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Zazie in der Metro

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Zazie in der Metro

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Frech, derb und hintergründig – Queneaus Roman über die Abenteuer der Göre Zazie.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Respektlos im Großstadtdschungel

Die fast halbwüchsige Zazie ist so frech wie Pippi Langstrumpf, nur viel ordinärer, sie beendet fast jeden Satz mit „leck mich“ und stellt Erwachsenen investigative Fragen zu deren Sexualleben. Allerdings sind die Menschen, die sie trifft, selbst keine Kinder von Traurigkeit und die Gespräche der Erwachsenen untereinander sind oft ebenso absurd-direkt wie die mit Zazie. Das Paris, in dem das Mädchen aus der Provinz zwei Tage verbringt, während ihre Mutter bei einem Liebhaber weilt, erscheint nicht ganz stabil in Zeit und Raum: Da fährt ein Zug um 18 Uhr 60, die Sainte-Chapelle wird mit dem Handelsgericht verwechselt und am Ende verwandelt sich beiläufig Marceline in Marcel und ein Kneipenwirt tauscht die Rollen mit seinem Papagei. Die Handlung geht gegen null, die Dialoge strotzen vor Zoten und umgangssprachlichem Witz – immer wieder kontrastiert mit vielschichtigen Anspielungen. Das alles ist höchst erfrischend – ein literarischer Geheimtipp, der keiner bleiben sollte.

Take-aways

  • Zazie in der Metro, 1959 erschienen, ist der berühmteste Roman von Raymond Queneau.
  • Inhalt: Zazie ist zwei Tage bei ihrem Onkel in Paris, während ihre Mutter Zeit mit ihrem Liebhaber verbringt. Zazie will unbedingt in die Metro, aber die wird bestreikt. Also erkundet das Mädchen die Stadt auf eigene Faust, begegnet fragwürdigen Gestalten, besichtigt den Eiffelturm und sieht ihren Onkel im Tutu tanzen.
  • Das Werk ist ein Antiroman: Die Handlung ist nicht zusammenhängend, die Figuren haben keine stabile Identität, fantastische Elemente stellen die Realität infrage.
  • Queneau zeichnet ein Sittenbild der französischen Gesellschaft Ende der 1950er-Jahre.
  • Wichtigstes Stilmittel sind Wortwitz und Parodie.
  • Der Autor nutzt lautgetreu notierte Mündlichkeit ebenso wie ironisch-gestelzte Wendungen.
  • Die Sprache von Zazie, aber auch der meisten Erwachsenen, ist direkt und ordinär.
  • Sexualität ist eines der Hauptgesprächsthemen für alle Figuren.
  • Die Verfilmung durch Louis Malle wurde ebenso berühmt wie der Roman.
  • Zitat: „Höflichkeit? Leck mich.“

Zusammenfassung

Ankunft in Paris

Das Mädchen Zazie kommt mit ihrer Mutter Jeanne Grossestittes in Paris an und soll dort zwei Tage bei ihrem Onkel Gabriel verbringen, während ihre Mutter sich mit ihrem Liebhaber trifft. Zazie möchte unbedingt mit der Metro fahren, aber ausgerechnet an diesen Tagen legt ein Streik die Metro lahm. Gabriels Kumpel Charles fährt Zazie und Gabriel mit seinem Taxi zu Gabriels Wohnung. Die Sehenswürdigkeiten, auf die die beiden Männer sie hinweisen, interessieren Zazie überhaupt nicht – wobei Gabriel und Charles sich auch nicht einig sind, um welche Sehenswürdigkeit es sich jeweils handelt. Als sie bei Gabriel ankommen, schauen Gabriel und Charles zuerst im Lokal „La Cave“ vorbei. Turandot, der Wirt, ist auch Gabriels Vermieter. Er hat einen Papagei, der fast immer den gleichen Satz wiederholt: „Du quatschst und quatschst, sonst hast du nichts zu bieten.“ Dann gibt es Abendessen, zubereitet von Gabriels Frau Marceline. Zazie ist müde und schläft früh ein. Gabriel muss noch los, er arbeitet nachts. Zazie geht davon aus, dass er Nachtwächter ist.

