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Weihnachtslied

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Weihnachtslied

Eine Gespenstergeschichte

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Die berühmteste Weihnachtsgeschichte der Welt: Der boshafte alte Geizhals Scrooge wird an Weihnachten durch vier Geister zu einem gütigen Menschen bekehrt.


Literatur­klassiker

  • Kurzprosa
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Gespenster am Weihnachtsabend

Weihnachtslied ist eine der beliebtesten Erzählungen von Charles Dickens. Wie in seinen berühmten Romanen zeigt sich der englische Schriftsteller auch hier als Humorist und Moralist. In der Erzählung geht es um die Bekehrung eines alten, hartherzigen Geizhalses zum Menschenfreund und Wohltäter – geradezu eine Wandlung vom Saulus zum Paulus. Ohne Umschweife stellt Dickens den Zynismus zur Schau, den der vermögende Ebenezer Scrooge gegenüber seinen schlechter gestellten Mitmenschen an den Tag legt. Arm und Reich werden scharf kontrastiert. Scheint es anfangs, als hätte die Geschichte einen Täter und nicht ein Opfer zum Helden, so gelingt es Dickens bald, die Vorzeichen umzukehren: Vier Geister sorgen dafür, dass auch der selbstgefällige und hartherzige Scrooge ein Opfer wird – nämlich ein Opfer seiner selbst. Aber sogar so ein scheinbar gänzlich verdorbener Charakter darf Hoffnung auf Heilung haben. Dickens zeigt auf durchaus vergnügliche Art, dass die Änderung individuellen Verhaltens zum Besseren ebenso notwendig wie möglich ist und dass sich die Gesellschaft dadurch insgesamt zum Besseren wandelt.

Take-aways

  • Dickens’ Weihnachtslied ist Weihnachts- und Gespenstergeschichte zugleich und gehört zu den meistgelesenen Erzählungen der Weltliteratur.
  • Ebenezer Scrooge, ein hartherziger, geiziger Londoner Kaufmann, sieht keinen Sinn in Weihnachten und tut diese Meinung auch jedermann kund.
  • Als Scrooge am Heiligen Abend spät aus seinem Kontor nach Hause kommt, trifft er auf den Geist seines vor sieben Jahren verstorbenen Kompagnons Jacob Marley.
  • Der Geist, gefesselt an eine Kette aus Schlüsseln und Kassen des Kontors, klagt Scrooge an, in seiner Vergangenheit nur das Geschäft im Kopf gehabt, aber die Menschen nie geliebt zu haben.
  • Der Geist will Scrooge auf den Weg der Menschlichkeit zurückführen, bevor diesen dasselbe Schicksal ereilt wie ihn: zur Sühne für seine Verfehlungen ziellos in der Welt herumirren zu müssen.
  • Scrooge willigt ein, drei weitere Erscheinungen zu empfangen: den Geist vergangener Weihnachtsfeste, den Geist der diesjährigen Weihnacht und den Geist der Zukunft.
  • Der erste Geist nimmt Scrooge mit auf eine Zeitreise in dessen glückliche Kindheit.
  • Der zweite begleitet ihn zu den bescheidenen Weihnachtsfesten der armen Men-schen, die der Geizhals so leicht hätte glücklich machen können.
  • Der Geist der Zukunft schließlich zeigt Scrooge dessen eigenen Grabstein: Niemand betrauert seinen Tod, am allerwenigsten Scrooges Schuldner.
  • Als Scrooge am Ende aus seinen Träumen aufwacht, beschließt er, ein anderer Mensch zu werden, und beglückt all jene, denen er Unrecht getan hat.
  • Ebenezer Scrooge stand 1947 für Walt Disneys Figur des geizigen Dagobert Duck Modell.
  • Das Weihnachtslied wurde unzählige Male verfilmt und ist alljährlich zur Weihnachtszeit im Fernsehen zu sehen.

