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Warten auf Godot

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Warten auf Godot

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Das Stück gilt als Inbegriff des absurden Theaters: Samuel Becketts "Warten auf Godot" revolutionierte das moderne Drama.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Vergebliches Warten

Zwei Männer warten auf einen dritten, der niemals kommt. In einem Satz lässt sich Samuel Becketts weltberühmtes Drama Warten auf Godot zusammenfassen. Doch damit ist nur die halbe Wahrheit gesagt; Fragen tun sich auf: Gibt es Godot überhaupt? Sind die beiden Landstreicher wirklich mit ihm verabredet? Was versprechen sie sich überhaupt von ihm? Warten auf Godot ist inzwischen zum Synonym für eine eigene Theaterrichtung, das Theater des Absurden, geworden. Weder Zeit und Ort noch die Identität der fünf Personen, die im Verlauf des Dramas auftreten, werden genau definiert. Die Dialoge, aber auch die Spielereien und Clownerien der Protagonisten haben nur einen Zweck: Sie sind ein Zeitvertreib, der das Warten überbrücken soll. Auf die Zuschauer, die in den 50er Jahren in vielen Ländern die zahlreichen Aufführungen miterlebten, wirkte Becketts Drama wie ein absurdes Experiment. Sein Publikum teilte damals die grausamen Kriegserfahrungen – doch Beckett schreibt in dem Stück keine Zeile über den Krieg. Es katapultiert den Menschen aus allen Gewissheiten hinaus; es zeigt Individuen nach dem großen Crash, verdammt zur permanenten Wiederholung, zum sinnlosen Warten ohne Aussicht auf Erlösung. So hat Beckett dem modernen Theater mit komödiantischen Elementen und einer sehr reduzierten Sprache den Weg bereitet. Mittlerweile ist Warten auf Godot zum Klassiker des modernen Theaters und zur Schullektüre geworden.

Take-aways

  • Warten auf Godot gilt als das bedeutendste Werk des irischen Schriftstellers Samuel Beckett.
  • Es ist eines der Pionierstücke des absurden Theaters.
  • Die beiden Vagabunden Wladimir und Estragon treffen sich auf einer einsamen Landstraße. Sie warten auf Godot, der jedoch nie kommt.
  • Stattdessen taucht ein Herr namens Pozzo auf, der seinen Knecht Lucky an der Leine hält.
  • Zweimal tritt ein Bote von Godot hinzu, der bestätigt, dass Godot an diesem Abend nicht kommen werde.
  • Das Drama hat keine durchgehende Handlung. Sein einziges Thema ist das Warten. Ort und Zeit sind unbestimmt.
  • Die Dialoge haben kein Ziel. Es geht nicht um Kommunikation, man redet nur, um sich die Wartezeit zu vertreiben.
  • Beckett stellt die Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins dar: Es gibt für die beiden Hauptfiguren keine Gewissheiten und keine Erlösung.
  • Der Autor lehnte jede Interpretation des Stückes ab. Trotzdem existieren unzählige Deutungsversuche von Kritikern und Theaterleuten.
  • Das Drama wurde 1953 uraufgeführt und war ein epochaler Welterfolg. 1969 erhielt Beckett den Nobelpreis für Literatur.
  • Das Stück ist eines der nach dem Zweiten Weltkrieg meistaufgeführten Dramen.
  • Der Titel Warten auf Godot ist längst zum geflügelten Wort für die Banalität des modernen Lebens geworden.

Zusammenfassung

Begegnung auf der Landstraße

Zwei ältere Männer, die beiden Vagabunden Wladimir und Estragon, treten auf. Sie scheinen sich gerade eben getroffen zu haben. Ort und Zeit sind unbestimmt, es könnte früher Abend sein, worüber sich die beiden Landstreicher aber nicht sicher sind. Außer einem Baum ist weit und breit nichts zu sehen. Estragon versucht umständlich, seinen Schuh auszuziehen. Wladimir bemüht sich, Estragon in ein Gespräch zu verwickeln. Wladimir redet viel, während der körperlich lädierte Estragon immer mit etwas anderem beschäftigt ist.

