Nie wurde zu einem Thema so schnell und so viel geforscht wie zu Sars-CoV-2. Der Wissensstand wird ununterbrochen überarbeitet. Vieles von dem, was am Anfang noch galt, ist mittlerweile überholt. Andere Dinge, die Forschende vor Monaten ahnten, bestätigen sich zunehmend. Viele Annahmen basieren zudem auf wackeligen Daten und könnten sich wieder ändern. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der weiterhin vorläufige Wissensstand über die wichtigsten Aspekte zum Coronavirus:

Wo ist das Ansteckungsrisiko hoch?

Zu Beginn der Pandemie galt vor allem die Devise: Abstand halten, Hände waschen und wer krank ist, sollte zu Hause bleiben. Wer sich daran hielt, fühlte sich relativ sicher. Mittlerweile ist klar: Das alleine reicht nicht, denn die Viren übertragen sich nicht nur so, wie anfangs gedacht.

Zum einen reicht es nicht, nur zu Hause zu bleiben, wenn man krank ist. Heute weiß man, dass Infizierte schon Tage bevor sie selbst Symptome entwickeln, andere anstecken können – falls sie jemals etwas bemerken.

Hände waschen hilft außerdem vor allem gegen Schmierinfektionen, wenn also jemand eine Fläche anfasst, auf der das Virus klebt, und danach mit derselben Hand Nase, Mund oder Augen berührt. Es mehren sich die Hinweise, dass diese Schmierinfektionen eine deutlich geringere Rolle spielen, als zunächst befürchtet.

Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité geht inzwischen davon aus, dass fast die Hälfte der Infektionen durch eine Aerosolübertragung passiert, fast die andere Hälfte durch größere Tröpfchen und nur ungefähr zehn Prozent durch Schmierinfektionen. Während die größeren Tröpfchen innerhalb von circa eineinhalb Meter zu Boden fallen – Abstand halten hilft hier also – können sich die mikroskopisch kleinen Aerosole für längere Zeit in der Luft halten, herumtrudeln und dabei jemanden anstecken. Da sie nicht nur beim Husten und Niesen, sondern auch beim Sprechen und Atmen entstehen, ist es quasi unmöglich, sie nicht zu erzeugen.

Coronavirus - So schützen Sie sich vor in der Luft schwebenden Viren Für die Übertragung von Sars-CoV-2 sind häufig Partikel in der Luft verantwortlich – sogenannte Aerosole. Im Video erfahren Sie, worauf Sie zurzeit achten sollten


Das bedeutet: Vor allem in geschlossenen Räumen reichen 1,5 Meter Abstand nicht unbedingt, um sich vor Infektionen zu schützen. Restaurants (Emerging Infectious Diseases: Jianyun Lu et al.: 2020), Gottesdienste oder Großraumbüros (Emerging Infectious Diseases: Park et al., 2020) gehören deshalb zu den Orten, an denen sich in der Vergangenheit viele angesteckt haben.

Klimaanlagen, die die Luft nur herumwälzen, könnten eine Ausbreitung begünstigen. Besser scheinen sogenannte Hepa-Filter zu sein, die etwa in Operationsräumen installiert sind. Ob sie auch in Restaurants, in Flugzeugen oder Büros helfen könnten, das wird aktuell diskutiert. Die beste Option ist aktuell noch, einfach durch Fensteröffnen zu lüften, denn das sorgt dafür, dass die Luft verdünnt oder ausgetauscht wird.

Ob sich eine Person ansteckt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie hoch ist die Viruskonzentration der infizierten Person? Wie lange spricht sie? Wie groß ist der Raum? Wie sehr steht die Luft? Wo all diese Faktoren zusammenspielen, kommt es in dieser Pandemie häufig zu sogenannten Superspreading-Events: feiern in einer schlecht belüfteten Bar, Hochzeiten, bei denen sich Familie und Freunde besonders innig umarmen, küssen und gemeinsam tanzen, Gottesdienste, bei denen inbrünstig gesungen wird, oder Schwerstarbeit in der Kühlhalle eines Schlachtbetriebes. 

