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Krieg und Frieden

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Krieg und Frieden

Artemis & Winkler,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
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Was ist drin?

Eine Sternstunde der russischen Literatur: Leo Tolstois gigantisches Epochengemälde der napoleonischen Invasion in Russland.


Literatur­klassiker

  • Historischer Roman
  • Realismus

Worum es geht

Das große russische Epos

Auf über 1600 Seiten präsentiert sich Leo Tolstois Kriegsepos, das die Zeit der Napoleonischen Kriege von 1805 bis 1812 aus der Sicht mehrerer russischer Adliger beleuchtet. Die schiere Handlungsmasse, das gewaltige Figurenpersonal und die minutiöse Verarbeitung historischer Fakten machen aus Krieg und Frieden den wichtigsten Roman Leo Tolstois und gleichzeitig einen Klassiker, der in der Weltliteratur seinesgleichen sucht. Das Epos ist Historien-, Familien- und Bildungsroman in einem, es lässt neben fiktiven Charakteren berühmte Persönlichkeiten wie Napoleon und Zar Alexander auftreten, und es lässt das Tolstoi'sche Geschichtsverständnis klar erkennen: Der Einzelne hat keine Gewalt über sein Schicksal - Geschichte wird von vielen gemacht. Im steten Wechsel von Krieg und Frieden, Morden und Lieben, Unglück und Freude treibt Tolstoi seine komplizierten Handlungsstränge voran. Auf einzigartige Weise verknüpft der Roman in einer ungeheuren Detailfülle Einzelschicksale mit weltgeschichtlichen Großereignissen, stellt unterschiedliche Weltanschauungen nebeneinander und liefert ein genaues Bild der Gesellschaft des zaristischen Russlands zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Take-aways

  • Tolstois Krieg und Frieden, einer der größten Romane der Weltliteratur, ist eine gewaltige Schilderung Russlands während der Napoleonischen Kriege (1805-1812).
  • Das Werk hat in vielerlei Hinsicht Maßstäbe gesetzt: In ungeheurer Detailfülle zeigt der Historien-, Familien- und Bildungsroman eine wichtige Epoche Europas, wobei er geschickt historische Ereignisse mit Einzelschicksalen kombiniert.
  • Im rhythmischen Wechsel von Kriegs- und Friedensszenen erfährt der Leser die Ereignisse an der Front und in einigen russischen Familien in Moskau und St. Petersburg.
  • Der Roman hat eine Vielzahl von Akteuren. Im Zentrum stehen Schicksal der Familien Rostow und Bolkonskij und die wechselvolle Geschichte des Pierre Besuchow.
  • Andrej Bolkonskij geht zum Militär und nimmt an den Schlachten von Austerlitz, Schöngraben und Borodino teil. In der Schlacht von Borodino wird er verwundet und stirbt.
  • Nikolaj Rostow, auch er Soldat, überlebt den Krieg: Nach der Vertreibung Napoleons aus Moskau heiratet er Andrejs Schwester Marja.
  • Pierre Besuchow erlebt den Krieg aus der Ferne, muss mit mehreren persönlichen Lebenskrisen fertig werden, bis er sich schließlich in Natascha Rostow verliebt.
  • Tolstoi liefert detaillierte Beschreibungen der Schlachtfelder und Lagebesprechungen und lässt historische Persönlichkeiten wie Zar Alexander I. und Napoleon auftreten.
  • Die Handlungsstränge verlaufen nicht synchron und geordnet: Getreu seinem Geschichtsmodell entwickelt sich Tolstois Roman chaotisch - wie der Krieg.
  • Neben den weltgeschichtlichen Ereignissen beschreibt der Autor die Suche der Hauptakteure nach Glück und innerem Gleichgewicht, die je nach Charakter anders ausfällt.
  • Das Werk erschien ab 1865 in mehreren Teilen in der russischen Zeitschrift Russkij Wjestnik, ungefähr zeitgleich mit Dostojewskijs Roman Schuld und Sühne.
  • Krieg und Frieden wurde als Oper von Prokofjew vertont und mehrmals verfilmt.

