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Schöne neue Welt

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Schöne neue Welt

Fischer Tb,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Menschen aus dem Labor, die Psychopharmaka schlucken und ihr Gefühlsleben mit unverbindlichem Sex tauschen: Huxleys Utopie könnte Ihnen bekannt vorkommen.


Literatur­klassiker

  • Utopie
  • Moderne

Worum es geht

Sex, Drogen und Leidenschaftslosigkeit

Wie sorgt man dafür, dass alle Menschen glücklich leben können? Ganz einfach: Man schafft Krankheit, Alter und sämtliche negativen Gefühle ab. Aldous Huxley schildert in Schöne neue Welt eine solche Utopie: Technischer Fortschritt hat jegliche Schmerzen besiegt und alle Probleme scheinbar gelöst. Die Menschen werden industriell produziert und schon im Embryonenalter auf ihre spätere Rolle in der Gesellschaft genormt, sodass sie diese perfekt ausfüllen können. Die Spanne zwischen Bedürfnis und Bedürfnisbefriedigung auf ein Minimum reduzieren – das ist das oberste Ziel einer äußerlich perfekten Spezies. Ein Ziel allerdings, das sich als Horrorvision entpuppt. Als Huxley 1931 sein Hauptwerk schrieb, waren geklonte Menschen, manipulierte Embryonen oder Psychopharmaka noch ferne Zukunftsmusik. Umso frappierender – und beklemmender – ist die brennende Aktualität des Buchs. Eine Welt, in der das gedankenlose Vergnügen zur Maxime erhoben wird? Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor. Dieser Roman ist nicht „immer noch“ lesenswert. Sondern mehr denn je.

Take-aways

  • Schöne neue Welt ist einer der berühmtesten und vielleicht der beklemmendste aller utopischen Romane.
  • Inhalt: Mithilfe des technischen Fortschritts haben die Menschen eine perfekte Welt geschaffen, in der es kein Leid mehr gibt. Menschen werden bedarfsgenau produziert; ihre Beziehungen beschränken sich auf Sexualität. Für vereinzelte Fälle von Unglück gibt es das Psychopharmakon Soma. Als ein Wilder in diese Gesellschaft kommt, verzweifelt er an deren Normiertheit und nimmt sich schließlich das Leben.
  • Gerade die Perfektion der „schönen neuen Welt“ macht die Menschen im Roman für tiefere Empfindungen und wirkliches Glück unempfänglich.
  • Aldous Huxley entstammte einer britischen Gelehrtenfamilie; zwei seiner Brüder waren Naturwissenschaftler.
  • 1926 reiste Huxley in die boomenden USA; die Eindrücke flossen in den Roman ein.
  • Huxley kritisiert einen naiven Fortschrittsglauben, der sich von wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen das Glück für die Menschheit erhofft.
  • Schöne neue Welt ist eine negative Utopie, d. h. die Schreckensvision eines schlechtestmöglichen Gemeinwesens.
  • 1958 griff Aldous Huxley das Thema im Essayband Brave New World Revisited wieder auf. Er sah seine Utopie schneller näher rücken als gedacht.
  • Tatsächlich hat sich Huxley als beängstigend treffsicherer Prophet erwiesen. Sämtliche Techniken, die er beschreibt, sind mittlerweile Realität geworden oder stehen kurz davor.
  • Schriftsteller Michel Houellebecq sieht das offenbar nicht tragisch: In einem seiner Werke wird Schöne neue Welt als genau die Welt bezeichnet, in der wir heute leben wollen.

Zusammenfassung

Der Neue Mensch

Man schreibt das Jahr 632 nach Ford. Oberstes Ziel des Weltstaates ist das Glück aller Menschen. Die herrschenden Weltaufsichtsräte fürchten das destabilisierende Element negativer Emotionen: Weil sich Gefühle als Quelle des menschlichen Unglücks erwiesen haben, wurden sie aus der Welt eliminiert. Menschen werden nicht mehr geboren, sondern in Brut- und Normzentralen künstlich gezüchtet und als Kleinkinder konditioniert. Beziehungen zwischen Eltern und ihren Kindern gibt es nicht mehr, Worte wie „Mutter“ oder „Vater“ gelten als anstößig.

