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Niedergetrampelt von Einhörnern

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Niedergetrampelt von Einhörnern

Die fehlende Empathie der Tech-Giganten und wie sie zu beheben ist

Wiley-VCH,

15 Minuten Lesezeit
9 Take-aways
Audio & Text

Was ist drin?

Die digitale Revolution frisst ihre Kinder.


Bewertung der Redaktion

8

Qualitäten

  • Kontrovers
  • Augenöffner
  • Meinungsstark

Rezension

„Digitalisierung“ klingt für die meisten nach Fortschritt. Doch die Nebenwirkungen und handfesten Gefahren für Gemeinwohl, Freiheit und Demokratie lassen sich immer weniger ignorieren. Das Wirken von Google, Facebook und Co. steht im Zentrum einer umfassenden Generalabrechnung in Teil eins dieses Buches. Der zweite Teil geht der Frage nach, was sich dringend ändern muss, und schlägt Lösungen auf allen Ebenen vor – von der Politik bis zum Bürger. Digitale Unmündigkeit ist keine Option. Wer aktiv gestalten will, findet hier Inspiration.

Take-aways

  • Die großen Digitalkonzerne mit ihrer nie da gewesenen Machtfülle bedrohen unsere demokratische Gesellschaft.
  • Die Mitarbeiter der Tech-Riesen leben oft in einer Blase ohne Bezug zu realen Problemen.
  • Große Tech-Unternehmen vermeiden Steuern und erschleichen sich Wettbewerbsvorteile.
  • Der Technologieboom verschärft die Einkommensungleichheit.
  • Social Media fördern gesellschaftliche Polarisierung und bedrohen damit die Demokratie.
  • Allgemein gesagt fehlt es den Tech-Konzernen an Empathie. Die ist aber für langfristigen Geschäftserfolg unerlässlich.
  • Das Kartellrecht ist veraltet und versagt als Norm für gesunden Wettbewerb in der Tech-Branche.
  • Bei der Regulierung der Tech-Branche besteht erheblicher Handlungsbedarf.
  • Jeder Einzelne kann sich mit alltäglichen Verhaltensänderungen digital emanzipieren.

Zusammenfassung

Die großen Digitalkonzerne mit ihrer nie da gewesenen Machtfülle bedrohen unsere demokratische Gesellschaft.

Digitale Technologien beschleunigen den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Das zeigt sich deutlich beim Blick darauf, wie sich die Digitalwirtschaft auf Kennzahlen wie BIP, Armutsquote, Lebenserwartung oder Alphabetisierungsgrad auswirkt. Digitale Marken wie Amazon oder Google werden von 90 Prozent der Verbraucher positiv wahrgenommen. 70 Prozent der Menschen glauben, dass Technologieunternehmen die Gesellschaft zum Guten beeinflussen.

„Es steht außer Frage, dass die digitalen Technologien die Macht haben, die Menschheit zu überwältigen und zu erdrücken.“

Doch der Einfluss digitaler Technologien auf Wirtschaft und Gesellschaft wächst von Minute zu Minute. Und neben erfreulichen Entwicklungen treten mittlerweile auch erhebliche Schadwirkungen auf – von Fake News über Onlinemobbing bis hin zu katastrophalen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Gig-Economy. Vor allem wird klar, dass sich die Tech-Giganten zu globalen Mächten mit enormen Ressourcen entwickelt haben. Das ist eine besondere, mit vorherigen Epochen nicht zu vergleichende Revolution, die sich zu einer existenziellen Bedrohung ausweiten kann, wenn wir ihre Schattenseiten weiter ignorieren.

Die Mitarbeiter der Tech-Riesen leben oft in einer Blase ohne Bezug zu realen Problemen.

Der enorme Reichtum der Tech-Konzerne führt dazu, dass der größte Teil der Belegschaft in einer überprivilegierten Campusblase lebt und mit gesellschaftlichen Problemen kaum in direkten Kontakt gerät. Diese spezielle Unternehmenskultur zeigt sich exemplarisch an der Berufsgruppe der Softwareentwickler. Sie sind eher introvertiert, verfügen über ein scharf abgegrenztes Kompetenzprofil und haben große Probleme, die Welt aus der Perspektive anderer Menschen wahrzunehmen. In den großen Tech-Firmen sind die Belegschaften männlich, weiß und asiatisch geprägt. Verbreitet ist ein Geniekult mit unkritischer Technologiegläubigkeit und einer sektenartigen Verehrung des CEO.

