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Liebende Frauen

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Liebende Frauen

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Wie kann man lieben, ohne im Klischee zu erstarren? Eine tabulose Erkundung moderner Seelen.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Neue Liebesentwürfe

1916, mitten in den Kriegswirren, schrieb D. H. Lawrence einen komplexen Roman, in dem vom Krieg keine Spur zu finden ist, dafür aber die tiefe Überzeugung, dass die gesellschaftlichen Entwürfe der Vorkriegszeit endgültig zusammengebrochen sind. Zwei Schwestern erkunden Lebensperspektiven jenseits der üblichen Ehe, und zumindest einer von ihnen gelingt es am Ende, ihre Beziehung auf eine „höhere Ebene“ zu heben. Ein Schwanken zwischen Konvention und Moderne ist im Roman spürbar: Subtile psychische Vorgänge werden irritierend konventionell dargestellt; ein allwissender Erzähler hat beliebigen Zugang zum Bewusst- und Unterbewusstsein der Figuren, leuchtet dieses aber nicht kühl wissenschaftlich aus, sondern präsentiert es wie ein überengagierter Schullehrer. Heute würde man sagen: Ein strenger Lektor hätte dem Buch gut getan – und zwar nicht um es auf heikle Inhalte zu prüfen, wie dies bei der Veröffentlichung 1920 geschah.

Take-aways

  • Liebende Frauen ist einer der wichtigsten Romane von D. H. Lawrence, dem Autor von Lady Chatterleys Liebhaber.
  • Lawrence lotet darin die Möglichkeiten der Liebe jenseits der konventionellen Ehe aus – andeutungsweise auch die Liebe unter Männern.
  • Inhalt: Die Schwestern Ursula und Gudrun Brangwen wünschen sich ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben. Während Ursula schließlich eine „höhere Ehe“ eingeht, ohne festes Heim und ohne Kinder, sieht Gudrun, deren Liebesbeziehung in einem tödlichen Machtkampf endet, einer ungewissen Zukunft mit einem Künstler entgegen.
  • Die Schwestern tauchen bereits als Hauptfiguren im vorangegangenen Roman Der Regenbogen (1915) auf.
  • Lawrence kritisiert überkommene gesellschaftliche Strukturen ebenso wie die Seelenlosigkeit der industrialisierten Moderne.
  • Die Figuren sind spiegelbildlich zueinander angelegt: Sie handeln parallel, die einen erfolgreich, die anderen nicht.
  • Lawrence schrieb den Roman 1916, mitten im Ersten Weltkrieg.
  • Sittenstrenge Kreise waren empört über die Freizügigkeit des Geschilderten.
  • Auch Personen aus Lawrence’ Umfeld gaben sich entrüstet – sie erkannten sich in einzelnen Figuren wieder.
  • Zitat: „Dieses Leben. (...) Wir müssen es ganz zum Bersten bringen, oder wir werden darin verkümmern, wie in einer zu engen Haut.“