Zusammenfassung

Eine vornehme Abendgesellschaft

Juni 1805. Wir befinden uns im Haus von Anna Pawlowna Scherer, die zu einer Abendgesellschaft geladen hat, auf der alles erscheint, was in St. Petersburg Rang und Namen hat. Einer der ersten Gäste ist Fürst Wassilij Kuragin. Mit ihm unterhält sich die Gastgeberin über Napoleon, in dem sie den leibhaftigen Antichrist erkennt. Fürst Wassilij macht sich eher Gedanken um seinen Sohn Anatol Kuragin, der ein umtriebiges Leben führt. Unter den anderen Gästen sind der junge Fürst Andrej Bolkonskij mit seiner schwangeren Frau, der "kleinen Fürstin" Lise Bolkonskaja, Pierre Besuchow, der uneheliche Sohn des Grafen Besuchow, sowie Hippolyt und Helene Kuragin, Fürst Wassilijs zweiter Sohn und seine Tochter. Andrej fühlt sich sichtlich gelangweilt von seiner schnatterhaften Frau. Erst als Pierre erscheint, hellt sich seine Miene auf: Die beiden sind alte Freunde und stimmen gemeinsam in einen Lobgesang über Napoleon ein. Nach der Feier verbringen Pierre und Andrej den Abend zusammen.

Namenstag

In der Familie Rostow feiern Mutter und Tochter ihren Namenstag. Während der Feier zerreißen sich die Gäste das Maul über ein wildes Saufgelage, an dem Pierre kurz nach der Abendgesellschaft teilgenommen hat - während sein Vater, der Graf Besuchow, im Sterben lag. Das Gespräch der Erwachsenen wird von den Kindern unterbrochen, die mit großem Lärm in die Stube stürmen: Da sind die unbändige 13-jährige Natascha und ihr Bruder Nikolaj Rostow, Boris Drubezkoj, der Sohn von Anna Michailowna Drubezkaja, und die 16-jährige Sonja, die Nichte der Gräfin Rostow. Beim Essen geht es um Politik und Russlands Reaktionen auf Napoleons Vormarsch. Während man bei den Rostows noch feiert, erleidet Graf Besuchow, Pierres Vater, auf seinem Anwesen den sechsten Schlaganfall. Pierre ist sichtlich schockiert über den Zustand seines Vaters. Die herbeigeeilte Anna Michailowna, der Fürst Wassilij Kuragin und Catiche, die Nichte des Grafen, geraten in einen Streit über das Erbe, als plötzlich die Nachricht vom Tod des Grafen überbracht wird. Pierre ist dessen alleiniger Erbe.

Aufbruch

Auf dem Gut der Familie Bolkonskij wartet man gespannt auf die Rückkehr von Andrej mit seiner Frau Lise. Der alte Fürst Nikolaj Andrejewitsch Bolkonskij führt hier ein strenges Regiment, auch über seine jüngste Tochter Marja. Sie freut sich über die Ankunft von Andrej und noch mehr über Lise, die ihr sogleich den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Stadt übermittelt. Kaum angekommen, muss Andrej schon wieder packen: Er verlässt das Gut am folgenden Tag, um sich in den Militärdienst zu begeben.

