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Salome

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Salome

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12 Take-aways
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Was ist drin?

Die Skandaloper des frühen 20. Jahrhunderts: „Salome“ sprengte alle bis dahin gültigen Maßstäbe.


Literatur­klassiker

  • Oper
  • Moderne

Worum es geht

Ein biblischer Stoff wird zum zeitgenössischen Sittenbild

Als Richard Strauss mit seiner dritten Oper Salome seinen Durchbruch als Opernkomponist erzielte, war er über 40 Jahre alt, also kein musikalisches Wunderkind mehr. Salome markierte für Strauss den Beginn seines zweiten Lebens als Komponist und sicherlich desjenigen Lebensabschnitts, der ihm fortdauernden Ruhm durch eine lange Reihe bedeutender Opern bescherte. Als Sujet wählte er einen ausgesprochenen Fin-de-Siècle-Stoff: die biblische Geschichte um die Prinzessin Salome, die als Preis für einen erotischen Tanz von ihrem Stiefvater Herodes den abgeschlagenen Kopf von Johannes dem Täufer erhält. Konkret griff Strauss für seine Komposition auf das gleichnamige Theaterstück von Oscar Wilde zurück, das bereits ausgesprochen morbide, schwül-erotische Züge trägt. Die Oper, uraufgeführt im Jahr 1905, zeichnet wie schon ihr literarisches Vorbild den Charakter einer übersättigten, moralisch verkommenen Gesellschaft, die dem Untergang geweiht ist. Salome provozierte den erwarteten Skandal, etablierte sich aber gleichzeitig schnell weltweit im Opernrepertoire. Strauss führte mit dem Werk das Musiktheater Richard Wagners fort und ging zugleich darüber hinaus. Sowohl im Musikalischen als auch im Dramaturgischen eröffnete er der Oper neue Möglichkeiten.

Take-aways

  • Salome brachte Richard Strauss 1905 den Durchbruch als Komponist und eröffnete die lange Reihe seiner bedeutenden Opern.
  • Das Libretto der Oper beruht auf dem gleichnamigen Theaterstück des irischen Schriftstellers Oscar Wilde.
  • Die Titelfigur Salome, Stieftochter von König Herodes, ist bei Wilde wie bei Strauss eine laszive Frau mit erotischen Obsessionen.
  • Herodes hat den asketischen Propheten Jochanaan in einer Zisterne seines Palasts eingekerkert, weil er Königin Herodias als babylonische Hure beschimpft hat.
  • Während eines Festmahls überredet Herodias’ Tochter Salome die Wachsoldaten, Jochanaan auf die Palastterrasse zu führen.
  • Der Prophet schmäht auch sie und verkündet kommendes Unheil.
  • Salome ist von ihm gleichwohl fasziniert, sie will ihn berühren und küssen, doch Jochanaan weigert sich, sie auch nur anzusehen.
  • Herodes erscheint mit seinem Gefolge auf der Terrasse, er bittet Salome, für ihn zu tanzen, und verspricht ihr dafür alles, was sie haben will.
  • Salome kommt der Bitte nach, führt einen ekstatischen Schleiertanz auf und verlangt als Preis den Kopf des Jochanaan.
  • Der entsetzte Herodes bietet ihr stattdessen gewaltige Reichtümer, doch Salome besteht auf ihrem Willen.
  • Jochanaan wird enthauptet, Salome küsst triumphierend dessen toten Mund und wird anschließend auf Herodes’ Befehl erschlagen.
  • Salome entfesselte einen Opernskandal, setzte aber auch neue Maßstäbe, da sie die Opernkunst Richard Wagners überwand und weiterführte.

Zusammenfassung

Die Stimme aus der Zisterne

Über der großen Terrasse eines orientalischen Palasts leuchtet ein heller Mond. Wachsoldaten beobachten ein Bankett im Innern des Palasts. Nach einem kurzen, von der Klarinette vorgetragenen musikalischen Auftakt, dem ein schwebender Streicherklang antwortet, besingt der junge Hauptmann Narraboth (Tenor) hingerissen und voller Bewunderung die Schönheit der Prinzessin Salome (Sopran). Ein Page (Alt) warnt Narraboth daraufhin davor, die Prinzessin zu sehr anzustarren. Neben Narraboth und dem Pagen halten sich noch zwei Soldaten (Bässe) und ein Kappadozier (Bass) auf der Terrasse auf.

„Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!“ (Narraboth)

Aus dem Bankettsaal im Innern des Palasts dringt plötzlich schriller Lärm und ebbt wieder ab. Die Soldaten vermuten einen religiösen Streit unter den beim Gastmahl anwesenden Juden als Ursache für den Aufruhr. Unvermittelt erklingt die Stimme des Propheten Jochanaan (Bariton) aus den Tiefen der Zisterne, in der er gefangen gehalten wird und von der nur der obere Rand sichtbar ist. Im Orchester dominieren nun Streicher und gezupfte Kontrabässe. Jochanaan spricht von einem Stärkeren, einem Nachfolger, einem Wundertäter. Die Soldaten und der Kappadozier unterhalten sich über den unsichtbaren Mann, dessen Worte sie nicht verstehen. Der Soldat, der Jochanaan regelmäßig sein Essen bringt, weiß, dass er ein Prophet aus der Wüste ist, ein sanfter, freundlicher Mann. Doch der Tetrarch Herodes (Tenor) hat verboten, Jochanaan auch nur anzuschauen.

„Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern?“ (Salome)

Jochanaans von langen Melodiebögen begleitete Rede wird von einem abrupten, schrillen Stimmungswechsel in den Streichern unterbrochen. Aufgeregt meldet Narraboth, dass die Prinzessin Salome die Tafel verlässt. Schon tritt sie erregt auf die Terrasse, weil sie in der Schwüle des Bankettsaals die ständig auf sie gerichteten Blicke aus den „Maulwurfsaugen“ des Tetrachen nicht mehr ertragen kann. Herodes ist ihr Stiefvater, der Mann ihrer Mutter Herodias (Mezzosopran). Während Salome für einen Moment die frische Luft auf der Terrasse genießt, erklingen tänzerische, walzerhafte Melodien. Wieder ertönt die tiefe Stimme Jochanaans. Salome will von den Wachleuten mehr über ihn erfahren. Diese versuchen so gut es ihnen möglich ist, der Königstochter die Auskunft zu verweigern, wobei sie sich auf Anordnungen des Herodes berufen. Ein Sklave (stumme Rolle) des Herodes erscheint und überbringt die Aufforderung, Salome möge wieder an der Festtafel erscheinen, doch sie weist dies einfach von sich.

Der Prophet aus der Wüste

Salome interessiert sich jetzt nur für Jochanaan, sie will wissen, ob er ein junger oder ein alter Mann ist, und verlangt ihn zu sehen. Genau das aber hat Herodes ja verboten. Salome tritt an den Rand der Zisterne und erschauert. Die Musik klingt dumpf wie aus einer Höhle. Die Prinzessin weiß, dass Herodes Angst vor Jochanaan hat, weil er ihn für gottgesandt hält, und besteht darauf, den Propheten zu sehen. Sie nützt Narraboths Schwäche für sie aus, um ihn dazu zu bewegen, den Gefangenen entgegen Herodes’ Anweisung heraufführen zu lassen. Während dies geschieht, spielen im Orchester zunächst nur gedämpfte Bläser zu Streichertremoli ein lang gezogenes Motiv, das wie ein Ruf klingt. Dann steigt die Tanzmelodie der Salome immer deutlicher hörbar auf, und schließlich vermischen sich die beiden Motive in einem orchestralen Zwischenspiel.