Zazie zieht los

Als Zazie am nächsten Morgen aufwacht, ist sonst noch niemand wach. Sie sucht und findet die Toilette, dann die Wohnungstür. Sie geht nach draußen und möchte auf eigene Faust die Stadt erkunden. Turandot bemerkt sie vom Lokal aus und will sie zurückhalten. Sie rennt los, um ihn abzuschütteln, er setzt ihr aber nach und hält sie gewaltsam fest. Da schreit Zazie, dass sie nicht mit diesem ihr unbekannten Mann mitgehen wolle, der sie sexuell belästigt habe. Damit hat sie sofort die Aufmerksamkeit der Passanten. Diese empören sich, verwickeln sich dann aber in Diskussionen über die von Zazie berichteten sexuellen Details. Turandot nutzt das Durcheinander zur Flucht. Dann informiert er Marceline über Zazies Verschwinden. Gabriel, derart aus dem Schlaf gerissen, macht sich nur widerwillig auf die Suche nach Zazie. Schon an der nächsten Ecke wird er vom Schuster Gridoux aufgehalten. Gridoux gibt vor zu wissen, wo Zazie hingegangen ist, macht dann aber doch keine hilfreichen Angaben. Gabriel möchte wegen der Ausreißerin nicht die Polizei rufen und geht wieder schlafen.

Lustmolch oder Polizist?

Zazie kommt an einem Metro-Eingang vorbei und fängt an zu weinen. Ein Mann, den Zazie sofort für einen Lustmolch hält, fragt, warum sie so traurig sei. Obwohl sie ihm direkt unterstellt, ein Dreckskerl zu sein, lässt sie sich zu einer „Caco-Calo“ ins Bistro einladen. Sie sprechen über den Flohmarkt in der Nähe. Zazie hätte zu gern „Bludschiens“, und der Mann ist sich sicher, dass es auf dem Markt auch diese gibt. Tatsächlich kauft er ihr die begehrten Hosen, und Zazie lauert auf eine Gelegenheit, das Päckchen zu klauen und damit abzuhauen. Doch erst mal lädt der Mann sie zum Essen ein. Zazie erzählt ihm, ihre Mutter habe ihren Vater ermordet, weil der sich betrunken an Zazie vergreifen wollte. Ein Anwalt aus Paris habe ihre Mutter rausgehauen, sie selbst habe im Prozess ausgesagt. Der Mann gibt sich skeptisch, fragt aber dennoch nach und hört sich die Geschichte an. Als er nach der Adresse von Gabriel fragt, versucht Zazie mit dem Jeanspaket abzuhauen, doch sie kommt nicht weit und schon ist der Mann plötzlich wieder neben ihr. Sie versucht ihn loszuwerden, indem sie – wie bei Turandot – um Hilfe schreit, aber der Mann zahlt ihr mit gleicher Münze heim, indem er sie öffentlich als Diebin brandmarkt. Die Menge glaubt ihm.

„Waschtinkndiso, dachte Gabriel entnervt. Unglaublich, waschen die sich nie.“ (über die Pariser, S. 7)

Jetzt meint Zazie, er sei Polizist. Er bringt sie zu Gabriel zurück. Gabriel hat Angst, weil Zazie ihn als Polizisten ankündigt, doch der Mann stellt sich als fliegender Händler namens Reste-Pedro vor. Er beschuldigt Gabriel, Zazie auf den Strich zu schicken. Das Gespräch gerät zum Verhör, am Ende gesteht Gabriel stolz, er sei nicht Nachtwächter, sondern Künstler, nämlich „Cabaret-Tänzerin“ in einem Schwulenlokal. Er sei aber selbst nicht homosexuell, was er damit zu beweisen sucht, dass er ja schließlich verheiratet sei. Marceline und Zazie erlauschen das Gespräch teilweise durch die Tür. Zazie horcht gerade, als von „hormosessuellen Allüren“ die Rede ist. Sie fragt Marceline, was das sei, aber Marceline weicht aus. Zazie hat inzwischen die Bluejeans an und gibt sie nicht mehr her. Der Mann versucht weiter, Gabriel Kriminelles zu unterstellen, und fragt ihn auch zu Marceline aus. Zazie fordert Gabriel auf, ihn rauszuschmeißen, was der Muskelprotz Gabriel kurze Zeit später auch tut. Zur Stärkung kehrt der Mann bei Turandot ein. Das Gleiche tut Gabriel kurz danach. Als er sieht, dass der Mann dort sitzt, sinkt er ohnmächtig zu Boden. Als er wieder aufwacht, gerät er in ein Wortgefecht mit dem Fremden, geht aber schließlich grußlos.