„Sechsundneunzig Menschenleben entstehen zu lassen, wo früher nur eines entstand: Fortschritt.“ (S. 23)

Die Gesellschaft ist in fünf Kasten – von Alpha bis Epsilon – aufgeteilt. Schon im Embryonenalter wird festgelegt, welcher Kaste ein Kind angehört und welchen Beruf es einmal haben soll. Für die soziale Stabilität ist es von enormer Bedeutung, dass alle Bürger mit ihrer Position in der Gesellschaft vollauf zufrieden sind. Deshalb werden die Säuglinge auf ihre künftige Rolle im Staat konditioniert, u. a. indem ihnen während des Schlafes über akustische Beschallung ein unerschütterliches Kastenbewusstsein eingetrichtert wird. Angehörige niederer Kasten werden massenhaft geklont, das ist effizienter als die sexuelle Zeugung. Statt dauerhafter Bindungen zwischen Mann und Frau herrscht Promiskuität, man wechselt den Partner ständig. Diese verordnete sexuelle Befriedigung hat den Liebeskummer verdrängt. Bücher, Religion und Kunst sind abgeschafft worden, weil auch sie nur eine Quelle unnötiger Gefühle waren. Krankheit und Alter sind besiegt; die Menschen bleiben bis zum 60. Lebensjahr jung und sterben dann in einer Klinik. Der Tod gilt als ein natürlicher Vorgang, über den man sich nicht aufregen muss. Und wenn wirklich einmal jemand traurig ist, gibt es immer noch Soma: ein Rauschmittel ohne Nebenwirkungen, das allen zur Verfügung steht. Einzig in einem Reservat in Neu-Mexiko leben „Wilde“ noch so wie vor Jahrhunderten.

In der Brut- und Normzentrale

Eine Gruppe von Studenten beginnt ihre Tätigkeit in der Brut- und Normzentrale Berlin-Dahlem. Der Brut- und Normdirektor, kurz BUND, führt sie am ersten Tag durch das Gebäude. Sie werden Augenzeugen der Entstehung und Entwicklung von Kindern, von der Befruchtung des Eis bis zur Konditionierung fürs spätere Leben. Im Garten der Brut- und Normzentrale spielen Kinder nackt miteinander, erste sexuelle Kontakte zwischen ihnen sind erwünscht und werden gefördert. Hier trifft die Gruppe überraschenderweise Mustafa Mannesmann, einen der zehn Weltaufsichtsräte. Er erzählt den Studenten aus der schlechten alten Zeit, als Kinder noch von Frauen geboren werden mussten, als die Menschen, gruppiert in Familien, in kleinen Wohnungen hausten und es so unangenehme Empfindungen wie Mutterliebe oder Liebeskummer gab. Die Studenten sind entsetzt und können sich kaum vorstellen, was ihnen der Aufsichtsrat schildert.

„Wir prädestinieren und normen auch. Wenn wir unsere Kleinlinge entkorken, haben sie bereits ihren festen Platz in der Gesellschaft, als Alphas oder Epsilons (...)“ (Päppler, S. 30)

Währenddessen wird Lenina Braun, eine Mitarbeiterin der Brut- und Normzentrale, von ihrer Freundin Stinni kritisiert: Schon seit Monaten gehe sie ausschließlich mit ihrem Kollegen Henry Päppler aus. Monogamie ist im Weltstaat etwas Anstößiges. Lenina gesteht, dass sie sich eigentlich mehr für Sigmund Marx interessiere, einen Kollegen aus der Psychologieabteilung. Doch Stinni ist auch davon nicht begeistert. Sigmund ist zwar ein Alpha, also ein Angehöriger der obersten Kaste, aber bei seiner Normung ist etwas schiefgegangen: Er ist klein, wie ein Angehöriger der niederen Kasten.

