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Oliver Twist

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Oliver Twist

Insel Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Dickens’ berühmte Geschichte des Waisenjungen Oliver Twist ist bissige Gesellschaftskritik und leidenschaftliches Plädoyer für soziale Gerechtigkeit zugleich.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Das Schicksal eines Waisenjungen

Charles Dickens hat die Ungerechtigkeit des damaligen britischen Sozialsystems am eigenen Leib erfahren: Schon als Kind musste er als Handlanger in einer Fabrik arbeiten, weil der Vater mit der Familie im Schuldgefängnis saß. Die damit verbundenen traumatischen Erlebnisse haben Dickens’ Leben und Werk wesentlich geprägt. Nachdem er mit seinen populären, drolligen Geschichten über die Pickwickier nationale Berühmtheit erlangt hatte, schnitt er mit Oliver Twist ein Thema an, das ihn zutiefst berührte: die soziale Ungerechtigkeit seiner Zeit im Zuge der um sich greifenden Industrialisierung. Gerade weil Dickens sich gegen jedwede Ausbeutung und Unterdrückung der sozial Schwachen wandte, hat sein Werk auch heute, im Zeitalter der Globalisierung, nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Mit bissiger Satire entlarvt Dickens die Heuchelei und Arroganz der Bessergestellten. Ihm ging es um Gerechtigkeit und Menschlichkeit, deshalb wurde die Geschichte des Waisenjungen Oliver Twist zu einem zeitlosen und populären Bestandteil der Weltliteratur. Nur die stereotype Charakterisierung des jüdischen Schurken Fagin wirft einen Schatten auf Dickens’ Werk. Der Autor selbst wies den Vorwurf des Antisemitismus aber stets von sich und führte als Beleg dafür die Londoner Kriminalstatistiken seiner Zeit an.

Take-aways

  • Oliver Twist ist neben David Copperfield der bekannteste Roman von Charles Dickens.
  • Oliver ist ein Waisenknabe. Er kommt in der Nähe von London zur Welt. Seine Mutter, eine ledige Frau unbekannter Herkunft, stirbt kurz nach der Geburt.
  • Seine ersten Lebensjahre verbringt er bei einer Pflegemutter, die die ihr anvertrauten Kinder misshandelt und aus Habgier hungern lässt, und kommt dann ins Armenhaus.
  • Als er dort einmal um eine zusätzliche Portion Haferbrei bittet, wird er gegen Belohnung an einen Leichenbestatter als Lehrling weitergereicht.
  • Aufgrund einer ungerechten Anschuldigung flieht er nach London, wo der Jude Fagin ihn in eine Kinderbande von Taschendieben aufnimmt.
  • Erst unschuldig als Dieb verdächtigt, wird er von dem bestohlenen älteren Herrn in dessen Haushalt aufgenommen, bis ihn die Diebe von dort entführen.
  • Bei einem Einbruchsversuch lassen sie Oliver verletzt zurück. Die wohlhabenden Hausbesitzer nehmen ihn bei sich auf.
  • Ein gewisser Monks versucht alle Spuren von Olivers Herkunft zu vernichten.
  • Die Dirne Nancy warnt Olivers neue Wohltäter vor Monks’ bösen Absichten und wird in der Folge brutal ermordet.
  • Am Ende stellt sich heraus, dass Oliver Twist Monks’ Halbbruder ist und Anrecht auf ein beträchtliches Erbe hat.
  • Das Buch ist eine Anklage gegen das britische Sozialsystem zur Zeit der Industrialisierung mit ihrer Kinderarbeit, den Armenhäusern und der Kriminalität.
  • Von Anfang an war Oliver Twist ein großer Publikumserfolg und wurde mehrfach verfilmt.