Während solcher und ähnlicher Gelegenheiten haben in den vergangenen Monaten nur wenige Infizierte größere Ausbrüche ausgelöst. Diese Erkenntnis war überraschend und könnte künftig als wichtige Lehre dienen: Wer das Virus eindämmen will, muss verhindern, dass viele Menschen zugleich und ohne Abstände zusammenkommen. Shoppen im Einkaufszentrum oder Bahnfahren stellt dagegen ein geringeres Risiko dar – vor allem wenn dabei Masken getragen werden.

Als Faustregel gilt: Je weniger Menschen wir sehen, je kürzer wir uns in geschlossenen Räumen aufhalten und je mehr Abstand wir halten, desto besser. Das gilt grundsätzlich für jeden Ort.

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Was richtet das Virus im Körper an?

Zu Beginn der Pandemie gingen Forscher vor allem davon aus, dass Sars-CoV-2 eine Krankheit der Lunge und Atemwege ist. Viele Patientinnen und Patienten berichteten über Husten, Fieber, Atemnot und Kopfschmerzen. Die zunächst bekannten Symptome ähnelten jenen, die während der Sars-Epidemie im Jahr 2003 beobachtet worden waren. Nachdem Forschende nun Daten über Hunderttausende Infizierte und Erkrankte zusammentragen konnten, hat sich dieser Eindruck deutlich geändert. Covid-19 ist nicht allein eine Krankheit der Lunge und Atemwege. Sie trifft auch die Nieren (JASN: Batlle et al., 2020), den Verdauungstrakt (Annals of Gastroenterology: Rokkas, 2020), das Nervensystem (Annals of Neurology: Koralnik / Tyler, 2020), das Herz und die  Blutgefäße. Wie häufig welche Organe betroffen sind, ist noch nicht bekannt.

Oft – aber wohl nicht immer – beginnt die Infektion im Rachen. Das Virus vermehrt sich in den Zellen der Schleimhaut und scheint sich von dort bei schweren Verläufen im gesamten Körper zu verbreiten. In vielen Fällen wandert es in die Lunge, wo es Zellen funktionsunfähig macht und Atemnot oder eine schwere Lungenentzündung auslösen kann – die Todesursache der meisten Covid-Todesfälle. In vielen Fällen sind es nicht allein die direkten Schäden des Virus, die Menschen gefährlich werden. Eine Überreaktion des Immunsystems scheint bei schweren Verläufen die Lunge zu schädigen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass der Erreger Zellen im Darm angreifen kann – das könnte erklären, warum Durchfall ein häufig erlebtes Symptom von Covid-19 ist.


Auch das Herz ist betroffen. In einer kürzlich erschienenen Studie konnten Medizinerinnen zeigen, dass Monate nach einer überstandenen Infektion noch entzündliche Veränderungen in den Herzmuskeln von Patienten messbar sind (JAMA Cardiology: Puntmann et al., 2020). Und sowieso belastet Covid-19 das Herz: Je mehr das Immunsystem im gesamten Körper Infektionen bekämpfen muss, desto wahrscheinlicher kommt es in den Blutgefäßen zu Verklumpungen. Das kann Gefäße verengen oder verstopfen. Mögliche Folgen sind Herzinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle.

Vor allem die zuletzt genannten Beschwerden betreffen eher Menschen mit einem schweren Krankheitsverlauf – oder zumindest spüren mild Infizierte seltener etwas davon. Unter ihnen gibt es dafür häufiger Berichte von neurologischen Symptomen – allen voran einem vorübergehenden Geschmacks- und Geruchsverlust. Wöchentlich erscheinen neue Studien, in denen Forschende versuchen, herauszufinden, wie Covid-19 im gesamten Nervensystem Schaden anrichtet, Krampfanfälle oder Entzündungen von Nervenzellen auslöst. Angesichts der vielen unterschiedlichen Schäden, die das Virus im Körper anrichten kann, sind aber noch viele weitere Untersuchungen nötig, damit Patienten die bestmögliche Behandlung bekommen können.