Zusammenfassung

Zwei Schwestern

Die Schwestern Ursula und Gudrun Brangwen, 26 und 25 Jahre alt, beide Lehrerinnen, sitzen stickend und zeichnend in ihrem Elternhaus und sprechen übers Heiraten. Die Ehe reize sie nicht, bekennt Ursula. Sie hat schon mehrere Anträge abgelehnt, weil sie befürchtet, Heiraten bedeute das Ende jeder Erfahrung. Gudrun hat in London Kunst studiert und ist mit zwiespältigen Gefühlen in die Kleinstadt Beldover zurückgekehrt. Sie hofft, hier auf einen passenden Mann zu treffen – allerdings ohne aktiv nach einem solchen Ausschau zu halten. Auf die Frage, ob man Kinder bekommen soll, reagiert Gudrun entschieden ablehnender als Ursula. Als die beiden später einen Spaziergang machen und eine Hochzeitsgesellschaft beobachten, ist Gudrun fasziniert von Gerald Crich, dem Bruder der Braut, einem blonden, gut aussehenden, sehr selbstbewussten Mann, der eine gewisse Gefährlichkeit ausstrahlt. Ursula hingegen fühlt sich von Rupert Birkin angezogen, dem Trauzeugen. Er ist mit Hermione Roddice zusammen, die ihn zwar heiraten möchte, aber fühlt, dass er sich ihr immer mehr entzieht. Gerald und Birkin sind befreundet, sie empfinden allerdings mehr füreinander, ohne sich das einzugestehen. Ursula sieht Birkin wieder, als er überraschend in ihrem Klassenzimmer erscheint – er ist Schulrat. Auch Hermione kommt hinzu, sie ist ihm nachgegangen. Vor den Kindern geraten Hermione und Birkin in Streit über den Schulunterricht. Die betont intellektuelle Hermione spricht sich für unbekümmerte Ursprünglichkeit aus, worauf Birkin ihr vorwirft, dass ihr jede Sinnlichkeit zutiefst fremd und sie nur auf Pornografie aus sei. Die beleidigte Hermione lädt Ursula und ihre Schwester in ihr Haus ein, bevor sie geht.

Londoner Boheme

Birkin muss beruflich nach London. Am Bahnsteig trifft er Gerald, der ebenfalls dorthin will. Im Zug beginnen sie zu diskutieren und landen bald bei einem großen Thema: dem Sinn des Lebens. Für Birkin besteht er in der Liebe. Er stellt sich eine Art höhere Ehe vor, die sich nicht um überkommene Konventionen schert. Momentan allerdings liebt er nicht. Gerald glaubt nicht, dass jemals eine Frau der Mittelpunkt seines Lebens sein wird. Er kann nicht sagen, wofür er lebt. Birkin, der öfter beruflich in London zu tun hat, lebt zur Untermiete in Soho, in Kreisen der großstädtischen Boheme, die ihm allerdings auf die Nerven geht. Gerald dagegen ist fasziniert von dieser Gesellschaft und stößt am Abend dazu. Er lernt eine Frau kennen, die die Puss genannt wird und die ihn auf Anhieb erregt. Sexuelle Anziehung ist für ihn mit Unterwerfungsfantasien verbunden – er hat die Puss zu seinem Opfer erkoren. Wie sich herausstellt, ist sie schwanger von einem gewissen Julius Halliday, der zwar nicht von ihr lassen kann, sich aber auch nicht ganz zu ihr bekennt. Gerald verbringt drei Tage in der Künstlerwohnung, in der man sich nackt bewegt. Irgendwann kippt die Stimmung, und kurz bevor es zu Handgreiflichkeiten zwischen Halliday und Gerald kommt, sucht dieser das Weite.

Ein Mordversuch

Ursula und Gudrun kommen Hermiones Einladung nach. Unter den Wochenendgästen in Hermiones Villa sind auch Gerald und Birkin. Die Schwestern finden die angestrengt geistreiche Unterhaltung und die spürbaren Spannungen zwischen Birkin und Hermione ermüdend. Es entbrennt eine Diskussion über das Thema Wissen, und wieder wird Birkins Hass auf Hermione offensichtlich. Auch sie hasst ihn, wenn auch nur unbewusst, und am nächsten Morgen entlädt sich ihre Wut: Als sie allein sind, schlägt sie ihm eine Steinkugel auf den Kopf. Nur knapp kann er sich vor einem zweiten, verheerenden Schlag schützen. Er bleibt ruhig, lässt Hermione stehen und geht aus dem Haus. In der freien Natur macht er eine ekstatische Erfahrung: Er legt seine Kleider ab und wälzt sich in Büschen und Blumen. Später bezeichnen beide den Mordversuch nicht also solchen, aber er entfremdet sie vollends.

