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Talentmanagement Warum gutes Onboarding entscheidend ist

Wer Mitarbeiter möglichst lange an sein Unternehmen binden will, sollte schon beim Jobeintritt starten. Eine gelungene Einarbeitung zahlt sich langfristig aus.
aus Harvard Business manager 8/2022
Foto: Lydia Whitmore / Getty Images

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Das Phänomen der großen Kündigungswelle lässt sich weltweit beobachten, obwohl es in vielen Medienberichten zum Thema "Great Resignation" meist um amerikanische Arbeitnehmer in Bürojobs geht. Doch auch in Lateinamerika, Osteuropa und Asien zeigen sich bereits Turbulenzen auf den Arbeitsmärkten, die sowohl sogenannte "qualifizierte" als auch "ungelernte" Arbeitskräfte betreffen. Diese Entwicklung wird weitergehen. Unternehmen müssen daher mehr dafür tun, Talente an sich zu binden. Das beginnt mit der Einarbeitung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ein gelungenes Onboarding sollte neuen Teammitgliedern helfen, erfolgreich in ihrer neuen Position zu sein, und die Zeit verkürzen, die sie brauchen, um sich in ihrer Rolle zurechtzufinden. Das funktioniert nur, wenn die Einarbeitungsprozesse strategisch mit Blick aufs Endergebnis gestaltet werden.

Mit der Zunahme von Remote- und Hybridarbeit ist das Onboarding noch einmal schwieriger geworden, wie auch eine Umfrage des Softwareunternehmens Workable aus dem Jahr 2020 zeigt. Darin gaben die befragten Personalverantwortlichen an, dass Onboarding und die Schulung von Mitarbeitern aus der Ferne die größten Herausforderungen bei Neueinstellungen während der Pandemie waren.

Schon bevor Unternehmen Jobs ganz oder teilweise ins Homeoffice verlegten, fehlte in mehr als einem Drittel der Unternehmen ein strukturierter Einarbeitungsprozess, sei es remote oder vor Ort. Außerdem unterschätzen viele Unternehmen, wie lange ein neuer Mitarbeiter braucht, um sich in seiner Rolle zurechtzufinden. Das durchschnittliche Onboarding-Programm dauert 90 Tage. Laut dem Gallup-Bericht "Creating an Exceptional Onboarding Journey for New Employees " benötigen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch in der Regel zwölf Monate, um ihr volles Leistungspotenzial zu entfalten.

Nur 12 Prozent zufrieden mit Einarbeitung

Starke Beziehungen lassen sich nicht auf einem schlechten Fundament errichten. Wenn Sie Talente langfristig an sich binden wollen, müssen Sie an Tag eins damit anfangen und ihr Onboarding-Erlebnis verbessern. Lediglich 12 Prozent aller Mitarbeitenden haben das Gefühl, ihr Unternehmen leiste bei der Einarbeitung neuer Teammitglieder gute Arbeit, wie Gallup berichtet. In einer anderen Umfrage von Principles aus dem Jahr 2021 gaben 94 Prozent der befragten Personalverantwortlichen an, dass die Teammitglieder, die sie während der Pandemie eingestellt haben, ausschließlich virtuell mit dem Unternehmen interagierten. 31 Prozent dieser Befragten sagten, dass die Mitarbeiter Schwierigkeiten hatten, sich mit Kolleginnen und Kollegen zu vernetzen. 10 Prozent waren sich nicht einmal sicher, ob sich die neu eingestellten Mitarbeiter eingewöhnt hatten.

Diese Zahlen sind besorgniserregend, insbesondere wenn man bedenkt, dass ein schlechtes Onboarding dazu führen kann, dass Mitarbeiter weniger Vertrauen in ihre neue Rolle haben, sich weniger engagieren und ein höheres Risiko besteht, dass sie das Unternehmen verlassen, wenn sie anderswo eine neue, spannendere Stelle finden.

Andererseits können Unternehmen, die ein formelles Onboarding-Programm einführen, eine um 50 Prozent höhere Mitarbeiterbindung bei neuen Teammitgliedern und eine um 62 Prozent höhere Produktivität in derselben Gruppe erreichen. Laut Gallups Onboarding-Bericht ist es außerdem fast dreimal so wahrscheinlich, dass Mitarbeitende, die eine positive Onboarding-Erfahrung gemacht haben, sich auf ihre Rolle vorbereitet und unterstützt fühlen, was ihr Selbstvertrauen stärkt und ihre Fähigkeit verbessert, diese Rolle gut auszuführen.