„Du wirst das für mich tun, Narraboth. Du weißt, dass du das für mich tun wirst.“ (Salome)

Als Jochanaan erscheint, stößt er erneut düster anklagende, prophetische Weltuntergangsworte aus, die keiner der umstehenden Soldaten zu deuten vermag. Doch Salome begreift, dass Jochanaan von ihrer Mutter spricht und deren sündigen Lebenswandel anprangert. Sie ist von der asketischen Erscheinung des Propheten ebenso erschrocken wie fasziniert und will ihn näher betrachten. Doch Jochanaan wendet sich angewidert von ihr ab und will sie nicht einmal ansehen, denn sie erinnert ihn vor allem an ihre lasterhafte Mutter. Salome ist nun nicht nur von Jochanaans Stimme fasziniert, sondern auch von seinen dunklen Augen und von seiner Gestalt. Sie preist diese in poetischer, psalmodischer Art und Weise: Seinen weißen Körper vergleicht sie mit Elfenbein, Lilien, weißen Rosen und dem keuschen Mond. Ihr Verlangen, Jochanaan anzufassen, ist übermächtig; dazu klingt ein musikalisches Motiv an, das abgewandelt auch ihren späteren Triumph über Jochanaan untermalen wird. Der Gefangene verweigert ihr jede Berührung seines Leibes. Salome reagiert darauf, indem sie nun ins Gegenteil verfällt und ihm erklärt, sie finde seinen Körper hässlich, er sei mit einem Nattern- und Skorpionnest vergleichbar oder mit einem übertünchten Grab. Dafür preist sie nun überschwänglich sein schwarzes Haar; dissonante und harmonische Musik folgen hier unmittelbar aufeinander. Jochanaan verweigert auch die Berührung des Haars. Salome verkehrt ihre Bewunderung erneut ins Gegenteil, sie preist nun seinen roten Mund und will ihn küssen. Kategorisch lehnt Jochanaan diese intime Berührung ab, doch umso eindringlicher fordert Salome den Kuss. Erneut schwelgt sie in psalmistischen Sprachbildern, indem sie Jochanaans Mund mit Granatapfelblüten, Korallen und Königspurpur vergleicht.

„Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmaß ihrer Sünden schreit zu Gott.“ (Jochanaan)

Die ganze Szene spielt sich vor den Augen der Wachsoldaten ab. Der in Salome verliebte Narraboth ist so aufgebracht von ihrer Zuwendung zu Jochanaan, dass er sich mit einem Dolch selbst tötet. Sie bemerkt es kaum. Jochanaan nennt Salome nun eine Hure und fordert sie auf, Rettung und Sündenvergebung bei dem Mann aus Galiläa zu suchen. Dazu ertönen strahlend die Blechbläser. Doch da sie immer nur seinen Mund küssen will, verflucht er sie.

Die Prophezeiungen des Jochanaan

Während eines langen Orchesterzwischenspiels steigt Jochanaan wieder in die Zisterne hinab. In der Musik variieren einige bereits aufgeklungene Motive und Melodien vor einem düsteren Grundton tremolierender Streicher. König Herodes erscheint auf der Terrasse und verlangt Salome zu sehen. Seine Gemahlin Herodias mahnt ihn, ihre Tochter nicht fortwährend anzustarren. Herodes bemerkt das Blut des Narraboth auf dem Boden und befiehlt, den Leichnam fortzuschaffen. Dann lässt er gegen den Willen der Herodias, die lieber wieder in den Palast gehen will, Teppiche und Fackeln bringen, um das Fest auf der Terrasse fortzusetzen. Herodes fordert Salome auf, Wein zu trinken und Früchte zu probieren, damit er anschließend aus demselben Becher trinken und die Früchte aufessen kann.

„Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiß wie die Lilien auf einem Felde, von der Sichel nie berührt.“ (Salome)