Große Tech-Unternehmen vermeiden Steuern und erschleichen sich Wettbewerbsvorteile.

Die Technologieriesen sind Meister der Steueroptimierung bzw. -vermeidung. Die britische Non-Profit-Organisation Fair Tax Mark hat Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google und Microsoft auf entsprechende Praktiken unter die Lupe genommen. Die 2019 veröffentlichte Studie The Silicon Six and their $100 billion global tax gap belegt für die letzten zehn Jahre eine Steuerlücke von 155 Milliarden Dollar. Die Unternehmen zahlten im Schnitt 15,9 Prozent Körperschaftssteuer in einem Zeitraum, in dem der reguläre Steuersatz bei 35 Prozent lag. Besonders problematisch bewerten die Autoren der Studie das Geschäftsgebaren von Amazon. Demnach gründet die Dominanz des Unternehmens auf meist unversteuerten Einnahmen. Das ermöglicht es Amazon, Händler vor Ort zu unterbieten – zumal solche, die ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen.

Der Technologieboom verschärft die Einkommensungleichheit.

Ein Buzzword der Tech-Branche ist der Begriff der Disruption. Disruption heißt, in die Jahre gekommene Geschäftsmodelle zu zerstören und durch neue zu ersetzen. Um dabei erfolgreich zu sein, muss man unter anderem die Lohnkosten drücken. Viele Start-ups bezahlen ihre Mitarbeiter schlecht, bieten ihnen dafür aber Aktienoptionen mit zweifelhaftem Wert. Verbreitet ist auch der Einsatz von Leiharbeitern und Freelancern. Ob die Digitalwirtschaft insgesamt mehr Jobs schafft, als sie vernichtet, ist eine offene Frage. Fest steht allerdings schon heute, dass der Technologieboom die Einkommensungleichheit in historischem Ausmaß angeheizt hat. Mit ihrer Anhäufung von Reichtum und Macht haben die Tech-Konzerne eine Art digitalen Neofeudalismus geschaffen: unglaublich reiche und mächtige Herrscher auf der einen Seite und unter Bedingungen von Leibeigenen schuftende Tagelöhner auf der anderen.

Social Media fördern gesellschaftliche Polarisierung und bedrohen damit die Demokratie.

Besonders ein Aspekt der Digitalwirtschaft bedroht unsere Demokratie in einem Ausmaß, wie wir es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben: die Social Media mit ihrer Aufmerksamkeitsökonomie. Problematisch sind vor allem die Algorithmen, die bestimmen, was ein Nutzer zu Gesicht bekommt. Da sich die Plattformen über Werbung finanzieren, setzen sie alles daran, ihre Nutzer so lange wie möglich auf der Website zu halten. Die Algorithmen sind also – ähnlich wie Spielautomaten – gezielt auf menschliche Schwächen optimiert. Extremistische Inhalte etwa, wie sie dem Nutzer durch Algorithmen bevorzugt angeboten werden, zielen auf die menschliche Vorliebe für Polarisierendes.

„Die westliche Demokratie ist so gefährdet wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.“

Eine interne Facebook-Untersuchung von 2016 zeigte, dass 64 Prozent der deutschen Facebook-Nutzer, die einer extremistischen Gruppe beigetreten waren, dabei einem Empfehlungsalgorithmus gefolgt waren. Wo über Risiken digitaler Technologien debattiert wird, steht oft die Gefahr einer sogenannten Singularität im Vordergrund. Dieser Begriff bezeichnet den Augenblick, in dem künstliche Intelligenz menschliche Intelligenz übertrifft und die Herrschaft über uns übernimmt. Doch der Fokus auf dieses Risiko trübt unseren Blick für die wahre Gefahr: dass nämlich Technologie die Herrschaft dadurch übernimmt, dass sie menschliche Schwächen ausnutzt. Dieser Augenblick ist die eigentliche Singularität – und er ist wohl schon da.

Allgemein gesagt fehlt es den Tech-Konzernen an Empathie. Die ist aber für langfristigen Geschäftserfolg unerlässlich.

Wie sollte ein Unternehmen aussehen, das technologischen Fortschritt und Menschlichkeit vereint? Vor allem muss es empathisch sein. Doch nicht im Sinne einer affektiven Empathie, worunter die Fähigkeit verstanden wird, die Emotionen anderer Menschen nahezu körperlich mitzufühlen. Gemeint ist eine kognitive Empathie – die Fähigkeit, zu verstehen, wie andere fühlen und denken.