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Was, wenn die Infektion überstanden ist?

So schnell Covid-19 ganze Gesundheitssysteme an ihre Belastungsgrenze bringen kann – die allermeisten Infizierten überleben eine Infektion mit Sars-CoV-2. Wie groß ihr Anteil genau ist, ist nicht bekannt, vermutlich sind es mehr als 90 Prozent der Infizierten. Viele davon genesen, ohne jemals ernsthaft krank zu werden. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO haben vier Fünftel einen so milden Verlauf, dass sie nicht im Krankenhaus behandelt werden müssen, oder bleiben ohne Symptome. Mittlerweile gibt es allerdings auch Erkenntnisse darüber, was das Virus mittel- und langfristig im Körper auslöst. Das ist zum einen wichtig für die Behandlung, zum anderen auch dafür, Menschen zu sensibilisieren, die sich nicht für die Risikogruppe halten. Es sind nicht wenige, die noch Monate später mit jeder Treppenstufe, jedem überstandenen Arbeitstag oder jeder versuchten Trainingseinheit die Folgen des Virus spüren, das eigentlich längst weg ist.

Nach einer schweren Infektion sehen Ärztinnen und Ärzte teilweise noch wochenlang Veränderungen im Lungengewebe, manche Patienten geraten schon bei geringster Belastung außer Atem. "Die Angst ist, dass die Lunge so stark geschädigt wird, dass sie ihre normale Struktur nicht wieder komplett aufbauen kann", sagte Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Aber auch die Beatmung, die bei besonders schweren Verläufen nötig wird, kann ihre Spuren hinterlassen. Viele Patienten, die auf Intensivstationen behandelt wurden, müssen danach eine ganze Weile in die Reha.

Manche Folgeschäden entstehen, weil das Virus in seinem Weg durch den Körper zahlreiche Organe beschädigt. So sehen Medizinerinnen neben Schäden am Herz auch solche in den Blutgefäßen von Patienten (Lancet: Varga et al., 2020). Das Virus – oder die Immunantwort des Körpers dagegen –, kann die Nieren in Mitleidenschaft ziehen. Bei manchen ist das Organ während der Infektion so stark geschädigt, dass sie eine Nierenersatztherapie brauchen (Journal of the American Society of Nephrology: Pei et al., 2020).

Vieles deutet im Moment darauf hin, dass schwere Folgeschäden vor allem nach einem schweren Verlauf von Covid-19 auftreten können – wie häufig, lässt sich nicht abschließend sagen. Mittlerweile wird jedoch klarer, dass auch Menschen mit einem vergleichsweise milden Verlauf von Covid-19 lange mit den Folgen zu tun haben können. Manche Patientinnen berichten darüber, dass sie sich Wochen oder Monate nach der Infektion zu erschöpft fühlen, um wieder arbeiten gehen zu können oder scheinbar banale Tätigkeiten auszuführen wie den Müll herunterzubringen. Das Phänomen nennt sich Fatigue. Wie oft sie auftritt, ist unklar. Erste Studien deuten darauf hin, dass etwa jeder zweite Patient, der in einer Klinik behandelt werden musste, noch zwei Monate nach den ersten Corona-Symptomen damit zu kämpfen haben könnte (JAMA: Carfì et al., 2020).

Forscherinnen und Forscher des King’s College in London haben mit einer Symptom-Tracking-App herausgefunden, dass etwa zehn Prozent der positiv getesteten Covid-Patienten länger als drei Wochen Beschwerden haben, fünf Prozent länger als vier Wochen. Manche klagen über Schwierigkeiten beim Atmen, Gelenk- oder Brustschmerzen sowie Geruchsverlust. Die meisten geben an, sich weiterhin abgeschlagen zu fühlen. 