Zusammenfassung

Ein Geizhals will nicht Weihnachten feiern

Ebenezer Scrooge ist ein von Geiz und Gier getriebener alter Kaufmann in London. Sein Kompagnon Jacob Marley ist vor sieben Jahren gestorben. Trotzdem hat Scrooge Marleys Namen nicht vom Firmenschild getilgt. Er hat es sich sogar zur Gewohnheit werden lassen, auf beide Namen zu hören. Scrooge wird von seinen Mitmenschen gemieden, denn er hat als einziges Ziel vor Augen, seinen Geldbeutel so gut es eben geht unter Verschluss zu halten. Seine Mitmenschen betrachtet er nur dann wohlwollend, wenn er an ihnen etwas verdienen kann.

„Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Kein Zweifel kann darüber bestehen. Der Schein über seine Beerdigung ward unterschrieben von dem Geistlichen, dem Küster, dem Leichenbestatter und den vornehmsten Leidtragenden. Scrooge unterschrieb ihn, und Scrooges Name wurde auf der Börse respektiert, wo er ihn nur hinschrieb. Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel.“ (S. 7)

Am Heiligen Abend sitzt Scrooge mit seinem Gehilfen Bob Cratchit im Kontor. Draußen ist es kalt und bereits dunkel, obwohl es erst drei Uhr nachmittags ist. Doch der Alte ist zu geizig, um das Büro auch nur mit einer Kerze zu beleuchten. Argwöhnisch achtet er außerdem darauf, dass der vor Kälte zitternde Bob keine zusätzliche Kohle in den Ofen schüttet. Da kommt Fred, Scrooges Neffe, vorbei. Er will dem Alten rasch frohe Weihnachten wünschen und ihn zum Weihnachtsessen am nächsten Tag einladen. Scrooge empfängt ihn zwar, doch nur um seine Freundlichkeit brüsk zurückzuweisen und ihm zu sagen, dass er nichts von Weihnachten halte. Bärbeißig erklärt er, das Fest sei für ihn von absolut gar keinem Nutzen. Im Gegenteil, es sei der Zeitpunkt, an dem er viele Rechnungen zu bezahlen habe und sich bewusst werde, wieder ein Jahr älter geworden zu sein. Fred hält dem entgegen, dass sich zu Weihnachten alle Menschen in Nächstenliebe üben würden – wenigstens einmal im Jahr. Als Bob Cratchit Fred demonstrativ applaudiert, droht Scrooge seinem Gehilfen barsch mit Entlassung. Schließlich muss sich Fred von Scrooge noch verspotten lassen, weil er geheiratet und eine Familie gegründet hat. Der Alte wirft auch Bob Cratchit vor, trotz des schmalen Lohns, den er ihm bezahlt, eine Familie gegründet zu haben.

„Fröhliche Weihnachten? Was für ein Recht hast du, fröhlich zu sein? Was für einen Grund, fröhlich zu sein? Du bist arm genug.“ (Scrooge, S. 11)

Wenig später kommen zwei Herren von der Armenhilfe vorbei und bitten Scrooge um eine Spende. Der zeigt ihnen die kalte Schulter: Ob es denn keine Armenhäuser gebe, fragt er sie. Doch damit nicht genug: Zuletzt stellt er gar die Armen als Parasiten der Gesellschaft an den Pranger.