Zusammenfassung

Armselige Anfänge

Oliver Twist wird in einem Arbeitshaus als uneheliches Kind einer jungen Mutter geboren, von der weder Name noch Herkunft bekannt ist. Nachdem die Frau sich vergewissert hat, dass ihr Junge am Leben ist, stirbt sie. Der kleine Oliver wird bis zu seinem neunten Lebensjahr bei einer habgierigen Pflegemutter untergebracht. Sie steckt die Zuschüsse der Gemeinde für ihre Schützlinge zum großen Teil in die eigene Tasche, misshandelt die Kinder und lässt sie hungern. Danach wird Oliver im Arbeitshaus der Gemeinde untergebracht, einer Einrichtung, in der die Armen interniert sind und bei kaum ausreichender Versorgung dahinvegetieren. Die Bedingungen im Arbeitshaus sind von der Obrigkeit mit Absicht so unangenehm gestaltet, dass möglichst viele Arme davon abgeschreckt werden, der Gemeinde auf der Tasche zu liegen.

„Unter andern öffentlichen Gebäuden in einer gewissen Stadt, die ich nicht nennen, der ich aber auch andrerseits keinen erdichteten Namen beilegen möchte, befand sich eines, wie es wohl die meisten Städte, ob groß oder klein, besitzen, nämlich ein Arbeitshaus; und in diesem wurde eines Tages der kleine Weltbürger geboren, dessen Name dieses Buch trägt.“ (S. 9)

Eines Tages wird Oliver Twist von den hungernden Jungen per Los dafür ausgewählt, einen kleinen Nachschlag Haferbrei zu erbitten. Daraufhin wird er vom Vorstand des Arbeitshauses als unverbesserlicher Unruhestifter gebrandmarkt. Es wird eine Belohung von fünf Pfund für denjenigen ausgesetzt, der Oliver als Lehrling annimmt. Ein Leichenbestatter geht auf das Angebot ein. Dessen Frau, der ältere Lehrling Noah Claypole und das Dienstmädchen verbünden sich gegen Oliver. Nach einer falschen Beschuldigung beschließt der Junge, auszureißen und sich nach London aufzumachen.

Unter Dieben

Weil das Betteln auch Kindern bei Gefängnisstrafe strengstens verboten ist, kommt Oliver halb verhungert am Stadtrand Londons an. Dort wird er von dem alten Juden Fagin aufgenommen, der obdachlose Kinder bei sich beherbergt und sie zu Taschendieben ausbildet. Auch die Dirnen Betsy und Nancy gehören zu seiner Mannschaft. Oliver hat keine Ahnung davon, dass er unter Diebe geraten ist. Als man ihn nach einigen Tagen mit zwei Jungen auf die Straße schickt, wird er entsetzt Zeuge, wie diese einem älteren Herrn, Mr. Brownlow, ein Taschentuch stehlen. Als Brownlow den Diebstahl bemerkt, hält er den weglaufenden Oliver für den Dieb. Eine Meute von Verfolgern stellt den Jungen, der auf die Polizeiwache geschleppt wird. Nachdem sich dort seine Unschuld erwiesen hat, bricht Oliver Twist ohnmächtig zusammen. Mr. Brownlow hat Mitleid mit dem Jungen und nimmt ihn mit zu sich nach Hause.

Die Entführung

Oliver kann sein Glück gar nicht fassen, auf einen so freundlichen Wohltäter getroffen zu sein. Mr. Brownlow und seiner Haushälterin fällt auf, dass Olivers Gesichtszüge eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Porträt einer jungen Frau haben, das im Haus hängt. Oliver seinerseits fühlt sich stark zu dem Bild hingezogen.

„Oliver schrie aus vollem Halse. Hätte er gewusst, dass er eine Waise war und nur der Barmherzigkeit von Kirchenvorstehern ausgeliefert, hätte er wahrscheinlich noch viel lauter geschrien.“ (S. 12)

In der Zwischenzeit regt sich der alte Fagin darüber auf, dass Oliver geschnappt wurde. Als er sich immer mehr in Rage redet, tritt ein vierschrötiger Kerl mit seinem Hund in die dunkle Kammer. Es ist Bill Sikes, ein professioneller Einbrecher und Kompagnon Fagins. Gemeinsam schicken sie Bills Geliebte Nancy auf die Polizeiwache, um Erkundigungen einzuholen. Sie findet heraus, dass Mr. Brownlow Oliver bei sich aufgenommen hat.