Brennende Brücken

Österreich, Oktober 1805: Andrej ist Adjutant im Regiment von General Kutusow. Die österreichischen Verbündeten haben in Ulm eine schwere Niederlage gegen Napoleons Armee erleiden müssen. Währenddessen befindet sich Nikolaj Rostow als Junker in der Schwadron von Wassilij Denissow vor Braunau. Kutusows Regiment tritt den Rückzug nach Wien an, die Schwadron von Denissow im Gefolge. Hier erlebt Nikolaj den ersten Angriff der Franzosen: Seine anfängliche Kampfeslust schwindet, als er den Horizont beobachtet und die Kampfhandlungen wie eine Collage davor ablaufen sieht. Wie schnell könnte es gehen, dass er diesen Himmel niemals wieder sieht! Schließlich gelingt es der Schwadron, die Brücke mit minimalen Verlusten zu überqueren und hinter sich zu verbrennen. General Kutusow überquert mit seiner Armee die Donau und besiegt hier eine französische Division. Andrej wird mit der guten Nachricht zum österreichischen Kaiser nach Brünn geschickt. Nach einem kurzen Aufenthalt bei dem russischen Diplomaten Bilibin, von dem er erfahren muss, dass Napoleon inzwischen Wien erobert hat, kehrt Andrej zu seiner Armee zurück. Er tritt dem Regiment unter Fürst Bagration bei und nimmt an der Schlacht von Schöngraben teil, wo unter der Führung von Hauptmann Tuschin ein Sieg errungen wird.

Nachrichten von der Front

Ortswechsel: Nach seiner Erbschaft ist Pierre schlagartig zum begehrtesten Junggesellen in St. Petersburg geworden. Fürst Wassilij Kuragin fädelt geschickt etliche Festivitäten ein, damit er Pierre und seine Tochter Helene zusammenbringen kann. Ihre offensichtliche Schönheit und das verführerische Dekolletee reizen Pierre schließlich derart, dass er um sie wirbt und sie heiratet. Im Hause Rostow ist man derweil erfreut, nach langer Zeit einen Brief von Nikolaj von der Front zu erhalten. Man äußert sich bestürzt über seine Verwundung, freut sich aber umso mehr über seine Beförderung. Boris wird mit einem Brief und Geld zu ihm geschickt. In Olmütz treffen sich die beiden und erzählen sich gegenseitig ihre Kriegserlebnisse. Als der russische Zar Alexander I. das Regiment besucht und die Soldaten lobt, ist Nikolaj von großer Begeisterung für seinen Herrscher erfüllt.

Austerlitz

Andrej nimmt am Kriegsrat für die bevorstehende Schlacht von Austerlitz teil. In Gedanken entwickelt er einen eigenen Schlachtplan und fühlt sich innerlich dazu berufen, für seine Soldaten zu sterben. Im Morgengrauen greifen die Franzosen an. Der russische Zar, der österreichische Kaiser und ihre Heere stehen in dieser "Dreikaiserschlacht" Napoleon und seinen Truppen gegenüber. Am Ende sind die Franzosen siegreich. Andrej wird getroffen und fällt von seinem Pferd. Als er das Bewusstsein wiedererlangt, steht Napoleon, sein einstiges Vorbild, direkt vor ihm: Verglichen mit dem überwältigenden Firmament, dessen Bild sich immer wieder in sein Bewusstsein schiebt, erscheint ihm der posierende Napoleon jetzt wie ein kleiner Schmierenkomödiant. Und das, obwohl sich der Sieger geradezu rührend um die Versorgung seiner Gefangenen kümmert.

Die Heimatfront

Nikolaj Rostow besucht auf einem Fronturlaub seine Familie und verbringt die folgende Zeit mit vielen Partys und Gesellschaften. Sein Vater gibt eine große Feier zu Ehren des Fürsten Bagration, bei der es zu einem Eklat zwischen Pierre und einem gewissen Dolochow kommt, der es offensichtlich auf Pierres Frau abgesehen hat. Es kommt zu einem Duell, bei dem Pierre siegreich ist. Seine Frau Helene beschuldigt ihn der Spionage und Pierre zieht die Konsequenzen aus der Affäre: Er überschreibt ihr die Hälfte seines Vermögens, trennt sich von ihr und reist nach St. Petersburg ab.

„Russland allein muss der Retter Europas werden.“ (S. 7)

Auf dem Gut der Bolkonskijs hat man monatelang nichts mehr von Andrej gehört und man glaubt bereits, er sei tot. Seine Frau Lise liegt in den Wehen und kurz darauf erscheint Andrej und spricht ihr Mut zu. Sie stirbt bei der Geburt und Andrej empfindet deswegen eine tiefe Schuld. Das Kind wird wie sein Großvater Nikolaj getauft.