Eine Geistererscheinung

Es wird Abend und auch Scrooge muss sein Kontor schließen. Wenn es nach ihm ginge, müsste Bob Cratchit auch am Weihnachtstag zur Arbeit kommen. Doch nicht einmal Scrooge kann so einfach das Gesetz umgehen, und so belässt er es dabei, von Bob zu verlangen, am übernächsten Tag die Arbeit noch früher als sonst zu beginnen. Wie an jedem anderen Abend nimmt Scrooge auch an Weihnachten ein einsames Mahl in einem Gasthaus ein. Er liest Zeitungen und Bankjournale und ist froh, mit niemand sprechen zu müssen. Als Scrooge später an seine Wohnungstür kommt und den Schlüssel ins Schloss stecken will, bemerkt er plötzlich, wie ihn anstelle des Türklopfers ein Gesicht anstarrt – nicht irgendeines, sondern das Gesicht seines verstorbenen Kompagnons Jacob Marley. Scrooge traut seinen Augen nicht. Als er erneut hinschaut, verwandelt sich das Gesicht wieder in einen ganz normalen Türklopfer. Im Haus vernimmt Scrooge das Geräusch einer schweren Kette, die über den Boden geschleift wird. Plötzlich steht ein Geist vor ihm: der Geist von Jacob Marley. Scrooge erschrickt fürchterlich, doch schnell fängt er sich wieder und glaubt, der Situation Herr zu sein. Er bittet den Geist, Platz zu nehmen. Kaum hat sich der erste Schreck gelegt, fährt Scrooge eine zweiter in die Knochen: Das Gespenst hat nämlich sein Kopftuch gelöst, sodass ihm der Unterkiefer bis aufs Brustbein fällt. Verängstigt wirft sich Scrooge zu Boden und fragt, um Gnade winselnd, was der Geist von ihm wolle.

Lebenslange Sühne

Marleys Geist erzählt, dass er sich auf einem langen Weg der Sühne befinde: Seit seinem Tod sei er dazu verurteilt, seinen früheren Mitmenschen zu geben, was er im Leben versäumt habe. Zu Lebzeiten habe er nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst Momente des Glücks vorenthalten. Scrooge fragt nach dem Grund für die Ketten des Geistes. Tatsächlich setzen sich diese nicht aus herkömmlichen Kettengliedern zusammen, sondern aus Kaufmannsutensilien: Kassen, Schlösser, Schlüssel und Bücher, in denen die Einnahmen und Ausgaben des Kontors verzeichnet sind. Es sei die Kette seiner Geschäfte, in denen er sich nur ums Geld, nie aber um die Menschen gekümmert habe, lässt Marleys Geist Scrooge wissen. Der blickt schaudernd an sich herab, weil er insgeheim fürchtet, bereits selbst eine solche Kette zu tragen. Marleys Geist mahnt Scrooge, dass er gekommen sei, um seinem Leben die entscheidende Wende zu geben und ihm zu ermöglichen, ein besserer Mensch zu werden. Das Gespenst kündigt Scrooge an, dass er deshalb Besuch von drei weiteren Phantomen erhalten werde. Als sich Scrooge entsetzt abwendet, wird Marley deutlicher: Nur wenn Scrooge bereit sei, diese Geister zu empfangen, werde er verhindern können, selbst als ruheloser Geist zu enden. Daraufhin verabschiedet er sich.

Reise in die Vergangenheit

Scrooge geht zu Bett, einerseits erleichtert, andererseits aufgeregt wegen des angekündigten Gespensterbesuchs. Als er erwacht, hat er das Gefühl für die Zeit verlo-ren. Schon meint er, dass ihm der Besuch des zweiten Geistes wohl erspart bleibe – da steht dieser prompt auch schon vor ihm. Aus dem Kopf des Gespensts schlägt eine Flamme, und unter dem Arm trägt es seine Kopfbedeckung, einen riesigen Löschhut. Scrooge schwankt zwischen Angst und Keckheit: Er bittet den Geist, nicht ohne Hintergedanken, den Löschhut aufzusetzen, was der Geist aber mit einer harschen Zurechtweisung quittiert: Immerhin sei Scrooge ein Mensch, der dabei sei, sein Leben sinnlos zu vertun. Um ihm zu helfen, habe er sich ein Licht aufgesetzt. Auch dieses Gespenst befindet sich auf dem Weg der Sühne. Es stellt sich vor als der Geist von Scrooges vergangenen Weihnachtsfesten. Scrooge beruhigt sich ein wenig, allerdings vermag er nicht festzustellen, welche ihm bekannte Person sich dieses Mal hinter der Erscheinung verbirgt. Schließlich vertraut sich der alte Kaufmann seinem Besucher an und lässt sich von ihm in das Dorf führen, in dem er seine Kindheit verlebt hat.