„Mit achteinhalb Pence lässt sich nicht viel bestreiten, aber die würdige Hausdame war eine kluge und erfahrene Frau und wusste, wie leicht sich Kinder überfressen können und was ihnen zuträglich ist; andrerseits aber auch, was ihr selbst zuträglich war.“ (S. 13)

Kurz darauf wird der Junge von Mr. Brownlow mit einer Fünfpfundnote und Büchern in eine Buchhandlung geschickt. Oliver verirrt sich in einer Seitengasse und wird von Nancy erkannt. Zusammen mit ihrem Geliebten Sikes verschleppt sie ihn zu Fagin. Als dieser Oliver schlagen will, wirft sich Nancy dazwischen.

Der Einbruch

Bill Sikes hat ein Haus in Chertsey, fernab von London, ausgekundschaftet, in das es sich lohnen würde einzubrechen. Allerdings ist der einzige Schwachpunkt des Hauses ein kleines Fenster, durch das höchstens ein Kind einsteigen kann. Fagin und Sikes beschließen, Oliver dafür einzusetzen. Am nächsten Tag machen sich Sikes und ein Kumpan mit dem Jungen auf die Reise. In der Nacht des Einbruchs bedroht Sikes ihn mit einer Pistole und zwingt ihn, durch das Fenster in das Haus einzusteigen. Oliver beschließt, die Hausbewohner zu warnen. Dazu kommt es aber nicht, denn die Diener sind aufgewacht und eilen herbei. Als die Diebe die Flucht ergreifen wollen, wird Oliver angeschossen. Die beiden Einbrecher schleppen ihn noch eine Weile mit, lassen ihn dann aber kurzerhand in einem Graben liegen.

„Wir sind die richtigen Männer, um hier Ordnung zu schaffen, sagte sich die Vorstandschaft. Und so ordneten sie denn an, dass alle armen Leute die Wahl haben sollten - von Zwang könne natürlich keine Rede sein -, entweder langsam und nach und nach im Arbeitshaus zu verhungern, oder schnell und plötzlich außerhalb.“ (S. 22)

Aus seiner Ohnmacht erwacht, irrt Oliver Twist umher und landet schließlich wieder bei dem Haus, in dem der Einbruchsversuch stattgefunden hat. Die wohlhabende Hausbesitzerin Mrs. Maylie und ihre adoptierte Nichte, die junge und schöne Miss Rose, die von der Dame als Waisenkind aufgenommen wurde, erbarmen sich Olivers und schützen ihn vor der herbeigerufenen Polizei. Sie nehmen ihn bei sich auf und er darf mit ihnen hinaus auf einen Landsitz ziehen.

Ein Geheimnis um Olivers Herkunft

In der Zwischenzeit wird die Verwalterin des Armenhauses, in dem Oliver Twist geboren wurde, zu einer alten Frau gerufen. Die im Sterben Liegende beichtet ihr reumütig, dass sie Olivers Mutter nach deren Tod ein schweres goldenes Schmuckstück gestohlen hat, an dem diese auch dann noch festhielt, als sie stattdessen dringend Kleidung und Nahrung zum Überleben gebraucht hätte.

„Dabei deutete er hastig auf das Porträt, das über Olivers Kopf hing, dann auf dessen Gesicht. Eins war die Kopie des andern: Augen, Kopf, Mund, kurz jeder Zug: derselbe. Die Ähnlichkeit war so frappant, dass man wirklich verdutzt sein musste.“ (über Mr. Brownlow, S. 103)

Als Fagin erfährt, dass Oliver nach dem fehlgeschlagenen Einbruchsversuch zurückgelassen worden ist, stürzt er, seltsam entsetzt, auf die Straße und eilt zu einem Gasthaus namens "Drei Krüppel". Dort hinterlässt er aufgeregt eine Nachricht für einen Mann namens Monks. In der Wohnung von Bill Sikes erzählt er Nancy dann, dass Oliver ihm viele hundert Pfund wert sei. Zu Hause erwartet ihn Monks und macht ihm Vorwürfe, dass er Oliver nicht zum Taschendieb gemacht, sondern ihn stattdessen Sikes mitgeschickt habe. Fagin entgegnet, dass Oliver anders als die anderen Jungen sei und er ihn nicht zum Dieb machen konnte.