Eine Ehe bahnt sich an

Beim Schuster Gridoux bekennt Mado Clainefousse, Bedienung im „La Cave“, dass sie an Charles, dem Taxifahrer, interessiert sei. Sie schiebe auch ab und zu eine Nummer mit ihm, aber aufs Heiraten sei die Sprache bisher nicht gekommen – und er studiere Kontaktanzeigen in der Zeitung. Der Fremde kommt aus dem Lokal, um Schnürsenkel bei Gridoux zu kaufen. Dass er entweder „Bulle oder Lustmolch“ sei, weist er von sich. Er wisse aber nicht mehr, wer er sei, nicht mal mehr seinen Namen.

Touristenprogramm

Gabriel, Zazie und Charles sind auf dem Eiffelturm. Gabriel und Charles können sich wieder nicht über die Sehenswürdigkeiten einigen, die das Panorama bietet. Nach dem ersten Blick in die Tiefe wird Gabriel schwindlig und er tritt den Rückweg an. Zazie nutzt die Gelegenheit, um Charles auszufragen. Zum Thema von Gabriels mutmaßlicher Homosexualität kommt hier keine eindeutige Antwort. Dann befragt Zazie ihn zu seinem eigenen Liebesleben, fragt, warum er mit 45 Jahren unverheiratet sei, ob Taxikundinnen ihn oft mit Sex bezahlen wollten, ob er verklemmt sei, ob er Angst vor Frauen habe. Charles flieht vor Zazie und tritt ebenfalls den Abstieg an. Er lässt auch Gabriel sitzen, weil er Zazie nicht noch mal begegnen will. Damit haben Gabriel und Zazie keine Rückfahrmöglichkeit mehr, denn die Metro wird immer noch bestreikt. Gabriel schwingt philosophische Reden über die Absurdität des Daseins und zieht damit einige ausländische Touristen an, die ihn für einen Fremdenführer halten. Da taucht Fédor Balanovitch auf, der tatsächliche Guide der Gruppe. Er und Gabriel kennen sich, Fédor begrüßt ihn mit „Gabriella“ und verspricht, ihn nach Hause zu bringen, vorher müsse er allerdings den Touristen die Sainte-Chapelle zeigen. Zazie will nicht mitkommen, aber Gabriel zerrt sie in den Bus.

Die Witwe und der Polizist

Im Bus hängen die fremdsprachigen Touristen immer fanatischer an Gabriels Lippen. Zazie ist wütend auf Gabriel und kneift ihn mehrfach so fest ins Bein, dass er aufschreit. Sie versucht, ihn damit zu erpressen, dass sie ihn als homosexuell outen werde, aber das ist für Gabriel keine Drohung. Friedlich bekundet er wieder, er sei nicht homosexuell. In einem Stau steigen die beiden aus dem Bus. Als Zazie ihrem Onkel wieder wehtut, mischt sich eine Passantin ein, die dem Kind gut zureden will, dann aber ziemlich schnell abgestoßen ist von Zazies ordinärer Sprechweise. Gabriel verwahrt sich gegen die Erziehungsvorwürfe der Dame und bekundet, man müsse mit Kindern vor allem Verständnis haben. Die Dame stellt sich als Witwe Dassemire vor. Sie ist hingerissen von Gabriel.

