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Verstand und Gefühl

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Verstand und Gefühl

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Nicht Geld oder Liebe, sondern Geld und Liebe – Jane Austens realistische Liebeskomödie stellt ein für alle Mal klar, dass Gefühle allein nicht satt machen.


Literatur­klassiker

  • Liebesroman
  • Romantik

Worum es geht

Mit Vernunft in die Ehe

Jane Austens Debütroman Verstand und Gefühl mischt auf den ersten Blick die bekannten Zutaten einer romantischen Liebeskomödie: Die beiden hübschen, aber nahezu mittellosen Schwestern Elinor und Marianne fahren nach zahllosen Irrungen und Wirrungen am Ende in den sicheren Hafen der Ehe ein. Mit von der Partie sind natürlich auch die garstige Schwiegermutter, die eifrige Kupplerin und der charmante Nichtsnutz. Unter der seichten Oberfläche versteckt sich jedoch eine bitter-ironische Abrechnung mit den Zwängen, denen die Frauen der gehobenen englischen Gesellschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgesetzt waren: Sie hatten nur selten eigene Einkünfte, sollten präsentabel, aber nicht zu schlau sein und verbrachten die meiste Zeit mit Gesellschaftstratsch, Heiratsanbahnungen und Handarbeiten. Jane Austen verweist ihre übermütige und unkonventionelle Heldin Marianne am Ende in die Schranken der Vernunft und Sittlichkeit, die für ihre Schwester Elinor schon immer gegolten haben – ob aus Notwendigkeit oder echter Überzeugung, bleibt letztlich offen. Der Roman bietet je nach Sichtweise vergnügliche Unterhaltung oder die albtraumhafte Darstellung einer Welt, in der Frauen nichts anderes übrig blieb, als sich zu fügen und sich vorteilhaft zu verheiraten.

Take-aways

  • Jane Austens Debütroman Verstand und Gefühl ist ein Plädoyer für die Vereinbarkeit von Rationalität und Emotionalität.
  • Inhalt: Die Schwestern Elinor und Marianne sind im heiratsfähigen Alter. Elinor fühlt sich vom liebenswürdigen Edward Ferrars angezogen, während Marianne in leidenschaftlicher Liebe zum charmanten Herzensbrecher John Willoughby entbrennt. Doch beide werden enttäuscht. Im Unterschied zu Elinor gibt sich Marianne ganz ihrem Schmerz hin und kommt erst nach einer schweren Krankheit zu Verstand. Elinor kriegt am Ende doch noch ihren Edward; Marianne geht eine Vernunftehe ein.
  • Die beiden Hauptfiguren stehen in einem Gegensatz zueinander: Elinor ist vernünftig und gefasst, Marianne romantisch veranlagt und rebellisch.
  • Austen gelingt eine humorvolle Antwort auf eine der großen moralphilosophischen Fragen ihrer Zeit: Was ist wichtiger, Verstand oder Gefühl?
  • Austens wichtigstes Stilmittel ist die Ironie. Sie verwendet es etwa in den Schilderungen des englischen Landadels.
  • Austens Roman ist auch eine Persiflage auf die manchmal allzu empfindsame Literatur ihrer Zeit.
  • Obwohl der Roman in einer Zeit enormer politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen entstand, schlug sich dieser Hintergrund im Text nicht nieder.
  • In keinem anderen Roman von Jane Austen spielt Geld eine so große Rolle, was sich u. a. mit der persönlichen Situation der Autorin erklären lässt.
  • Jane Austen erneuerte die Gattung des Romans, indem sie normale Menschen in alltäglichen Situationen in den Mittelpunkt rückte.
  • Zitat: „Marianne Dashwood war zu einem außerordentlichen Schicksal geboren. Sie war dazu geboren, den Irrtum ihrer eigenen Überzeugungen zu entdecken und ihren eigenen Lieblingsgrundsätzen zuwiderzuhandeln.“