„Und dann erkläre mir jemand, warum Scrooge, als er seinen Schlüssel in das Türschloss steckte, in dem Klopfer, ohne dass dieser sich vor seinen Augen verändert hätte, keinen Türklopfer, sondern Marleys Gesicht sah?“ (S. 20)

Alles ist noch genauso wie früher. Zu seinem Entzücken erkennt Scrooge die Dorfbewohner wieder. Der Geist und er bleiben jedoch unsichtbar. Tränen füllen Scrooges Augen, als er einige alte Freunde wiedersieht. Er erlebt ein Wechselbad der Gefühle, puterrot wird sein Kopf, während er zwischen Lachen und Weinen schwankt. Ihn mit diesem aufgeregten Gesicht zu sehen, wäre für seine Geschäftsfreunde in London sicher eine große Überraschung. Tatsächlich steigen menschliche Regungen in ihm auf, ja sogar Reue über die eigene Hartherzigkeit, als ihm das Gespenst einen verarmten Knaben zeigt. Dieser erinnert Scrooge an einen Jungen, der ihm tags zuvor ein Weihnachtslied vorgesungen hat. Scrooge hat ihn natürlich ohne Belohnung weggeschickt.

Scrooges Niederlagen

Dann zeigt das Gespenst Scrooge ein Weihnachtfest, und zwar bei den Fezziwigs, einer freundlichen, liebevollen Kaufmannsfamilie, bei der Scrooge seine Lehre gemacht hat. Am Heiligen Abend laden die Fezziwigs ihre Angestellten, Freunde, ja das ganze Quartier zum Hausball ein. Hoch geht es her – ein kleiner Dank für das im vergangenen Jahr Geleistete. Schlagartig wird sich Scrooge seiner Undankbarkeit gegenüber seinem Gehilfen Bob bewusst. Doch der Geist lässt ihm keine Zeit, Reue zu zeigen. Schon reißt er bei Scrooge eine andere schmerzhafte Wunde auf: Der Kaufmann muss noch einmal erleben, wie seine Verlobte ihn verlassen hat, weil er durch die Geschäftemacherei ein liebloser Mensch geworden ist. Und es trifft Scrooge noch härter: Das Gespenst zeigt ihm die ehemalige Verlobte im Kreise ihrer großen Familie, ein Glück, das Scrooge nie gekannt hat.

„Aber wie wuchs sein Entsetzen, als das Gespenst das Tuch von dem Kopfe nahm, als wäre es ihm zu warm im Zimmer, sodass der Unterkiefer auf die Brust herunterklappte.“ (S. 27)

Für den zweiten Geist ist es nun an der Zeit zu gehen. Scrooge selbst drückt ihm ent-schlossen den Löschhut auf den Kopf und fällt dann erschöpft in einen tiefen Schlaf. Kaum ist er erwacht, stellt sich auch schon der dritte Geist ein. Der will Scrooge nun die diesjährige Weihnacht zeigen. Er führt ihn in seinem Stadtviertel spazieren. Es ist, als ob Scrooge zum ersten Mal von den fremdartig würzigen Gerüchen in den Kolonialwarenläden und den Düften in den Bäckereien in den Bann gezogen würde. Wenig später sieht Scrooge fasziniert, wie beim ersten Glockenschlag die Menschen in die Kirchen strömen.

Das Weihnachten der anderen Leute

Dann führt der Geist Scrooge an die Schwelle des Hauses von Bob Cratchit, seinem ärmlichen Gehilfen. Auch Cratchits Familie ist natürlich mit den Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Mit dabei ist auch Cratchits behindertes Kind Tiny Tim. Erwartungsvolle Blicke sind auf den Vater gerichtet, als er endlich die dampfende Gans auf dem Tisch aufschneidet. Und als die Familie Cratchit Scrooge großzügig seinen Geiz vergibt, ist es diesem, als versetze ihm jemand einen Stich ins Herz. Schließlich gestattet der Geist Scrooge auch einen Blick ins Familienleben seines Neffen Fred. Der alte Kaufmann traut seinen Ohren nicht: Denn statt sich über seinen Onkel, der ihn nie besucht hat und auch die Einladung zum Weihnachtsessen schnöde abgelehnt hat, zu beklagen, erhebt Fred das Glas, um auf ihn zu trinken, und wünscht ihm Glück und Gesundheit. So viel Freundlichkeit beschämt Scrooge. Plötzlich fällt ihm auf, dass der Geist zwei kleine Kinder bei sich hat, die schmutzig und ungepflegt sind und unter seinem weitem Gewand hervorschauen. Sie symbolisieren die Unwissenheit und den Mangel. Ob die armen Kinder denn nicht wüssten, wo sie hingehörten, fragt Scrooge das Phantom. Dieses antwortet mit Scrooges Worten vom Vorabend: der Frage, ob es denn keine Armenhäuser gebe.