„Das, meine Gutste (…) ist Gorilla, ein Parfüm aus dem Hause Myves St. Fleurant.“ (Gabriel zu einer Frau, S. 7)

Indes tauchen Gabriels touristische Fans wieder auf. Sie haben ihn verfolgt und bugsieren ihn jetzt in ein Taxi, ohne sich um Zazie zu kümmern. Die Witwe Dassemire schreit, man solle die Entführer stoppen. Kurz darauf ist ein Polizist zur Stelle, der Zazie merkwürdig bekannt vorkommt. Die Witwe Dassemire richtet ihr Begehren sofort auf ihn. Er stellt sich als Ramlère vor. Ramlère verhält sich in der Kommunikation mit wütenden Autofahrern feige und gar nicht wie ein Polizist. Als ein Tourist in einem Auto von ihm den Weg zur Sainte-Chapelle wissen möchte, schlägt Ramlère vor, er wolle ihn hinbringen, wenn Zazie und die Witwe mitkommen dürften. Sie steigen ein. Der Tourist ist aus Saint-Montron, dem Provinzort, aus dem auch Zazie kommt, und kurz darauf erkennt er sie auch als die Tochter von Jeanne Grossestittes. Als er sich zu ihr umdreht, fährt er auf ein anderes Auto auf. Ramlère tut nur angedeutet so, als würde er den Unfall polizeilich aufnehmen. Als die Witwe die Dringlichkeit ihrer Mission bekundet – man sei schließlich Entführern auf der Spur –, weigert sich der Provinzler weiterzufahren. Das ist ihm zu gefährlich. Nur schwer lässt er sich davon überzeugen, dass die Witwe nicht im Ernst gesprochen habe.

Die Einladung

Sie finden Gabriel in einem Café im Kreise seiner touristischen Fans. Er schwingt weiter pseudophilosophische Reden, die keiner der Bewunderer zu mehr als einem Bruchteil versteht. Zazie fragt Gabriel wieder, ob er denn nun ein „Hormosessueller“ sei, und wieder verneint er gelassen. Als sie nicht lockerlässt – schließlich habe der Mann vorhin ihn als solchen beschuldigt –, lädt Gabriel seine Nichte und sämtliche Touristen für den Abend in das Cabaret ein, wo er im Tutu tanze. Dort werde sie dann alles verstehen.

„So ist sie halt, wenn sie einen Kerl am Start hat (…), da zählt Familie gar nix mehr.“ (Zazie über ihre Mutter, S. 10) “

Die Witwe Dassemire und Ramlère haben sich gefunden. Sie malt ihm ein wollüstiges Rendezvous im Café Vélocipède aus. Doch bevor es dazu kommt, verabschiedet sich Ramlère; er müsse sich umziehen gehen, die Uniform sei der Situation nicht angemessen. Er bietet der Witwe ein Stelldichein zum Aperitif an. Dieses findet in derselben Brasserie statt, in der Gabriel mit Zazie und den Touristen zu Abend isst. Das Essen ist schrecklich, was Zazie auch unverblümt sagt. Gabriel legt sich daraufhin mit dem Restaurantbesitzer an. Unterdessen macht Charles im „La Cave“ der Kellnerin Mado einen Heiratsantrag. Sie nimmt ihn an. Gabriel ruft an und lädt die beiden ein, ebenfalls zu seiner Show zu kommen. Mado informiert Marceline über Gabriels Abendpläne. Die beiden trinken ein Glas Grenadine zusammen. Mado macht Marceline viele Komplimente ob ihrer Schönheit und Eleganz und drückt ihr Bedauern aus, dass man sie nicht öfter zu sehen bekomme.