Zusammenfassung

Die Dashwoods ziehen um

Mrs Dashwood bleibt nach dem unerwartet frühen Tod ihres Mannes mit den drei Töchtern Elinor, Marianne und Margaret verarmt zurück. Ihr Mann hat zwar kurz vor seinem Tod John, seinem Sohn aus erster Ehe, das heilige Versprechen abgenommen, dass er als Haupterbe des Familienvermögens großzügig für Stiefmutter und Halbschwestern sorgen werde. Doch Johns ebenso habgierige wie hartherzige Ehefrau Fanny redet ihm die guten Vorsätze schnell wieder aus. Sie überzeugt ihren Mann davon, dass die vier Frauen mehr als reichlich versorgt seien und seine Halbschwestern ohnehin bald eine vortreffliche Partie machen würden. Gleichzeitig lässt sie die Witwe und ihre Töchter deutlich spüren, dass sie das heimische Gut Norland Park so schnell wie möglich zu verlassen und an die rechtmäßigen Erben abzutreten haben.

„Ich könnte mit einem Mann nicht glücklich werden, dessen Geschmack nicht in allen Punkten mit meinem eigenen übereinstimmt. Er muss alle meine Gefühle teilen; die gleichen Bücher, die gleiche Musik muss uns beide bezaubern.“ (Marianne, S. 22)

Während Mrs Dashwood nach einer neuen Bleibe sucht, kommen sich die 19-jährige Elinor und Fannys Bruder Edward Ferrars in Norland näher. Die zwei Jahre jüngere Marianne steht dem Verhältnis jedoch skeptisch gegenüber: Sie glaubt an die vollkommene Liebe und kann zwischen diesen beiden weder brennende Leidenschaft noch tiefe Seelenverwandtschaft erkennen. Ihrer vernunftbegabten Schwester Elinor wirft sie vor, nichts von echten Gefühlen zu verstehen. Bald neigt sich der Aufenthalt der Familie in Norland dem Ende zu. Sir John Middleton, ein reicher und gutmütiger Verwandter, hat ihnen gegen eine geringe Pacht das bescheidene Landhaus Barton Cottage angeboten. Es befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem eigenen Gut Barton Park.

Neue Bekanntschaften

Der Umzug verläuft in gedrückter Stimmung. Das neue Heim ist gemütlich, aber klein. Es eignet sich weder für größere Gesellschaften noch zur Unterbringung mehrerer Gäste. Außerdem kann sich die Familie nur drei Dienstboten leisten. Doch der gastfreundliche Sir John gibt sich alle Mühe, seine Verwandten bei Laune zu halten. Durch ihn lernen die vier Frauen in kürzester Zeit alle wichtigen Persönlichkeiten der Umgebung kennen: seine Gattin Lady Middleton, eine vornehme, aber geistlose Frau, deren einziges Interesse ihren verzogenen Kindern gilt, die gutmütige und humorvolle Mrs Jennings, Lady Middletons Mutter, die sich am liebsten als Kupplerin betätigt, sowie Colonel Brandon, einen 35-jährigen Junggesellen mit ernsten Zügen, der sich offensichtlich für Marianne interessiert. Doch diesbezügliche Andeutungen von Mrs Jennings weist Marianne empört von sich: Es sei für sie unvorstellbar, sich in einen so alten Mann zu verlieben, der Flanellwesten gegen die Kälte zu tragen pflege.

„Sir John war Jäger, Lady Middleton Mutter. Er jagte und schoss, sie hielt ihre Kinder bei Laune, und dies waren die einzigen Quellen, aus denen sie schöpften.“ (S. 40)

An einem regnerischen Tag verstaucht Marianne sich auf einem Spaziergang den Knöchel. Der junge John Willoughby ist zufällig zur Stelle und trägt sie galant auf seinen Armen nach Hause. Marianne ist hingerissen. Der musisch begabte Träumer verkörpert für sie das Ideal des romantischen Geliebten schlechthin. Elinor sieht mit wachsender Sorge, wie ihre Schwester sich in diese Schwärmerei verrennt und dabei jegliche Vorsicht und Sittlichkeit vergisst. Die jüngste der Schwestern, Margaret, beobachtet Marianne sogar dabei, wie sie Willoughby eine Haarlocke schenkt – für Margaret ein Zeichen, dass die beiden heimlich miteinander verlobt sind.