Die Rache des kleinen Mannes

Damit entschwindet das Gespenst, um dem vierten Geist Platz zu machen, dessen Besuch Marley vorausgesagt hat. Er ist genauso grauenvoll anzusehen wie seine Vorgänger. Da die Erscheinung – der Geist der zukünftigen Weihnacht – kein Ster-benswörtchen sagt, zittern Scrooge vor Angst die Knie. Was der Geist ihm nun zeigt, ist tatsächlich an Grauen nicht zu übertreffen: Es ist Scrooges eigener Tod. Das Phantom führt ihn mitten in eine Gruppe von Londoner Kaufleuten, die darüber debattieren, ob sie später Scrooges Sarg folgen sollen oder nicht. Denn immerhin sei es das Begräbnis eines Geizhalses, so raunen sie, bei dem nicht viel zu erhoffen sei. Dann verschaffen sich Scrooges Waschfrau, seine Putzfrau und ein Diener Einlass in seine Wohnung. Obwohl noch der Leichnam im Bett liegt, lassen sie alles mitgehen, was sie gebrauchen können. Das Recht ist ja auf ihrer Seite, meinen sie: Hat Scrooge sie nicht jahrelang um ihren korrekten Lohn betrogen? Scrooges Tod hinterlässt überall Erleichterung: bei den Nachbarn, die ihm ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten, ebenso wie in Bob Cratchits Familie. Noch will Scrooge nicht wahrhaben, dass er es ist, der tot auf dem Bett liegt.

Die Wiedergeburt

Als das Phantom Scrooge zum Schluss auf den Friedhof führt und ihm seinen eigenen Grabstein zeigt, muss der Kaufmann endlich einsehen, dass der Tote auf dem Bett er selbst ist. Er erschrickt zutiefst, hat er doch gehofft, noch Zeit zu haben, um seinem Leben eine Wende zu mehr Menschlichkeit zu geben. Das Gespenst wird nun immer dünner, um schließlich ganz zu verschwinden. Da wacht Scrooge wie aus einem langen Schlaf auf und wird sich bewusst, dass alles nur ein Traum gewesen ist. Aber er fühlt auch, dass er ein neuer Mensch geworden ist. Nun versucht er, an einem einzigen Weihnachtstag alles nachzuholen, was er glaubt versäumt zu haben. Zuerst kauft er einen riesigen Truthahn, den er zu Bob Cratchit bringen lässt. Wie von Sinnen lachend zieht er sich dann an und läuft auf die Straße, nicht ohne seinem Türklopfer zu sagen, wie sehr er ihn liebe. Fröhliche Weihnachten nach rechts und links wünschend, reiht er sich in den Menschenstrom ein, der durch die Straßen fließt. Als ihm einer der Herren von der Armenhilfe, die er am Abend noch aus seinem Kontor hinauskomplimentiert hat, über den Weg läuft, verspricht Scrooge ihm eine so hohe Summe, dass dem Mann der Atem stockt. Dann führt ihn sein Weg schnurstracks zu seinem Neffen Fred und dessen Familie. Zwar fährt allen der Schrecken in die Glieder, als Scrooge durch die Tür tritt, doch dann bittet man den Onkel zu Tisch, als sei es nie anders gewesen. Am nächsten Morgen bekommt Bob Cratchit eine Lohnerhöhung, und Scrooge verspricht ihm, sich künftig mehr um seine Familie zu kümmern. Schon bald hat Scrooge den Ruf, einer zu sein, der Weihnachten zu feiern weiß.