Der Schlüssel zum erfolgreichen Onboarding

Neben umfassenden Informationen zu ihrem Job brauchen neue Teammitglieder die Möglichkeit, Beziehungen zu ihren Vorgesetzten, Kollegen und anderen für Ihre Arbeit wichtigen Personen und Gruppen aufzubauen. Aus dem Gallup-Bericht geht hervor, dass Mitarbeitende mehr als dreimal so häufig der Aussage zustimmen, dass sie eine außergewöhnliche Onboarding-Erfahrung gemacht haben, wenn ihre Vorgesetzten eine aktive Rolle in diesem Prozess gespielt hatten.

Vielen Managerinnen und Managern fehlen dazu die Kapazitäten. Sie haben keine Zeit, sich einzubringen. Mentorenprogramme, die Neulinge beim Beziehungsaufbau unterstützen könnten, gibt es nicht in den meisten kleineren (und sogar einigen größeren) Unternehmen.

Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jeder neue Mitarbeiter und jede neue Mitarbeiterin eine positive Erfahrung bei der Arbeit macht. Einen effektiven Onboarding-Plan zu erstellen ist komplex. Die folgenden drei Schritte helfen dabei.

1. Setzen Sie klare Ziele

Bevor Sie ein neues Onboarding-Programm einführen, sollten Sie zunächst Ihre Onboarding-Ziele überprüfen. Achten Sie darauf, dass diese Ziele vier Punkte umfassen: Compliance, Klarheit, Kultur und Verbindung. Nutzen Sie dazu die folgenden Leitfragen:

  • Haben Sie die Vorschriften, Richtlinien und Verfahren, an die sich die Mitarbeiter halten müssen, klar benannt und erläutert?

  • Haben Sie die Erwartungen der Mitarbeiter an ihre Arbeit klar formuliert und mit konkreten, zeitlich begrenzten Maßnahmen verknüpft?

  • Haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Abschluss des Programms ein umfassendes Verständnis Ihrer Unternehmenskultur und werden sie dabei unterstützt, alle für ihren Erfolg wichtigen Beziehungen aufzubauen?

  • Wo müssen die Fähigkeiten Ihrer Organisation verbessert werden, um dieses neue Programm durchzuführen?

  • Wie werden Sie nach Abschluss des Onboarding-Programms die Work-Life-Balance der neu eingestellten Mitarbeiter im Auge behalten?

Sobald Sie eine Reihe von Zielen erstellt haben, die alle vier Punkte berühren, ist es an der Zeit zu entscheiden, wie Sie den Erfolg messen werden. Ihre Maßnahmen sollten direkt mit Ihren Zielen verknüpft sein und quantitative Kennzahlen (zum Beispiel den Prozentsatz der neuen Mitarbeiter, die nach einem Jahr noch in Ihrem Unternehmen beschäftigt sind) sowie qualitative Kennzahlen (etwa das Feedback der neuen Mitarbeiter zu ihren Erfahrungen beim Onboarding) umfassen. Um diese Ziele und Messgrößen zu erreichen, ist die Beteiligung von Stakeholdern aus dem gesamten Unternehmen erforderlich. Daher sollten Sie sich Zeit nehmen, um sich mit den Führungskräften des Unternehmens zu treffen, bevor Sie loslegen.

2. Schaffen Sie ein Onboarding-Team

Wenn Sie die Erfahrung Ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz verbessern wollen, müssen Sie einen Onboarding-Prozess entwickeln, der über die Personalabteilung hinausgeht und andere Unternehmensbereiche einbezieht, einschließlich relevanter Teams, wichtiger Interessengruppen und der Unternehmensleitung.

Stellen Sie vorab sicher, dass das Team weiß, warum der neue Mitarbeiter eingestellt wurde und welche Rolle er oder sie im Team oder im gesamten Unternehmen spielen wird. Obwohl die Förderung starker Teambeziehungen anfangs eine größere Zeitinvestition bedeuten kann, trägt sie entscheidend dazu bei, die Produktivität und Leistung neuer Kolleginnen und Kollegen zu steigern.

Denken Sie daran, dass Mitarbeiter auch mit Stakeholdern außerhalb ihres unmittelbaren Teams zu tun haben werden. Neulingen fehlt oft die Übersicht, wie genau sie mit diesen Personen zusammenarbeiten werden oder wie sie in Kontakt treten können. Erstellen Sie eine Liste mit Namen, in der Sie beschreiben, wer die Kollegen sind und welche Bedeutung sie für das Unternehmen haben.