„Es war trüb, finster und grimmig kalt und so recht eine Nacht für Leute, die ein gutes Dach über den Häuptern haben und eine reichliche Mahlzeit. Da setzen sie sich dann um das helle Kaminfeuer und danken dem lieben Gott, dass er ihnen ein Heim gegeben hat und dem Obdachlosen, Hungrigen eine Nacht, um sich hinzulegen und zu sterben.“ (S. 197)

Monks verabredet sich mit dem ehemaligen Gemeindediener Mr. Bumble, dem neuen Ehemann der Arbeitshausverwalterin, die durch die sterbende Alte von dem gestohlenen Schmuckstück erfahren hat. Gegen eine Summe von 25 £ übergibt die Verwalterin Monks das Schmuckstück, das sie mit einem Pfandschein der Alten eingelöst hat. Es handelt sich um ein goldenes Medaillon mit zwei Haarlocken und einem einfachen goldenen Trauring darin. In den Ring sind der Name Agnes und ein Datum, das mehrere Monate vor der Geburt des Kindes liegt, eingraviert. Monks wirft das Medaillon in einen reißenden Fluss.

Böse Pläne

Als Nancy gerade bei Fagin ist, trifft Monks ein. Die Dirne belauscht ein Gespräch zwischen ihm und Fagin. Sie bringt u. a. in Erfahrung, dass Miss Rose, Mrs. Maylie, Oliver Twist und die Dienerschaft sich zurzeit in einem Hotel in London aufhalten. Sie verlässt verstört das Haus. Nachdem sie ihrem Geliebten Bill Sikes ein Schlafmittel eingeflößt hat, sucht Nancy Miss Rose in dem Hotel auf. Monks hat Oliver Twist zufällig erkannt, als er als angeblicher Dieb gejagt wurde. Nancy enthüllt: Oliver ist der jüngere Bruder von Monks, der das Erbe des Jungen an sich reißen will. Er hat Fagin eine große Summe Geld dafür geboten, Oliver zum Dieb zu machen. Außerdem hat er Fagin mitgeteilt, dass nun der einzige Beweis für Olivers Herkunft vernichtet sei. Als Rose Nancy anbietet, sie in Sicherheit zu bringen, lehnt sie ab. Sie kann einfach nicht von Bill Sikes lassen, der der Verwegenste der Bande ist, selbst wenn es sie das Leben kosten sollte. Sie will aber von nun an jeden Sonntag nachts zwischen elf und zwölf Uhr auf der Londoner Brücke auf und ab gehen, sollte sie noch am Leben sein.

„Es sind viele unter uns, die zusammen dieselben Wege gewandelt sind, und ich werde niemals zur Verräterin an ihnen werden, so schlecht sie auch sein mögen.“ (Nancy, S. 399)

Oliver erkennt unterdessen Mr. Brownlow, der zwischenzeitlich nach Westindien verzogen und nun nach England zurückgekehrt ist, auf der Straße wieder. Rose berichtet dem alten Herrn von Olivers Schicksal, und Mr. Brownlow und seine Haushälterin sind hocherfreut, dass sie Oliver wiederhaben. Rose vertraut Mr. Brownlow Nancys Geschichte über Oliver an. Sie beschließen, erst einmal abzuwarten, bis sie Monks identifizieren und seiner habhaft werden können.

Der Mord

Am Sonntag wird Nancy von Bill Sikes eingesperrt, als sie versucht, nachts noch auszugehen. Fagin glaubt daraufhin, dass Nancy einen Liebhaber hat, und will sie erpressen: Sie soll ihm helfen, Sikes loszuwerden. Er setzt Noah Claypole, den ehemaligen Lehrling des Leichenbestatters, als Spion ein; Noah ist mittlerweile wegen eines Diebstahls nach London geflohen. Weil Bill am nächsten Sonntagabend unterwegs ist, kann sich Nancy auf die Londoner Brücke begeben. Sie trifft dort auf Rose und Mr. Brownlow. Als sie Monks im Detail beschreibt, gibt Mr. Brownlow zu verstehen, dass er den Betreffenden kennt. Erneut lehnt Nancy es ab, sich in Sicherheit bringen zu lassen. Was sie nicht ahnt: Noah Claypole ist ihr nachgeschlichen und hat das Gespräch belauscht.