Überstürzte Abreisen und unverhoffte Besuche

Kurz vor dem Aufbruch zu einer Landpartie erreicht Colonel Brandon eine Nachricht, die ihn zur unverzüglichen Abreise zwingt. Der Ausflug wird abgesagt. Wenige Tage später verabschiedet sich auch Willoughby wegen angeblich dringender Geschäfte in London von der untröstlichen Marianne. Elinor und ihre Mutter argwöhnen, dass Mrs Smith, eine entfernte Verwandte Willoughbys, deren Vermögen er erben wird, die Verbindung mit Marianne missbilligt und ihn deshalb fortgeschickt hat.

„Sie wären das ideale Paar, denn er war reich und sie war hübsch.“ (Mrs Jennings über Marianne und Colonel Brandon, S. 44)

Marianne fiebert nun Tag und Nacht der Rückkehr des Geliebten entgegen, doch zu ihrer großen Enttäuschung taucht stattdessen Edward Ferrars in Barton auf. Er macht einen niedergeschlagenen Eindruck. Edwards Familie ist vornehm und wohlhabend, doch der junge Mann mag sich den ehrgeizigen Plänen seiner Mutter nicht beugen, die ihn zu einer politischen Karriere zwingen möchte. Elinor ist enttäuscht von Edwards seltsam distanziertem Verhalten. Sie reißt sich jedoch zusammen und lässt sich wie immer nichts von ihren Gefühlen anmerken.

„Ich habe gegen jede gängige Vorstellung von Anstand verstoßen. Ich bin offen und ehrlich gewesen, wo ich zurückhaltend, geistlos, stumpfsinnig und verlogen hätte sein sollen.“ (Marianne, S. 57)

Nach Edwards Abreise verkündet Sir John voller Begeisterung die Ankunft entfernter Verwandter, der Schwestern Nancy und Lucy Steele. Doch die Dashwoods können seinen Enthusiasmus nicht teilen. Die ältere der beiden, Nancy, erweist sich als dumm und vulgär, während Lucy zwar intelligenter, aber völlig ungebildet ist. Marianne hat keine Geduld für die schmeichlerischen und hinterlistigen Schwestern, sodass sich Elinor notgedrungen mit ihnen abgeben muss. Eines Tages vertraut Lucy ihr an, dass sie seit vier Jahren heimlich mit Edward verlobt sei. Elinor verliert beinahe die Fassung. Sie ist jedoch überzeugt, dass Edward das Verlöbnis nur aus Pflichtgefühl aufrechterhält und dass ihn keine wahre Liebe an Lucy bindet.

Böse Überraschungen

Elinor und Marianne begleiten Mrs Jennings nach London. Marianne denkt bei dieser Reise an nichts anderes als an ein Wiedersehen mit Willoughby. Ohne sich ihrer Schwester anzuvertrauen, schreibt sie ihm mehrere Briefe, die allerdings unbeantwortet bleiben. Als Colonel Brandon erscheint, läuft sie voller Enttäuschung aus dem Zimmer, weil sie ihn von Weitem mit ihrem Geliebten verwechselt hat. Elinor versucht indes ihr Bestes, um Mariannes unhöfliches und ungeduldiges Benehmen ihren Freunden und Verwandten gegenüber auszugleichen. Während einer Abendgesellschaft treffen sie schließlich unerwartet auf Willoughby. Er unterhält sich gerade mit einer Dame und versucht angestrengt, Marianne zu ignorieren. Als diese ihn völlig außer sich anspricht, behandelt er sie wie eine flüchtige Bekannte. Am Tag darauf schickt er ihr alle Briefe und die Haarlocke zurück und informiert sie in einer kurzen, beleidigenden Notiz über seine bevorstehende Heirat mit einer anderen Frau. Marianne ist todunglücklich. Sie weint ununterbrochen, isst kaum noch und wird immer hysterischer. Die aus dem Brief sprechende Grausamkeit traut sie ihrem ehemaligen Geliebten einfach nicht zu. Am liebsten würde Marianne sofort abreisen, doch Elinor mag ihre Gastgeberin nicht vor den Kopf stoßen und überredet ihre Schwester zu bleiben.