Als Vorgesetzter ist es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Verbindungen funktionieren. Planen Sie Zeiten ein, um sich mit den Beteiligten zu treffen und sicherzustellen, dass das Netzwerk der neuen Teammitglieder funktioniert.

Eine oft übersehene (aber wichtige) Einführung ist die zwischen Ihrem neuen Mitarbeiter und dem CEO Ihres Unternehmens. Dieser Kontakt vermittelt neuen Teammitgliedern das Gefühl, integriert zu sein, und zeigt ihnen, dass das Wachstum, das sie für das Unternehmen darstellen, wichtig ist.

Wenn Sie in einem kleineren Unternehmen arbeiten, vereinbaren Sie einen Einzel- oder Gruppentermin für ein persönliches Gespräch oder ein gemeinsames Kaffeetrinken zwischen dem neuen Teammitglied und Ihrem CEO. Wenn dies aufgrund der Unternehmensgröße, des Standorts oder zeitlicher Beschränkungen nicht realistisch ist, versuchen Sie, ein Townhall-Meeting zu organisieren oder ein besonderes Event mit den neuesten Mitarbeitern, dem Führungsteam und Ihrem CEO zu veranstalten.

Darüber hinaus gibt ein Treffen mit dem CEO den Mitarbeitern einen direkten Einblick in die Unternehmenskultur und in die Art der Mitarbeitererfahrung, die sie erwarten können. Ein gutes erstes Treffen mit dem CEO bleibt neuen Teammitgliedern lange in Erinnerung und wirkt sich positiv auf ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihr Engagement aus.

3. Unterstützen Sie permanent

Während der Einarbeitung sollten sich Führungskräfte darauf fokussieren, den Zeitaufwand für administrative Verpflichtungen gering zu halten, und ihre Zeit lieber ins Leistungscoaching und den Aufbau von Kontakten investieren.

Im Idealfall hat die Personalabteilung Sie mit Tools ausgestattet, die Sie in jeder Phase des Prozesses durch Technologie unterstützen, zum Beispiel:

  • Bevor ein neuer Mitarbeiter seinen Posten antritt, können Sie ihn auf dem Onboarding-Portal Ihres Unternehmens registrieren lassen, damit er ein Begrüßungsvideo anschauen, seine ersten Unterlagen ausfüllen und seinen Zeitplan für den ersten Tag sowie das gesamte individuelle Onboarding-Programm erhalten kann. Sie können auch überprüfen, ob alle relevanten Stakeholder über die bevorstehende Ankunft des neuen Mitarbeiters informiert wurden.

  • Am ersten Tag können Sie nachverfolgen, ob die neue Mitarbeiterin ihr Tagesprogramm erfolgreich absolviert hat, ob sie den wichtigsten Beteiligten vorgestellt wurde, ihren Arbeitsplatz vorgefunden, ihre Arbeitsmittel erhalten und das Lernprogramm für den ersten Tag abgeschlossen hat. Sie können auch Rückmeldungen von den Mitarbeitern über ihre Erfahrungen am ersten Tag bekommen, sodass Sie Korrekturmaßnahmen ergreifen können.

  • Im weiteren Verlauf des Onboarding-Programms können Sie verfolgen, ob die neuen Teammitglieder wichtige Unternehmensinformationen gelesen haben, die Abschluss- und Erfolgsquoten der E-Learning-Module überprüfen und die Auswirkungen der Onboarding-Erfahrung auf das Erreichen der wichtigsten Onboarding-Ziele auf individueller und kohortenbezogener Ebene messen.

  • Am Ende des Programms verfügen Sie über ein umfassendes Dashboard, das für die einzelnen Onboarding-Ziele anzeigt, zu welchem Grad sie erfüllt wurden. So können Sie sehen, was funktioniert und was verbessert werden muss.

Schließlich sollten Sie sicherstellen, dass diese Onboarding-Plattform in Ihr gesamtes Personalverwaltungssystem integriert wird. Auf diese Weise können Sie die Auswirkungen Ihres Onboarding-Programms auf die tatsächliche Leistung der neuen Mitarbeiter und deren Zufriedenheit verfolgen.

In einer Zeit, in der Unternehmen darum kämpfen, Talente an sich zu binden, ist die Entwicklung eines starken Onboarding-Prozesses für neue Mitarbeiter unerlässlich. Durch die Implementierung eines strategischen Onboarding-Programms können Managerinnen und Manager das Vertrauen neuer Mitarbeiter stärken, das Engagement erhöhen und eine Umgebung schaffen, die Talente über Jahre hinweg bindet.

Ausgabe August 2022

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