheit hält.

Kunst vs. Wissenschaft

Am nächsten Morgen ist Basarow vor allen anderen wach. Er wandert zu einem Teich und fängt einige Frösche, die er zu Forschungszwecken sezieren will. Arkadij frühstückt mit seinem Vater. Obwohl Fenitschka aus der Arbeiterschicht stammt, begegnet Arkadij ihr betont freundlich und ergötzt sich am kleinen Mitja, dem Sohn, den sein Vater mit der Magd hat. Pawel Petrowitsch gesellt sich zu ihnen und erkundigt sich nach Basarow. Arkadij erklärt, sein Freund sei ein Nihilist, der ohne vorherige Prüfung kein Prinzip auf der Welt akzeptieren könne. Dem traditionsverbundenen Pawel ist das sofort suspekt.

„Ein guter Chemiker ist zwanzigmal nützlicher als der beste Poet.“ (Basarow, S. 42)

Von seinem Spaziergang zurück, setzt sich Basarow zu den anderen und bedient sich großzügig am Samowar. Es dauert nicht lange, und Pawel fühlt sich von der respektlosen Art und den Thesen Basarows provoziert. Während er selbst große Stücke auf Schiller und Goethe hält, verachtet Basarow alle Kunst und interessiert sich ausschließlich für die Wissenschaft. Nachdem Pawel und Kirsanow den Frühstückstisch verlassen haben, erzählt Arkadij die Geschichte seines Onkels, der sehr unglücklich sei, da er sein Leben lang seiner unerfüllten Liebe zur Fürstin R. nachgetrauert habe. Man dürfe deshalb, so Arkadij, nicht allzu streng mit ihm umgehen. Basarow findet das romantische Liebesverständnis des Onkels lächerlich und altbacken.

Schlagabtausch

Zwei Wochen später haben sich die meisten Hausbewohner an den eigenwilligen Gast gewöhnt. Als Arkadij allerdings auf Basarows Anweisung den romantischen Puschkin-Roman seines Vaters mit einem modernen Buch von Büchner vertauscht, ist der Vater verunsichert. Er hat sich eigentlich für fortschrittlich gehalten und viel gelesen, um am Puls der Zeit zu bleiben. Trotz der Ernüchterung überwirft sich Kirsanow aber nicht mit seinem Sohn, sondern vermutet hinter den unterschiedlichen Ansichten lediglich den üblichen Generationskonflikt.

„‚Dein Vater ist ein guter Kerl’, antwortete Basarow, ,allein er ist reif für die Rumpelkammer, er hat abgedankt, sein Lied ist zu Ende.‘“ (S. 68)

Pawel ist Basarow unverändert ein Dorn im Auge. Eines Abends beim Tee kommt es zum offenen Schlagabtausch: Pawel lobt aristokratische Prinzipien wie Pflichtgefühl und Geschichtsbewusstsein. Basarow, der sich selbst als Nihilist bezeichnet, sieht darin nur hohle Begriffe. Er verneint alles Vorhandene – um, wie er sagt, Platz für Neues zu schaffen. Arkadij mischt sich aufgeregt in das Gespräch ein und formuliert die moralische Grundlage des Nihilismus: Allein weil die Jugend die Kraft dazu habe, sei sie auch dazu berechtigt, die alte Welt einzureißen. Pawel wirft Basarow vor, dass er lediglich zerstöre, aber nichts Neues schaffe. Dem hält Basarow entgegen, dass auch Aristokraten wie Pawel vollkommen nutzlos für die Gesellschaft seien. Pawel bezeichnet Basarow als einen gefährlichen Schwätzer. Da der Nihilist alle Werte und alle Bildung verneine, schlössen sich ihm junge Menschen wie Arkadij an, um sich unter dem Deckmantel der neuen Geisteshaltung vor der Arbeit zu drücken. Basarow wiederum glaubt, das Pawel nur aus Nostalgie an den alten Werten festhalte.

Die schöne Frau Odinzowa

Arkadij und Basarow reisen in die Stadt X und besuchen dort Kirsanows Vetter Matwej Iljitsch Kojasin, der sie zum Ball des Gouverneurs einlädt. Dort fordert Arkadij die schöne Anna Odinzowa zum Tanz auf. Die unterkühlte Frau macht ihn nervös, er verhält sich wie ein kleiner Schuljunge, schwärmt ihr aufgeregt von seinem Freund Basarow vor – und weckt damit ihr Interesse. Sie lädt die beiden in ihr Hotelzimmer ein.

