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Rot und Schwarz

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Rot und Schwarz

Eine Chronik des 19. Jahrhunderts

Diogenes Verlag,

15 mins. de lectura
12 ideas fundamentales
Texto disponible

¿De qué se trata?

Alles für die Karriere: Stendhals Held Julien Sorel mogelt sich mit Täuschung und Heuchelei an die Spitze der Gesellschaft.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Realismus

Worum es geht

Aufzeichnungen eines Heuchlers

In Rot und Schwarz (1830) tritt dem Leser ein romantischer Erzähler entgegen, der eigentlich schon ein verkappter Realist ist: Henri Beyle, der sein literarisches Schaffen stets mit dem Pseudonym Stendhal versah, schildert in knappen, fast schon nüchternen Sätzen den sozialen Aufstieg eines geschickten Emporkömmlings zur Zeit der französischen Restauration nach der Abdankung Napoleons. Stendhals Held Julien Sorel ist ein glühender Bewunderer des großen Feldherrn, darf aber seine Meinung öffentlich nicht äußern. So entwickelt er sich zum perfekten Heuchler und macht die Verstellung und den Schein zu seinen Kardinaltugenden. Er hat Erfolg: In einer Gesellschaft, die auf Oberflächlichkeiten baut, legt er eine steile Karriere hin. Vom Lehrer im Haus des Bürgermeisters über das Priesterseminar bis in den Palast eines einflussreichen Marquis in Paris dient er sich hoch. Auf dem Gipfel seiner Macht, geadelt und mit der Tochter des Marquis verheiratet, holt ihn der Verrat seiner ersten Liebe zurück auf den Boden der Tatsachen. Der vermeintlich kühle Realist rastet aus, schießt auf die Verräterin und besiegelt damit sein Schicksal, das sich unter dem blanken Stahl der Guillotine erfüllt. Stendhal, der zu Lebzeiten als Schriftsteller beim Publikum durchfiel, sicherte sich mit der psychologisch und zeitgeschichtlich gleichermaßen hervorragenden Milieustudie einen Platz auf dem Olymp der französischen Klassiker.

Take-aways

  • Rot und Schwarz ist der berühmteste Roman von Stendhal (alias Henri Beyle).
  • Der Autor ließ sich von einem Aufsehen erregenden Gerichtsprozess zu der Grundidee des Romans anregen.
  • Der junge Julien Sorel wächst in einer französischen Kleinstadt auf und wünscht sich nichts sehnlicher, als es seinem großen Vorbild Napoleon nachzutun und aus niedrigsten Verhältnissen an die Spitze der Gesellschaft aufzusteigen.
  • Dies gelingt dem gerissenen Julien durch perfide Heuchelei: Er gibt niemals zu, was er wirklich denkt, und übt sich in der Kunst der Verstellung.
  • Weil er sich davon einen schnellen Aufstieg verspricht, strebt Julien nach einem Kirchenamt.
  • Doch zunächst wird er Hauslehrer beim Bürgermeister seiner Heimatstadt und hat eine Affäre mit dessen Ehefrau Madame de Rênal.
  • Nach einer weiteren Station in einem Priesterseminar gelangt er als Sekretär des Marquis de la Mole nach Paris.
  • Mit der Tochter des Marquis beginnt er eine heftige Affäre. Als sie schwanger wird, adelt ihn der Marquis kurzerhand und erlaubt die Heirat der beiden.
  • Ein Brief Madame de Rênals an den Marquis bewirkt, dass Julien bloßgestellt wird. Wütend schießt er auf seine einstige Geliebte und wird zum Tod verurteilt.
  • Der Roman spielt zur Zeit der französischen Restauration (ca. 1815-1830), in der, nach der Abdankung Napoleons, liberale und royalistische Kräfte in Frankreich um die Oberhand stritten.
  • Der Romantitel deutet auf die verschiedenen Farben der Gewänder hin, die Julien trägt und die seine Karrieremöglichkeiten symbolisieren: Rot steht für den Soldatenrock und Schwarz für die Laufbahn als Priester.
  • Der zu seinen Lebzeiten weitgehend erfolglose Stendhal wurde erst im ausgehenden 19. Jahrhundert entdeckt.