„Jeder Gegenstand, der vor ihm auftauchte, nahm das Aussehen von irgendetwas Schrecklichem an. Seine Sinne schärften sich. Er hörte das Rauschen seiner eigenen Kleidung, und jeder Windstoß, der ihn berührte, schien das Echo von Nancys letztem leisen Aufschrei zu ihm zu tragen. Er sah ein Gespenst vor sich.“ (über Bill Sikes, S. 418)

Als Bill Sikes bei Fagin vorbeikommt, erzählt dieser ihm von Nancys heimlichem Treffen auf der Brücke. Sikes stürmt wütend davon. Zu Hause versucht Nancy ihn zu beruhigen, sie gibt zu, die Freunde Olivers getroffen zu haben, versichert Sikes aber, dass sie ihn nie verraten würde, und bietet ihm an, gemeinsam mit ihm zu fliehen. Er aber glaubt ihr nicht. Wutentbrannt schlägt er immer wieder mit einem Knüppel auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührt. Danach flieht er aus London. Aber er fühlt sich überall erkannt und verfolgt und irrt rastlos umher. In seinem Wahn sieht er zudem überall die tote Nancy mit ihren leblosen, starren Augen vor sich. Als er schließlich nach London zurückkehrt und auf eine abgelegene Insel in der Themse flieht, wird er dort von seinen Verfolgern gestellt. Beim Versuch, per Seil über die Hinterwand eines baufälligen Hauses zu entkommen, glaubt er wieder Nancys Geist zu sehen, stolpert und fällt so, dass er sich in dem Seil verfängt und sich selbst erhängt.

Olivers Geheimnis wird gelüftet

Mr. Brownlow lässt Monks zwangsweise zu sich bringen. Dieser ist in Wirklichkeit der erste Sohn seines früheren besten Freundes Mr. Leeford. Bei dem Gespräch kommt heraus, dass Leeford nach der Trennung von seiner Frau in Italien erkrankte und starb, als er dort ein großes Erbe antreten wollte. In der Zwischenzeit war aber eine junge Frau von Leeford schwanger geworden. In seinem Testament verfügte dieser, dass seine Geliebte und ihr Kind den Großteil seines Vermögens erben sollten. Falls das Kind ein Junge wäre, sollte es dieses Erbe aber nur dann erhalten, wenn es bis zur Volljährigkeit keine Verbrechen begehen würde. Die erste Frau von Leeford vernichtete das Testament und hinterließ später bei ihrem Tod das gesamte Erbe ihrem missratenen Sohn, der sich dann als Monks in die Verbrecherwelt Londons einschlich, um seinen Halbbruder Oliver zu vernichten - denn er ist das uneheliche Kind des verstorbenen Mr. Leeford. Von Mr. Brownlow mit der Enthüllung seiner Schandtaten bedroht, willigt Monks ein, Olivers Anspruch vor Gericht zu bestätigen.

„Fagin saß auf einer Lagerstatt und rückte nervös hin und her. Er glich einem Tier, das sich in einer Falle gefangen hat, und nicht mehr einem Menschen.“ (S. 458)

Bei der offiziellen Zusammenkunft in Olivers Geburtsstadt wird dann nicht nur offenbar, dass seine Mutter die Tochter eines Marineoffiziers war, sondern auch, dass dieser noch eine weitere Tochter im Kleinkindalter hatte, die nach seinem Tod als Waise von Mrs. Maylie adoptiert wurde: Rose ist daher in Wirklichkeit auch Olivers Tante. Schließlich tritt noch Harry Maylie auf. Wegen seiner Liebe zu Rose hat er seine politischen Ambitionen aufgegeben und eine Stelle als Pfarrer in einer kleinen Dorfgemeinde angenommen. Rose willigt daraufhin ein, ihn zu heiraten.