„Nichts zu machen.“ (Estragon, S. 27)

Laut denkt Wladimir über Selbstmord nach. Schon um 1900 hätte er sich gemeinsam mit Estragon umbringen sollen, räsoniert er. Sein Freund fährt derweil mit seiner pantomimischen Vorstellung fort: Er zerrt immer noch an seinem Schuh, den er nicht ausziehen kann, weil der Fuß angeschwollen ist. Wladimir setzt indes seinen Hut auf und ab.

Streit und Versöhnung

Beide plappern ständig aneinander vorbei. Sie fragen sich nach dem Sinn ihres Daseins. Wladimir erinnert sich an die Geschichte der beiden Schächer, die neben Jesus am Kreuz hingen und von denen nur einer erlöst wurde. Estragon hört ihm eine Weile zu. Dann will er aufbrechen. Doch Wladimir hält ihn zurück: Sie würden ja schließlich auf Godot warten. Sie rätseln lange darüber, ob der Baum, eine Trauerweide, der richtige Ort ist, um den großen Unbekannten zu treffen. Außerdem wissen sie nicht mehr, welcher Wochentag gerade ist und wann Godot kommen wollte. Genauso wenig ist ihnen klar, was sie von diesem Godot eigentlich wollen. Mit kindischen Wortspielen und komödiantischen Einlagen vertreiben sie sich die Zeit. Sie witzeln über ihren körperlichen Verfall und ihren Gestank.

„Hand in Hand hätten wir uns vom Eiffelturm runtergestürzt, mit den Ersten. Da sahen wir noch anständig aus. Jetzt ist es zu spät. Die würden uns nicht einmal rauflassen.“ (Wladimir, S. 29)

Estragon setzt sich unter die Weide und schläft ein. Wladimir weckt ihn, indem er ihn mit seinem Spitznamen „Gogo“ ruft. Dieser ärgert sich darüber, dass sein Freund ihn nicht schlafen lässt, und überlegt daher, ob es nicht besser für beide wäre, wenn er und Wladimir, den er „Didi“ nennt, sich trennten. Doch Wladimir prophezeit ihm nur, dass er nicht weit kommen würde. Im Streit wird ihnen klar, dass sie ohne einander nicht auskommen. Ihre Beziehung ist der einzige Trost, den sie haben. Wladimir will weggehen und Estragon versucht sich wieder mit ihm zu versöhnen. Sie umarmen sich. Gemeinsam begutachten sie den Baum, fragen sich, ob der sich wohl zum Erhängen eignet. Wladimir gibt Estragon eine Rübe, die dieser verspeist.

Herr und Sklave

Kurz darauf hören die beiden Schreie, können sich aber keinen Reim darauf machen und glauben, dass Godot nun kommt. Ängstlich klammern sie sich aneinander und verharren lange so. Plötzlich betreten Pozzo und Lucky die Bühne. Sie sind Herr und Sklave; Pozzo gibt Kommandos, indem er Lucky „Aas“ oder „Schwein“ nennt und seine Peitsche schwingt. Er hält Lucky an einem Strick, den er ihm um den Hals gebunden hat. Lucky trägt einen Koffer, einen Klappstuhl, einen Vorratskorb und auf dem Arm einen Mantel. Pozzo stellt sich Estragon und Wladimir vor. Estragon fragt Pozzo naiv, ob er vielleicht Godot sei. Der ist über diese Frage entrüstet, zumal die beiden sich auf seinem Grund und Boden befänden.