Ein Sittenstrolch

Während Gabriel seine Tutu-Nummer vorführt, klopft jemand bei Marceline an die Tür. Sie erkennt den Besucher sofort, es ist der Mann vom Vormittag, der Zazie zurückgebracht hatte. Er ist jedoch verändert, trägt jetzt keinen Schnurrbart. Er stellt sich nun als Inspektor Bertin Airtappe Poirée vor. Marceline glaubt ihm kein Wort. Da gibt er zu: „Ich steh total auf Sie“, er werde seines Lebens nicht mehr froh, wenn er sie „nicht früher oder später mal flachlege“. Marceline zeigt sich unbeeindruckt. Um ihr zu imponieren, erzählt er, die Witwe Dassemire sei süchtig nach ihm. Er war also auch der Verkehrspolizist Ramlère. Marceline lässt ihn im Wörterbuch eine Vergangenheitsform nachschlagen, die er falsch benutzt hat. Sie klettert, ein Köfferchen in der Hand, an der Hauswand hinunter und verschwindet.

„Diese Drecksäcke (…), diese Saftärsche. Und das mir!“ (Zazie zum Metro-Streik, S. 10)

Der Mann setzt sich, wieder als Verkehrspolizist verkleidet, vor das Cabaret. Er wartet auf Madame Dassemire und unterhält sich in der Zwischenzeit mit Fédor Balanovitch, der sich an Gabriellas Nummer schon sattgesehen hat und auf die Touristen wartet. Endlich schließt das Cabaret, die glückseligen Touristen fahren im Bus davon. Gabriel nimmt die Verbliebenen mit in ein Bistro, um dort Zwiebelsuppe zu essen. Zazie schläft dabei immer wieder ein. Gridoux erkennt in Ramlère den Lustmolch vom Vormittag. Gabriel packt ihn, es wird geschrien. Zwei Polizisten auf Fahrrädern kommen herbei und schreien, das sei nächtliche Ruhestörung. Sie wollen Ramlères Papiere sehen. Ein Wort gibt das andere, dann erscheinen weitere Polizisten und nehmen Ramlère und die Polizisten auf Rädern mit. Die Witwe Dassemire weint.

Ausbruch der Gewalt

Bei der Zwiebelsuppe kommt es zu Ohrfeigen zwischen der Witwe Dassemire und Gridoux, weil sie alle als Arschlöcher bezeichnet und darin auch ihn einschließt. Turandot hüpft als sterbender Schwan herum, die Szene wird laut und wild, und zwei Kellner packen Turandot und befördern ihn nach draußen. Daraufhin packt Gabriel die beiden Kellner, es kommt zu einem großen Handgemenge mit vielen Beteiligten. Infolge von Gabriels Kraft und Geschicklichkeit scheint dessen Truppe zu siegen, aber ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass auf der Place Pigalle schwer bewaffnete Einheiten warten. Gabriel ruft vom Restaurant aus Marceline an, aber die geht nicht ans Telefon. Die Witwe Dassemire glaubt, Ramlère unter den Bewaffneten zu erkennen, und rennt in Richtung der Angreifer. Sie wird erschossen und bedauert ihren Tod wegen ihrer „schönen Zinsen“. Zazie fällt in Ohnmacht. Aus dem schwer bewaffneten Trupp löst sich Ramlère, der sich nun Harunn Ara Schitt nennt. Er hält eine Ansprache zu seinen wechselnden Verkleidungen.

Wundersame Rettung

Plötzlich versinkt Gabriels Truppe im Boden, vom Lastenaufzug in den Keller versenkt. Sanft, aber bestimmt weist der Aufzugführer ihnen den Weg durch den Keller in die Kanalisation. Er rät ihnen, sich zu trennen, um zu entkommen. Er selbst nehme Zazie, habe auch ihr Köfferchen dabei. Die anderen schickt er in verschiedene Richtungen davon, mit der Metro – die fährt nämlich wieder. Turandot tauscht mit seinem Papagei die Rollen, um unauffälliger zu sein. Sie fliegen davon.

„Napoleon? Leck mich (…) Dieser aufgeblasene Typ mit seinem Idiotenhut interessiert mich null.“ (Zazie, S. 14)

Jeanne Grossestittes betrachtet noch einmal ihren schlafenden Liebhaber, den sie ziemlich dumm findet. Sie nimmt sich vor, ihm nicht mehr hinterherzulaufen. Am Bahnhof trifft sie zur verabredeten Zeit Zazie in Begleitung eines Mannes, der ihr Köfferchen trägt. Jeanne Grossestittes nennt ihn Marcel und erkundigt sich nach Gabriel. Im Zug sagt ihre Tochter als Resümee der zwei Tage, sie sei gealtert.