„‚Unser Handeln bestimmt nur die Rücksicht auf das Nützliche, das heißt auf das, was wir für nützlich erkennen‘, fügte Basarow hinzu; ,heutzutage scheint es uns nützlich, zu verneinen, und wir verneinen.‘“ (S. 74)

Anna Odinzowa stammt aus einer ehemals wohlhabenden Petersburger Familie, ist nach dem Bankrott ihres Vaters jedoch in einfachen Verhältnissen in der Provinz aufgewachsen. Durch ihre Heirat mit einem reichen Mann und dessen frühen Tod zu einem kleinen Vermögen gekommen, kann sie nun ein unabhängiges Leben führen. Sie ist selbstbewusst und freiheitsliebend; das Gerücht, sie sei mit unlauteren Mitteln an ihr Geld gekommen, stört sie nicht weiter. Bei dem Treffen in ihrem Hotelzimmer ist Basarow sofort von ihr angetan und zur Überraschung Arkadijs wesentlich redseliger als gewöhnlich. Anna Odinzowa zeigt auch ein gewisses Interesse an Basarow, bleibt aber souverän und zurückhaltend. Am Ende des Treffens lädt sie die beiden Freunde auf ihren Landsitz nach Nikolskoje ein.

„(...) der schlechteste Schmierer von einem Schildermaler, un barbouilleur, der elendeste Fiedler, der um fünf Kopeken den ganzen Abend Polkas und Walzer spielt, sind nützlicher als ihr (...).“ (Pawel, S. 78)

Der Nihilist verliebt sich In Nikolskoje sind Arkadij und Basarow beeindruckt von Anna Odinzowas feudalem Anwesen. Basarow hält sich mit den für ihn sonst typischen nihilistischen Provokationen zurück und spricht mit der Gastgeberin brav über Botanik. Erst als die neugierige Frau ihn ausdrücklich zu einem Streitgespräch auffordert, erklärt er sein Menschenbild, dem zufolge sich gute und böse, dumme und kluge Menschen nicht weiter voneinander unterscheiden als die Bäume im Wald. Basarow und Anna ziehen sich zurück, und der eifersüchtige Arkadij muss mit ihrer erst 18-jährigen Schwester Katja vorliebnehmen. Als diese ihm aber auf dem Klavier ein Stück von Mozart vorspielt, ist sein Interesse geweckt.

„Dahin also ist es mit unserer Jugend gekommen! Das sind unsere Nachfolger!“ (Pawel, S. 81)

Die beiden Freunde bleiben für zwei Wochen in Nikolskoje. Basarow muss sich schließlich eingestehen, dass ausgerechnet er, der jede Romantik als alberne Gefühlsduselei verachtet, sich Hals über Kopf verliebt hat. Anna Odinzowa legt Wert auf Ordnung und Ruhe in ihrem Leben. Sie erklärt, dass sie sich nur der vorübergehenden Abwechslung wegen auf einen anderen Menschen einlassen könnte. Trotzdem hält es Basarow nicht mehr länger aus: Er gesteht ihr seine Gefühle – und wird prompt abgewiesen. Schlecht gelaunt zieht er sich auf sein Zimmer zurück und reagiert wenig freundschaftlich auf Arkadijs Nachfragen. Missmutig brechen die beiden auf, um Basarows Eltern zu besuchen.

Kurzbesuch bei den Eltern

Basarows Mutter empfängt ihren Sohn mit Freudentränen und unzähligen Umarmungen. Der Vater entschuldigt sich für die ärmliche Einrichtung des Hauses und verweist nervös auf seine Fortschrittlichkeit: Wie Arkadijs Vater hat er seine Bauern aus der Leibeigenschaft freigegeben. Nach einem einfachen, aber reichhaltigen Essen würde der Vater gern mit seinem Sohn plaudern, aber der junge Basarow, noch immer mürrisch wegen Anna Odinzowas Zurückweisung, hat keine Lust auf eine Unterhaltung.

„,Ein wunderbarer Körper!‘, erwiderte Basarow. ,Welches Prachtexemplar für einen Sektionstisch!‘“ (Basarow über Anna Odinzowa, S. 113)

Am nächsten Morgen schwärmt Arkadij dem stolzen Vater von den großen Dingen vor, die Basarow in seinem Leben noch leisten werde. Doch sein überschwängliches Lob kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern Schaden genommen hat. Basarow ist verbittert und negativ wie noch nie. Als Arkadij seine hasserfüllte Weltsicht für einmal nicht nachvollziehen kann, muss er sich vorwerfen lassen, er ähnele seinem spießigen Onkel Pawel. Nur das Auftauchen des Vaters verhindert, dass es zur Schlägerei kommt. Basarow langweilt sich und will bereits nach drei Tagen wieder abreisen. Seinen Eltern bricht er damit fast das Herz.