Der Nebel lichtet sich

Von Mrs Jennings erfährt Elinor mehr über Willoughbys unerklärliche Wandlung: Er steht wegen seines ausschweifenden Lebensstils vor dem Ruin – und Miss Grey, seine Verlobte, ist steinreich. Eine Verbindung mit der fast mittellosen Marianne schien ihm offenbar untragbar. Colonel Brandon erzählt Elinor schließlich noch einen anderen Teil der Geschichte, der weit in die Vergangenheit zurückreicht: Als junger Mann habe er, Brandon, eine Frau namens Eliza geliebt, die Marianne sehr ähnlich gewesen sei. Gegen ihren Willen wurde sie mit seinem Bruder verheiratet, und Brandon ging mit seinem Regiment ins Ausland. Doch die Ehe war unglücklich. Eliza wurde mit einem Liebhaber erwischt und von ihrem Mann geschieden. Nun war ihr Abstieg ins Elend nicht mehr aufzuhalten. Nach seiner Rückkehr fand der Colonel sie mit ihrer dreijährigen Tochter im Armenhaus. Nach dem Tod der Mutter sorgte er für die Kleine, die ebenfalls Eliza hieß, und nahm dabei in Kauf, dass man sie allenthalben für seine uneheliche Tochter hielt. Am Tag seiner überstürzten Abreise aus Barton hatte er die Nachricht erhalten, dass das mittlerweile 17-jährige Mädchen sich in größter Not befand: Sie erwartete ein Kind – dessen Vater niemand anderer als Willoughby ist. Brandon schließt seinen Bericht mit der Bitte an Elinor, dies alles Marianne zu erzählen, damit auch ihr die Augen über Willoughby geöffnet würden.

Aufruhr im Hause Ferrars

An einem der unendlich langweiligen Kartenspielabende treffen Elinor und Lucy erstmals auf Mrs Ferrars, Edwards Mutter. Zuvor hat Elinor erfahren, dass Mrs Ferrars ihren Sohn mit der reichen Erbin Miss Morton verheiraten will. Elinor wird von Mrs Ferrars mit kalter Verachtung gestraft, weil diese von Edwards Interesse an ihr erfahren hat. Umso empfänglicher ist Mrs Ferrars für Lucys Versuche, sich bei ihr einzuschmeicheln. Lucy scheint so über die Rivalin zu triumphieren – Elinor allerdings muss in sich hineinlächeln, wenn sie bedenkt, dass Lucy wohl Mrs Ferrars abgrundtief hassen würde, wenn sie von der geplanten Heirat erführe, und umgekehrt Mrs Ferrars alles andere als erfreut über die heimliche Verlobung von Lucy und Edward wäre. Durch das zuvorkommende Verhalten der alten Dame Lucy gegenüber ermutigt, platzt ihre einfältige Schwester Nancy schließlich mit der Wahrheit über die Verlobung heraus. Mrs Ferrars bekommt einen hysterischen Anfall, wirft die Schwestern Steele aus dem Haus und enterbt Edward zu Gunsten von dessen jüngerem Bruder Robert.

„Marianne hätte es sich selbst nicht verziehen, wenn sie in der ersten Nacht nach ihrer Trennung von Willoughby überhaupt Schlaf gefunden hätte.“ (S. 97)

Als Marianne von der Geschichte erfährt, ahnt sie, dass sie ihrer Schwester Elinor Unrecht getan hat: Während sie ihr Herzensleid öffentlich zelebrierte, litt Elinor still und unbemerkt und musste sich dafür auch noch die Geringschätzung der jüngeren Schwester gefallen lassen.

Unerwartete Wendung

Edward Ferrars beschließt, einen lang gehegten Plan in die Tat umzusetzen und Pfarrer zu werden. Da er nun fast mittellos dasteht, stellt er Lucy frei, ob sie das Verlöbnis lösen will. Doch diese versichert ihm, ein Leben in Armut in Kauf nehmen zu wollen. Gleichzeitig lässt sie aber alle ihre Bekannten wissen, dass Edward auf der Suche nach einer frei werdenden Pfründe sei. Schließlich teilt Colonel Brandon Elinor mit, dass die Pfarrei von Delaford, seinem Landsitz, für Edward zur Verfügung stehe. Allerdings, so räumt er ein, werde das Einkommen nur für einen Junggesellen ausreichen und keine Heirat ermöglichen. Edward ist unendlich dankbar, als er davon erfährt. Er weiß, dass er diese glückliche Wendung vor allem Elinor verdankt.