„Aber jedermann ist seines Nächsten Eigentum.“ (Mannesmann, S. 54)

Henry Päppler spricht mit dem Prädestinationsassistenten über Lenina und rät diesem, es doch auch einmal mit ihr zu versuchen. Sigmund hört den beiden zu und ist empört über die Gleichgültigkeit, mit der die beiden über das Mädchen sprechen, denn er mag Lenina gern. Am selben Abend noch fragt Lenina Sigmund, ob sie ihn auf einer geplanten Reise ins amerikanische Wildenreservat begleiten dürfe. Sigmund, der schon lange in Lenina verliebt ist, reagiert verwirrt auf diesen plötzlichen Annäherungsversuch. Aber er sagt nicht Nein. Später trifft er sich mit seinem Freund Helmholtz Holmes-Watson. Auch dieser gehört der obersten Kaste an. Er ist selbst für einen Alpha ungewöhnlich begabt, schreibt Texte für die Zeitung, Drehbücher und kluge Merksprüche, mit denen er allerdings nicht zufrieden ist: Irgendwie hat er das Gefühl, dass es Wichtigeres zu schreiben gäbe, weiß aber nicht, was das sein könnte.

Die Reise ins Reservat

Nun sind Sigmund und Lenina ein Paar. Lenina merkt bald, wie sonderbar Sigmund ist. Da er sich aufgrund seiner fehlerhaften Normung schon immer als Außenseiter gefühlt hat und auch stets als solcher behandelt worden ist, hat er die Dogmen des Weltstaates nicht so verinnerlicht wie die anderen. Er ist lieber allein als in einer großen Menschenmasse. Und er lehnt es ab, wie alle anderen einfach Soma zu nehmen, wenn er traurig ist. Stattdessen verweilt er lieber in seiner düsteren Stimmung. Was ihn besonders stört, ist seine Unfreiheit als genormter Mensch: Am liebsten würde er aus diesem vorgegebenen Lebensmuster ausbrechen. Lenina versteht ihn nicht – sie ist glücklich mit ihrem Leben.

„Keine Mühe wurde gescheut, um euch euer Gefühlsleben leicht zu machen, euch, soweit es geht, vor Gefühlen überhaupt zu bewahren.“ (Mannesmann, S. 57)

Sigmund beantragt bei seinem Chef, dem BUND, eine Reise in das Reservat nach Neu-Mexiko. Der BUND unterschreibt den Antrag – und wird plötzlich sentimental. Er erzählt Sigmund, dass er selbst vor vielen Jahren auch einmal dorthin gereist sei, zusammen mit einem Mädchen. Während eines Unwetters verschwand seine Freundin und wurde nie wieder gefunden. Er könne sie bis heute nicht vergessen. Sigmund ist erschrocken über diesen unerwarteten Gefühlsausbruch, und bald merkt auch der BUND, dass er sich nicht normgerecht verhalten hat. Die Wut über sein eigenes Benehmen lässt er nun an Sigmund aus und kritisiert ihn wegen seines unkonventionellen Lebensstils. Er droht Sigmund, ihn in eine Außenstelle nach Island versetzen zu lassen, wenn er sein Verhalten nicht ändere. Sigmund nimmt die Vorwürfe gelassen; er fühlt sich wohl in seiner Außenseiterrolle. Als er mit Lenina in Neu-Mexiko angekommen ist, erfährt er, dass seine Versetzung nach Island bereits beschlossene Sache ist.