Das Duell

Arkadij hat Mitleid mit Basarows Eltern, was die Stimmung zwischen den beiden Freunden nicht verbessert. Sie fahren zurück zum Landgut von Arkadijs Vater, der Ärger mit seinen faulen, rebellischen Bauern hat. Die Polizei will er aber als überzeugter Liberaler nicht zu Hilfe rufen. Arkadij denkt ständig an Nikolskoje und bricht schließlich allein zu einem weiteren Besuch auf. Zu seiner Freude wird er von Katja herzlich begrüßt.

„Ein einziges Menschenexemplar genügt, um alle andern zu beurteilen. Die Menschen sind wie die Birken des Waldes; keinem Botaniker wird es einfallen, jedes Exemplar besonders zu studieren.“ (Basarow, S. 119)

In Arkadijs Abwesenheit nähert sich Basarow der Magd Fenitschka, Kirsanows Geliebter, an. Sie hat den Aristokraten zwar gern, fühlt sich aber in Gegenwart des bodenständigen Nihilisten wohler. Basarow gibt ihr im Garten einen Kuss und wird dabei ausgerechnet von Pawel beobachtet. Dieser fordert ihn umgehend zum Duell auf. Basarow kann das dramatische Prozedere nur ironisch witzelnd hinter sich bringen – aber während Pawel ihn verfehlt, trifft sein Schuss den Älteren ins Bein. Basarow, der wie Pawel noch einen Schuss guthätte, unterbricht das Duell, lässt Pawel besorgt ins Haus bringen und dort verarzten.

„Es gibt keine Grundsätze. Hast du denn das bis jetzt noch nicht gewusst? Es gibt nur Sensationen. Alles hängt von Sensationen ab.“ (Basarow zu Arkadij, S. 181)

Pawel ist beeindruckt von der noblen Geste des Nihilisten. Er erkennt im Fieberwahn auf dem Krankenbett, dass er nur aus Eifersucht auf das Duell bestanden hat: Die Magd Fenitschka erinnert ihn an seine große Liebe, die Fürstin R. Er ruft seinen Bruder Nikolai zu sich und überzeugt ihn, Fenitschka über alle Konventionen hinweg zu ehelichen.

Endlich ein glückliches Paar

Arkadij und Katja sitzen auf einer Bank im Garten und reden über Heinrich Heine. Katja, die Basarow nicht mag, ist der Meinung, dass Arkadij im Grunde ein poetischer Mensch sei und sich immer habe verbiegen müssen, um dem Nihilisten zu gefallen. Sie glaubt, Arkadij werde den schlechten Einfluss bald abgeschüttelt haben. Katja weiß von seiner früheren Schwärmerei für ihre Schwester und glaubt, dass er sich für sie selbst niemals interessieren werde. Aber sie irrt: Er gesteht ihr seine Liebe und läuft dann schüchtern davon.

„(...) verneinen ... verneinen ... Ja, verneine einer einmal den Tod!“ (Basarow, S. 270)

Basarow kommt nach Nikolskoje, um Arkadij von dem Duell zu erzählen. Er ist überzeugt, dass sich Arkadij aus Liebe zu Anna Odinzowa im Haus der Frauen aufhält und berichtet ihr eifersüchtig von der vermeintlichen Zuneigung des Freundes. Arkadij belauscht das Gespräch zufällig und fasst sich ein Herz: Er hält offen und ehrlich um Katjas Hand an. Sie willigt ein. Basarow gratuliert und findet, dass die Ehe für Arkadij genau das Richtige sei. Dann verabschiedet er sich auf Nimmerwiedersehen von seinem ehemaligen Freund und Anhänger und kehrt ins Haus seiner Eltern zurück.