„Estragon: Lauschiges Plätzchen. Heitere Aussichten! Komm, wir gehen! - Wladimir: Wir können nicht. - Estragon: Warum nicht? - Wladimir: Wir warten auf Godot.“ (S. 39)

Pozzo will an diesem Ort eine Pause machen. Dabei traktiert er seinen Knecht, indem er brutal an dessen Leine zieht. Duldsam stellt Lucky seinem Herrn Stuhl und Korb zurecht und gibt ihm die mitgebrachten Speisen. Pozzo beginnt gemütlich zu essen. In der Zwischenzeit betrachten Wladimir und Estragon neugierig den Sklaven, der in die Knie geht und dem vor Müdigkeit die Augen zufallen. Dennoch setzt er seine Lasten nicht ab. Estragon bittet Pozzo um die abgenagten Hühnerknochen. Wladimir ist außer sich, dass Lucky an der Leine geführt wird, und weigert sich, mit Pozzo weiter zu sprechen. Doch Pozzo ficht diese Kritik nicht an, er raucht gemütlich sein Pfeifchen.

Theater im Theater

Pozzo fragt Estragon und Wladimir nach der Verabredung mit Godot, von der, wie er bemerkt, die Zukunft der beiden abzuhängen scheint. Doch die Landstreicher sind momentan eher an Lucky interessiert. Sie gehen um ihn herum, überlegen, ob er ein Kretin ist, trauen sich jedoch nicht, ihm direkte Fragen zu stellen. Daher möchten sie von seinem Herrn wissen, warum Lucky das Gepäck nicht abstellen darf. Doch Pozzo beantwortet die mehrfach formulierte Frage zunächst nicht; er lässt sich bitten, scheint Zeit gewinnen zu wollen und redet von anderen Dingen. Dann berichtet er, Lucky wolle sich als guter Knecht erweisen und setze das Gepäck – der Koffer ist völlig sinnlos mit Sand gefüllt – deswegen nicht ab. Die beiden seien gerade auf dem Weg zum Sklavenmarkt, um Lucky zu verkaufen. Pozzo könne ihn nicht mehr ertragen, da er wie ein Schwein trage.

„Mein Herr, sind Sie vielleicht Herr Godot?“ (Estragon zu Pozzo, S. 61)

Während dieser Ausführungen bricht Lucky in Tränen aus. Beide, Pozzo und Lucky, scheinen eine gut einstudierte Theatervorstellung – ein Theater im Theater oder ein Dressurstück – vorzuführen.

Lucky tanzt und wird geschlagen

Wladimir glaubt, dass die Zeit stehen geblieben ist. Er wartet auf die Nacht, die nicht kommen will. Pozzo versucht ihnen zu erklären, wann die Dämmerung eintritt. Kurz darauf will er Estragon und Wladimir etwas Gutes tun, weil sie ihn, wie er sagt, sehr anständig behandelt haben. Und er will seine Macht demonstrieren: Lucky soll tanzen, singen oder denken. Lucky bewegt sich schleppend wie ein behäbiger Tanzbär und hebt danach zu einem langen Monolog an. Dazu wird ihm sein Denker-Hut aufgesetzt. In dieser Rede spricht Lucky über die Abwesenheit Gottes, die Verlorenheit der Menschen und die Fortschritte der Naturwissenschaften. Je länger er redet, desto unverständlicher und abgehackter werden seine Ausführungen. Schließlich reiht er nur noch einzelne Wörter aneinander und wiederholt diese. Seine drei Zuhörer werden immer ungehaltener, sie schlagen ihn und werfen ihn schließlich zu Boden. Der Sklave beginnt zu weinen.

Ein Bote von Godot

Estragon und Wladimir müssen Lucky nach dieser Attacke aufrichten, weil er kaum noch stehen kann. Lucky nimmt sein Gepäck wieder auf und Pozzo verlässt mit ihm die Bühne. Wladimir und Estragon registrieren, dass die Zeit mit Pozzo und Lucky viel schneller vergangen ist als ohne sie.