Eine Telefonumfrage der US-Seuchenschutzbehörde CDC ergab zudem, dass mehr als jede Dritte von 274 Teilnehmerinnen, die zwar Symptome zeigten, aber nicht im Krankenhaus behandelt werden mussten, zwei bis drei Wochen nach dem positiven Test noch nicht wieder ihren normalen Gesundheitszustand erreicht hatte (MMWR: Tenforde et al., 2020). Nach einer Influenza-Infektion hingegen erholen sich etwa 90 Prozent der nicht in der Klinik behandelten Menschen innerhalb von 14 Tagen (Clinical Infectious Diseases: Petrie et al., 2015).

Einige Covid-19-Patienten hätten Sorge, dass ihre Abgeschlagenheit nicht wieder verschwindet, sagte Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité, ZEIT ONLINE. Auch nach der Sars-Pandemie 2003 waren Patienten aufgefallen, die lange nach der Erkrankung noch über Fatigue klagten sowie über Muskelschmerzen, Schwäche und nicht erholsamen Schlaf (BMC Neurology: Moldofsky & Patcai, 2011). Carmen Scheibenbogen ist zwar zuversichtlich, dass die Symptome bei den meisten Covid-19-Patienten nicht chronisch werden. Dennoch fordern Betroffene, dass die Folgen von milden Verläufen besser erforscht werden müssen. Bisher gibt es etwa für Hausärzte hierzulande in solchen Fällen keine klaren Behandlungskriterien.

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Kann Immunität das Virus stoppen?

Häufig hieß es zu Beginn der Pandemie: Wir müssen so lange durchhalten, bis es einen Impfstoff gibt. Der Gedanke dahinter: In einer Pandemie findet der Erreger unaufhaltsam neue Wirte. Wer ein pandemisches Virus stoppen will, muss dafür sorgen, dass viele Menschen dagegen immun sind. Deshalb schlugen Staaten weltweit zu Beginn der Pandemie im Prinzip einen von zwei Wegen ein: die Durchseuchung von Bevölkerungen – wenn sich viele Menschen infizieren, um eine Herdenimmunität aufzubauen – oder ein Lockdown, der die Verbreitung des Virus verlangsamt, bis immunisierende Impfstoffe verfügbar sind.

Ob sich das Virus damit effektiv stoppen lässt, ist nicht klar. Denn jedes Virus hat seine Eigenheiten, wenn es um den Schutz des Immunsystems geht. Gegen manche Viren, die das Immunsystem ein Leben lang bekämpfen muss, etwa HIV, wird man niemals immun. Für andere, zum Beispiel Influenza, hält die schützende Wirkung einer überstandenen Infektion nur ein paar Monate oder Jahre an. Über wieder andere, etwa Masern, muss man sich nach überstandener Infektion ein Leben lang keine Gedanken mehr machen. Wie lange Genesene gegen Sars-CoV-2 geschützt sind, ist immer noch offen. 

Die Hoffnung auf eine Immunität wurde vor Kurzem gedämpft. Forscher untersuchten Genesene darauf, wie viele Virus-spezifische Antikörper sie noch im Körper hatten. Sie stellten dabei fest: Die Zahl sinkt. Diese speziellen Antikörper helfen dem Immunsystem, eine Infektion mit einem bekannten Erreger bereits im Keim zu ersticken. Wenn sie fehlen, so wurde spekuliert, ist der Körper nicht vorbereitet, falls das Coronavirus ein wiederholtes Mal eindringt – eine weitere Infektion könne womöglich nicht verhindert werden.

Allerdings: Was dieser Befund für ehemals Infizierte bedeutet, ist noch nicht bekannt. Es könnte sein, dass Genesene nach der Infektion nur kurz geschützt sind. Es ist aber auch möglich, dass das Verschwinden der Antikörper nicht bedeutet, dass die Menschen dem Virus wieder schutzlos ausgeliefert sind. Denn sie sind nur ein Element im Kampf gegen den Erreger. Eine entscheidende Rolle spielen auch die sogenannten T-Zellen (Nature: Braun et al., 2020). Sie erinnern sich sozusagen an das Virus und sorgen im Falle einer erneuten Infektion dafür, dass das Immunsystem schnell passende Antikörper bildet. Zu messen, wie effektiv dieser Schutz ausfällt, ist aber deutlich schwieriger, als im Blut von Genesenen nach Antikörpern zu suchen. Deshalb heißt es: abwarten, bis Studien mehr Erkenntnisse dazu liefern. Gleiches gilt übrigens für einen Impfstoff: Ob und wie die vielversprechendsten Impfstoffkandidaten überhaupt für eine Immunität bei Menschen sorgen können, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn sie erstmals an vielen Menschen auf einmal getestet werden.