Die Stimme Jochanaans wird wieder vernehmbar. Herodias ist erschrocken. Sie will, dass Herodes Jochanaan an die Juden ausliefert. Doch der König fürchtet sich davor, er hält Jochanaan für einen Propheten, einen heiligen Mann, an dem er sich nicht vergreifen möchte. Fünf Juden (vier Tenöre, ein Bass), die als Gäste anwesend sind, streiten sich ausgiebig darüber, ob Jochanaan tatsächlich als Prophet bezeichnet werden kann. Jochanaans Stimme weist wieder auf das Kommen des Erlösers hin. Zwei Nazarener (Tenor und Bass) berichten daraufhin von den Wundertaten des Mannes aus Galiläa: wie er Wasser in Wein verwandelt, Aussätzige und Blinde heilt und sogar Tote auferweckt. Diese Aussage veranlasst Herodes zu dem Befehl, den Mann suchen zu lassen, denn es sei doch schrecklich, wenn die Toten wiederkämen. Jochanaan wütet aus der Zisterne heraus vor allem gegen die Unzucht des „geilen Weibes, der Tochter Babylons“, die von den Menschen gesteinigt, erstochen und zermalmt werden würde. Herodias weiß sehr wohl, dass sie selbst gemeint ist, auch wenn ihr Name nicht genannt wird. Sie verlangt, dass Jochanaan zum Schweigen gebracht wird. Dessen Aussagen werden immer drohender und eindringlicher. Er deutet bevorstehende Sonnen- und Mondfinsternisse als apokalyptische Zeichen einer Zeitenwende, „wo die Kön’ge der Erde erzittern“.

Der Tanz der sieben Schleier

Um sich abzulenken, fordert Herodes Salome auf, für ihn zu tanzen, und verspricht ihr dafür alles, was sie begehrt. Salome fragt mehrmals nach, ob er ihr wirklich jeden Wunsch erfüllen wolle, wenn sie für ihn tanze. Herodes beschwört das und verspricht ihr sogar die Hälfte seines Königreichs, falls sie das verlange. Herodias versucht den Tanz zu verbieten, Herodes wird von Schüttelfrost erfasst und wieder ertönen die Unheilsprophezeiungen Jochanaans. Herodes beharrt auf seinem Wunsch und Salome erklärt sich bereit zu beginnen.

„Ich sage dir, du hast Angst vor ihm. Warum lieferst du ihn nicht den Juden aus, die seit Monaten nach ihm schreien?“ (Herodias zu Herodes)

Es erklingt rein instrumentale Musik, ohne Gesang, die den Tanz der sieben Schleier begleitet. Der Tanz hat orientalische Anklänge und steigert sich immer mehr. Die Musikbegleitung zu Salomes Tanz wird zu Beginn von verschiedenen Holzbläsern dominiert und enthält exotische Elemente wie Kastagnetten- und Xylofonklänge, aber auch mehrere verschiedene Walzermelodien. Alles ist scharf gegeneinander abgesetzt und von unruhiger Rhythmik durchflackert. Am Schluss steigert sich die Schleiertanzmusik in eine von Flöten, Schlaginstrumenten und Blechbläsern getragene Ekstase hinein. Auf dem Höhepunkt des Tanzes sinkt Salome vor Herodes’ Füßen nieder. Er ist völlig verzückt von der Darbietung und erneuert begeistert sein Versprechen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Salome verlangt den Kopf des Jochanaan – in einer Silberschüssel. Herodias unterstützt sie sofort. Der Herrscher hält dieses Begehren zunächst für einen Scherz, doch als Salome wiederholt: „Zu meiner eignen Lust will ich den Kopf des Jochanaan“, und ihn an seinen Eid erinnert, ist er zutiefst entsetzt. Er fleht sie an, etwas anderes zu fordern, bietet ihr tatsächlich die Hälfte seines Königreichs, aber den Kopf des Jochanaan solle sie nicht verlangen. Herodias erinnert den König an seinen Eid und bekräftigt die Forderung ihrer Tochter.