„Einen Menschen - er zeigt auf Lucky - so zu behandeln ... das finde ich ... ein menschliches Wesen ... nein ... das ist eine Schande!“ (Wladimir, S. 75)

Ein Junge taucht auf, der dem Treiben eine ganze Weile zugeschaut, sich jedoch davor gefürchtet hat, zu den Männern zu gehen. Er berichtet Wladimir und Estragon, dass Godot an diesem Abend nicht kommen werde. Die beiden Vagabunden fragen ihn aus, welche Stelle er bei Godot habe, erfahren aber nur, dass der Junge Ziegen hütet und dass er einen Bruder hat, der von Godot geschlagen wird. Nach dem einsilbigen Gespräch fordert Wladimir, der Bote solle seinem Herrn ausrichten, dass er sie beide gesehen habe. Der Junge geht weg. Es wird Nacht. Estragon und Wladimir reden über alte Zeiten. Estragon will wissen, warum ihn Wladimir damals aus einem Fluss gerettet habe. Beide fragen sich, warum sie zusammengeblieben sind. Sie beschließen zu gehen. Doch sie bewegen sich nicht von der Stelle. Der Vorhang fällt.

Was ist passiert?

Im zweiten Akt steht Wladimir zunächst allein auf der Bühne. Er singt gut gelaunt das Lied „Ein Hund kam in die Küche“, das aus endlos wiederholbaren Strophen besteht. Estragon tritt auf, barfuß und abgerissen. Er kann sich nicht mehr an den gestrigen Tag erinnern, ist schlecht gelaunt und erzählt, er sei in der Nacht von zehn Leuten überfallen worden. Er will sich nicht trösten lassen, sagt nur, dass er bei Wladimir bleiben wolle. Sie beginnen ein Zwiegespräch über tote Stimmen und Leichenberge, das sich in einer langen Litanei dahinzieht. Es ist hauptsächlich dazu gedacht, die Langeweile zu vertreiben, die sich sofort wieder eingestellt hat. Beide vergewissern sich, dass sie auf Godot warten.

„Pozzo: Langweilen Sie sich? - Estragon: Kann man wohl sagen. - Pozzo: Und Sie, mein Herr? - Wladimir: Es ist kein reines Vergnügen.“ (S. 101)

Wladimir versucht zum wiederholten Male, Estragon aus seiner Lethargie zu reißen. Er zeigt ihm den Baum, der über Nacht Blätter bekommen hat. Danach hilft Wladimir Estragon seine Schuhe anzuziehen, die er am Abend zuvor stehen gelassen hat. Beide stellen immer wieder die Zuverlässigkeit ihrer Erinnerung infrage; vieles was sie sagen, klingt wie ein Echo ihres Begrüßungsgesprächs im ersten Akt.

Der Blinde und der Stumme

Wladimir entdeckt Luckys Hut, und so haben sie einen neuen Zeitvertreib gefunden. Sie setzen im Wechsel den Hut auf und ab. Doch bald hat Wladimir ein neues Spiel im Sinn. Er überredet seinen Gefährten, in die Rollen von Pozzo und Lucky zu schlüpfen. Estragon spielt zunächst mit; Wladimir fordert Estragon auf, ihn zu beschimpfen. Doch der Freund entzieht sich und geht weg. Als er zurückkommt, ist er völlig verwirrt und hört Stimmen. Wladimir geht erst auf Estragons Ängste ein und glaubt, dass Godot angekommen sei, doch dann will er seinen Kumpel überzeugen, dass dieser sich getäuscht habe. Sie beschimpfen sich und versöhnen sich wieder. Plötzlich tauchen Pozzo und Lucky erneut auf der Bühne auf. Zwar hält Pozzo den Sklaven Lucky immer noch an der Leine, doch ihre Situation hat sich total verändert: Pozzo ist plötzlich blind geworden und daher auf die Hilfe Luckys, seines Sklaven und Blindenhundes, angewiesen. Lucky selbst ist stumm. Wladimir wundert sich, wie sehr sich die beiden verändert haben.