Ein neuer Anfang für Pierre

Während seiner Reise tritt ein älterer Herr auf Pierre zu und verwickelt ihn in ein Gespräch über Gott und die Welt. Pierre fühlt sich erleichtert und verspürt den Wunsch, sein brüchiges Leben neu zu beginnen. Der alte Mann entpuppt sich als Freimaurer, der Pierre in St. Petersburg in die ansässige Loge einführt. Nach dem Aufnahmeritual begibt sich Pierre auf seine Ländereien im Süden, wo er seine neuen Ideale von Nächstenliebe gleich in die Tat umsetzen will. Er weist seine Verwalter an, Schulen und Krankenhäuser für die Bauern zu errichten. In seinem Enthusiasmus entgeht ihm jedoch, dass die korrupten Verwalter nur vorgeben, seine Wünsche zu erfüllen.

„Fürst Bolkonskij war ein sehr hübscher junger Mensch, ziemlich klein von Gestalt, mit einem markanten, etwas trockenen Gesicht.“ (S. 18)

Nikolaj Rostow kehrt nach seinem Heimaturlaub zu seinem Regiment zurück. Anders als früher fühlt er sich hier nun wie zu Hause. Zu seinem Entsetzen muss er jedoch mit ansehen, wie sich Zar Alexander und Napoleon anlässlich eines Waffenstillstands die Hände reichen. Diese Geste verwirrt den Soldaten vollkommen, der sich daraufhin - die Wege der Politik missverstehend - betrinkt.

Jahre der Entspannung

Zeitsprung. Die neue Allianz mit Napoleon geht sogar so weit, dass die russische Armee dem einstigen Erzfeind zu Hilfe kommt, als Napoleon 1809 Österreich erneut den Krieg erklärt. Fürst Andrej hat die letzten zwei Jahre auf seinen Gütern verbracht, wo er all die Reformen glücklich durchführen konnte, die Pierre zwar geplant, aber nie realisiert hat. Auf einem Kurzbesuch beim Grafen Rostow fällt ihm die hübsche Natascha auf. Nach mehrmaligen Besuchen macht er ihr einen Heiratsantrag, muss diesen jedoch für ein Jahr aussetzen, weil ihn sein Vater zu diesem Schritt nötigt. Schweren Herzens stimmen Andrej und Natascha zu. Während dieser Zeit verstärkt Pierre seine Aktivitäten bei den Freimaurern. Nikolaj hat es in seinem Pawlograder Regiment inzwischen zum Eskadronchef gebracht und genießt seine neuen Aufgaben. Ein Hilferuf seiner Mutter führt ihn jedoch nach Hause, wo er sich um die Finanzen der Familie kümmern muss und an einer aufregenden Wolfsjagd teilnimmt. Weihnachten naht und Natascha sehnt sich nach ihrem Liebsten. Auch Nikolaj verliebt sich: zum Leidwesen seiner Eltern in Sonja, die Ziehtochter der Gräfin. Er plant, sie zu heiraten.

Eine verhängnisvolle Affäre

Nach dem Tod seines Mentors hält die Freimaurerloge für Pierre keine Reize mehr bereit. Er scheidet aus und zieht zurück nach Moskau, wo er dem Alkohol verfällt. Bei einem Besuch bei den Bolkonskijs, die sich ebenfalls gerade in der Stadt aufhalten, trifft er Marja in trübseliger Stimmung an: Sie fühlt sich allein gelassen in Moskau, beginnt ihren strengen Vater zu hassen und kann die Verbindung von Andrej mit Natascha Rostow nicht gutheißen. Bei einem Besuch der Rostows kommt es fast zu einem Eklat zwischen ihr und Natascha. Letztere beginnt eine Affäre mit Anatol Kuragin. Als sie jedoch herausfindet, dass er bereits verheiratet war, löst sie die Verbindung und ist am Boden zerstört - zumal ihr Andrej diesen Seitensprung nicht verzeihen kann.