„Alles, alles, was du von mir begehren wirst, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.“ (Herodes zu Salome)

Herodes beschwört Salome noch einmal, von ihrem Verlangen Abstand zu nehmen, er bietet ihr einen kostbaren Smaragd, dann seine hundert weißen Pfauen, dann eine Unmenge weiterer wertvoller Edelsteine, die er alle der Reihe nach aufzählt, und schließlich besondere Schätze wie den Mantel des Hohenpriesters und den Vorhang des Allerheiligsten – ein Vorschlag, den die Juden mit einem Aufschrei quittieren. Herodes bietet alles nur Erdenkliche auf, um Jochanaan nicht töten lassen zu müssen. Doch Salome bleibt hartnäckig. Schließlich resigniert der König und stimmt der Hinrichtung zu. Herodias zieht einen Ring vom Finger ihres Gemahls und übergibt ihn dem Henker (stumme Rolle), der sich daraufhin auf den Weg hinab in die Zisterne macht. Herodes ist wie von Sinnen vor Angst. Als er wieder etwas zur Vernunft kommt, vermisst er den Ring an seinem Finger – er wittert Unheil.

Der Kopf des Jochanaan

Eine drückende Stille senkt sich über die Terrasse. Im Orchester rollt dumpfer, extrem gedämpfter Paukenwirbel, dazu ertönen sehr dunkle Streichertremoli und in immer kleiner werdenden Abständen ganz kurze, dissonante Streicherakkorde. Salome lauscht gespannt, was passiert. Sie erwartet Schreie des Jochanaan – wie sie sie selbst ausstoßen würde, wenn einer käme, um sie zu töten. Ein dumpfer Paukenschlag. Sie glaubt, etwas fallen gehört zu haben. Das Schwert des Henkers? Sie vermutet, dieser sei zu feige, und schickt den Pagen zum Nachschauen. Je länger die Ungewissheit darüber andauert, was da unten in der Zisterne passiert, desto erregter wird die Musik. Schließlich erscheint am Rand der Zisterne, unter dröhnenden Paukenschlägen und mächtigen Streicherklängen, emporgehoben vom schwarzen Arm des Henkers, auf einem silbernen Schild – der abgeschlagene Kopf des Jochanaan. Salome begrüßt, unterstützt von Blechbläsern, triumphierend diesen Anblick. Sie beugt sich über den Kopf und beginnt einen langen Monolog wie ein Zwiegespräch, sie benennt jedes einzelne Teil des Gesichts: Augen, Mund, Zunge. In langsamem, gedehntem Gesang spricht sie zu dem Kopf, als gehöre er noch einem lebenden Menschen, als könne sie von ihm erfahren, warum Jochanaan nichts mit ihr zu tun haben wollte, sondern sich immer nur für seinen Gott interessierte. Dieser teils im Sprechgesang, teils liedhaft vorgetragene Monolog wird vom gesamten Orchester, dominiert von den Streichern, geradezu sinfonisch begleitet.

Salomes Tod

Herodes ist entsetzt von der Szene, deren Zeuge er geworden ist. Er bezeichnet Salome als Ungeheuer und ordnet an, die Fackeln auf der Terrasse zu löschen. Aus Furcht vor einem göttlichen Strafgericht will er sich mit seiner Gattin ins Innere des Palasts zurückziehen. Herodias aber weigert sich, ihm zu folgen, sie will alles Weitere beobachten. In der Dunkelheit erklingt deutlich harmonischere Musik als zuvor, zunächst nur vom Orchester, dann auch von Salomes Stimme, die immer kräftiger werdend verkündet, sie habe nun endlich Jochanaans Mund geküsst – und einen bitteren Geschmack dabei empfunden. Ein letztes Mal wiederholt sie triumphierend, klanglich untermalt vom gesamten Orchester, wie sie mit diesem Kuss des Jochanaan endlich ihren Willen bekommen habe.

„Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan.“ (Salome)

Herodes wendet sich um und befiehlt: „Man töte dieses Weib!“ Die Soldaten gehorchen und erschlagen Salome mit ihren Schilden.