Bei den Wilden

Im Reservat leben die Wilden noch wie vor Jahrhunderten. Kinder werden von ihren Müttern geboren und wachsen in Familien auf. Die Menschen praktizieren Religionen und sprechen Sprachen, die anderswo längst ausgestorben sind. Um die zivilisierte Welt vor diesem barbarischen Verhalten zu schützen, ist das Reservat von elektrischen Zäunen umgeben. Wer sie berührt, muss sterben. Lenina und Sigmund besuchen die Eingeborenen, die in einfachen Hütten leben. Lenina ist entsetzt über den Schmutz, den Gestank und die Lebensweise der Menschen. Der Anblick eines alten Mannes versetzt sie in Panik, denn sie hat noch nie einen alternden Menschen gesehen. Um sich zu beruhigen, möchte sie etwas Soma nehmen, doch sie stellt erschrocken fest, dass sie die Tabletten vergessen hat und nun alle Gefühle aushalten muss. Während eines grausamen religiösen Rituals, bei dem ein junger Mann ausgepeitscht wird, lernen die beiden Michel und dessen Mutter Filine kennen. Michel ist zwar wie ein Wilder gekleidet, hat aber blonde Haare und blaue Augen. Seine Mutter Filine stammt aus der zivilisierten Welt. Sie war schwanger, als sie mit ihrem damaligen Freund das Reservat besuchte. Während eines Unwetters in den Bergen wurde sie von den Indianern gerettet. Aber im Reservat hatte sie, anders als draußen üblich, keine Möglichkeit, die Schwangerschaft abzubrechen und musste deshalb ein Kind zur Welt bringen. Aus Scham darüber blieb sie im Reservat. Sigmund begreift, wen er vor sich hat: Michel ist der Sohn des BUND. Filine ist glücklich, nach so vielen Jahren wieder einmal zivilisierte Menschen zu treffen. Doch Lenina fühlt sich abgestoßen von der hässlichen, dicken, alten Frau.

„Jeder ist heutzutage glücklich.“ (Päppler, S. 86)

Sigmund bittet Michel, ihm möglichst viel über sein Leben im Reservat zu erzählen. Michel berichtet, dass er von jeher ein Außenseiter gewesen sei – wegen seiner Hautfarbe, aber auch, weil Filine immer sexuelle Kontakte zu mehreren Männern hatte, so wie sie es aus ihrer Welt gewohnt war. Für sie war das normal, aber die anderen verspotteten sie und Michel deswegen. Einmal wurde Filine sogar von einigen Frauen verprügelt. Sie brachte ihrem Sohn Lesen und Schreiben bei, hatte aber außer einem alten Fachbuch keine Lektüre für ihn, denn auch im Reservat gab es keine Bücher. Eines Tages aber fand Michel Shakespeares gesammelte Werke. Seitdem hat er sie viele Male gelesen und kennt die Texte in- und auswendig. Sigmund lädt Michel ein, mit ihm nach Berlin zu kommen, denn er hat einen Plan, wie er seine Versetzung vielleicht noch verhindern könnte. Michel ist begeistert von der Einladung. Er stellt sich die Welt außerhalb des Zauns als Paradies vor.

In einer neuen Welt

Zurück in Berlin, wird Sigmund sofort zum BUND beordert, der ihm vor allen Kollegen mitteilt, dass er wegen seines Verhaltens nach Island versetzt werde. In diesem Moment lässt Sigmund Filine und Michel hereinkommen. Sein Plan geht auf, es kommt zu einem Skandal: Ausgerechnet der Direktor der Brut- und Normzentrale hat einen Sohn! Der BUND muss zurücktreten, und Sigmund bleibt auf seinem Posten. Filine ist glücklich, dass sie endlich wieder Soma nehmen kann, und stürzt sich von einem Rausch in den nächsten, obwohl das ihre Gesundheit ruiniert. Michel dagegen wird zum Star, alle wollen ihn kennen lernen. So steht auch Sigmund plötzlich im Mittelpunkt und genießt seine Berühmtheit. Anders als erwartet findet Michel vieles in der zivilisierten Welt gar nicht bewundernswert. Er hat sich zwar in Lenina verliebt, aber wagt sich nicht an sie heran. Lenina weiß nicht, was sie von diesem merkwürdigen Benehmen halten soll, denn sie ist anderes gewohnt. Helmholtz schließt Freundschaft mit Michel und lässt sich für Shakespeare begeistern. Viel kann er mit dessen Versen allerdings nicht anfangen, weil ihm diese Welt fremd ist.