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Welche Rolle haben Kinder denn jetzt?

Kinder spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung vieler Atemwegserkrankungen. Sie gelten beispielsweise als Motoren bei Influenza-Ausbrüchen. Deshalb lag der Gedanke anfangs nahe, dass sie von diesem Ausbruch besonders getroffen werden. Heute ist klar: Die Sonderrolle von Kindern ist anders als zunächst erwartet. Infizieren sie sich, zeigen Kinder, mit wenigen Ausnahmen, meist keine oder nur milde Symptome (Pediatrics: Cruz & Zeichner, 2020).

Eine positive Nachricht, die aber gleich wieder Grund für weitere Befürchtungen war: Geben sie, gerade weil ihre Infektionen kaum auffallen, womöglich das Virus häufig unbemerkt an Erwachsene weiter – und so auch an Risikogruppen (Lancet Infectious Diseases: Kelvin & Halperin, 2020)? Gerade wenn Kinder zur Kita und zur Schule gehen – wo das Abstandhalten besonders schwierig ist – wäre das Risiko hoch, dass Infektionsketten erst spät entdeckt werden.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen deshalb gerade zwei Hauptfragen zu beantworten: Wie leicht stecken sich Kinder im Vergleich zu Erwachsenen mit dem Virus an? Und wie infektiös sind sie selbst für andere? Zur Beantwortung der ersten Frage liefern Daten aus Haushalten zum Teil widersprüchliche Ergebnisse. Derzeit sieht es jedoch so aus, als ob Kinder sich etwas seltener bei Familienmitgliedern anstecken als Erwachsene (zum Beispiel Clinical Infectious Diseases: Li et al., 2020weitere Informationen und Quellen zur Rolle von Kindern gibt es hier).

Wichtige Hinweise zur Beantwortung der zweiten Frage lieferte jüngst ein Bericht von der südkoreanischen Seuchenschutzbehörde CDC. Eine Analyse von beinahe 60.000 Kontakten von 5.706 Infizierten ergab einen erkennbaren Unterschied in der Virusverbreitung unter Kindern verschiedener Altersgruppen (Emerging Infectious Diseases: Park et al., 2020). Während Kinder unter 10 Jahren das Virus deutlich seltener übertragen als Erwachsene, geben Heranwachsende zwischen 10 und 19 Jahren es mindestens genauso häufig weiter.

Das deckt sich auch mit Erkenntnissen aus anderen Studien und stützt die vorsichtige Einschätzung, dass die Öffnung von Kitas und Grundschulen die Infektionszahlen möglicherweise nicht so sehr ansteigen lassen könnten wie zunächst befürchtet. Gleichzeitig könnten allerdings Jugendliche und junge Erwachsene eher zu den Motoren zählen.

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Wer gehört wirklich zur Risikogruppe?

Menschen, die zur Risikogruppe gehören, erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit mit einem schweren Verlauf an Covid-19. Wer dazugehört, war am Anfang der Pandemie nicht einfach vorherzusehen – der erste Eindruck hat sich aber größtenteils bestätigt.

Dazu gehört vor allem, dass ein schwerer Verlauf vor allem ältere Menschen trifft. Die mehr als 9.000 Menschen, die in Zusammenhang mit Covid-19 in Deutschland gestorben sind, waren im Schnitt 81 Jahre alt. 85 Prozent der Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter (Stand 30.07.2020).