Basarows Tod

Die Eltern können vor Freude über das unverhoffte Auftauchen Basarows kaum an sich halten. Da sie ihrem Sohn aber nicht lästig werden wollen, versagen sie sich alle Gefühlsbekundungen und halten sich sogar vor ihm versteckt. Basarow ist schwermütig, seine Forschungsarbeit macht ihm keinen Spaß. Er versucht, mit den Bauern des Ortes ins Gespräch zu kommen, wird wegen seiner ironisch herablassenden Art aber nicht ernst genommen. Schließlich hilft er seinem Vater bei dessen Tätigkeit als Aushilfsarzt im Dorf. Dabei steckt er sich mit Typhus an. Basarow weiß, dass er sterben wird, und weist seine entsetzten Eltern an, Anna Odinzowa zu benachrichtigen. Sie eilt herbei, und die beiden nehmen peinlich berührt voneinander Abschied: Er sagt ihr, wie schön sie ist, und sie küsst ihn auf die Stirn. Die Eltern rufen einen Pfarrer, Basarow lässt mit Grausen die letzte Ölung über sich ergehen – und stirbt.

„Ich glaubte sicher, noch vieles zu leisten; sterben, ich? Ah bah! Ich habe eine Mission, ich bin ein Riese! Und zu dieser Stunde besteht die ganze Mission des Riesen darin, mit Anstand zu sterben, obgleich das keinen Menschen interessiert ...“ (Basarow, S. 276)

Auf Kirsanows Gut geht das Leben weiter: Arkadij wohnt mit Katja bei seinem Vater, der die Magd Fenitschka geheiratet hat. Anna Odinzowa nimmt aus Vernunft einen erfolgreichen Gelehrten zum Mann. Pawel verbringt seinen Lebensabend einsam in Dresden, genießt aber die Kultur der Stadt. Basarows Eltern besuchen das Grab ihres Sohnes und weinen um ihn. Die Natur, die der Nihilist als „gleichgültig“ beschrieben hat, lässt auf seinem Grab Blumen sprießen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Schon der Titel verrät es: Väter und Söhne ist ein Paradebeispiel für das Genre des Generationenromans. Zudem gilt Iwan Turgenjews Werk aber auch als eines der ersten und wichtigsten Bücher des russischen Realismus. Die Dinge, um die sich die Väter und Söhne in diesem Roman streiten, sind nicht weltabgewandt und privat, sondern bebildern die Wirklichkeit Russlands zur Zeit der Landreform. Während die Väter gemäßigt liberal sind – russisch verwurzelt, aber geprägt vom europäischen Adel –, hegen die Söhne radikale revolutionäre Ideen und wollen das Land von Grund auf verändern. Typisch für Turgenjews Realismus ist die humorvolle Ausgestaltung der wirklichkeitsnahen Geschichte. Der Autor bewertet seine Figuren in diesem Konflikt nicht, sondern beschreibt sie mit distanziert ironischem Unterton und sanftem Spott, was wesentlich zum Lesevergnügen beiträgt. Er nimmt den Leser bei der Hand und unterbricht immer wieder den Erzählfluss, um Hintergrundinformationen zu den auftretenden Figuren einzuschieben. Der Roman hat aber auch deutlich modernere Stellen: Es gibt lange Dialogpassagen, in denen der Text ohne den für das 19. Jahrhundert typischen Erzählerkommentar auskommt. Die Struktur der Geschichte, die in 28 kurze Kapitel portioniert wird, lässt sich aus heutiger Sicht mit der eines Roadmovies vergleichen: Arkadij und Basarow reisen von einer Station zur nächsten, machen stetig neue Erfahrungen und verändern sich dadurch entscheidend.

Interpretationsansätze

  • Basarow ist tatsächlich der radikale Nihilist, der er vorgibt zu sein. Er verneint alle Kunst und Politik, sämtliche Autoritäten und sogar sich selbst – weshalb er am Ende des Romans sterben muss.
  • Basarows Gegenpart Pawel Petrowitsch repräsentiert das alte Russland und glaubt, dass sich ohne bewährte Prinzipien nicht leben lässt. Er liebt die Dichtung und die Musik und hat sein ganzes Leben der romantischen Erinnerung an seine unglückliche Liebe geweiht. Nachdem Basarow ihn im Duell besiegt, aber nicht tötet, muss Pawel die menschliche Größe des jungen Mannes und damit die nachkommende Generation anerkennen.
  • Kompromissbereitschaft und Lebensfähigkeit beweisen hingegen Arkadij und sein Vater Kirsanow. Arkadij steht zwar zu Beginn des Romans noch unter dem Einfluss des Nihilisten Basarow, doch indem dieser jedes noch so kleine Detail an Arkadijs Vater und seinem Onkel Pawel kritisiert, spaltet er die Familie nicht etwa, sondern stärkt ungewollt ihre Bande: Arkadij fühlt sich den Alten mehr und mehr verbunden und geht auf Distanz zu den radikalen Theorien seines Freundes. Er verliebt sich in die romantische Katja, entscheidet sich für das „spießige“ Prinzip der Ehe und überwindet somit den Nihilismus.
  • Turgenjews große Stärke ist sein Einfühlungsvermögen. Der Autor gestaltet seine Figuren nicht als zweidimensionale Klischees, sondern als facettenreiche Charaktere mit jeweils sympathischen und unsympathischen Eigenschaften. Der bärbeißige Basarow etwa wird trotz seiner Negativität von den Hausangestellten geschätzt, und dem Leser wächst er als wirklichkeitsnahe Figur ans Herz. Mit seiner lebendigen Figurengestaltung hat Turgenjew wesentlich zur Entwicklung des realistischen Romans beigetragen.