Happy End

Fagin und seine Bande fliegen auf und Fagin wird zum Tod durch Erhängen verurteilt. Vor der Vollstreckung verrät er noch, wo er einige wichtige Papiere Monks’ versteckt hat. Aus Rücksicht auf seinen verstorbenen Freund Mr. Leeford teilt Mr. Brownlow das Erbe zwischen Monks und Oliver Twist. Monks reist damit nach Amerika. Dort verprasst er das ganze Geld und stirbt später im Gefängnis. Mr. Brownlow adoptiert Oliver und zieht mit ihm in die Nähe von Harry und Rose Maylie, die inzwischen geheiratet haben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Charles Dickens’ erstes sozialkritisches Werk erschien zuerst als Fortsetzungsreihe in einer Zeitschrift. Entsprechend ist es in 53 episodenhafte Kapitel eingeteilt, denen jeweils eine mehr oder weniger reißerische Andeutung des Inhalts vorangestellt ist ("Das Glück Olivers und das seiner Freunde erleidet einen plötzlichen Stoß"). Konsequent vollzieht sich in diesen Kapiteln die Verwandlung des Oliver Twist vom hilflosen, misshandelten Waisenknaben zum reichen Erben und Adoptivsohn eines wohlhabenden Mannes. Stilistisch zieht Dickens dabei alle Register: Von feiner Ironie bis hin zum beißenden Sarkasmus, von realistischen Schilderungen der Umgebung bis zu melodramatischen Ausbrüchen ist in Oliver Twist alles vorhanden. Dabei schreckt Dickens auch nicht vor Horrorelementen zurück. Vor allem der brutale Mord an Nancy, während dem ihr früherer Geliebter immer wieder auf die sie umhüllende Decke einschlägt, sobald sie sich noch einmal rührt, hat einen in der Literatur selten anzutreffenden grausigen Charakter, ebenso die wilde, von Gespenstervisionen begleitete Flucht Sikes’ bis hin zum unfreiwilligen Selbsterhängen. Am stärksten brilliert Dickens aber mit seinen Darstellungen der bürgerlichen Heuchelei und Doppelmoral. Man spürt während der Lektüre, dass ihm dieses Thema besonders am Herzen liegt.

Interpretationsansätze

  • Oliver Twist ist in erster Linie eine Abrechnung mit dem Sozialsystem zur Zeit der Industrialisierung. Diesem System hatte die viktorianische Mittelklasse mit ihren Vorurteilen gegen die Unterschichten und ihren Bemühungen, die eigenen Sozialabgaben möglichst niedrig zu halten, Anfang des 19. Jahrhunderts zum Durchbruch verholfen. Das Armengesetz von 1834 verdammte die Ärmsten zu einer menschenunwürdigen Existenz in den Arbeitshäusern des Landes, einer Art von Armutsgefängnissen.
  • Dickens prangert außerdem die Einseitigkeit des damaligen Rechtssystems an, etwa wenn er beschreibt, wie das Berauben der Armen (z.B. durch habgierige Wohlfahrtsarbeiter) vom System toleriert wird, während ein gewöhnlicher, mittelloser Dieb am Galgen endet. Dickens zeigt sehr klar die Zusammenhänge zwischen Armut und Verbrechen auf.
  • Durch geschickte Anspielungen und die spätere überraschende Auflösung von Oliver Twists Herkunft wird der Roman außerdem zu einer spannenden Abenteuer- und Detektivgeschichte.
  • Die Glaubwürdigkeit der Erzählung wird etwas eingeschränkt durch das Zusammentreffen unglaublicher Zufälle und fast übernatürlicher Elemente. Dickens verleiht damit seinem Glauben an eine höhere Gerechtigkeit Ausdruck.
  • Dickens’ Neigung zu morbiden Szenen und Horrorelementen zeigt sich in den grausigen Details des Mordes an Nancy und in dem anschließenden Verfolgungswahn und der unfreiwilligen Selbsttötung von Sikes.
  • Ausgerechnet die Titelfigur bleibt relativ blass: Kein Wunder, denn der Waisenjunge Oliver Twist ist ja meistens kein Handelnder, sondern eher ein Opfer der Machenschaften anderer Leute.
  • Dickens’ These, dass Armut nicht notwendigerweise zum Verbrechen führt, die er mit der Figur des Oliver veranschaulichen wollte, wird dadurch geschwächt, dass der trotz aller Anfechtungen moralisch standhaft bleibende Oliver Twist sich später als von "guter" Geburt erweist.