Wieder Krieg

Am 12. Juni 1812 überschreiten Napoleons Truppen die Grenzen Russlands und missachten damit das Waffenstillstandsabkommen. Diplomatische Verhandlungen schlagen fehl. Der Krieg beginnt erneut. Andrej, desillusioniert von Nataschas Affäre, lässt sich an die Westfront versetzen. Er sendet seinem Vater eine Warnung, dass es auf dem Landgut zu gefährlich werden könnte und er lieber nach Moskau ziehen solle. Auf dem Weg dorthin stirbt der alte Fürst Bolkonskij. Nikolaj erscheint mit seinen Kameraden und sorgt für eine sichere Passage der Familie nach Moskau. Dabei verliebt er sich in Marja. Pierre, der sich immer mehr zu Natascha hingezogen fühlt, besucht die Truppen in der Nähe von Borodino und wird erstmalig mit der Realität des Schlachtfelds konfrontiert.

Die Schlacht von Borodino

Am Vorabend der großen Schlacht von Borodino schreitet Napoleon seine Truppen ab und gibt einige Befehle, die aber später wegen der Unübersichtlichkeit auf dem Kampfplatz gar nicht ausgeführt werden können. Die äußerst blutige Schlacht endet mit einem Patt: Napoleons Armee wird von den von General Kutusow kommandierten Truppen zurückgeschlagen, die russische Armee wird dabei aber fast vollständig aufgerieben. Andrej wird von einem Geschoss getroffen und schwer verletzt. Aufgrund der geringen Stärke der Armee gibt Kutusow Moskau auf und rät zur Evakuierung. Pierre trägt sich mit dem Gedanken an ein Attentat auf Napoleon. Während die Rostows Moskau zusammen mit einigen Soldaten verlassen, finden sie den schwer verwundeten Andrej. Natascha entschuldigt sich bei ihm für ihre Fehler und kümmert sich um den Verletzten. Die Franzosen nehmen Moskau ohne viel Gegenwehr ein; die Stadt gerät jedoch in Brand. Pierre streift durch die Straßen und rettet ein Kind vor den Flammen und eine Frau vor der Misshandlung durch Franzosen. Dabei wird er von ihnen aufgegriffen und verhaftet. Marja findet sich bei den Rostows ein und kümmert sich zusammen mit Natascha um Andrej, der kurz darauf an seinen Verletzungen stirbt.

Napoleon wird vertrieben

Napoleon macht es sich in Moskau gemütlich: Er und seine Mannen genießen das luxuriöse Leben in der halb zerstörten Stadt. Doch schließlich werden sie von der wieder erstarkten russischen Armee vertrieben. Pierre lernt in seinem französischen Gefangenenlager die Kostbarkeit des Lebens kennen. Er trifft den Mitgefangenen Platon Karatajew, der durch die Art, wie er seinen eigenen Tod gleichmütig annimmt, in ihm eine Art Wiedergeburt des Glaubens bewirkt, sodass er die Strapazen der Rückführung nach Smolensk innerlich gefasst bewältigen kann. Waska Denissow, der seine Truppen erfolgreich in einen Guerillakrieg gegen die fliehenden Franzosen geschickt hat, befreit Pierre. Es gelingt der russischen Armee, die Franzosen aus dem Land zu jagen. Pierre begibt sich nach Moskau zurück, wo er auch Natascha wieder trifft. Er macht ihr einen Heiratsantrag, den sie annimmt. Aus finanziellen Gründen heiratet Nikolaj Marja. Natascha und Pierre bekommen drei Kinder und gehen voll in ihrem häuslichen Leben auf.