„Was wollen Sie lieber? Soll er tanzen, soll er singen, soll er rezitieren, soll er denken, soll er ...“ (Pozzo über Lucky, S. 103)

Pozzo klammert sich an Lucky. Dieser bricht wegen seiner schweren Lasten zusammen. Beiden gelingt es nicht, wieder aufzustehen. Als Wladimir ihnen endlich zu Hilfe eilt – nachdem er lange das Für und Wider dieser Aktion diskutiert hat –, passiert ihm dasselbe: Auch er kann nicht mehr aufstehen. Wie ein hilfloses Knäuel liegen die drei ineinander verkeilt. Und auch Estragon fällt hin, als er versucht Wladimir die Hand zu geben. Die beiden überlegen, dass sie so schnell wie möglich diese unangenehme Szenerie verlassen müssen. Wie schon im ersten Akt rätseln sie darüber, ob es nun wirklich Abend ist. Erst nach einigem Hin und Her gelingt es ihnen aufzustehen. Sie helfen nun auch Pozzo. Lucky richtet sich von allein auf, nachdem ihm Estragon einige Fußtritte gegeben hat. Pozzo will sich nicht mehr daran erinnern, dass er die beiden Tramps schon am Tag zuvor getroffen hat. Er ist verärgert, weil die beiden Landstreicher ständig wieder nachfragen, warum er blind und Lucky stumm geworden ist. Wutentbrannt lässt er sich von Lucky wegbringen. Estragon hat sich wieder hingekauert und schläft.

Wieder der Bote von Godot

Wladimir weckt Estragon. Der beschwert sich bitter, dass er niemals ausschlafen könne. Wladimir überlegt, ob er vielleicht auch geschlafen und die Begegnung mit Pozzo und Lucky gar nicht wirklich erlebt hat. Er denkt laut über das Alter und das Sterben nach. Plötzlich steht erneut der Bote von Godot vor ihm. Der Junge wird befragt, ob er am gestrigen Tag schon da gewesen ist, was er verneint. Er muss dann beschreiben, wie Godot aussieht, und er erzählt, dieser trage einen weißen Bart. Nachdem er die Botschaft überbracht hat, dass Godot am nächsten Tag ganz bestimmt komme, rennt er weg.

Keine Rettung durch Godot

Es wird Nacht. Estragon und Wladimir wollen gehen, erinnern sich aber daran, dass Godot am morgigen Tag kommen soll. Das wäre ihre Rettung. Sie überlegen erneut, ob sie sich nicht lieber trennen sollten. Sie schauen den Baum an und beschließen, sich aufzuhängen. Doch die Kordel, mit der Estragon seine Hose zusammenhält und die sie zu diesem Zweck nutzen wollen, reißt. Estragons Hose rutscht runter. Wladimir fordert ihn auf, sie wieder hochzuziehen, irgendwie weiterzumachen. Danach wollen Wladimir und Estragon erneut gehen, doch wieder rühren sie sich nicht von der Stelle. Der Vorhang fällt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Würde man die beiden Akte, aus denen Warten auf Godot besteht, weiter unterteilen, hätte jeder Akt – nach der klassischen Regel, dass immer nach dem Auftritt oder Abgang einer Person ein Szenenwechsel stattfindet – sechs Szenen. Es treten fünf Personen auf. Der zweite Akt ist eine Variation des ersten, ganze Redesequenzen und Formulierungen werden wiederholt. Die Sprache ist auf elementare Sprechweisen und Floskeln reduziert, sie wird häufig zum Selbstzweck. Alle Dialoge sind nur auf das Warten und auf das Vergehen der Zeit ausgerichtet. Man spricht, um die Zeit totzuschlagen. Beckett spielt dabei mit den Erwartungen des Publikums und verunsichert es. Dialoge und Handlungen sind nur simuliert, das Geschehen führt ins Absurde. Es gibt kaum Requisiten. Der einzige Fixpunkt auf der Bühne ist der Baum. Die Realität von Zeit und Ort ist aufgehoben, auch die Identität der Figuren ist unklar. Beckett hat in den verschiedenen Fassungen des Textes auch die Ortsnamen geändert und im Deutschen und Englischen andere Orte als in der französischen Urfassung eingefügt. Warten auf Godot lebt von den Varianten des Spiels. Manche dieser Spiele erinnern an Stummfilm- oder an Slapstickszenen. Das Stück ist in beide Richtungen offen, der erste Akt hat keinen Anfang, der zweite keinen Schluss, so als könnte es wie das Lied vom Koch, der einen Hund erschlägt, in einer Endlosschleife wiederholt werden.