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Aufbau und Stil

Wie Oscar Wildes Theaterstück, die literarische Vorlage der Oper, ist Salome ein Einakter und wird ohne Pause durchgespielt. Die gesamte Handlung spielt am Abend von Herodes’ Festmahl, und der einzige Spielort ist die Terrasse des Palasts, wo sich im Untergrund auch die Zisterne befindet, in der Jochanaan gefangen gehalten wird. Jochanaan selbst tritt nur einmal auf, doch er ist die ganze Zeit über unsichtbar präsent, erst durch seine Stimme, die aus dem Verlies herauftönt, danach durch Salomes wahnwitzige Fixierung auf ihn und durch den Disput, den sie mit Herodes wegen der Erfüllung von dessen Versprechen hat, und schließlich durch seinen vom Henker heraufgeschickten Kopf. Für die musikalische Realisierung hat Strauss ein Riesenorchester mit über 100 Musizierenden aufgeboten, eines der größten Orchester der gesamten Operngeschichte. Eine große Schwierigkeit und ein besonderer Reiz von Strauss’ Musik besteht darin, dass solch ein riesiges Orchester oftmals mit kammermusikalischer Nuanciertheit spielen muss. Dies erzeugt eine enorme klangliche Spannung. Die gesamte Komposition der Salome durchwebt ein Geflecht charakteristischer Motive, die immer wieder anklingen und teilweise abgewandelt werden, vor allem im Orchester. Überhaupt ist die Orchestermusik alles andere als eine bloße musikalische Begleitung oder ein Instrument zur Stimmungserzeugung, sondern ein völlig eigenständiger Part, der das musikalische Drama gestaltet wie eine Sinfonie. Strauss hat in Salome neuartige Klangmöglichkeiten entwickelt, die auf die Moderne des 20. Jahrhunderts vorausweisen. Zu nennen ist hier vor allem das Mittel der Bitonalität, d. h. die gleichzeitige Verwendung verschiedener Tonarten.

Interpretationsansätze

  • Die biblische Erzählung, die der Oper zugrunde liegt, ist weithin bekannt. Der Zuschauer glaubt darum zu wissen, wer was getan hat. Sein Interesse richtet sich wie im modernen Krimi auf die Frage nach den Motiven und den näheren Umständen. Das grausige Drama erscheint ihm bei Strauss – statt als bloßer Racheakt – als abartiger erotischer Rausch.
  • Salome betrachtet Jochanaan nur als Objekt ihrer sexuellen Begierde, nicht als Menschen. Ein Austausch zwischen den beiden findet weder auf der Gefühls- noch auf der intellektuellen Ebene statt. Es gibt nur einen erotischen Konflikt: Eine schöne, verwöhnte, narzisstische junge Frau, die es gewöhnt ist, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen, ist von einem Mann irritiert und fasziniert, der sich diesem Verhaltensschema entzieht. Dass sie mit seiner Verführung scheitert, kränkt sie zutiefst.
  • Als wichtiges Nebenthema ist eine Symbolik der Zeitenwende in der Oper präsent. Jochanaan ist der Verkünder einer neuen religiösen Weltanschauung, die sich gegen die korrupte, moralisch verdorbene alte Welt wendet. Er sieht sich in erster Linie als Vorbote des Unheils, als Verkünder eines großen Umsturzes. Die alte Ordnung wird vor allem durch Herodias repräsentiert. Der allgegenwärtige Mond wird in dieser nächtlichen Oper immer wieder als Symbol der Zeitenwende angesprochen.
  • Herodes vertritt zwischen den Extremen des Asketen Jochanaan und den nur ihren triebhaften Instinkten folgenden Frauen Herodias und Salome eine Mittelposition. Er ist selbst in lüsternem Verlangen gefangen, und in seiner Machthybris spricht er einen prahlerischen Eid aus, an den er sich später nicht gebunden fühlen will. Aber er hat auch eine Ahnung von dem Anliegen Jochanaans und erkennt das Frevlerische an dessen Hinrichtung. Herodes ist allerdings menschlich zu schwach, um sich gegen die Kräfte, die nur auf Machterhalt und Lustgewinn aus sind, durchzusetzen.