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Aufbau und Stil

Tolstois Mammutwerk besteht aus 15 Teilen und einem Epilog, die durch unzählige kleinere Kapitel untergliedert sind. Es gibt weder Überschriften noch ein klar erkennbares Aufbauprinzip - bis auf den ständigen Wechsel zwischen ausufernd detaillierten Beschreibungen des Kriegsschauplatzes und dem gesellschaftlichen Leben in Moskau und St. Petersburg. Die Kontraste von Leben und Tod, Freude und Trauer, Krieg und Frieden bestimmen den Rhythmus des Erzählens. Tolstoi versammelt eine ungeheure Masse von Figuren, die in kürzester Zeit eingeführt werden: eine echte Prüfung für das Namensgedächtnis des Lesers. Der Gang der Handlung folgt scheinbar dem Zufallsprinzip: Beziehungen werden geknüpft und wieder aufgelöst, Schlachten geschlagen und Geplänkel absolviert, wichtige Entscheidungen getroffen und wieder revidiert. Im konstanten Tempo der Weltgeschichte werden die Protagonisten zu Spielbällen des Schicksals, das Tolstoi gemäß seiner Philosophie als große im Hintergrund wirkende Kraft stets präsent hält. Die Schlachten von Schöngraben, Austerlitz und Borodino lässt Tolstoi von seinen drei männlichen Hauptfiguren (Pierre, Andrej und Nikolaj) berichten: Mit diesem Kunstgriff entzieht er sich den Zwängen einer historisch korrekten Erzählweise.

Interpretationsansätze

  • Bei aller Großartigkeit der äußeren Ereignisse beschreibt der Roman immer auch die Suche einzelner Menschen nach innerer Harmonie, sittlichen Idealen und Glück. Dieses Streben wird besonders von den kontrastierenden Figuren Pierre und Andrej ausgedrückt, die auch autobiographische Züge Tolstois tragen. Während Andrej eher ein Intellektueller ist, verlässt sich Pierre mehr auf Gefühl und Instinkt. Zugleich verkörpern sie die allgemeine Differenz in der damaligen russischen Gesellschaft zwischen slawophilen Traditionalisten und westlich ausgerichteten Modernisierern.
  • Vielen Kapiteln stellt Tolstoi Erläuterungen seines Geschichtsverständnisses voran, das ein wenig an die Weltgeist-Philosophie Hegels erinnert: Tolstoi bestreitet, dass die Historie von einzelnen heldenhaften Persönlichkeiten bestimmt wird; sie kommt vielmehr durch das Handeln vieler Menschen zustande.
  • Konsequenterweise erscheinen die berühmten politischen Persönlichkeiten im Roman als blasse Schablonen des Mythos, der sie umgibt: Insbesondere Napoleon wird von Tolstoi vom Sockel des "Genies der Kriegskunst" gestoßen und aufs Normalmenschliche zurechtgestutzt. Auch er ist nicht der große Gestalter der Geschichte, sondern ebenso sehr ihr Spielball.
  • Tolstoi kehrt in vielen Fällen das sokratische Ideal, dass körperliche Schönheit der Abglanz innerer Größe sei, um: Hinter der Maske äußerlich schöner Menschen verbergen sich oft lasterhafte Seelen (z. B. Anatol), und äußerlich unscheinbare oder gar hässliche Menschen entpuppen sich als moralisch gut (z. B. Pierre).
  • Tolstoi kontrastiert Schlachtszenen mit Naturbeschreibungen, die über das aktuelle Geschehen hinausweisen: So nimmt beispielsweise Andrej die Kampfhandlungen vor dem unermesslich weiten Horizont wahr, als würden sie in Zeitlupe ablaufen - und begreift so die Nichtigkeit seiner eigenen Existenz. Tolstoi gelingt mit seinen Naturbeschreibungen eine "Ästhetik der Relativierung".