Neue Bande werden geknüpft

Gudrun sieht Gerald und Hermione in einem Boot, als sie am Seeufer zeichnet. Die beiden kommen herangerudert, und Hermione will Gudruns Zeichnung sehen. Aus Versehen lässt sie das Skizzenbuch fallen. Gerald nimmt die Schuld dafür auf sich. Hermione findet darauf kaum noch Beachtung, während Gudrun und Gerald sich durch das Missgeschick verbunden fühlen. Später trifft Ursula auf Birkin, der gerade ein Boot repariert. Er wirkt kränklich, gibt sich barsch und ergeht sich in Schimpftiraden darüber, wie schlecht die Menschheit sei. Trotzdem nimmt er sie in dem reparierten Kahn mit auf eine Insel im See. Er lädt sie ein, die Zimmer einer alten Mühle zu besichtigen, die er angemietet hat. Gerald und Hermione sollen auch da sein. Als Ursula Birkin nach Hermione fragt, sagt er, das sei endgültig vorbei. Er hat allerdings noch Kontakt mit ihr, und es stellt sich heraus, dass sie über die Einrichtung seiner Zimmer verfügen will. Sie möchte ihm einen Teppich schenken, aber er lehnt ab.

Streit und Liebesschwüre

Ursula wartet auf ein weiteres Zeichen von Birkin. Tatsächlich lädt er sie bald mit Gudrun zum Tee ein. Sie sagt Gudrun jedoch nichts davon und geht allein hin. Ursula und Birkin sind offensichtlich ineinander verliebt, trotzdem entspinnt sich zwischen ihnen ein Streit um den Begriff der Liebe. Birkin lehnt es ab, von Liebe zu sprechen, das ist ihm zu konventionell, er will eine tiefere Begegnung auf einer individuelleren Ebene. Sie indes beharrt auf dem Wort. Schließlich gibt er zu, dass er sie liebt.

„,Ursula‘, sagte Gudrun, ‚du willst wirklich nicht heiraten?’ (...) ‚Ich weiß es nicht‘, erwiderte sie. ‚Hängt davon ab, was du damit meinst.‘“ (S. 5)

Auf einem Seefest der Familie Crich reizen sich Gudrun und Gerald so lange, bis sie ihm im Affekt mit der Hand ins Gesicht schlägt. Zu ihrem Erstaunen ist er ihr deswegen nicht böse, im Gegenteil: Er gesteht, in sie verliebt zu sein. Auf einem mit Lampions geschmückten Boot gibt er sich das erste Mal in seinem Leben jemandem völlig hin. Da ertönt ein Schrei: Geralds Schwester Diana ist ins Wasser gefallen und ein junger Arzt ist ihr nachgesprungen. Auch Gerald stürzt sich ins Wasser, vergebens. Spät in der Nacht findet man die beiden Ertrunkenen. Der Unfall bewegt die Leute nur oberflächlich: Birkin gibt Ursula gegenüber zu, dass es ihm gleichgültig sei, ob Diana Crich lebe oder nicht. Die einfache Stadtbevölkerung ist dankbar für die Aufregung, und Gudrun denkt bloß daran, welche Rolle sie jetzt Gerald gegenüber einnehmen soll. Ursula kann derweil an nichts anderes denken als an Birkin. Als sie am nächsten Tag sehnlichst auf ihn wartet, verzweifelt sie fast; sie fühlt sich dem Tod nahe und denkt in einer Art Trance über die endgültige, unbekannte Erfahrung des Sterbens nach, die ihr schließlich attraktiv erscheint – als das letzte große Unbekannte im Gegensatz zur zyklischen Routine des Lebens. Als Birkin auftaucht, ist der Höhepunkt ihres Sehnens überschritten, ihre Gefühle ihm gegenüber sind abgekühlt.

„Birkin beschloss, dass er Trinksprüche verabscheute und Lakaien und Versammlungen und die Menschheit überhaupt, im Großen und Ganzen. Dann erhob er sich, um eine Rede zu halten.“ (S. 46 f.)