Historischer Hintergrund

Von der Leibeigenschaft in den Nihilismus

Erste Rufe nach der Aufhebung der Leibeigenschaft wurden in Russland am 26. Dezember 1825 laut, als eine Gruppe von jungen, mehrheitlich adligen Revolutionären dem neuen Zaren Nikolaus I. den Eid verweigerte. Die so genannten Dekabristen (vom russischen Wort für Dezember, im deutschsprachigen Raum auch: Dezembristen) dienten im Eliteregiment von St. Petersburg und waren z. T. hochgebildete Offiziere. Nach dem Scheitern des Aufstandes und der Hinrichtung der Anführer wurden etwa 600 Dekabristen in Arbeitslager deportiert, wo sie ihren Mitgefangenen Unterricht in Kultur und politischer Bildung gaben. Ihre liberalen Ideale konnten sich so in der einfachen Bevölkerung ausbreiten; in Sibirien etwa werden die Dekabristen noch heute verehrt.

In den folgenden Jahren wuchs der Reformdruck auf den russischen Geldadel immer mehr. Die Forderung nach der Erlösung der Bauern aus der Leibeigenschaft wurde nicht mehr nur von jungen Intellektuellen erhoben, sondern auch von fortschrittlichen und europäisch orientierten Staatsbeamten und Aristokraten. Nach der Niederlage im Krimkrieg und dem Tod Nikolaus I. übernahm 1855 Zar Alexander II. die Macht. Er unterschrieb 1861 das längst vorbereitete Manifest Über die allergnädigste Gewährung der Rechte freier ländlicher Bewohner für die leibeigenen Menschen und machte damit die überfälligen Reformen zum Gesetz. Der Erfolg war nicht durchschlagend. Obwohl Millionen von Bauern aus sklavenartigen Arbeitsbedingungen befreit und ins bürgerliche Leben eingebunden wurden, blieb die soziale Ungleichheit im Land erhalten. Das Volk war weiterhin unzufrieden, und sozialistische, kommunistische und nihilistische Ideen breiteten sich aus.

Entstehung

Turgenjew wuchs auf dem adligen Gutshof Spasskoje in der Nähe der zentralrussischen Stadt Orjol auf und hatte dort das Schicksal der Leibeigenen stetig vor Augen. Im Alter von 15 Jahren nahm er das Studium an der Universität St. Petersburg auf und entschied sich kurz darauf für den Beruf des Schriftstellers. In dieser Zeit diskutierte er mit anderen Intellektuellen erstmals das Problem der ausstehenden Landreform. Wie sich herausstellte, waren die Meinungen in Russland zu dieser Zeit in zwei miteinander unvereinbare Lager gespalten. Auf der einen Seite sprachen sich die so genannten Westler für eine Demokratisierung des Landes nach europäischem Vorbild aus. Auf der anderen Seite vertraten die patriotischen Slawophilen den Standpunkt, dass sich Russland unter Alexander II. schon viel zu stark dem Westen angenähert habe und seinen eigenen Weg gehen müsse.