Liebe und Tod

Da Michel weiterhin keine Anstalten macht, sich Lenina zu nähern, entscheidet sie sich dazu, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie schluckt etwas Soma, um mutiger zu sein, und gesteht Michel, dass sie Interesse an ihm habe. Dieser wird von seinen Gefühlen überwältigt und spricht gleich von Heirat. Lenina versteht nicht, was er meint, aber sie beginnt sich auszuziehen. Das wiederum empfindet Michel als so ungehörig, dass er sie schlägt und als Dirne beschimpft. Lenina ist nun völlig ratlos und flüchtet ins Badezimmer. Da erreicht Michel die Nachricht, dass seine Mutter im Sterben liege. Er macht sich auf den Weg in die Klinik. Als er verstört dort ankommt, erregt er einiges Aufsehen, denn Gefühlsausbrüche ist man hier nicht gewohnt. Seine Erklärung, dass Filine seine Mutter sei, löst noch mehr Befremden aus. Filine ist im Somarausch und verwechselt Michel mit einem ihrer früheren Liebhaber. Der ist darüber so aufgebracht, dass er sie schüttelt, bis sie stirbt. Weinend bricht Michel an ihrem Bett zusammen. Für die Pflegerinnen ist sein Verhalten ebenso ungewöhnlich wie für eine Schar geklonter, völlig identischer Kinder, die gerade im Saal spielen. Als Michel die Klinik verlässt, gerät er in zwei Gruppen von Mitarbeitern, die gerade Feierabend machen und sich ihre tägliche Somaration abholen wollen. Diese sonderbare Welt bringt Michel vollends in Rage; plötzlich verspürt er den Drang, die Menschen zu befreien. Er ruft sie dazu auf, kein Soma zu nehmen, reißt einem Angestellten die Tabletten aus der Hand und wirft sie aus dem Fenster. Da kommen Sigmund und Helmholtz, die Michel bereits vermisst haben. Es gibt einen Tumult, ein Mitarbeiter holt die Polizei. Die Ordnungshüter hüllen die Kämpfenden in einen Nebel aus Soma und lassen von einem Tonband beruhigende Sprüche abspielen. Dann werden Michel, Sigmund und Helmholtz zum Weltaufsichtsrat gebracht.

Das Recht auf Leiden

Mustafa Mannesmann verkündet Sigmund und Helmholtz, dass sie beide auf Inseln verbannt werden sollen. Mit Michel diskutiert er lange über die neue Weltordnung und verteidigt diese. Michel aber findet eine Welt ohne Emotionen grässlich, seiner Ansicht nach gehören Freude und Leid zum Leben der Menschen. Er möchte seine Freunde in die Verbannung begleiten, aber Mannesmann erlaubt es ihm nicht. Deshalb beschließt Michel, sich in einem alten Leuchtturm einzurichten. Dort will er sein Leben wieder so führen, wie er es aus dem Reservat gewohnt ist: Wild mit Pfeil und Bogen erlegen und Gemüse im Garten züchten. Er befolgt auch wieder die Rituale, die er kennt, betet und geißelt sich selbst. Doch er bleibt nicht lange ungestört: Jemand filmt seine Geißelung, und der Film wird in allen Kinos gezeigt. Prompt kommen Scharen von Neugierigen zum Leuchtturm, weil sie das sonderbare Ritual aus der Nähe betrachten wollen. In Sprechchören fordern sie eine Geißelung. Michel entdeckt Lenina unter den Schaulustigen. Da packt ihn die Wut: Er nimmt seine Geißel und schlägt auf das Mädchen ein. Nun fangen auch die anderen an, sich gegenseitig zu verprügeln. Erst nach langer Zeit legt sich der Tumult wieder, und Michel wird bewusst, was er getan hat. Als am nächsten Tag erneut Neugierige zu ihm kommen, hat er sich in seinem Leuchtturm erhängt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die 18 Kapitel des Romans gliedern sich in zwei Teile: Die Kapitel eins bis sechs stellen den Weltstaat vor und führen die Hauptfiguren Lenina und Sigmund ein. In Kapitel sieben kommt Michel dazu, sein Konflikt in der zivilisierten Welt ist fortan das zentrale Thema. Das Buch spielt „im Jahre 632 nach Ford“, also 2540 n. Chr.: Die neue Zeitrechnung orientiert sich am Produktionsstart des ersten Ford-T-Modells im Jahr 1908. Dazu passt auch, dass das Wort „Gott“ – der neuen Religion entsprechend – durchgängig durch „Ford“ ersetzt ist. Überhaupt ist der Roman voll von ironischen Wortspielen. So verwendet Huxley viele sprechende Namen, die auf bekannte Industrielle, Wissenschaftler und Revolutionäre verweisen. Leider wurden in der deutschen Übersetzung von Herberth E. Herlitschka einige dieser Namen verändert und außerdem die Handlung von London nach Berlin verlegt. Es ist zwar nicht unbedingt dramatisch, wenn der Wilde John in einen deutschen Michel verwandelt wird, der sich am Schluss nicht im Surrey, sondern in der Lüneburger Heide erhängt. Helmholtz Watson in Helmholtz Holmes-Watson umzubenennen, ist schon wesentlich problematischer: So geht die Anspielung auf den Behavioristen J. B. Watson verloren, und es drängt sich der Bezug zu den Detektivgeschichten von Arthur Conan Doyle auf, der hier völlig fehl am Platz ist.