Diabetikerinnen galten ebenfalls als Risikogruppe. Einige Experten fordern jedoch, genauer zu differenzieren. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass schwere Covid-19-Verläufe deutlich mit Diabetes zusammenhängen. Unklar ist aber, ob das an der Erkrankung selbst liegt oder an häufigen Begleiterscheinungen. Als wahrscheinlich gilt aber, dass schlecht eingestellte Blutzuckerwerte über einen langen Zeitraum hinweg die klinische Prognose von Covid-19-Verläufen verschlechtern (Lancet: Apicella et al., 2020). Ähnlich verhält es sich mit dem Blutdruck. "Grundsätzlich zu sagen, dass jeder, der Bluthochdruck hat, zur Risikogruppe gehört, ist eigentlich falsch", sagt Markus van der Giet, Mitglied des Vorstands der Deutschen Hochdruckliga. Er komme bei älteren Patienten sowieso häufig vor und tauche dementsprechend oft in den Covid-19-Studien auf. Ein unkontrollierter oder mit Medikamenten nicht ausreichend behandelter Bluthochdruck fördere hingegen einen schweren Verlauf, so der Experte.

Hinzugekommen ist die Adipositas als möglicherweise entscheidender Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe (Obesity Reviews: Földi et al., 2020). Ab einem Body-Mass-Index von 25 gilt man nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO als übergewichtig, ab einem Wert von 30 als adipös. Studien ergaben, dass adipöse Covid-19-Patientinnen häufiger auf Intensivstationen beatmet werden mussten als Normalgewichtige (Obesity: Kalligeros et al., 2020 / Obesity: Arthur Simonnet et al., 2020). Dass viele adipöse Menschen auch weitere Gesundheitsprobleme haben – etwa Diabetes Typ-2 – erklärt einem Report der Gesundheitsbehörde Public Health England zufolge nur einen Teil des Risikos. Möglicherweise könnten demnach Fettablagerungen in den oberen Atemwegen die Atmung der Patienten beeinträchtigen und zusammen mit Entzündungsreaktionen dazu beitragen, dass Covid-19 schwerer verläuft.

Ein gut eingestelltes, leichtes bis mittelschweres Asthma ist nach jetzigem Wissensstand kein Risikofaktor für schwere Verläufe – anders als zunächst befürchtet (Respiratory Medicine: Garcia Pachon et al., 2020). Ein Risiko aber stellen andere chronische Lungenerkrankungen dar, die die Lungenfunktion dauerhaft einschränken – wie zum Beispiel die Chronische obstruktive Lungenerkrankung COPD (Allergy: Song et al., 2020). Der Vollständigkeit halber sind noch folgende Risikogruppen zu nennen: Krebserkrankte, Raucherinnen oder chronisch Herz-Kreislauf-Erkrankte und immungeschwächte Personen, sei dies durch dauerhafte Medikamenteneinnahme wie Kortison oder eine Erkrankung, die das Immunsystem schwächt. Auch eine Assoziation mit dem männlichen Geschlecht oder gar der Blutgruppe wurden beobachtet, zuletzt allerdings wieder relativiert (Annals of Hematology: Latz et al., 2020).

Auf der Website des Robert Koch-Instituts (RKI) findet sich eine aktuelle und vollständige Zusammenstellung der Risikogruppen.

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Wie kann ich mich und andere schützen?

Mund-Nasen-Masken zählen zu den wichtigen und besonders einfachen Schutzmitteln vor Atemwegsviren. Das war zumindest den Fachleuten in Asien vor der Pandemie klar und es hat sich im Verlauf der vergangenen Monate auch in anderen Ländern gezeigt: Wo immer sie verpflichtend eingesetzt wurden, gingen die Infektionszahlen zurück – ob nun in der Stadt Jena (IZA Institute of Labor Economics: Mitze et al., 2020) oder in verschiedenen US-Bundesstaaten (Health Affairs: Lyu/Wehby, 2020). Trotzdem hat es sehr lange gedauert, bis Masken explizit empfohlen wurden: Sowohl das Robert Koch-Institut als auch die Weltgesundheitsorganisation WHO zögerten monatelang, die mitunter lebensrettenden Masken auch im Alltag zu empfehlen, und verschanzten sich hinter dem Argument, es gebe noch keine Evidenz für den Nutzen bei Sars-CoV-2.