Historischer Hintergrund

Die Armengesetze im England der Industrialisierung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte England traumatische Veränderungen. Das wirtschaftliche Leben verschob sich zunehmend von dem bisher landwirtschaftlichen und ländlichen Bereich auf die industrialisierten Städte. Die wachsende Mittelschicht gewann an Einfluss. Das führte in den 1830er Jahren zu einer Wahlrechtsreform, die der kapitalistischen Mittelschicht mehr Einfluss verlieh. Das bisherige gesellschaftliche Ideal war der aristokratische Gentleman gewesen, der aufgrund seiner Besitztümer nicht zu arbeiten brauchte und sich in Muße kulturellen Beschäftigungen widmen konnte. Um das Stigma des Arbeitenmüssens umzumünzen, erhob die viktorianische Mittelschicht die Werte einer protestantischen Arbeitsethik zu ihrem neuen Ideal.

Entsprechend veränderte sich die Einstellung gegenüber den Armen. Sie wurden als arbeitsscheue Schmarotzer voller Laster gesehen, die sich zum Großteil durch öffentliche Zuwendungen ein Leben in Muße erschleichen wollten. Entsprechend hart fielen die neuen Armengesetze von 1834 aus: Wer öffentliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollte, konnte dafür zu einem Aufenthalt in einem der meist neu errichteten kommunalen Arbeitshäuser verpflichtet werden. Dort wurden Ehepaare konsequent voneinander getrennt, auch damit sie nicht noch mehr Kinder zeugen konnten, die in Armut aufwachsen würden. Auch wurden die Kinder ihren Eltern weggenommen und nach Gutdünken der Gemeinde erzogen, vorgeblich, um aus ihnen "wertvollere" Mitglieder der Gesellschaft zu machen, als es ihre Eltern waren. Die Nahrungsrationen, Kleidungszuweisungen und die Beheizung der Wohnstätten waren absichtlich so sparsam gehalten, dass nur die Bedürftigsten bereit waren, im Arbeitshaus zu leben und von der Gemeinde verordnete Arbeiten zu leisten. Nicht wenige zogen es sogar vor, zu verhungern oder auf der Straße zu erfrieren, statt sich den gefängnisartigen Bedingungen des Arbeitshauses zu unterwerfen.

Entstehung

Ohne dass seine zeitgenössischen Leser davon wussten (diese Details seiner Biographie wurden erst nach seinem Tod offen gelegt), hat Charles Dickens selbst ein gutes Stück an sozialer Grausamkeit erlebt. Als Kind musste er zeitweise in einer Fabrik als Handlanger arbeiten, um zum Lebensunterhalt der hoch verschuldeten Familie beizutragen. Dabei lernte er einen Kollegen namens Fagin kennen, dessen Namen er später dem ruchlosen Anführer der Kinderbande in Oliver Twist gab. Als Parlamentsreporter bekam Dickens die Diskussion um die neuen Armengesetze von 1834 hautnah mit und lehnte diese vehement ab. Er hatte in seiner Familie das Schuldgefängnis erlebt und wusste, was es bedeutete, unter gefängnisartigen Bedingungen bestehen zu müssen.