Birkin ist krank und bettlägerig. Er liebt Ursula, aber er zweifelt an ihren Vorstellungen von Liebe, an ihrer Idee der Verschmelzung, des Sichaufgebens. Er hadert auch mit der Sexualität. Als Gerald ihn am Krankenbett besucht, wird Birkin bewusst, wie sehr er den Freund liebt. Er schlägt ihm einen Liebesschwur vor, eine ewige Verbindung, die dennoch beiden alle Freiheiten lassen soll. Gerald aber weicht aus.

Ein Antrag

Gudrun wird private Kunstlehrerin der elfjährigen Winifred, Geralds Schwester. Sie gibt ihre Arbeit in der Schule auf und bekommt zusammen mit Winifred ein Atelier auf dem Anwesen der Crichs. Birkin ist für einige Zeit nach Südfrankreich gereist und meldet sich nicht. Als Ursula, krank vor Sehnsucht, eines Nachts in Richtung der Mühle spaziert, findet sie ihn überraschend am Seeufer. Er ist unverhofft zurückgekehrt. Erneut ringen sie um die richtige Auffassung der Liebe. Sie hat das Gefühl, er würde sie zur Aufgabe ihres Geistes zwingen, und er betont, dass er gerade ihren Geist will. Als sie sich küssen, will sie Leidenschaft, er dagegen friedlichen Einklang. Obwohl er sich nach einer tiefen sinnlichen Erfahrung sehnt, schreckt ihn das Ordinäre der körperlichen Erregung ab. Kurz nach dieser Begegnung beschließt er, um Ursulas Hand anzuhalten. Er geht nach Beldover, aber Ursula ist nicht zu Hause. Also unterbreitet er ihrem Vater sein Ansinnen. Der alte Brangwen hält nichts von Birkins „neumodischen“ Ansichten, aber die beiden sind sich einig, dass Birkin Ursula selbst fragen muss. Als diese nach Hause kommt, reagiert sie auf Birkins Heiratsantrag zunächst gar nicht. Sie fühlt sich von den beiden Männern bedrängt.

Zwei Kämpfe

Nach dem desaströsen Heiratsantrag geht Birkin geradewegs zu Gerald. Auch der kann Trost gebrauchen, sein Vater liegt im Sterben. Die beiden Freunde beschließen, miteinander zu kämpfen, um sich von ihrem Kummer abzulenken. Sie ziehen sich aus und vollführen nackt einen Ringkampf. Gerald gesteht Birkin, noch nie eine Frau so geliebt zu haben wie ihn.

„Die alten Ideale sind mausetot – nichts ist mehr übrig davon. Mir scheint, als bliebe nur noch diese vollkommene Vereinigung mit einer Frau, eine Art allerhöchster Ehe, sonst nichts.“ (Birkin, S. 80)

Bei einem Teekränzchen treffen Ursula und Hermione aufeinander. Sie verachten sich gegenseitig: Ursula Hermione für die Verleugnung ihrer Weiblichkeit, Hermione Ursula für ihren vermeintlichen Mangel an Verstand. Sie rät ihrer Konkurrentin davon ab, Birkin zu heiraten. Als dieser dazutritt, kommen er und Hermione Ursula wie eine unzerstörbare Einheit vor. Erbost stampft sie davon. Am nächsten Tag sucht Birkin Ursula auf, und sie fahren zusammen in seinem Auto aus. Er schenkt ihr drei Ringe. Sie findet sie zwar schön, will sich aber nicht kaufen lassen. Ein Streit entzündet sich daran, dass Birkin zum Abendessen zurück sein will, um Hermione zu verabschieden. Die will nämlich für längere Zeit nach Florenz, und Birkin glaubt, sie nie wiederzusehen. Der Streit wird so heftig, dass das Paar mitten auf der Landstraße anhält. Ursula wirft Birkin die Ringe vor die Füße und läuft davon, dann aber kommt sie zurück. Gemeinsam verbringen sie einen glückseligen Abend und auf einer Waldlichtung schließlich ihre erste gemeinsame Nacht. Sie entscheiden sich, ihre Arbeit zu kündigen und zu reisen.