„Aber leider haben mich meine eigenen Ansprüche und die Ansprüche meiner Freunde zu dem gemacht, was ich bin: ein nutzloses, hilfloses Wesen.“ (Edward Ferrars, S. 119 f.)

Für die Dashwood-Schwestern ergibt sich nun endlich die Gelegenheit zur Abreise aus London. Sie begleiten Mrs Jennings zum Landsitz ihrer Tochter nach Cleveland, von wo aus es nur noch eine Tagesreise nach Barton ist. Doch Marianne erkrankt nach einem Spaziergang im nassen Gras an Diphtherie, sodass sich die Heimkehr wieder verschiebt. Als Marianne in ihrem Fieberwahn die Besinnung verliert, schickt Elinor Colonel Brandon nach der Mutter. Entgegen allen Erwartungen überlebt Marianne jedoch. Etwas früher als erwartet fährt am Abend eine Kutsche vor – doch heraus steigt nicht etwa Brandon mit Mrs Dashwood, sondern Willoughby. Er hat von Mariannes Krankheit gehört und ist aus London angereist, um sie um Verzeihung zu bitten. Er sei ein großer Dummkopf gewesen, erklärt er Elinor, nicht aber ein Schurke. Marianne habe er ehrlich und von Herzen geliebt. Doch als Mrs Smith von der schwangeren Eliza hörte, warf sie ihn aus ihrem Haus und machte alle Hoffnung auf die Erbschaft zunichte. Willoughby, der bereits hoch verschuldet war, stand vor der Wahl zwischen einem entbehrungsreichen Leben an der Seite von Marianne oder materiellem Wohlstand ohne sie. Er entschied sich für Letzteres. So kam es zu seiner Verlobung mit der reichen, aber reizlosen Miss Grey. Sie war es auch, die ihm in einem Eifersuchtsanfall den schrecklichen Brief diktiert hatte, dem die Haarlocke beilag.

Schwesternglück in Delaford

Nach Willoughbys Abreise treffen Mrs Dashwood und Brandon in Cleveland ein. Die Mutter ist überglücklich, ihre Tochter am Leben zu sehen. Elinors Bericht über den verflossenen Geliebten hilft Marianne, die Geschichte zu überwinden und seelisch zu gesunden. Ihre Mutter versucht bereits, sie für eine Ehe mit Colonel Brandon zu erwärmen, als Elinor von einem Diener erfährt, dass Edward Ferrars und Lucy geheiratet haben. Obwohl sie damit gerechnet hat, ist die Gewissheit für sie ein Schlag. Doch als Edward allein in Barton Cottage erscheint, klärt sich der Irrtum auf: Die berechnende Lucy hat nicht den nahezu mittellosen Edward, sondern dessen Bruder Robert geheiratet. Endlich ist Edward frei: Er kann um Elinors Hand anhalten. Das Verlöbnis mit Lucy sei ein Jugendfehler gewesen, gesteht er ihr. Umso glücklicher sei er, dass Lucy ihn freiwillig daraus entlassen habe.

„Sie hatte allein mehr Kraft, und ihr gesunder Menschenverstand erwies sich als so stark, ihre Entschlossenheit so unerschütterlich, ihre scheinbare Heiterkeit so unverändert, wie ein so heftiger und frischer Schmerz es zuließ.“ (über Elinor, S. 161)

Edward entschuldigt sich schweren Herzens bei seiner Mutter. Sie erkennt ihn wieder als ihren Sohn an und sichert das Einkommen des jungen Paares, indem sie ihm einmalig 10 000 £ zusteuert. Mit allerhand Schmeicheleien gelingt es Lucy, die Gunst der Schwiegermutter gänzlich zurückzugewinnen. Sie wird mit einem großzügigen Auskommen dafür belohnt. Marianne folgt am Ende dem Wunsch ihrer Mutter und Schwester und heiratet Colonel Brandon. Nicht brennende Liebe, sondern Vertrauen und Achtung bewegen sie zu diesem Schritt. Doch lauwarme Gefühle sind auf die Dauer nichts für Marianne, und so öffnet sie ihrem Mann mit der Zeit ihr ganzes Herz. In guter Nachbarschaft zueinander finden beide Schwestern in Delaford ihr Glück in der Ehe.