Interpretationsansätze

  • Beckett hat eine Interpretation seines Stückes immer abgelehnt. Er antwortete auf die Frage, wer Godot sei: „Wenn ich es wüsste, würde ich es sagen.“
  • Das Theater ist für Beckett keine „moralische Anstalt“ (Friedrich Schiller), aber auch kein Ort, der ausschließlich der Belehrung oder Unterhaltung dient. Beckett orientiert sich weniger am klassischen Drama als an der Commedia dell’Arte (italienische Stegreifkomödie aus dem 16. Jahrhundert) oder an den Slapsticks des Stummfilms.
  • Seit Franz Kafkas Romanen hat kein literarisches Werk so viele verschiedene und widersprüchliche Interpretationen hervorgerufen.
  • Die irische These: Die beiden Vagabunden weisen auf Becketts Herkunft hin. Sie sind irische Landarbeiter, die aus einem Straßengraben herauskommen, herumlungern und viel schwätzen.
  • Die Yin-Yang-These: Hauptfigur Wladimir ist ein Idealist, sein Freund Estragon hat resigniert und ist vergesslich. Beide stellen somit die Gegenpole Geist und Körper dar oder, mit den Begriffen aus der chinesischen Philosophie, die Prinzipien Yin und Yang.
  • Die sozialistische These: Warten auf Godot ist ein Drama über Armut, Hunger, Elend und die Sklaverei, über das Verhältnis von Herr und Sklave.
  • Die sprachkritische These: Es findet keine Kommunikation statt. Die Figuren wollen nichts mitteilen oder ausdrücken. Die Sprache verselbstständigt sich.
  • Die existenzialistische These: Nicht das Warten auf Godot, auf eine bestimmte Person, ist das Thema des Stücks, sondern das Warten an sich, das Leben im Wartezustand.
  • Die christliche These: Warten auf Godot ist mit der Suche nach Gott gleichzusetzen. Wer auf Godot wartet, stellt die Glaubensfrage.
  • Die zivilisationskritische These: Die Einschätzung der modernen westlichen Zivilisation, dass alles einen Sinn und einen Zweck haben muss, wird auf den Kopf gestellt.
  • Die nihilistische These: Beckett zeigt die Welt nach der Atombombe.

Historischer Hintergrund

Das absurde Theater

Die beiden Weltkriege bedeuteten für viele Künstler des 20. Jahrhunderts das Ende aller Illusionen und Utopien. Während in der Belletristik manche Autoren den Rückzug in die Natur thematisierten und andere sich mit Kriegserlebnissen beschäftigten, war das Theater wesentlich radikaler. Es gab vor allem im französischen und englischen Raum eine Entwicklung, die später unter dem Oberbegriff „Theater des Absurden“ zusammengefasst wurde. Wichtige Vertreter dieser Theatertradition waren neben dem Iren Samuel Beckett der rumänischstämmige Eugène Ionesco mit seinen Dramen Die kahle Sängerin (1950) und Die Nashörner (1955) sowie der Franzose Alfred Jarry mit seinem Stück König Ubu. Becketts Warten auf Godot ist ein Schlüsselwerk für das absurde Theater. Gemeinsam war den Dramatikern des Absurden eine Abkehr vom konventionellen Theater, das Wirklichkeit und Gesellschaft in den Mittelpunkt stellte. Sie erzählten stattdessen vom Sinnverlust der entwurzelten Menschen, sie gaben der Sinnlosigkeit Gestalt und entwickelten in ihren Stücken eine eigene absurde Logik. Sie verzichteten auf eine zusammenhängende Handlung und auf einen vorantreibenden Dialog. Die Figuren verfangen sich in sinnloses Reden und verkümmern zu Marionetten.