Historischer Hintergrund

Die Dekadenzepoche Europas

Das so genannte Fin de Siècle (franz. = Ende des Jahrhunderts), die ungefähr 25 Jahre währende Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, fiel in eine ungewöhnlich lange Periode des Friedens und des Wohlstands in Europa. Der letzte bedeutende Waffengang war der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 gewesen, der Deutschland den Nationalstaat und die Wilhelminische Ära mit dem Boom der Gründerzeit beschert hatte. Großbritannien wiegte sich in der Sicherheit seiner militärischen Überlegenheit zur See und des wirtschaftlichen Reichtums seiner Kolonien während der über 60-jährigen Regentschaft der Königin Victoria (bis 1901). Die k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn hatte ebenfalls über 60 Jahre lang Bestand, ein Großteil davon unter der Herrschaft eines einzigen Regenten, des Kaisers Franz Joseph. In Frankreich war Paris die glanzvolle Metropole, die Talente anzog wie ein Magnet. Die Epoche war janusköpfig: Medizin, Technik, Industrie und Wissenschaft entwickelten sich rasant und erzielten bedeutende Fortschritte. Die bürgerliche Gesellschaft erstarrte, unbekümmert um das Elend der Werktätigen, immer mehr in ornamentalen Formen äußerlicher Pracht und Wohlanständigkeit. Vor allem die engstirnige Sexualmoral und der überholte Ehrbegriff machten vielen Zeitgenossen zu schaffen. Schriftsteller wie Arthur Schnitzler (Der Reigen, 1900), Thomas Mann (Buddenbrooks, 1901, Der Tod in Venedig, 1912), Marcel Proust (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 1913–1927) und Maler wie Henri de Toulouse-Lautrec, Gustav Klimt oder Aubrey Beardsley zeichneten das Dekadenzbild der Epoche.

Entstehung

Strauss’ Oper hält sich in Ablauf und Wortlaut eng an das ebenfalls einaktige Bühnenstück von Oscar Wilde, das dieser 1891 auf Französisch geschrieben hat. Wildes Stück wiederum wurde durch die Erzählung Hérodias (1877) von Gustave Flaubert angeregt. In Flauberts Novelle wird die Vorgeschichte etwas deutlicher, nämlich wie es zu Jochanaans Gefangensetzung kam, nachdem er Herodias geschmäht hatte. In dem biblischen Bericht, auf dem alles fußt (Matthäus 14, 1–12, Markus 6, 14–29), liegt der Akzent eher darauf, dass Salome eine Rache ihrer Mutter ausführt, weil diese von Jochanaan beschimpft und verflucht worden ist. Wilde dagegen verschiebt die Akzente und stellt Salome in den Mittelpunkt der Handlung. Herodes’ Schwur, Salome könne von ihm die Hälfte seines Königreichs verlangen, kommt schon in der Bibel vor.

Richard Strauss sah Wildes Salome 1903 in einer Theateraufführung in Berlin. Er kannte das Stück allerdings bereits und hatte sich schon zu einer Vertonung entschlossen, als ihm dies auch von anderen nahegelegt wurde. Auf den Vorschlag: „Strauss, das wäre doch ein Opernstoff für Sie“, antwortete er: „Bin bereits beim Komponieren.“ Strauss bearbeitete Hedwig Lachmanns deutsche Prosaübersetzung von Wildes Stück für seine Zwecke und straffte den Text stark. Im Ganzen strich er ungefähr die Hälfte. So wurde etwa der bei Wilde breiter behandelte Narraboth zur Nebenfigur. Strauss’ Kompositionsarbeit wurde 1903/04 immer wieder von Dirigierverpflichtungen unterbrochen. Ein wesentlicher Teil der Oper entstand im Sommer 1904, im Jahr darauf war sie fertig. Der „Tanz der sieben Schleier“ wurde als letztes Stück hinzugefügt.

Wirkungsgeschichte

Die Uraufführung der Salome in der Dresdner Semperoper fand am 9. Dezember 1905 statt. Die Dresdner Oper war in jener Zeit neben der Wiener Staatsoper das absolut führende Haus im deutschsprachigen Raum. Die Uraufführung wäre um ein Haar geplatzt, weil die (körperlich eher füllige) Sängerin Marie Wittich die Rolle der Salome „unanständig“ fand und sie zurückgeben wollte. Auch andere Solisten rebellierten. Strauss musste damit drohen, die Uraufführung an eine andere Oper, etwa nach Leipzig oder Wien, zu vergeben, bevor in Dresden die Proben doch noch vorankamen.