Interpretationsansätze

  • Schöne neue Welt ist eine negative Utopie. Der Begriff Utopie kann sowohl mit „Nirgend-Ort“ als auch mit „Gut-Ort“ übersetzt werden. Die klassische, positive Utopie schildert denn auch ein bestmögliches Gemeinwesen, das mitten im Nirgendwo liegt. Huxley kehrt den Gut-Ort-Aspekt in sein Gegenteil um und entwirft die Schreckensvision eines schlechtestmöglichen Staates.
  • War der Nirgend-Ort bei älteren Utopisten wie Thomas Morus noch irgendeine unentdeckte Insel, so änderte sich das 1771 mit Louis-Sébastien Merciers Das Jahr 2440. Da es kaum noch weiße Flecken auf der Landkarte gab, wurden vermehrt Zeit-Utopien geschrieben, in denen das fiktive Gemeinwesen in die Zukunft verlegt wird. Wie alle negativen Utopien ist Huxleys Roman eine solche Zeit-Utopie.
  • Huxley hat sich als beängstigend treffsicherer Prophet erwiesen. Sämtliche von ihm beschriebenen Techniken, die über den damaligen wissenschaftlichen Stand hinausgehen – von Psychopharmaka bis zur Menschenklonung – sind mittlerweile entweder Realität geworden oder stehen im Begriff, es zu werden.
  • Schöne neue Welt kritisiert einen naiven Fortschrittsglauben – die Vorstellung, dass mit zunehmendem technischem Fortschritt die Menschen automatisch glücklicher werden. Huxley führt diesen Ansatz konsequent zu Ende und ad absurdum. Damit plädiert er indirekt für einen besonnen Umgang mit der Technik.
  • Das Ziel jedes totalitären Staates ist die Stabilisierung seiner Macht. Erst die Zerstörung jeglicher Individualität kann die bestehenden Herrschaftsverhältnisse sichern. Nur weil im Weltstaat von Schöne neue Welt kein offener Terror wie in George Orwells 1984 herrscht, ist der Staat also nicht minder totalitär.
  • Huxley bietet in seiner Utopie keine passable Alternative zum neuen Weltstaat: Auch die Menschen im Reservat sind nicht unbedingt glücklich, und Michel, der beide Welten kennen gelernt hat, flüchtet sich in den Selbstmord.