„Ethikkomitees und Ethikbeiräte werden zu einer weiteren unschätzbaren internen Ressource werden.“

Ein in dem Sinne empathisch handelndes Unternehmen weiß, dass langfristiger wirtschaftlicher Erfolg nur im Einklang mit allen Stakeholdern – von der Belegschaft über die Gesellschaft bis hin zum Planeten – möglich ist. Der langfristig schnellste Weg zum Erfolg beginnt mit einer strategischen Denkpause, die genutzt wird, um die gesellschaftlichen Auswirkungen des eigenen Handelns zu erfassen und negative Folgen auszuschließen. Geschwindigkeit als Selbstzweck – ein Mantra der Tech-Gurus – ist ein Irrweg.

Der Aufbau eines empathisch geführten Unternehmens läuft über zwei Faktoren: Personal und Entscheidungsprozesse. Eine herausragende Bedeutung hat der CEO. Er prägt die Unternehmenskultur. Demzufolge ist Empathie Chefsache – oder sie findet nicht statt. Ebenfalls wichtig ist die Personalabteilung. Sie sorgt dafür, dass unangemessenes Verhalten im Unternehmen unterbunden wird. Mitarbeiter müssen psychologische Sicherheit empfinden. Es muss unternehmensweite Empathieschulungen geben. Auch darf niemand sich auf Unwissenheit berufen, wenn er an Tools mitarbeitet, die systematisch die Schwächen von Menschen ausnutzen, um sie zu manipulieren.

Für die meisten großen Technologieunternehmen spielt Empathie in Produktentwicklung, Design und Engineering keine Rolle. Die Teams sollten aus ihrer Campusblase herausgeholt und in engen, direkten und intensiven Kontakt mit den Nutzern ihrer Produkte und mit den Problemen der realen Welt gebracht werden. So könnte ein Twitter-Manager, der Woche für Woche mit Frauen zusammensäße, die über die Plattform mit Vergewaltigung oder Tod bedroht wurden, seine Prioritäten ändern.

„Wenn wir Menschen Geschäfte machen wollen, müssen wir es auf eine menschliche Art und Weise tun.“

Kognitive Empathie gehört in jeden Produktentwicklungsprozess. Um die Unternehmenskultur in Richtung Empathie zu drehen, bedarf es einer geänderten Personalpolitik. Ergänzen Sie das Recruiting durch einen Empathietest. Machen Sie empathisches Verhalten zu einem Kriterium der jährlichen Leistungsbewertung.

Das Kartellrecht ist veraltet und versagt als Norm für gesunden Wettbewerb in der Tech-Branche.

Als Bürger müssen wir uns die Frage stellen, wie wir damit umgehen, dass Google und Facebook heute mächtiger sind als gewählte Regierungen. Sie können die Meinung und das Verhalten von Menschen manipulieren. Sie verfügen über die Ressourcen einer mittelgroßen Volkswirtschaft. Google ist kein traditioneller internationaler Konzern, sondern ein Monster gänzlich neuer Art. Entsprechend deutlich gehört das Unternehmen reguliert.

„Kein Unternehmen sollte mächtiger sein als ein Land oder eine Regierung, weshalb ich glaube, dass manche Unternehmensteile der Tech-Giganten ausgegliedert und abgespalten werden müssen.“

Ursprünglich sollte das Kartellrecht marktbeherrschende Unternehmen bremsen, wenn die Gefahr bestand, dass sie durch die gewählte Regierung nicht mehr kontrolliert werden können. Tim Wu beschreibt das in seinem Buch The Curse of Bigness.Leider ist das Kartellrecht allzu sehr verwässert worden, als dass es bei der Regulierung etwa von Google noch eine große Hilfe sein könnte. Die ursprüngliche Absicht des „Sherman Act“ wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren durch die Ökonomen der sogenannten Chicago School aufgeweicht. Das Kartellrecht fokussiert sich heute einzig auf die Verbraucherpreise, die durch ein Monopol nicht verzerrt werden dürfen. Bei den Geschäftsmodellen der Digitalkonzerne greift das deutlich zu kurz.

Bei der Regulierung der Tech-Branche besteht erheblicher Handlungsbedarf.