Zum Text

Aufbau und Stil

Dass Dickens seine Geschichte ein „Weihnachtslied“ („Christmas carol“) nannte, hatte einen besonderen Grund: Von Liedern, seien es die großen Heldenepen oder die Psalmen, Kirchen- und Weihnachtslieder, ging im Viktorianischen Zeitalter eine starke Wirkung aus. Dickens wollte sich diesen Umstand zweifellos zunutze machen – wobei freilich festgehalten werden muss, dass es sich bei seinem Weihnachtslied um einen Prosatext handelt, wie der Untertitel „Eine Gespenstergeschichte“ ja auch unmissverständlich deutlich macht. Das „Lied“ gliedert sich in fünf „Strophen“ (oder Kapitel), von denen die ersten vier je einem Geist zugeordnet sind. Die letzte beschreibt Scrooges Erwachen am Morgen nach den Geistheimsuchungen und seine Freude am Weihnachtstag. Der Erzählfluss wird in unregelmäßigen Abständen durch erläuternde Einschübe des Erzählers unterbrochen, ganz so, als ob es angesichts der Unwahrscheinlichkeit, die Gespenstergeschichten anhaftet, einer legitimierenden Instanz bedürfe. Zugleich bringen diese Unterbrechungen auch Ironie in die Geschichte und schwächen den moralisierenden Unterton ein wenig ab. Bereits in den ersten Sätzen („Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Kein Zweifel kann darüber bestehen.“) bereitet der Erzähler den Leser darauf vor, dass Sichergeglaubtes in dieser Geschichte durchaus in Zweifel gezogen werden darf – warum sonst sollte der Zweifel ausgerechnet bei etwas so Unzweifelhaftem wie dem Tod ins Spiel gebracht werden? Tatsächlich sind die Grenzen zwischen Scrooges traumhaften Begegnungen mit den Gespenstern und den Rückblicken auf sein Leben in irritierender Weise verwischt.

Interpretationsansätze

  • Charles Dickens hat mit dem Weihnachtslied eine moderne Variante der biblischen Weihnachtsgeschichte geschrieben: Dem Wunder der Geburt Christi entspricht die unerwartete „Geburt“ des Menschenfreundes Ebenezer Scrooge.
  • Ebenso erinnert Scrooges Veränderung an die in der Bibel erzählte Wandlung vom Saulus zum Paulus: Scrooge, der ehemalige Geizhals, wird sich darüber bewusst, als Wohlhabender eine Verantwortung für das Los der Armen zu haben. Bedingung für die Möglichkeit dieser Wandlung ist der Einfluss übernatürlicher Kräfte.
  • Vor seiner Bekehrung kommt Ebenezer Scrooge als der Urtyp des Erfolgsmenschen in der jungen Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts daher: Er erhebt den Egoismus zur Tugend.
  • Dem offen zur Schau getragenen Egoismus Scrooges wohnt auch die nach wie vor aktuelle Kritik daran inne, dass Mitmenschlichkeit an Weihnachten gebunden zu sein scheint, obwohl sie doch das ganze Jahr über praktiziert werden sollte.
  • Im Weihnachtslied variiert Dickens die Botschaft, die sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk zieht: Die Gesellschaft ist nicht so sehr wegen ihrer unübersehbaren Ungleichheiten ungerecht, sondern es ist vor allem die Charakterschwäche Einzelner, die sie inhuman macht.
  • Dickens verwandelt den Wunsch der armen Menschen, ein ihren beschränkten Mitteln entsprechendes, aber dennoch glänzendes Weihnachtsfest zu feiern, in eine Manifestation menschlicher Würde.
  • Der puritanischen Tradition entsprechend entscheidet das Weihnachtslied die Frage nach Erlösung und Verdammnis des Einzelnen anhand dessen Umgang mit seinen Mitmenschen.