Historischer Hintergrund

Der Sieg des Fortschritts

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzogen sich in Europa und den USA tief greifende technische und gesellschaftliche Veränderungen. Entwicklungen wie der fortschreitende Einsatz von Dampfmaschinen in den Fabriken revolutionierten die Arbeitswelt und ermöglichten eine schnellere und effizientere Herstellung von Waren. Dazu kamen die Fortschritte in Naturwissenschaft und Medizin. Krankheitserreger wurden entdeckt und Impfstoffe gegen Erkrankungen entwickelt, die bis dahin als unbesiegbar galten. Die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik erschienen grenzenlos und versprachen Lösungen für unüberwindbar geglaubte Probleme der Menschheit. Während in Europa nach dem Ersten Weltkrieg viele Staaten Europas in eine tiefe wirtschaftliche Depression schlitterten und die Zahl der Arbeitslosen explodierte, erlebten die USA nach Kriegsende einen bislang ungekannten wirtschaftlichen Aufschwung. Bereits 1913 hatte Henry Ford mit der Fließbandproduktion seines Ford-T-Modells begonnen. Nach dem Krieg kam die industrielle Produktion richtig in Gang. Luxusgüter wie Autos oder Radios wurden massenhaft hergestellt, die Menschen schwelgten im Konsum, und es schien, als könnte es ewig so weitergehen. Erst mit dem Börsencrash 1929 fand der Boom auch in den USA – vorerst – ein Ende.

Entstehung

Utopien, also fiktive Darstellungen einer idealen Welt, gibt es schon seit der Antike; eine der frühesten ist die Schrift Politeia des griechischen Philosophen Platon. Als eigentlicher Begründer der utopischen Literatur wird Thomas Morus angesehen, der 1516 den Roman Utopia veröffentlichte. Weitere wichtige Werke aus der Frühphase des Genres sind Der Sonnenstaat (1602) von Tommaso Campanella und Neu-Atlantis (1624) von Francis Bacon. Die positiven Utopien von der frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts standen alle unter dem Einfluss eines vorherrschenden Fortschrittsoptimismus; diese idealen Gemeinwesen spiegeln die zeitgenössischen Hoffnungen auf gesellschaftliche Weiterentwicklung. In den späteren, negativen Utopien hingegen äußert sich der Fortschrittspessimismus, der im 20. Jahrhundert während den zwei Weltkriegen aufkam. 1920 veröffentlichte der Russe Jewgenij Samjatin mit dem Roman Wir die bis dahin bedeutendste negative Utopie. Sowohl Huxleys Schöne neue Welt als auch George Orwells 1984 wurden stark von diesem Roman beeinflusst.

Huxley schrieb Schöne neue Welt 1931 innerhalb weniger Monate nieder, während er mit seiner Familie in Südfrankreich lebte. Er verarbeitete darin Eindrücke einer Reise in die USA, die er 1926 unternommen hatte – Eindrücke aus einem Land, in dem technischer Fortschritt und Konsum eine zentrale Rolle spielten. Durch seine Brüder, beides Naturwissenschaftler, erhielt Huxley Einblicke in die neuesten Entwicklungen seiner Zeit. Die Bezeichnung Soma entnahm er der buddhistischen Mythologie. Huxleys literarische Bildung zeigt sich in den zahllosen Shakespeare-Zitaten, die er dem „Wilden“ Michel in den Mund legt; auch der Titel Schöne neue Welt ist ein Shakespeare-Zitat und stammt aus dem Sturm. Dass der Staat in Schöne neue Welt deutlich totalitäre Züge trägt, mag auch daran liegen, dass Huxley zu jener Zeit das Aufkommen faschistischer Strömungen in vielen europäischen Ländern beobachten konnte, allen voran Deutschland und Italien.