Zum Text

Aufbau und Stil

Vom Aufbau her könnte man Zazie in der Metro für einen normalen Roman halten: Er spielt mehr oder weniger an einem einzigen Ort und an zwei Tagen, hat eine Haupt- und einige Nebenfiguren, einen allwissenden Erzähler und ist chronologisch erzählt. Die Handlung geht jedoch gegen null, es wird viel geredet, ohne dass wirklich etwas gesagt würde – eine Mischung aus Nonsens, Missverständnissen und Beleidigungen. Und das, was tatsächlich passiert, ist wenigstens zum Teil auf einer fantastischen Ebene angesiedelt. Hauptstilmittel sind Wortwitz und Parodie, das Augenfälligste ist die Verschriftlichung der gesprochenen Sprache. So werden etwa undeutlich gesprochene Sätze manchmal als ein Wort wiedergegeben („Waschtinkndiso“). Mit der zum Teil ordinären, zotigen Umgangssprache kontrastiert eine selbstironisch gestelzte, teils altertümelnde Literatursprache („Zu diesem Behufe musste man den Kopf heben“), zudem gibt es zahlreiche gelehrte Anspielungen auf Werke von Homer, Shakespeare oder Sartre. Queneau erfindet Worte neu und gibt seinen Figuren sprechende Namen – all das sind große Herausforderungen für die Übersetzung. Der Übersetzer Frank Heibert hat zum Teil die Namen verändert, um die darin enthaltenen Zoten zu transportieren – in der „französischen“ Form ist die deutsche Bedeutung enthalten, so verbirgt sich in „Ramlère“ der Rammler, Jeanne „Grossestittes“ hat eine große Oberweite. Die Witwe Dassemire ist nach ihren Sterbeworten „und dasse mire“ benannt, und das Parfüm von „Myves St. Fleurant“ spielt zugleich auf einen bekannten Parfümeur und auf „Mief“ an.

Interpretationsansätze

  • Zazie in der Metro ist ein Großstadtroman: Ein junges Mädchen aus der Provinz erlebt Abenteuer in Paris.
  • Der Text ist ein Antiroman: Er spielt mit den Erwartungen des Genres und dekonstruiert sie. Mehrere Figuren haben eine unklare Identität, die Handlung ist weder bedeutend noch zusammenhängend, der Realitätsstatus mancher Ereignisse ist ungewiss und die Dialoge sind absurd. Nicht einmal der Titel stimmt: Zazie ist die meiste Zeit eben nicht in der Metro, so gern sie es wäre. Erst ganz am Schluss fährt sie in der Metro zum Bahnhof, ist aber nicht bei Bewusstsein.
  • Die Hauptfigur Zazie, ein Mädchen von etwa 13 Jahren, ist respektlos, spontan und pflegt eine derbe Ausdrucksweise. Sie richtet einen so neugierigen wie erbarmungslosen Blick auf die Erwachsenen und bringt sie mit ihren direkten Fragen aus dem Konzept. Dass etwa Charles der Kellnerin Mado einen Heiratsantrag macht, lässt sich auf Zazies Fragen zurückführen.
  • Zentrales Thema ist die Sexualität. Zazie macht oft nur offensichtlich, dass sämtliche Handelnden ständig damit befasst sind, etwa die Passanten, die das Kind vor einem Sittenstrolch beschützen wollen und sich dann in Debatten über sexuelle Details verlieren. Beim Thema Sexualität übertrumpfen die Erwachsenen Zazie noch an derber Direktheit.
  • Mehrere Figuren sind mehrdeutig angelegt, zum Beispiel Zazies Onkel Gabriel: Er ist körperlich ein Muskelprotz und doch ein zarter, manierierter Intellektueller. Er ist Gabriel am Tag und nachts Gabriella. Er liebt die Bühne, als Transvestit wie als philosophischer Redner vor staunenden Touristen. Stets verneint er Zazies Frage, ob er homosexuell sei. Erst am Ende wird seine Homosexualität indirekt bestätigt, indem Gabriels Frau Marceline plötzlich der Mann Marcel ist.