Leidenschaft und Heirat

Geralds Vater war ein mildtätiger Arbeitgeber, anders als sein Sohn, der die Kohleminen zu einem modernen, effektiven Unternehmen gemacht hat, das wie eine Maschine funktioniert. Das Verhältnis der beiden ist distanziert, sie sind einander unheimlich, erst recht am Totenbett des Vaters. Dieser erträgt das Kühle, Blonde, Kraftstrotzende an Gerald nicht, und Gerald hält den Tod nicht aus, der dem Vater ins Gesicht geschrieben steht und der doch lange nicht eintritt. Gerald ist zumute, als müsste er selbst den Tod besiegen, vor dem ihm unendlich graut. Er fürchtet, zusammenzubrechen, und sieht ein, dass er Hilfe braucht. Dabei denkt er einzig an Gudrun. Auf einem nächtlichen Spaziergang kommen sie sich leidenschaftlich nahe.

„Dieses Leben. (...) Wir müssen es ganz zum Bersten bringen, oder wir werden darin verkümmern, wie in einer zu engen Haut.“ (Birkin, S. 84)

Gerald sieht mit an, wie sein Vater tatsächlich stirbt, mit einem entsetzlichen Schrei und panisch rollenden Augen. Nach der Beerdigung ist er drei Tage allein und fühlt sich dem Abgrund näher denn je. Zutiefst verzweifelt stolpert er nachts querfeldein in Richtung Beldover und fragt sich bei Kumpeln zu Gudruns Elternhaus durch. Zufällig steht dort die Tür offen, er schleicht sich hinein und geht hinauf in Gudruns Zimmer. Die beiden verbringen die Nacht zusammen; in der Leidenschaft und im anschließenden Schlaf regeneriert sich Gerald. Nach dieser Nacht schlägt er Birkin eine Doppelhochzeit vor – allerdings nicht ganz im Ernst: Die Ehe scheint ihm letztlich ein Joch zu sein. Im Gegensatz zu Birkin, der eine höhere, eine mystische Ehe im Sinn hat, fallen Gerald zur konventionellen Ehe keine Alternativen ein. Ursula verkündet nach einigen Wochen Bedenkzeit ihren Eltern, sie werde am folgenden Tag heiraten. Ihr Vater gerät darüber derart in Rage, dass er sie ohrfeigt. Im Streit verlässt sie ihr Elternhaus und flieht zu Birkin. Am nächsten Tag gehen sie aufs Standesamt.

Auf Leben und Tod

Gerald schlägt vor, zu viert zu verreisen. Die beiden Paare treffen sich in Innsbruck, und gemeinsam reisen sie weiter, hoch in die verschneiten Berge. Man freundet sich mit deutschen Pensionsgästen an. Gudrun ist fasziniert von dem Bildhauer Loerke, der einen seltsam mickrigen, jungenhaften Körper hat, der ihr aber mit seiner Unabhängigkeit und seiner künstlerischen Radikalität imponiert. Nach einem Streit zwischen Ursula und Gudrun, in dem es um künstlerische Fragen geht, reisen Ursula und Birkin ab. Unterdessen wird das Verhältnis zwischen Gudrun und Gerald immer mehr zum Kampf. Sie quälen sich mit gegenseitigen Geständnissen: Sie hätten sich nie geliebt und würden sich nie lieben. Ihr Hass wird immer offener, und doch können sie sich nicht trennen. Gleichzeitig nähern sich Gudrun und Loerke einander an. Allerdings bleibt das Verhältnis spielerisch: Als Künstler stehen die beiden über der Liebe. Loerke lädt Gudrun ein, mit ihm nach Dresden zu kommen. Gerald, blind vor Hass, will seine Freundin umbringen. Auch sie erkennt, dass es ein Kampf auf Leben und Tod ist. Als Loerke und Gudrun spazieren gehen, werden sie von Gerald überrascht. Er schlägt Loerke nieder und würgt Gudrun. Erst als Loerke wieder etwas sagen kann, kommt Gerald zu sich und lässt von ihr ab. Er geht ziellos den Berg hinauf, in den Schnee. Am nächsten Tag findet man seine Leiche. Birkin und Ursula kehren zurück, und Birkin weint um seinen verhinderten Geliebten. Die beiden Schwestern begegnen sich kühl. Gudrun geht mit Loerke nach Dresden, Birkin und Ursula reisen weiter.