Turgenjew nahm sich des Themas bereits in seinen frühen Prosaskizzen Aufzeichnungen eines Jägers (1852) an und ergriff klar Partei für die leibeigenen Bauern und damit für die Westler. Die Debatte wurde leidenschaftlich geführt, und Turgenjew überwarf sich mit einem anderen, ebenfalls nicht unbekannten russischen Romancier, der zum Lager der Slawophilen zählte: Fjodor Michailowitsch Dostojewski. In Väter und Söhne präsentierte Turgenjew anhand seiner Romanfiguren und ihrer unterschiedlichen Ansichten noch einmal die einzelnen Positionen dieser Diskussion. Veröffentlicht wurde das Buch 1861, also im selben Jahr, in dem Zar Alexander II. die Reformgesetze schließlich verabschiedete. __ __ Wirkungsgeschichte Turgenjew geriet mit seinem Roman genau in die Schusslinie der beiden verfeindeten Lager. Die Slawophilen erkannten sich in der im Buch dargestellten Vätergeneration wieder und fühlten sich lächerlich gemacht. Die Westler identifizierten sich mit dem Nihilisten Basarow und sahen sich ebenfalls vom Autor verunglimpft. Absurderweise warfen beide Seiten dem Autor vor, für den jeweiligen Gegner Partei ergriffen zu haben. Als 1962 in St. Petersburg aufgebrachte Anti-Zaristen diverse Villen und Paläste in Brand steckten, sahen einige Zeitgenossen die Taten im direkten Zusammenhang mit der vorherigen Veröffentlichung von Väter und Söhne. Turgenjew selbst berichtete, wie er kurz nach den Vorfällen aus dem Ausland nach St. Petersburg zurückkehrte und sich schwere Vorwürfe gefallen lassen musste. „Sehen Sie nur, was Ihre Nihilisten anrichten!“, hieß es. „Sie brennen St. Petersburg nieder!“ Turgenjew sah sich gezwungen, Russland zu verlassen und nach Deutschland und später nach Frankreich überzusiedeln.

Im Ausland wurde Väter und Söhne vor allem wegen seiner brillanten Konstruktion bewundert. Ein ausgesprochener Anhänger des Textes war Thomas Mann, der ihn neben Theodor Fontanes Effi Briest (1895) für einen der wichtigsten Romane überhaupt hielt. Auch Hermann Hesse war begeistert und nahm das Buch in seinen persönlichen Literaturkanon Bibliothek der Weltliteratur (1927) auf. Heute gilt Turgenjew neben Dostojewski und Tolstoi als wichtigster Vertreter des russischen Realismus.

Über den Autor

Iwan Turgenjew wird am 9. November 1818 als Sohn eines Armeeoffiziers in der russischen Provinzstadt Orjol geboren. Die Familie ist wohlhabend und bewohnt einen Landgutshof in Spasskoje-Lutowinowo, auf den Turgenjew zeitlebens immer wieder zurückkehrt. Er besucht verschiedene Schulen und wird von Privatlehrern in Russisch, Deutsch, Englisch und Französisch unterrichtet. Sein Vater setzt sich 1833 dafür ein, dass der erst 15-Jährige an der Universität Moskau zugelassen wird. Turgenjew studiert zudem in St. Petersburg und Berlin. 1841 zieht er nach Moskau zurück, um die Magisterprüfung in Philosophie abzulegen. Er arbeitet für das Ministerium in St. Petersburg, gibt die Stelle aber wieder auf, um sich dem Schreiben zu widmen. Erste Gedichte werden in Literaturzeitungen veröffentlicht. Er trifft die Opernsängerin Pauline Viardot, folgt ihr 1944 nach Paris und kehrt erst 1850 nach dem Tod seiner Mutter nach Russland zurück, um das Gut in Spasskoje zu übernehmen. Im selben Jahr schreibt er einen Nachruf auf Nikolai Gogol, der selbst Zeit seines Lebens Ärger mit der Zensur gehabt hat, und wird dafür kurzzeitig in St. Petersburg inhaftiert. Anschließend lebt er wieder in Paris bei Pauline Viardot, wo nun seine produktivste Schaffensphase beginnt. Die Aufzeichnungen eines Jägers (1852), eine kritische Darstellung des Lebens der russischen Bauern, machen ihn schlagartig bekannt. Er schreibt zahlreiche Novellen, die sich durch ihren lyrischen Ton auszeichnen und zu den stärksten Beispielen dieser Gattung innerhalb der russischen Literatur zählen, darunter Erste Liebe (1860) und Frühlingswogen (1872). Seine wichtigsten Romane sind Am Vorabend (1859), Dunst (1867) und der den literarischen Realismus prägende Roman Väter und Söhne (1862). In seinen Prosaminiaturen (Gedichte in Prosa, 1882) beschäftigt sich Turgenjew intensiv mit den Themen Alter und Tod, wobei sein an Schopenhauer geschulter Pessimismus durchschimmert. Er stirbt am 3. September 1883 in Paris.

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