Beckett entwarf auch in anderen Stücken einen regelrechten Bühnenkosmos von verzweifelten und gescheiterten Protagonisten. Während er Wladimir und Estragon noch relativ viel Bewegungsfreiheit gab – sie können immerhin auf der Bühne herumlaufen –, schränkte Beckett den Aktionsradius seiner späteren Figuren immer stärker ein. So ist Winnie in dem Stück Glückliche Tage (1961) in der Erde eingegraben. Viele ähnliche Figuren wie in Becketts Dramen finden sich auch in seinen Romanen und Erzählungen. Im ersten Satz des 1938 veröffentlichten Romans Murphy sind die Themen seiner Stücke schon angelegt: „Die Sonne schien, weil sie keine andere Möglichkeit hatte, auf das Nichts des Neuen.“

Entstehung

Nach den Erfahrungen des Krieges zog sich der 39-jährige Beckett in seine Pariser Wohnung zurück. Seine ersten literarischen Arbeiten auf Französisch entstanden. In vier Monaten – zwischen dem 9. Oktober 1948 und dem 29. Januar 1949 – schrieb er Warten auf Godot. Beckett erzählte später: „Ich begann mit Godot, um mich zu entspannen, um von der grässlichen Prosa wegzukommen, an der ich damals schrieb.“ Schon 1950 wollte der französische Regisseur Roger Blin das Stück inszenieren. Beckett hatte Blin, dessen Aufführungen ihm gefielen, das Drama anvertraut. Doch kein Theater nahm das finanzielle Risiko auf sich, und so vergingen bis zur Uraufführung noch drei Jahre. 1953 kam das Stück auf Deutsch in der Übersetzung von Elmar Tophoven heraus, an der Samuel Beckett selbst mitgearbeitet hatte. Erst ein Jahr später übertrug der Schriftsteller Warten auf Godot ins Englische. Die drei Fassungen weichen in vielen Details voneinander ab. Beckett selbst wollte nie Hinweise zur Entstehungsgeschichte geben. Nur einmal sagte er: „Wenn Sie nach der Quelle von Warten auf Godot suchen, lesen Sie doch Murphy.“ Neben Murphys zwischen Geist und Körper tief gespaltener Figur waren auch die beiden Hauptcharaktere aus dem Roman Mercier und Camier Vorbilder für die Landstreicher Wladimir und Estragon.

Wirkungsgeschichte

Warten auf Godot war Becketts zweites Drama, allerdings das erste, das inszeniert wurde. Die Uraufführung am 5. Januar 1953 im Pariser Théâtre de Babylone rief Verwunderung, aber auch Ablehnung hervor. Doch erst nach 20 Aufführungen, als eine Gruppe von Zuschauern an einem Abend die Inszenierung massiv störte und das Stück seinen Skandal hatte, wurde Warten auf Godot zum Stadtgespräch. Viele Kritiker betonten das Wegweisende und Originelle des Dramas, andere lehnten es ab. Jean-Paul Sartre schrieb, Becketts Stück stehe „für einen universalen Pessimismus, an dem die Leute Gefallen finden“. Im selben Jahr wurde Warten auf Godot am Berliner Schlossparktheater in der Regie von Karl Heinz Stroux inszeniert. Beckett saß bei der deutschen Erstaufführung im Publikum, sie gefiel ihm jedoch weniger als den Zuschauern. In den Niederlanden, Italien und Spanien fanden Inszenierungen statt, noch bevor Warten auf Godot 1955 erstmals in London in englischer Sprache auf die Bühne kam. Hier zeigte sich das Publikum empört, die Aufführung sei nackt und kahl. Bei der US-Premiere in Miami ein Jahr später verließen viele Zuschauer das Theater, weil in dem Stück nichts passierte.