Zwar ist es richtig, dass es zu den Masken im Kontext der laufenden Sars-CoV-2-Pandemie kaum klassische, evidenzbasierte Studien gibt, doch es gibt aus früheren Studien zu Mers, Sars-1 und auch aus Laborstudien genug Hinweise, dass sie bis zu einem gewissen Grad eine Barriere gegen die virushaltigen Tröpfchen bilden (Annals of Internal Medicine: Qaseem et al., 2020, Cochrane: Jefferson et al., 2011;). In Asien hat man sich daher von Anfang an von der WHO-Empfehlung abgegrenzt, die zunächst besagte, man sollte als gesunder Mensch darauf verzichten. Erst eine kanadische Übersichtsarbeit im Juni, die den Nutzen der Masken neben anderen Schutzmaßnahmen untersuchte, bewegte die WHO zu einem Umdenken (Lancet: Chu et al., 2020). In Deutschland gibt es die Maskenpflicht in Läden und im öffentlichen Nahverkehr seit dem 27. April 2020.

Der einfache Mund-Nasen-Schutz im Alltag gilt mittlerweile als einer der unverzichtbaren Puzzleteile, um die Pandemie zu kontrollieren – auch weil er ein so simples Hilfsmittel ist, relativ unkompliziert anzuwenden, leicht herzustellen und so billig, dass Regierungen auch ärmerer Länder Stoffmasken oder chirurgische Masken für die Bevölkerung vorhalten könnten, wenn sie denn wollten.

Allerdings: Masken im Alltag ersetzen keine anderen Schutzmaßnahmen und sind kein Allheilmittel, denn einen weitgehenden Schutz gegen die sehr feinen Aerosole bieten nur FFP/KN-95-Masken, mit denen es sich nicht ganz so komfortabel atmen lässt; während die Community-Masken aus Stoff oder Papier (OP-Masken) vor allem die dicken Tröpfchen beim Sprechen, Husten, Niesen zurückhalten.

Masken helfen eben im Zusammenspiel mit sorgfältiger Handhygiene und Husten- und Niesetikette, mit diszipliniertem Abstandhalten und dem Lüften von Räumen. Vermutlich ist dabei sinnvoll, mehrmals in der Stunde kurz Durchzug herzustellen.

Um sich nicht an der Außenseite seiner Maske anzustecken – was der WHO als ein Hauptargument gegen Masken galt – sollte man sie möglichst mit gewaschenen oder frisch desinfizierten Händen auf- und abziehen und sie nur an den Ohrenschlaufen berühren. Ansonsten: Größere Menschenansammlungen zu meiden, so wie es in Japan von Anfang an empfohlen wurde, bleibt ein guter Rat. Selbst mit Maske

Zudem deutet sich an: Die Masken schützen nicht nur das Gegenüber, wie es zu Beginn der Maskenpflicht in Deutschland stets hieß, sie bieten selbst in der einfachen Version aus Stoff oder als chirurgische Maske offenbar einen gewissen Eigenschutz

Gesichtsschilder aus Kunststoff, die sich wachsender Beliebtheit bei Maskenmuffeln oder etwa in der Gastronomie oder mitunter sogar in Arztpraxen erfreuen, ersetzen die Mund-Nasen-Masken auf keinen Fall. Denn Spucke-, Husten- und Nieströpfchen, die auf dem Plastik landen, sind nur die Hälfte des Problems. Nach allem was man weiß, wird das Virus ebenso oft über feine Schwebeteilchen in der Luft übertragen, die Aerosole. Sie aber wabern und wehen um das Kunststoffschild herum – je länger Menschen in geschlossenen Räumen vor sich hinatmen und reden, desto mehr davon. Sinnlos sind Gesichtsschilder dennoch nicht. Denn inzwischen wurde deutlich: Das Virus tritt in nicht unerheblichem Maße auch über die Augen in uns ein. Und so wird vor allem im medizinischen Kontext das Gesichtsschild als zusätzlicher Schutz zur Maske empfohlen (Lancet: Chu et al., 2020).   

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