Historischer Hintergrund

Weihnachten - eine englische Festkultur

Charles Dickens’ Weihnachtslied erschien 1843, zu Beginn der Regierungszeit (1837–1901) der sittenstrengen und religiösen Königin Victoria. Die Lebenswirklichkeit stand in scharfem Kontrast zu den offiziell verkündeten moralischen und religiösen Standards: Viele Kinder des Industrieproletariats schufteten schon als Zehnjährige in Fabriken und Bergwerken. Dickens machte 1824 eine ähnliche Erfahrung, als er vorübergehend die höhere Schule verlassen und sich in einer Fabrik verdingen musste, weil sein Vater im Schuldgefängnis saß. Unvereinbar mit der großen Armut breiter Bevölkerungskreise schien der Glanz, mit dem in England das traditionelle Weihnachtsfest begangen wurde. Tatsächlich hatte Weihnachten eine zentrale Bedeutung im englischen Festkalender. Zu Beginn der Regierungszeit von Königin Victoria wurde vom 24. Dezember bis zum 6. Januar gefeiert – 14 Tage, an denen sich Freunde und Familienmitglieder gegenseitig besuchten, Bälle, Gesellschaftsspiele und andere Vergnügungen ausrichteten. Für den ärmeren Teil der Bevölkerung bedeutete eine so lange Weihnachtsfeier, dass das Haushaltsbudget enorm strapaziert wurde. Viele Menschen verschuldeten sich, um die Kosten des Festes bestreiten zu können. Nicht zuletzt aus diesem Grund, aber auch weil die Wirtschaft in der ersten Industrialisierungsphase sich so lange Arbeitspausen nicht mehr erlauben konnte, veranlasste die englische Regierung nur wenige Jahre nach Victorias Amtsantritt eine Verkürzung des Fests und die Einführung der Arbeitspflicht. Davon ausgenommen blieb allerdings der 25. Dezember. Dennoch ließ sich niemand das Feiern von Weihnachten nehmen, auch die Armen nicht, selbst wenn es sie vollends in den Ruin stürzte.

Entstehung

Charles Dickens war ein begeisterter Anhänger des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving (1783–1859). Dessen ausgiebige und bewundernde Beschreibungen der englischen Festkultur, insbesondere des Weihnachtsfestes, das er bei ausgedehnten Englandreisen kennen gelernt hatte, bewog Dickens, sich selbst mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Auf seiner Amerikareise Anfang der 1840er Jahre war Charles Dickens dann bei Irving zu Gast. Während dieses Besuchs entstand die Idee, ein Weihnachtslied in Prosa zu schreiben. Anfangs dachte Dickens daran, die Geschichte im Feuilleton einer großen englischen Zeitung zu veröffentlichen, doch das Londoner Verlagshaus Chapman and Hall überredete ihn, die Erzählung sofort in Buchform zu publizieren, was am 17. Dezember 1843 auch geschah. Zum ersten Mal wies Dickens in einem Text Gespenstern eine zentrale Rolle zu und nutzte dafür William Shakespeares Wintermärchen als Inspirationsquelle. Dickens befürchtete anfangs, dass die Sentimentalität des Erzählten kitschig wirken könnte, aber Irving riet ihm, diese Gefahr zu umgehen, indem er seiner eigenen tiefen Menschlichkeit einen schrankenlosen Ausdruck verleihen solle. Tatsächlich war Dickens durch seinen Kontakt zu dem Gesellschaftskritiker Thomas Carlyle auf die Gefahr einer allgemeinen Akzeptanz der Armut aufmerksam gemacht und zu mehr literarischer Kampfeslust aufgefordert worden. Letztlich hatte Dickens aber auch die Kinder als Publikum im Visier, und so enthielt er sich im Weihnachtslied einer allzu gesellschaftskritischen Grundstimmung.