Die Weltumrundung, die das Drama nun machte, war atemberaubend. Bis Mitte der 60er Jahre wurde Warten auf Godot in Israel, Japan und Südamerika aufgeführt, ausgenommen blieben die sozialistischen Länder. Wegweisend wurde die von Beckett selbst geleitete Inszenierung am Berliner Schillertheater im Jahr 1975. Für nachhaltigen Erfolg in Deutschland sorgte auch eine Fernsehübertragung dieser Aufführung. Mittlerweile ist das Stück ein Klassiker, der den Schrecken des Absurden verloren hat. Es gibt selbst Inszenierungen mit Kindern wie am „Theater der Jugend“ in München 1984. Zum Medienereignis wurde eine Aufführung am Theater in Bochum: In der Spielzeit 2002 übernahm der bekannte Fernseh-Entertainer Harald Schmidt die Rolle des Lucky.

Über den Autor

Samuel Beckett wird am 13. April 1906 in Foxrock nahe Dublin geboren. Er wächst in einer gut situierten und protestantischen Familie auf. Von 1923 bis 1927 studiert er Sprachen und Literatur in Dublin. Ein Jahr später geht er als Englischlektor nach Paris. Dort lernt er den Schriftsteller James Joyce kennen, mit dem er sich anfreundet. In Frankreich entstehen erste Erzählungen und Gedichte. 1930 kehrt Beckett als Lektor für Französisch ans Trinity College nach Dublin zurück und promoviert. Doch schon 1932 kündigt er seinen Vertrag mit der irischen Universität. Er kann sich nicht mit der Routinearbeit anfreunden, leidet unter Geldmangel und Depressionen. Als 1933 sein Vater stirbt und Beckett eine kleine Erbschaft antritt, reist der junge Schriftsteller jahrelang durch Frankreich, Italien und Deutschland. Seine ersten Romane Dream of Fair to Middling Women (Traum von mehr bis minder schönen Frauen, 1932) und Murphy (1938) entstehen. 1937 lässt er sich in Paris nieder. Hier lernt er seine Lebensgefährtin und spätere Frau, eine Pianistin, kennen. Beide schließen sich der Résistance an. 1942 müssen sie vor der Gestapo fliehen und sich im unbesetzten Südfrankreich verstecken. Beckett ist als Landarbeiter tätig und schreibt während dieser Zeit den Roman Watt, der 1953 veröffentlicht wird. In den Nachkriegsjahren ist der Autor äußerst produktiv. Er beginnt in französischer Sprache zu schreiben und wendet sich neben den Prosawerken dem Theater zu. Zwischen 1946 und 1950 entstehen u. a. der Roman Mercier et Camier (Mercier und Camier), sein erstes Stück Eleuthéria, die Romane Molloy, Malone meurt (Malone stirbt), L’Innommable (Der Namenlose) und das Drama En attendant Godot (Warten auf Godot). Die Uraufführung dieses Stücks bringt Beckett 1953 neben dem literarischen Durchbruch auch den ersten finanziellen Erfolg. Seine Dramen – 1957 erscheint Fin de partie (Endspiel), 1961 Happy Days (Glückliche Tage) – sind äußerst erfolgreich. 1969 erhält er den Nobelpreis für Literatur. Mehrfach inszeniert er seine eigenen Dramen in Berlin, außerdem konzipiert er Fernseh- und Hörspielproduktionen. Am 22. Dezember 1989 stirbt Samuel Beckett in Paris.

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