Die Regulierung der Tech-Branche gleicht einem Flickenteppich. Einzelne US-Bundesstaaten und einzelne Länder Europas verfolgen völlig unterschiedliche Ansätze. Handlungsbedarf besteht auf folgenden Feldern:

  • Faire und gerechte Besteuerung. Das Besteuerungsproblem der Tech-Giganten muss endlich gelöst werden, um die Prinzipien von Fairness und Transparenz wieder in Kraft zu setzen.
  • Modernisierung des Arbeitsrechts. Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern muss überprüft werden. Der lokale Mindestlohn sollte auch für Freelancer verbindlich sein.
  • Datenschutz. Nutzerdaten werden oft von Hackern erbeutet oder von den Tech-Unternehmen selbst missbraucht. Hier sind Aufsichtsbehörden weltweit gefordert, strengere Regeln und Sanktionen durchzusetzen.
  • Kampf um die Wahrheit und einen zivilen Diskurs. Facebook und YouTube sind Medienunternehmen mit gigantischer Reichweite. Beide tun so, als seien sie lediglich Plattformen, die die freie Meinungsäußerung fördern. Aber das sind sie nicht. In erster Linie sind sie Werbeplattformen. Ihr Motiv ist nicht Demokratieförderung, sondern Profit. Und als Medienunternehmen sollten sie die Verantwortung für die von ihnen verbreiteten Inhalte übernehmen müssen.
  • Verbindliche Normen für KI und Gesichtserkennung. Die Branche braucht eine reaktionsschnelle Aufsichtsbehörde, bestehend aus Branchenveteranen und ausgewiesenen Spezialisten, die Algorithmus-Audits nicht nur anordnen, sondern sie auch durchführen können. Von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst ist die notwendige Fachkompetenz nicht zu erwarten. Die Aufsicht muss die „Blackboxes“ unter die Lupe nehmen. Das würde ethisches Verhalten und den Wettbewerb fördern.

Jeder Einzelne kann sich mit alltäglichen Verhaltensänderungen digital emanzipieren.

Gezieltes gemeinschaftliches Handeln kann Veränderungen bewirken. Ganz konkret können Sie als Einzelner Folgendes tun, um der Macht der Tech-Giganten entgegenzuwirken:

  • Verzichten Sie auf etwas Komfort zugunsten Ihrer persönlichen Unabhängigkeit. Meiden Sie Google als Suchmaschine. Nutzen Sie stattdessen ein datenschutzfreundliches Pendant wie DuckDuckGo. Gleiches gilt für Google Mail. Alternativen sind Proton-Mail oder Tutanota. Kaufen Sie Bücher nicht über Amazon. Unterstützen Sie lokale Buchhändler oder inländische Onlineshops. Buchen oder kaufen Sie immer direkt und nicht über Mittler.
  • Verhalten Sie sich ökologisch. Nutzen Sie Hardware, solange es geht. Lassen Sie sie bei Defekten reparieren. Reduzieren Sie den Stromverbrauch von Servern, indem Sie unnötige Mails löschen. Bündeln Sie einzelne Bestellungen zu Sammelbestellungen, um den Lieferaufwand zu verringern.
  • Verhalten Sie sich sozial. Fahrer, Boten und Lieferanten arbeiten hart, werden aber schlecht bezahlt. Seien Sie großzügig. Wenn Sie per App bezahlen, prüfen Sie, ob Ihr Trinkgeld ankommt, oder hinterlassen Sie es in bar. Wenn Sie Dienstleistungen online buchen, drücken Sie den Preis nicht unter den Mindestlohn.
  • Denken Sie an den Nachwuchs. Reglementieren Sie die Nutzung digitaler Endgeräte konsequent. Unterstützen Sie Schulen oder Kinder direkt beim Erwerb digitaler Kompetenzen.
  • Pflegen Sie Ihre Privatsphäre. Benutzen Sie Ad-Blocker und kümmern Sie sich um die Datenschutzeinstellungen auf Ihren Geräten. Geben Sie grundsätzlich so wenige Informationen wie möglich preis – zum Beispiel bei Gewinnspielen.

Die digitale Revolution ist menschengemacht und somit gestaltbar. Handeln Sie demokratisch: Wählen und unterstützen Sie politische Kräfte, die sich tatsächlich um diese Themen kümmern – und zwar angemessen.

Über die Autorin

Maëlle Gavet war sechs Jahre als Principal bei Boston Consulting tätig, danach als Führungskraft bei zahlreichen großen Technologieunternehmen weltweit. Das Weltwirtschaftsforum und das Time Magazine würdigen sie als besonders kreative und einflussreiche Unternehmerpersönlichkeit.

Dieses Dokument ist für den persönlichen Gebrauch bestimmt.

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