Zum Text

Aufbau und Stil

Verstand und Gefühl erzählt in 50 Kapiteln die Liebesgeschichten der beiden Dashwood-Schwestern. Die beiden Handlungsstränge verlaufen parallel und kontrastiv zugleich. Die zwei Frauen befinden sich in der Mitte des Romans auf dem Höhepunkt ihrer Enttäuschungen: Elinor hat von Edwards Verlobung mit Lucy erfahren und Marianne den Trennungsbrief von Willoughby erhalten. Gegensätzlich sind jedoch ihre Charaktere und Bewältigungsstrategien: Elinor lässt sich überwiegend von ihrem Verstand, Marianne dagegen vor allem von ihren Gefühlen leiten. Im zweiten Teil verschwimmen die Gegensätze zwischen den beiden Schwestern langsam, bis Marianne vollends zu Verstand kommt und schließlich das Eheglück die ungleichen Schwestern eint. Die Geschichte wird in der dritten Person weitgehend aus der Perspektive Elinors erzählt. Austens wichtigstes Stilmittel ist die Ironie. Mit spitzer Feder karikiert sie die Borniertheit des englischen Landadels und liefert nebenbei auch noch eine Persiflage auf die Kitschromane ihrer Zeit, deren empfindsame Heldinnen pausenlos in Ohnmacht fallen. Mithilfe geschickter Verzögerungstechniken hält Austen die Spannung oft über viele Seiten hinweg aufrecht: Missverständnisse bleiben quälend lange unaufgeklärt, und das eigentlich sichere Happy End kommt spät und relativ überraschend.

Interpretationsansätze

  • Verstand und Gefühl kontrastiert zwei wichtige philosophische und literarische Strömungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts: Rationalismus und Empfindsamkeit. Der Rationalismus sah die menschliche Vernunft und Urteilskraft als Grundlage wichtiger Entscheidungen, während die Empfindsamkeit die natürlichen Gefühle als moralische Instanz vorzog.
  • Am Beispiel der Dashwood-Schwestern zeigt Jane Austen verschiedene Möglichkeiten auf, wie man mit Verstand und Gefühl umgehen kann: Elinor beherrscht ihre Emotionen, ohne sie gänzlich zu ignorieren. Sie personifiziert somit das Ideal, Gefühl und Verstand in Einklang zu bringen. Marianne hingegen gibt sich anfangs ganz einem trügerischen Gefühlskult hin. Sie muss dafür beinahe mit ihrem Leben bezahlen, erkennt aber noch rechtzeitig ihren Irrtum und wird „vernünftig“. Wie viele Romanfiguren ihrer Zeit steht sie damit auch für das Leiden des Individuums an der Gesellschaft.
  • Mithilfe der Nebenfiguren zeichnet Austen ein vielschichtiges, ironisches und in weiten Teilen auch düsteres Bild der Gesellschaft: Die Dashwood-Frauen sind von einfältigen, habgierigen und missgünstigen Menschen geradezu umzingelt. Das Beispiel Lucy Steeles zeigt, dass Hinterlist und Falschheit sich in diesen Kreisen materiell ausgezahlt haben.
  • In keinem anderen Werk Austens spielt das Thema Geld eine so große Rolle. Dies lässt sich z. T. mit der Lebenssituation der Autorin erklären: Sie war nach dem Tod des Vaters weitgehend auf die Unterstützung durch ihre Brüder angewiesen und hoffte, mit ihrem schriftstellerischen Debüt finanziell unabhängiger zu werden.
  • Jane Austen vertritt traditionelle Werte wie Disziplin, Moral und weibliche Tugend. Sozialrevolutionäre Ansichten liegen ihr fern. Dennoch ist Austens Name untrennbar mit einer Revolution verbunden: Sie erneuerte die literarische Gattung des Romans, indem sie normale Menschen in alltäglichen Situationen in den Mittelpunkt rückte. Deshalb gilt sie vielen auch als eine der Begründerinnen des modernen Romans.