Zum Text

Aufbau und Stil

In den 32 Kapiteln des Romans entwickelt sich keine gleichmäßig fortschreitende Handlung, sondern es werden einzelne, weitgehend unverbundene Szenen herausgegriffen, Episoden, die für die Figuren und ihre Entwicklung charakteristisch sind. Das eigentliche Geschehen spielt sich im Bewusstsein bzw. im Unterbewusstsein der Charaktere ab. Ein allwissender Erzähler schwebt gewissermaßen frei über den Figuren und hat Zugang selbst zu ihren innersten Regungen. Dieses große psychologische Interesse geht mit einer Abkehr von realistischer Schilderung einher: Die Dialoge haben in der Heftigkeit ihrer Gefühlsäußerungen manchmal wenig mit wahrscheinlichem Verhalten zu tun. Lawrences Sprache ist bildreich, seine Tonlagen reichen von malerischer Poesie bis zu giftiger Ironie. Auffällig sind die zahlreichen Wiederholungen einzelner Sätze oder Wendungen, die den Rhythmus prägen und dem Ton etwas Predigend-Beschwörendes verleihen.

Interpretationsansätze

  • Der Roman ist Ausdruck der Ablehnung überkommener Lebensmodelle – individueller ebenso wie gesellschaftlicher – und einer verzweifelten Suche nach neuen Wegen. Im Zentrum steht das Geschlechterverhältnis. Es geht um die Möglichkeiten der Liebe jenseits der konventionellen Ehe.
  • Die Paare Ursula/Birkin und Gudrun/Gerald wie auch die Einzelfiguren sind spiegelbildlich angelegt: Ursula und Birkin gelingt es nach langem Ringen, eine „höhere Ehe“ zu leben, eine verbindliche Liebe, die den Partnern ihre Individualität zugesteht und auf einen festen Wohnort oder Kinder verzichtet. Gudrun und Gerald dagegen, deren Beziehung von vornherein auf dem Begehren beruht und die beide nicht wirklich an die Möglichkeit einer erfüllenden Partnerschaft glauben, steigern sich in einen Machtkampf, der für Gerald tödlich endet.
  • Der nordisch-schöne Gerald ist das kalte Gesicht der modernen Zeit: Als erfolgreicher Kohlengrubenbesitzer macht er sein Unternehmen zur perfekten Maschine und seine Angestellten zu Rädchen darin – sich selbst allerdings auch. Seine innere Leere wird ihm zum Verhängnis.
  • Hermione steht für eine reine Verstandesexistenz, unerfüllt und unbefriedigend. In ihrem Standesdünkel bleibt sie ganz der alten Ordnung verhaftet.
  • Die Londoner Boheme erschöpft sich in oberflächlicher Sexualität. Die Promiskuität wirkt erzwungen, künstlerisch-intellektuell ist der Kreis nicht ernst zu nehmen. Seine hohlen Konventionsbrüche sind kein wirklicher Fortschritt gegenüber alten Moralvorstellungen.
  • Der Roman nutzt Ortsbeschreibungen als Bilder innerer Befindlichkeiten: etwa die Trostlosigkeit Londons, die Birkin kaum erträgt, die erstarrte Schlossidylle um Hermione, die rußige Kohlekleinstadt Beldover, die öfter als Unterwelt – in Entsprechung zum Unbewussten – bezeichnet wird, oder die Eis- und Schneelandschaft, in der der kühle Gerald den Tod findet.