Historischer Hintergrund

Russland im frühen 19. Jahrhundert

Krieg und Frieden spielt in der wechselvollen und ereignisreichen Zeit der Napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts. Den Ausgangspunkt bildet das Jahr 1805, in dem sich Russland mit England, Österreich und Schweden gegen Napoleon verbündete. Am 2. Dezember 1805 wurden Russland und Österreich in der so genannten Dreikaiserschlacht bei Austerlitz geschlagen. Nach vielen weiteren Niederlagen der wechselnden Koalitionen gegen Frankreich kam es am 7. Juli 1807 zum Frieden von Tilsit. Russland bekannte sich zur Kontinentalsperre Napoleons, die jeden Handel mit britischen Schiffen unterbinden sollte. Als Zar Alexander I. diese Handelssanktionen im Jahr 1812 nicht mehr anerkannte, begann Napoleon mit seiner 600 000 Mann starken "Grande Armée" die Invasion Russlands. Borodino, die vielleicht blutigste Schlacht des 19. Jahrhunderts, macht Tolstoi in seinem Roman zum zentralen Element der Handlung: Bei dem Zusammenprall von Napoleons Armee und den Soldaten des russischen Feldmarschalls Michail Kutusow starben über 70 000 Mann. Nach der Schlacht gelang Napoleon die Besetzung Moskaus, doch der Brand der Stadt, der russische Winter, Nahrungsmangel und russische Guerillaattacken zwangen ihn schließlich wieder zum Rückzug.

Nach den Befreiungskriegen brach eine schwierige Zeit für die russische Gesellschaft an. Trotz zahlreicher Reformen zeigte sich Zar Alexander I. fest von seiner autokratischen Herrschaft überzeugt. Seine Furcht vor einer Revolution führte spätestens ab 1819 zu drakonischen Maßnahmen: einer scharfen Zensur und einem Ausbau des Polizeiapparates. Die Reaktion des aufgeklärten Adels auf die repressive Politik des Zaren entlud sich nach Alexanders Tod im Dekabristenaufstand von 1825, der die Umwandlung des Zarenreiches in eine Republik bzw. konstitutionelle Monarchie zum Ziel hatte. Alexanders Nachfolger Nikolaus I. schlug den Aufstand nieder und ließ etliche der Beteiligten zum Tode verurteilen oder ins Exil nach Sibirien schicken. Tolstoi wollte zunächst einen Roman über diesen Dekabristenaufstand schreiben, der Stoff wurde aber immer umfangreicher und am Ende wurde daraus das Mammutwerk Krieg und Frieden.

Mit diesem Roman zeigte sich Tolstoi als Vertreter des Realismus (etwa von 1830 bis 1880) in der russischen Literatur. Die Literatur dieser Epoche versuchte, das gesellschaftliche und politische Geschehen wirklichkeitsgetreu abzubilden, möglichst ohne Überhöhung oder Stilisierung. Die russischen Schriftsteller dieser Schule schrieben vor allem über brennende soziale und politische Themen und Probleme, weil sie meinten, dass die Literatur das wirkliche Leben unsentimental darstellen sollte, und weil sie überzeugt waren, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse den Menschen wesentlich prägen. Anders als Dostojewskij, der in seinem Werk vor allem realistisch ausgefeilte Einzeldarstellungen der menschlichen Psyche anfertigte, weitete Tolstoi seinen Erzählerblick auf die Totalität einer ganzen Epoche: In Krieg und Frieden geht es weniger um Einzelschicksale oder dramatische Personenkonstellationen, weshalb der Leser sich auch kaum mit einer einzelnen Figur identifizieren kann. Stattdessen schildert Tolstoi den fatalen Verlauf der Geschichte als Ganzes, gegen deren unbarmherzige Schicksalhaftigkeit sich die einzelnen Personen kaum wehren können.

Die Entstehung von Krieg und Frieden

Tolstoi hatte zunächst ein völlig anderes Werk geplant: Dekabristy, von dem noch ein Fragment von 1860 erhalten ist, sollte von einem adligen Offizier handeln, der an dem Dekabristenaufstand von 1825 gegen den Zar teilnimmt, danach ins sibirische Exil geschickt wird und 30 Jahre später zurückkehrt. Tolstoi brach diese ursprüngliche Geschichte nach drei Kapiteln ab und widmete sich mit Krieg und Frieden ganz den Ereignissen vor, während und nach den Napoleonischen Kriegen. Tolstoi veröffentlichte sein Werk vom Jahr 1865 an in der russischen Zeitschrift Russkij Wjestnik. Wegen der großen Zeitabstände der Veröffentlichung lag Krieg und Frieden erst im Dezember 1869 vollständig vor. Tolstoi überarbeitete das Buch später noch mehrfach.