Historischer Hintergrund

Paris Ende der 1950er-Jahre

Ende der 1950er-Jahre war Paris eine Stadt im Übergang zur modernen Gesellschaft. Vieles war noch alt: Etliche Straßen sahen aus wie in der Provinz, es gab noch keine Hochhäuser, fünfstöckige Häuser waren die höchsten Gebäude. Nur 11 Prozent der Pariser Wohnungen hatten ein eigenes Badezimmer. Der Zweite Weltkrieg, vor allem die Zeit der deutschen Besatzung, waren noch sehr präsent, wobei nicht wirklich aufgearbeitet wurde, wer mit den Nazis kollaboriert hatte und wer nicht.

Langsam hielt die Massenkultur Einzug, etwa mit Filmen, über die alle sprachen, und mit omnipräsenter Werbung für internationale Konzerne. Die Gesellschaft begann zu amerikanisieren: Was schick und modern war und schnell von der großen Masse übernommen wurde, kam aus Amerika, etwa Coca-Cola und die Bluejeans.

Die Lebensformen waren einerseits noch sehr traditionell, man ging von der Ehe als normalem Daseinsmodell aus. Andererseits war Homosexualität in Frankreich als Folge der Französischen Revolution seit 1791 legal, so früh wie in keinem anderen europäischen Land. Es gab zahlreiche Lokale für Homosexuelle in der französischen Hauptstadt.

Entstehung

Zazie in der Metro ist Teil einer literarischen Tradition, die Werk für Werk die traditionelle Romanform unterwanderte. Queneau war von folgenden Vorgängern auf diesem Pfad beeinflusst: von Gustave Flaubert, bei dem es keine Helden mehr gab, wie man sie bis dahin gekannt hatte; von Marcel Proust, dessen mehrbändiges Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit zeigte, dass die bis dahin sicher geglaubte Welt verloren war; von Louis-Ferdinand Céline, der zum ersten Mal mit gesprochenem Französisch flirtete; von Franz Kafkas albtraumhaften Texten. Andere Autoren, die die Metamorphose des Romans nach dem Zweiten Weltkrieg noch radikaler vorantrieben und von denen Queneau nachhaltig beeindruckt war, waren Boris Vian, Albert Camus und Samuel Beckett.

Die erste Idee zu Zazie hatte Queneau bereits 1945, doch erst 1953 machte er sich an die Niederschrift. Zuerst hatte er sich vorgestellt, dass die Handlung in den Gängen der Metro spielen würde, aber davon hielt ihn dann ab, dass es ein Kinderbuch gab, L’Enfant du metro (1943) von Madeleine Truel, in dem das unterirdische Leben eines in der Metro geborenen Waisenjungen erzählt wird. Vermutlich hat Queneau seinen Roman als Spiegelbild dazu konzipiert: Aus einem Jungen, der durch die Metro irrt und keinen Ausgang findet, wird ein Mädchen, das durch Paris irrt, ohne in die Metro zu gelangen.

Im Lauf der Entstehung erfuhr der Text noch mehrere Änderungen. Zu zwei Kapiteln sind auch Alternativen erhalten, in denen Zazie (im wachen Zustand) in der Metro ist. Queneau hat die Anwesenheit des titelgebenden Motivs also im Lauf der Arbeit am Manuskript immer weiter zurückgenommen.

Wirkungsgeschichte

Zazie in der Metro erregte bei seinem Erscheinen 1959 großes Aufsehen und wurde sofort ein kommerzieller Erfolg – 50 000 Exemplare wurden allein im ersten Monat verkauft. Bereits 1960 kam Zazie als groteske Komödie von Louis Malle in die Kinos – eine Literaturverfilmung im Zuge der Nouvelle Vague, die als besonders gelungen gilt und den Erfolg des Textes noch förderte. Die Hauptdarstellerin Catherine Demongeot wurde ähnlich ikonisch für unser Bild von Zazie wie Inger Nilsson für Pippi Langstrumpf. Es gibt zahlreiche weitere Bearbeitungen, auch fürs Theater und als Musical. 2008 kam sogar ein Comic heraus. Bis heute ist Zazie Queneaus berühmtester Roman und einer der großen Klassiker der modernen französischen Literatur.