Wirkungsgeschichte

Das Weihnachtslied hatte sofort großen Erfolg beim Publikum. Allein in den letzten Wochen des Jahres 1843 soll es mehr als 1000 Mal über den Ladentisch gegangen sein – eine für damalige Verhältnisse schier unglaubliche Zahl. In Deutschland erschien bereits ein Jahr später eine Übersetzung. Sie wurde von Karl Marx enthusiastisch als Beginn einer dezidiert gesellschaftskritischen Literatur begrüßt, ein Urteil, das Dickens auch in der Literaturwissenschaft den Ruf einbrachte, der Begründer des sozialen Romans zu sein. Obwohl Dickens es vermeiden wollte, eine allzu sentimentale Geschichte zu schreiben, lassen viele Reaktionen immer wieder auch die Rührung spüren, die das Weihnachtslied auslöste. So schrieb etwa Robert Louis Stevenson einem Freund, dass er nach der Lektüre von Dickens’ Text geweint und umgehend beschlossen habe, Geld für die Armen zu spenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen marxistisch orientierte Literaturkritiker Carlyles Mahnung an Dickens wieder auf und warfen dem Autor vor, die Armut zu romantisieren. Ein Klassenkämpfer sei Dickens nicht gewesen, heißt es z. B. in einer Literaturgeschichte, die Anfang der 60er Jahre in der DDR erschien.

Als Walt Disney bei seinem Zeichner Carl Barks die Schaffung eines reichen Geizhalses in Auftrag gab, bediente sich dieser auf der Suche nach einem Vorbild des Helden vom Weihnachtslied – heraus kam Dagobert Duck. Der reiche Onkel Dagobert, der seinen Neffen Donald bis aufs Blut aussaugt, heißt im amerikanischen Original sogar Scrooge McDuck. 1983 brachte Disney mit Mickey’s Christmas Carol eine Kinoversion heraus, die sogar für den Oscar nominiert wurde. Als überzeugende Filmadaptionen des Stoffes gelten die 1984 gedrehte BBC-Fassung mit George C. Scott, die Scrooges Läuterungsprozess in den Vordergrund stellt, und die amerikanische Fernsehverfilmung mit dem englischen Shakespeare-Mimen und Hollywoodstar Patrick Stewart in der Hauptrolle.

Über den Autor

Charles Dickens wird am 7. Februar 1812 in Landport bei Portsmouth als eines von acht Kindern eines Marinezahlmeisters geboren. Weil die Familie über ihre Verhältnisse lebt und der Vater Schuldscheine nicht einlösen kann, kommt sie in ein Schuldgefängnis. Der zwölfjährige Charles wird Hilfsarbeiter in einer Fabrik, um selbst seinen Unterhalt bestreiten zu können. Die Erlebnisse der Kinderarbeit traumatisieren den Jungen und prägen später einen Großteil seines literarischen Werks. Als die Familie aufgrund einer Erbschaft des Vaters wieder freikommt, kann Charles Dickens seine Schulausbildung fortsetzen. Mit 15 Jahren wird er Schreiber in einem Anwaltsbüro. Bald darauf steigt er zum Gerichts- und Parlamentsreporter auf. 1836 heiratet er Catherine Hogarth, die Tochter eines Journalistenkollegen. Als er 1836/37 seine Episodenreihe The Pickwick Papers (Die Pickwickiers) veröffentlicht, erlangt er schnell in ganz England Berühmtheit. Der nachfolgende Fortsetzungsroman Oliver Twist (1837/38) festigt seine Popularität. Er gibt mehrere Zeitschriften heraus und verfasst Kurzgeschichten und Romane. 1849/50 arbeitet Dickens an David Copperfield, einem Werk, das stark autobiografische Züge trägt. Nach 1852 erscheinen seine großen Spätromane Bleak House (Bleakhaus), Hard Times (Schwere Zeiten) und Great Expectations (Große Erwartungen). 1858 trennt sich Dickens von seiner Frau, mit der er inzwischen zehn Kinder hat. Gegen Ende seines Lebens unternimmt er ausgedehnte Lesereisen in Europa und Amerika. Weil sich seine Gesundheit zunehmend verschlechtert, erwirbt er 1868 den Landsitz Gad’s Hill Place bei Rochester. Am 9. Juni 1870 stirbt er dort an einem Schlaganfall. Als Schriftsteller von nationaler Bedeutung wird er in der Dichterecke der Westminster Abbey beigesetzt.

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