Historischer Hintergrund

Die verlorene Generation

Der scheinbar unvermeidliche Wahnsinn des Ersten Weltkriegs machte viele Intellektuelle ratlos, nicht nur in Europa. F. Scott Fitzgerald etwa sah sich als Angehöriger einer Epoche, in der „alle Götter tot, alle Kriege gekämpft, jeder Glaube in die Menschheit zerstört“ war. Amerikanische Schriftsteller wie Fitzgerald, Ernest Hemingway oder T. S. Eliot, die eine Zeit lang in Europa lebten, brachten das Lebensgefühl der so genannten Lost Generation zum Ausdruck. Der Begriff geht auf die Amerikanerin Gertrude Stein zurück, die in Paris einen avantgardistischen literarischen Salon führte.

Auch englische Autoren wie Virginia Woolf oder D. H. Lawrence wandten sich in ihren Büchern gegen überkommene Wert- und Moralvorstellungen. Das „gute alte England“ existierte schon lange nicht mehr, die Industrialisierung hatte seit dem 19. Jahrhundert nicht nur ganze Landstriche, sondern auch die gesellschaftlichen Strukturen verändert. Dennoch hielten vor allem Vertreter der Oberschicht an den alten Ritualen und Traditionen fest. Für die Arbeiter gab es kaum eine Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg; dazu kam die Massenarbeitslosigkeit, die vielen gar keine Perspektive mehr ließ. Auch das Verhältnis der Geschlechter war erstarrt: Beziehungen, die auf eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen zielten, sprengten weiterhin das Vorstellungsvermögen der Bevölkerungsmehrheit. Das allgemeine Frauenwahlrecht wurde in Großbritannien erst 1928 eingeführt, seit 1919 gab es ein eingeschränktes Wahlrecht, das ein Mindestalter von 28 Jahren voraussetzte und an Besitz gebunden war.

Entstehung

Liebende Frauen entwickelte sich wie Lawrence’ vorangegangener Roman Der Regenbogen (1915) aus dem geplanten, aber nicht realisierten Werk Die Schwestern. Es sollte nicht nur die Geschichte der beiden Schwestern Brangwen, sondern auch die ihrer Eltern und Großeltern behandeln. Anfang 1915 beschloss Lawrence, den Stoff zu teilen. Der Regenbogen behandelt die Familiengeschichte der Brangwens bis zu Ursulas erster Lebenskrise. Liebende Frauen entstand größtenteils 1916, in einem Kriegsjahr, das für Lawrence auch persönlich besonders düster war. Aufgrund seiner schlechten Gesundheit war er zwar vom Kriegsdienst befreit worden, er durfte aber wegen der deutschen Herkunft seiner Frau das Land nicht verlassen: Die Behörden verdächtigten die beiden der Spionage und verweigerten ihnen die Ausreise in die USA. Daraufhin zog sich das Paar in einen abgeschiedenen Winkel in Cornwall zurück.

Lawrence schrieb nach Fertigstellung der vorletzten Fassung in einem Brief: „Das Buch erschreckt mich: Es ist so wie das Weltende.“ Wie schon bei seinem vorigen Roman dauerte es wegen „heikler“ Inhalte einige Jahre, bis das Buch veröffentlicht werden konnte. Zuerst erschien es 1920 als Privatdruck in den USA, nach weiteren Änderungen, d. h. vom Verleger verlangten Abschwächungen sowie eingefügten Kapitelüberschriften, schließlich 1921 in London.