Wegen der zahlreichen Sprachspiele, Wortneuschöpfungen und umgangssprachlichen Elemente gilt der Roman als besonders schwer zu übersetzen. So war denn auch die deutsche Übersetzung von Eugen Helmlé aus dem Jahr 1960 umstritten und muss heute als veraltet angesehen werden. Die Neuübersetzung von Frank Heibert von 2019 ist ein zu Recht gefeiertes Kunststück: Weil sich viele Wortwitze nicht direkt übertragen lassen, hat Heibert eigene Entsprechungen gefunden, die sich im Deutschen anbieten. So wurden deutlich mehr Anspielungen und Deftigkeiten ins Deutsche gerettet, als es bei der ersten Übersetzung der Fall war. Außerdem gelingt es Heibert, den unmittelbaren Eindruck von Umgangssprache zu erzeugen, ohne dass diese sofort einer bestimmten Epoche zuzuordnen wäre.

Über den Autor

Raymond Queneau wird am 21. Februar 1903 in Le Havre geboren, wo seine Eltern eine Kurzwarenhandlung führen. Bis zum Alter von drei Jahren ist er bei einer Amme – ein großes Trauma seiner Kindheit. Er wächst katholisch auf, verliert aber schnell seinen Glauben. Schon früh interessiert er sich für Fremdsprachen, lernt Griechisch, Hebräisch und Arabisch. 1915 beginnt er zu schreiben: Romane, Theaterstücke, auch Gedichte. Außerdem interessiert er sich für das Kino, für Naturwissenschaften und Mathematik. 1918 zerstört er seine bereits zahlreichen Manuskripte. Nach dem Abitur schreibt er sich an der Sorbonne für Philosophie ein. Damit er studieren kann, zieht seine Familie in einen Vorort von Paris. Ab 1924 hat er Kontakt zu den Surrealisten um André Breton. 1926 beendet er sein Studium. Er absolviert zwei Jahre Militärdienst in Algerien und nimmt am Rifkrieg in Marokko teil. 1928 heiratet er Janine Kahn, deren Schwester mit André Breton verheiratet ist. Bald darauf distanziert Queneau sich von Breton und dem Surrealismus. 1934 wird sein Sohn Jean-Marie geboren, 1933 veröffentlicht er seinen ersten Roman Der Hundszahn (Le Chiendent). Bereits dieser Text ist geprägt von der gesprochenen Sprache und parodistischen Tönen. Es folgen viele weitere experimentelle Texte. 1938 wird Queneau Verlagslektor für Englisch bei Gallimard, er übersetzt auch mehrere englischsprachige Werke. Als Schriftsteller ist er in der Résistance gegen die deutschen Besatzer aktiv. 1947 erscheint sein berühmter Text Stilübungen (Exercices de style). Darin wird eine kleine, unbedeutende Episode 99 Mal in unterschiedlichen literarischen Stilen erzählt. 1954 wird Queneau Direktor der Enzyklopädie Pléiade. Er schreibt weiterhin viel, auch Filmdrehbücher, zum Beispiel für Luis Buñuel. 1959 erscheint sein heute bekanntestes Werk Zazie in der Metro (Zazie dans le métro) und wird sofort ein Bestseller. 1960 gründet Queneau zusammen mit François Le Lionnais die literarische Gruppe Oulipo, deren Arbeitsprinzip darin besteht, durch selbst auferlegte formale Zwänge die Grenzen der Sprache zu erweitern. Sein letzter Roman Der Flug des Ikarus (Le Vol dʼIcare) erscheint 1968. Der Tod seiner Frau 1972 belastet ihn schwer. Er selbst stirbt am 25. Oktober 1976 an Lungenkrebs.

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