Der Skandal, den die Uraufführung provozierte, war zu erwarten gewesen und wurde bald überwunden. Etliche kleinere Bühnen (darunter Breslau, Prag, Graz, Nürnberg) nahmen Salome schnell ins Programm. Die großen Hofopern zögerten mit der Übernahme der „Skandaloper“: Auch wenn Berlin sich 1906 entgegen Bedenken des Kaisers entschloss, das Werk aufzuführen, zählte man in Wien bereits das Jahr 1918, als die Zensur das Stück passieren ließ. Auch in London und den USA wurden sittliche Bedenken erhoben und es mussten religiöse Empfindsamkeiten beschwichtigt werden. Für Strauss bedeutete Salome aller Schwierigkeiten zum Trotz letztlich doch einen Welterfolg und seinen Durchbruch als Opernkomponist. Stand sein früheres Opernschaffen noch ganz in der Nachfolge Wagners, so gelang ihm mit Salome eine eigenständige Weiterentwicklung, und er gab allgemein der Entwicklung der Oper neue Impulse. Auf Salome folgte eine lange Reihe von Strauss-Werken, die heute zum Weltrepertoire der Oper gehören.

Über den Redner

Richard Strauss, geboren am 11. Juni 1864 in München, stammt aus einem von Musik und Kultur geprägten Elternhaus. Sein Vater ist Hornist am Bayerischen Nationaltheater. Seine Mutter stammt aus der wohlhabenden Bierbrauerfamilie Pschorr. Strauss lernt und studiert seit früher Kindheit Violine, Klavier und Komposition. Seine erste Sinfonie wird noch während seiner Gymnasialzeit aufgeführt. Im Alter von 21 Jahren übernimmt er 1885 als Nachfolger von Hans von Bülow die Meininger Hofkapelle. Strauss’ beruflicher Lebensweg ist zunächst der eines der gefeiertsten Dirigenten seiner Zeit. Nach Meiningen leitet er die Opernorchester in Weimar, München und Berlin. Auf seine ersten bekannten Tondichtungen Don Juan, Till Eulenspiegels lustige Streiche und Also sprach Zarathustra und die frühen Opern Guntram und Feuersnot folgt 1904/05 der Einakter Salome, der seinen Durchbruch als Opernkomponist bedeutet. Die ebenfalls einaktige Elektra folgt 1909, der ganz anders gestaltete, lyrische und humorvolle Rosenkavalier 1910. Die Elektra markiert den Beginn der sehr fruchtbaren Zusammenarbeit Strauss’ mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal als Verfasser von Textbüchern zu etlichen bedeutenden Opern, darunter Ariadne auf Naxos (1912), Die Frau ohne Schatten (1919) und Arabella (1933). Strauss ist 1920 einer der Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Ab 1924 bekleidet er kein festes Opernamt mehr, er lebt überwiegend in Garmisch-Partenkirchen. 1933 wird der politisch naive Strauss Präsident der NS-Reichsmusikkammer, tritt aber zwei Jahre später zurück, als er sich weigert, den jüdischen Dichter Stefan Zweig, seinen Librettisten bei Die schweigsame Frau (1935), aus dem Programmzettel für das Stück zu streichen. Zu Strauss’ Werk zählen auch Liederzyklen mit insgesamt 150 Liedern, darunter die Vier letzten Lieder (1948). Strauss stirbt 85-jährig am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen. Oscar Wilde wird am 16. Oktober 1854 in Dublin geboren. Er gilt als einer der brillantesten Schriftsteller der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein Leben ist wegen seiner Homosexualität skandalumwittert. Zu seinen bekanntesten Werken zählen Das Gespenst von Canterville (1887) und Das Bildnis des Dorian Gray (1890). Wilde stirbt am 30. November 1900 in Paris.

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