Wirkungsgeschichte

Schöne neue Welt, im Original Brave New World, erschien 1932. Huxleys bekanntestes Werk war von Anfang an erfolgreich und wurde schon bald nach Erscheinen in andere Sprachen übersetzt; noch im selben Jahr kam die erste deutsche Übersetzung unter dem Titel Welt – wohin? heraus. Die Kritik jedoch reagierte von Anfang an gespalten auf das Buch. Vor allem aber wurde Huxleys Utopie missverstanden: Eine Welt, in der jeder mit jedem Sex haben kann und in der es genug legale Rauschmittel für alle gibt, begriffen viele als ausgesprochen positiv, ohne die Warnungen zwischen den Zeilen wahrzunehmen. Huxley selbst wehrte sich gegen diese Deutung seines Romans und griff das Thema 1958 in dem Essay Brave New World Revisited wieder auf. Er veröffentlichte noch weitere negative Utopien, Affe und Wesen (1949) sowie Eiland (1962). Schöne neue Welt ist allerdings sein mit Abstand erfolgreichstes Buch. Es gilt als wichtigste negative Utopie der Weltliteratur. 1980 und 1998 wurde der Roman für das Fernsehen verfilmt. Daneben finden sich in zahlreichen Science-Fiction-Filmen Motive aus dem Roman, etwa in Demolition Man (1993), wo eine Polizistin mit Namen Lenina Huxley vorkommt. 1994 wurde Schöne neue Welt als Musical uraufgeführt, eine zweite Version entstand im Jahr 2000. Der französische Romancier Michel Houellebecq irritierte die Öffentlichkeit 1998, weil in seinem Roman Elementarteilchen behauptet wird, dass die Welt, die Huxley beschreibe, haargenau jene sei, in der wir mittlerweile leben wollen.

Über den Autor

Aldous Huxley wird am 26. Juli 1894 in Godalming (Surrey) geboren. Er entstammt einer Gelehrtenfamilie; sein Großvater Thomas Henry Huxley war ein berühmter Biologe, sein Bruder Andrew soll 1963 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Auch bei Aldous achten die Eltern auf eine gute Bildung, 1908 wird er in das Eliteinternat Eton geschickt. Im selben Jahr stirbt seine Mutter. Sein ursprünglicher Plan, Medizin zu studieren, zerschlägt sich, als er 1911 durch eine schwere Augenerkrankung fast erblindet. Glücklicherweise bessert sich sein Zustand wieder, sodass er ab 1913 in Oxford englische Literatur studieren kann. Sein Sehvermögen aber bleibt dauerhaft beeinträchtigt, weshalb Huxley als Soldat untauglich geschrieben wird und er sein Studium während des Ersten Weltkriegs fortsetzen kann. Nach seinem Abschluss 1916 arbeitet er kurz als Aushilfslehrer, muss aber feststellen, dass ihm die Pädagogik nicht liegt. So wendet er sich dem Journalismus zu. 1919 heiratet er Maria Nys, ein Jahr später wird Sohn Matthew geboren. Huxley kann vom Journalismus leben und veröffentlicht nebenbei Kurzgeschichten. Das Leben in England ist dem Ehepaar aber zu teuer, und so ziehen die Huxleys 1921 nach Italien, später nach Frankreich. Im selben Jahr erscheint Huxleys erster Roman, Crome Yellow (Eine Gesellschaft auf dem Lande). Bereits dieses erste größere Werk ist ein Erfolg. Nun verlegt sich Huxley ganz aufs literarische Schreiben. 1928 folgt Point Counter Point (Kontrapunkt des Lebens), 1932 Brave New World, sein größter Erfolg. Außerdem schreibt Huxley Essays und Kurzgeschichten und unternimmt zahlreiche Reisen. 1937 lässt sich die Familie in den USA nieder. Zunehmend beginnt sich der Autor für spirituelle Themen zu interessieren, für Mystik, Buddhismus, Hinduismus, aber auch Parapsychologie. In den 1950er Jahren experimentiert er mit LSD und anderen Drogen und legt seine Erfahrungen in dem Essayband The Doors of Perception (Die Pforten der Wahrnehmung, 1954) nieder. 1960 erkrankt Huxley an Zungenkrebs. Er stirbt am 22. November 1963. Noch auf dem Sterbebett soll er nach LSD verlangt haben.

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