Historischer Hintergrund

Provinzielle Idylle in bewegten Zeiten

Verstand und Gefühl erschien 1811 in einer Zeit enormer politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen. Die Napoleonischen Kriege hatten beinahe ganz Europa in Brand gesetzt, Großbritannien entwickelte sich im Zuge der industriellen Revolution und imperialen Ausdehnung zur „Werkstatt der Welt“, in den Städten wuchsen das Elend und der Unmut der Proletarier. Sie und die Massen verarmter Bauern hatten nur wenig Verständnis für die Ausschweifungen und die Verschwendungssucht des Prinzen von Wales und späteren Königs George IV., der in der „Regency-Zeit“ von 1811 bis 1820 anstelle seines wahnsinnig gewordenen Vaters George III. als Prinzregent herrschte.

Dieser ganze zeitgeschichtliche Hintergrund schlug sich in Jane Austens Werk jedoch nicht nieder; sie reduzierte ihre Romane auf die wesentlich heilere Welt des Landadels, Klerus und Handelsbürgertums in dörflichen Gemeinschaften. Innerhalb dieses engen Rahmens griff sie mit Verstand und Gefühl die wichtigste moralphilosophische Debatte des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf: die Frage, ob der Mensch sich eher von seiner Vernunft und kritischen Urteilsfähigkeit oder von seinem angeborenen Gefühl leiten lassen solle. Wichtige Wortführer dieser Debatte waren der Politiker, Philosoph und Schriftsteller Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury, sowie der Schriftsteller und Kritiker Samuel Johnson.

Entstehung

Jane Austen schrieb die Urfassung ihres Debütromans Verstand und Gefühl um 1795 unter dem Arbeitstitel Elinor and Marianne, im Alter von erst 19 Jahren. Das Manuskript ist verschollen. Doch spricht vieles dafür, dass die erste Version als Briefroman konzipiert war, eine Gattung, die durch die Werke Samuel Richardsons in Mode gekommen war. 1798 und noch einmal in den Jahren 1809/10 überarbeitete die Autorin das Manuskript grundlegend und verwandelte es durch die besondere Betonung der moralischen Lehre in ein klassisches Beispiel des didaktischen Romans. Jane Austen zweifelte ganz offensichtlich am Erfolg des Buchs, denn sie legte von ihrem bescheidenen Einkommen die Summe beiseite, die sie dem Verleger bei einem Misserfolg hätte zurückerstatten müssen. Kurz vor der Veröffentlichung im November 1811 schrieb sie ihrer Schwester Cassandra aus London, dass sie ihr Werk ebenso wenig vergessen könne wie eine Mutter das „Kind an ihrer Brust“.

Der Roman erschien anonym. Einige Freunde und Verwandte Jane Austens ahnten jedoch, wer sich hinter der Autorenangabe „By a Lady“ („Von einer Dame“) verbarg, denn die Parallelen zu Austens eigener Familie waren offensichtlich: Wie Mr Henry Dashwood starb Janes Vater, als sie und ihre ältere Schwester Cassandra gerade das heiratsfähige Alter erreicht hatten. Der Tod des Familienoberhaupts bedeutete für die Witwe und ihre Töchter einen sozialen Abstieg, da sie von nun an auf die Wohltätigkeit reicher Verwandter angewiesen waren. Außerdem ähnelten sich Elinor Dashwood und Cassandra Austen in ihrem rationalen, gefassten Wesen, ihren Hobbys und Lebenserfahrungen derart, dass viele Leser in den Romanfiguren die Austen-Schwestern personifiziert sahen.