Wirkungsgeschichte

Tolstoi gehört zu den bedeutendsten und meistgelesenen Autoren der Weltliteratur, besonders mit seinen beiden Romanen Krieg und Frieden und Anna Karenina. Vladimir Nabokov (1899-1977) bezeichnete Krieg und Frieden als den Roman, der Tolstoi zum "bedeutendsten russischen Prosaautor" machte. Der Autor selbst sprach dem Werk ohne jede Bescheidenheit den Rang einer modernen Ilias zu (Homers antikes Epos über den Trojanischen Krieg). Heinrich Böll meinte: "Wenige Romane der Weltliteratur sind so geeignet, das Lesen zu lehren, wie Krieg und Frieden". Und Thomas Mann lobte Tolstois Geschick, einen derart umfangreichen Roman zu bewältigen: "Er hatte das Format des 19. Jahrhunderts, dieser Riese, der epische Lasten trug, unter denen das so viel schmächtigere und kürzer atmende Geschlecht von heute zerknicken würde." Sergej Prokofjew schuf 1946 eine Oper mit dem Titel Krieg und Frieden. Der Roman wurde auch mehrmals verfilmt, u. a. von King Vidor mit Audrey Hepburn und Henry Fonda in den Hauptrollen.

Über den Autor

Leo Nikolajewitsch Tolstoi wird am 9. September 1828 in Jasnaja Poljana in eine russische Adelsfamilie hineingeboren. Weil er früh seine Eltern verliert, wird er von einer Tante erzogen. Zwischen 1844 und 1847 besucht er die Universität von Kasan, doch das Studium der Orientalistik und Rechtswissenschaft bricht er ohne Examen ab. Auch den ursprünglichen Plan, in den diplomatischen Dienst einzutreten, verwirft er. Von den Ideen Rousseaus beflügelt, versucht er das System der Leibeigenschaft auf seinen Gütern abzuschaffen, was ihm jedoch nicht gelingt. Nach Jahren des Nichtstuns und angesichts angehäufter Spielschulden meldet er sich 1851 freiwillig zum Militärdienst. Er nimmt an den Kämpfen im Kaukasus und am Krimkrieg teil. Ab 1856 geht er auf zwei größere Europareisen. Nach seiner Hochzeit mit der erst 18-jährigen Sofia Andrejewna Bers, mit der er 13 Kinder haben wird, lässt er sich 1862 an seinem Geburtsort nieder und verzeichnet erste kleine schriftstellerische Erfolge. Ab 1869 erleidet Tolstoi eine tiefe Sinnkrise, nicht zuletzt, weil ihm die Widersprüche zwischen seinem eigenen Leben im Wohlstand und seinen politischen Überzeugungen unauflösbar erscheinen. Er liest Schopenhauer, was seine pessimistische Grundeinstellung noch weiter vertieft. Seine Arbeit wird zunehmend von ethischen und religiösen Themen bestimmt. Unter diesen Vorzeichen entstehen auch seine großen Romane Krieg und Frieden (1868/69) und Anna Karenina (1875–1877). 1901 lehnt er den Nobelpreis für Literatur ab, weil ihm inzwischen jede Art von Organisation – sogar soziale und kulturelle – suspekt ist; auch die Exkommunikation aus der russisch-orthodoxen Kirche (er weigert sich u. a., die Dreieinigkeit Gottes anzuerkennen) im selben Jahr nimmt er gelassen hin. Im November 1910 versucht er seiner zunehmend zerrütteten Ehe durch eine heimliche Flucht zu entkommen und will künftig besitzlos und einsam leben. Auf der Bahnstation von Astapowo stirbt er noch im gleichen Monat, am 20. November 1910, an einer Lungenentzündung.

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    K. K. vor 7 Jahren
    Gute Zusammenfassung

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