Wirkungsgeschichte

Wie Lawrence’ meiste Romane zog auch Liebende Frauen heftige Proteste sittenstrenger Kreise nach sich. Bewunderer des umstrittenen Schriftstellers würdigten dagegen, wie er es verstand, deutliche Zivilisationskritik in ein vielschichtiges Drama menschlicher Beziehungen zu verpacken. Die Publikation zögerte sich nicht zuletzt deshalb hinaus, weil sich einige Leute aus Lawrence’ Umfeld – ebenfalls nicht zum ersten oder letzten Mal – so eindeutig in Romanfiguren wiedererkannten, dass sie z. T. rechtliche Schritte androhten und den Autor damit zu Änderungen zwangen. Der unproblematischste Fall war sicher, dass man in Ursula Brangwen viele Züge von Frieda Lawrence, der Ehefrau des Autors, erkannte. Gudrun soll stark an die Schriftstellerin Katherine Mansfield erinnern, mit der das Ehepaar Lawrence damals viel Zeit verbrachte. Der Komponist Peter Warlock und seine Geliebte „Puma“ waren empört, weil sie sich in den Boheme-Gestalten Halliday und Puss wiedererkannten. Und die Figur der Hermione Roddice weckte den Zorn der Lady Ottoline Morrell, einer bedeutenden Salon-Gastgeberin und Mäzenin der Londoner Künstlerszene, die zahlreiche Affären mit prominenten Zeitgenossen hatte.

Die erste deutsche Übersetzung des Romans erschien 1927. 1969 verfilmte der Regisseur Ken Russell das Buch. Es war einer der ersten Kinofilme, in denen männliche Genitalien zu sehen waren (u. a. in der Nacktkampfszene zwischen Birkin und Gerald).

Über den Autor

David Herbert Lawrence wird am 11. September 1885 in Eastwood in Nottinghamshire geboren. Er ist das vierte Kind von Arthur und Lydia Lawrence, einem Grubenarbeiter und einer ehemaligen Lehrerin. Er besucht die Highschool, verlässt die Schule jedoch mit 15 Jahren und findet Arbeit in einer Fabrik. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands muss er dort bald wieder aufhören. 1905 beginnt er zu schreiben. Von 1906 bis 1908 wird Lawrence in Nottingham zum Lehrer ausgebildet. Er unterrichtet an der Grundschule in Croydon, muss seine Stelle aber nach seiner Erkrankung an Tuberkulose wieder aufgeben. 1912 lernt der schmächtige Lawrence, der kaum sexuelle Kontakte hat, die sinnliche Deutsche Frieda Weekley, geborene von Richthofen, kennen. Sie ist die Frau seines ehemaligen Professors. Frieda verlässt für den Dichter ihren Mann und ihre drei Kinder. Sie wird Lawrence’ Muse, und er heiratet sie 1914. Während des Ersten Weltkriegs dürfen sie das Land wegen Spionageverdachts nicht verlassen. Lawrence leidet weiter an Tuberkulose und wird von Frieda immer wieder aufopferungsvoll gepflegt. Von 1919 an leben die beiden in Italien, den USA und Südfrankreich. Sie reisen nach Australien und Mexiko. Dort scheitert Lawrence damit, seinen Traum von einer idealen Kommune zu realisieren. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich. Ungeachtet dessen ist er literarisch äußerst produktiv: Neben zehn Romanen schreibt er Gedichte, Essays und Reiseberichte. Viele seiner Werke haben einen autobiografischen Bezug. In den Romanen Söhne und Liebhaber (Sons and Lovers, 1913), Der Regenbogen (The Rainbow, 1915), Liebende Frauen (Women in Love, 1920) und Lady Chatterleys Liebhaber (Lady Chatterley’s Lover, 1928) thematisiert er den Konflikt zwischen Tradition und Moderne und die Macht des Sexuellen. Am 2. März 1930 stirbt er im Alter von 44 Jahren in einem Sanatorium in der Nähe von Cannes. Seine Witwe lässt später seine Asche auf Lawrence’ Farm in Taos in New Mexico bringen.

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