Wirkungsgeschichte

Jane Austens Furcht vor einem Flop erwies sich als unbegründet: Die erste Auflage von 750 Stück war nach 20 Monaten ausverkauft und die Verfasserin hatte 140 £ verdient – für sie damals eine beachtliche Summe. Kritiker lobten die detaillierte Charakterzeichnung und wertvolle moralische Aussage. Doch schon bald geriet Verstand und Gefühl in Vergessenheit; Austens spätere Werke waren beim Publikum langfristig erfolgreicher. Die moderne Kritik begründet das z. T. mit dem etwas faden Nachgeschmack, den Mariannes Wandel beim Leser hinterlässt: Die übermütige Heldin verliert ihre jugendliche Unschuld und beugt sich den gesellschaftlichen Zwängen ihrer Zeit – nicht gerade ein Happy End im besten Hollywood-Stil. Abwechselnd verdammten Kritiker und Leser das Werk als reaktionär, feierten es als revolutionär oder genossen es schlicht als seichte Unterhaltung. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schien sich die Sichtweise der selbst ernannten „Janeites“ durchzusetzen: Diese Austen-Fans sehen in ihr eine geniale Schriftstellerin, die gute Unterhaltungsliteratur mit subversiver Kritik an der paternalistischen Klassengesellschaft ihrer Zeit verband.

Der Kult um Austens Person nimmt zuweilen skurrile Formen an: Die „Jane Austen Societies“ in Großbritannien und den USA veranstalten Konferenzen in historischer Kleidung der Regency-Zeit, und ein Kloster in der Nähe des Austen-Hauses in Chawton bietet Meditationswochenenden zur Autorin an. In den 90er Jahren erschienen verschiedene Modernisierungen: Stephanie Barron ließ Jane Austen in ihren Büchern als Detektivin auftreten, Karen Joy Fowler schuf mit The Jane Austen Book Club einen postmodernen Austen-Ableger und Joan Aiken sowie Emma Tennant schrieben Fortsetzungsromane zu Austens Werken. Im Zuge der allgemeinen Austen-Mania wurde auch das Erstlingswerk Verstand und Gefühl wiederentdeckt und 1995 von dem taiwanesischen Regisseur Ang Lee mit Emma Thompson, Kate Winslet und Hugh Grant in den Hauptrollen verfilmt (deutscher Titel: Sinn und Sinnlichkeit).

Über die Autorin

Jane Austen wird am 16. Dezember 1775 als siebtes Kind des Pfarrers George Austen und seiner Frau Cassandra in Steventon, Hampshire, geboren. Sie und ihre ältere Schwester Cassandra, der sie sehr nahesteht, erhalten nur eine grundlegende Schulbildung von etwa fünf Jahren. Anschließend bilden sie sich zu Hause in Malerei, Klavierspielen und vor allem in der umfangreichen Bibliothek ihres Vaters weiter. Jane fängt bereits mit zwölf Jahren an zu schreiben. In dieser Zeit entstehen zahlreiche Jugendwerke, die sie später überarbeitet. Zwischen 1795 und 1799 schreibt sie an frühen Fassungen ihrer erst später veröffentlichten Romane. Zeitgenossen beschreiben die junge Jane als begeisterte Tänzerin und Theaterbesucherin. Sie hat einige Verehrer, scheint jedoch nicht besonders am Heiraten interessiert zu sein. Wie ihre Schwester Cassandra bleibt sie ledig. Als ihr Vater 1805 stirbt, sind die Schwestern und die Mutter finanziell von Janes Brüdern abhängig. Häufige Wohnortwechsel zwischen Bath, London, Clifton, Warwickshire und Southampton sowie kürzere Aufenthalte bei mehreren Verwandten prägen diese Zeit. 1809 lassen sich die drei Frauen schließlich in dem Dorf Chawton, Hampshire, nieder. Die wiedergefundene Stabilität weckt in Jane neue kreative Kräfte. Sie bereitet Verstand und Gefühl (Sense and Sensibility, 1811) sowie Stolz und Vorurteil (Pride and Prejudice, 1813) zur Veröffentlichung vor. 1814 erscheint Mansfield Park und 1816 Emma. Jane Austen ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine viel gelesene, wenn auch anonyme Autorin. Sie stirbt im Alter von 41 Jahren am 18. Juli 1817, wahrscheinlich an der Addison-Krankheit, deren Ursache damals unbekannt und die nicht behandelbar ist. Die Romane Anne Elliot (Persuasion) und Die Abtei von Northanger (Northanger Abbey) erscheinen postum im Jahr 1818. Erst zu diesem Zeitpunkt gibt Janes Bruder Henry die Urheberschaft aller sechs Werke bekannt.

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