Nach dem durchschlagenden Erfolg seiner Fortsetzungsreihe über die Erlebnisse der skurrilen Pickwickier (1836/37) sah Dickens seine Chance, das Genre des Fortsetzungsromans mit der ihm unter den Nägeln brennenden Sozialkritik zu verbinden. Noch während er die Pickwick Papers veröffentlichte, begann er bereits, seine neue Reihe über den Waisenknaben Oliver Twist im Londoner Magazin Bentley’s Miscellany herauszugeben. Dabei setzte er auf geschickte Weise die europäische Tradition des Bildungs- und Erziehungsromans fort und ließ seinen Helden, ganz im barocken Sinn und nach dem Geschmack seiner viktorianischen Leser, auch unter schlimmsten Bedingungen seine Integrität bewahren. Bei Dickens kam erstmals ein schonungsloser Realismus hinsichtlich der Darstellung der sozialen Missstände in den englischen Arbeitshäusern und den Elendsquartieren Londons hinzu.

Wirkungsgeschichte

Obwohl von einer völlig andersartigen Thematik und Intensität als die humoristischen Pickwick Papers, entwickelte sich auch Oliver Twist für Dickens schnell zu einem Publikumserfolg. Noch bevor die Fortsetzungsreihe beendet war, gab es in London bereits eine Bühnenfassung der Geschichte vom armen Waisenjungen.

Dieser Trend zur Verarbeitung des Stoffes hat bis in unsere Zeit angehalten. Mittlerweile existieren allein über 20 Verfilmungen des Buches, die vorläufig letzte aus dem Jahr 2005 von Roman Polanski. Seit 1967 gibt es auch eine erfolgreiche Musicalversion des Stoffes. Bis kurz vor seinem Tod hat Charles Dickens selbst das Buch in öffentlichen Lesungen einem Massenpublikum vorgestellt. Seine Reisen führten ihn dabei bis nach Amerika. Vor allem seine Darstellung von Nancys Ermordung hat er immer so stark dramatisiert, dass ihn die Ärzte angesichts seiner angeschlagenen Gesundheit vor den Folgen warnten. Im Nachhinein wird seine Weigerung, auf ihren Rat zu hören, für den Schlaganfall mitverantwortlich gemacht, an dem er im Alter von nur 58 Jahren verstarb. Charles Dickens hatte mit seinem Werk einen prägenden Einfluss auf viele sozialkritische Schriftsteller.

Über den Autor

Charles Dickens wird am 7. Februar 1812 in Landport bei Portsmouth als eines von acht Kindern eines Marinezahlmeisters geboren. Weil die Familie über ihre Verhältnisse lebt und der Vater Schuldscheine nicht einlösen kann, kommt sie in ein Schuldgefängnis. Der zwölfjährige Charles wird Hilfsarbeiter in einer Fabrik, um selbst seinen Unterhalt bestreiten zu können. Die Erlebnisse der Kinderarbeit traumatisieren den Jungen und prägen später einen Großteil seines literarischen Werks. Als die Familie aufgrund einer Erbschaft des Vaters wieder freikommt, kann Charles Dickens seine Schulausbildung fortsetzen. Mit 15 Jahren wird er Schreiber in einem Anwaltsbüro. Bald darauf steigt er zum Gerichts- und Parlamentsreporter auf. 1836 heiratet er Catherine Hogarth, die Tochter eines Journalistenkollegen. Als er 1836/37 seine Episodenreihe The Pickwick Papers (Die Pickwickiers) veröffentlicht, erlangt er schnell in ganz England Berühmtheit. Der nachfolgende Fortsetzungsroman Oliver Twist (1837/38) festigt seine Popularität. Er gibt mehrere Zeitschriften heraus und verfasst Kurzgeschichten und Romane. 1849/50 arbeitet Dickens an David Copperfield, einem Werk, das stark autobiografische Züge trägt. Nach 1852 erscheinen seine großen Spätromane Bleak House (Bleakhaus), Hard Times (Schwere Zeiten) und Great Expectations (Große Erwartungen). 1858 trennt sich Dickens von seiner Frau, mit der er inzwischen zehn Kinder hat. Gegen Ende seines Lebens unternimmt er ausgedehnte Lesereisen in Europa und Amerika. Weil sich seine Gesundheit zunehmend verschlechtert, erwirbt er 1868 den Landsitz Gad’s Hill Place bei Rochester. Am 9. Juni 1870 stirbt er dort an einem Schlaganfall. Als Schriftsteller von nationaler Bedeutung wird er in der Dichterecke der Westminster Abbey beigesetzt.

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