Zusammenfassung

Ein Städtchen in der Provinz

Das kleine Städtchen Verrières liegt im Süden Frankreichs und zeichnet sich durch die Eigenschaften aus, die allen französischen Provinznestern gemeinsam sind: Es ist langweilig und seine biederen Bewohner neigen zum Despotismus und zur Intoleranz, wenn ihnen irgendetwas an einem anderen nicht gefällt. Monsieur de Rênal ist der Bürgermeister von Verrières. Beim Rundgang durch das Dorf begegnet er dem Dorfpriester Chélan und dem Direktor des Armenhauses, Monsieur Valenod, einem Emporkömmling und "Liberalen", der dem Bürgermeister deshalb höchst suspekt ist, obwohl er nach außen hin so tut, als sei er gut Freund mit ihm. Valenod hat seiner Frau, der Madame de Rênal, den Hof gemacht, ist aber an deren Tugendhaftigkeit kläglich gescheitert. Ein Bourgeois wie Valenod könnte Monsieur de Rênal aber auf andere Weise noch gefährlich werden: Kürzlich erst hat Valenod sich zwei sündhaft teure Pferde gekauft, um in der Achtung der Leute zu steigen. Mit seiner Frau bespricht de Rênal, was dem entgegenzusetzen sei: Er wünscht sich für seine Kinder einen Hauslehrer. Das wäre einerseits praktisch, andererseits würde es für eine Menge gesellschaftliches Prestige sorgen.

Der Beginn einer Karriere

Einem Tipp des Pfarrers Chélan verdankt de Rênal, dass er auch schon jemanden für den Posten ins Auge fassen kann. Es handelt sich um den jungen Julien Sorel. Er ist einer der drei Söhne des alten "Vater Sorel", wie er überall genannt wird. Julien ist für die körperliche Arbeit im väterlichen Sägewerk nicht geschaffen. Von seinen Brüdern wird er als Schwächling gehänselt, der seine Nase lieber in Bücher stecke. Beim Pfarrer, der seine intellektuellen Talente besser zu würdigen weiß, hat er Latein gelernt. Und genau deswegen scheint der kaum 19-Jährige dem Bürgermeister eine gute Wahl zu sein. Der alte Sorel verweigert sich aber zunächst dem Angebot des Bürgermeisters. Dahinter steckt jedoch nichts als seine Bauernschläue: Nach einem kurzen Gespräch mit seinem Sohn fordert Sorel 100 Franken mehr Grundgehalt, daneben noch Logis, Kost und Kleidung - und das Privileg, statt mit den Dienern mit den Herrschaften die Mahlzeiten einnehmen zu dürfen. De Rênal ist einverstanden.

Hauslehrer

Julien ist glücklich über diese Entwicklung. Nichts hasst er so sehr wie körperliche Arbeit, seinen Vater, seine Brüder, die ihn fortwährend verprügeln, und die biedere, provinzielle Eintönigkeit von Verrières. Er will Karriere machen! Zu Ruhm und Ansehen kommen! Aber wie? Zu Zeiten des Kaisers Napoleon, zu dessen größten Bewunderern Julien zählt, hätte er Karriere im Militär machen können. Nun jedoch, während der Restauration der alten Ordnung, gelingt dies eher als Geistlicher. Von der Kirche hält er zwar nichts, vom Glauben auch nicht, aber von den Karrierechancen, die man als Priester hat, eine Menge. Sozialer Aufstieg, weg aus der Gosse: für diese Ziele würde er fast alles geben. Julien ist sich durchaus bewusst, dass er ein scheinheiliges und heuchlerisches Leben führen muss, wenn er diesen Weg weitergeht. Doch er ist vorbereitet: Als gelehrsamer Lateinschüler des Dorfpastors hat er schon früh das Neue Testament auswendig daherbeten können. Seine Anstrengungen beginnen nun endlich Früchte zu tragen ...

Erste Eroberungen

Als Madame de Rênal Julien bei seinem Einzug in ihr Haus erblickt und begreift, dass es sich bei dem blassen Knaben um den neuen Hauslehrer handelt, ist sie entzückt: Kein schmutziger, alter Priester, sondern ein hübscher junger Mann! Julien ist von der weißen Haut, der Anmut und Schönheit der Madame de Rênal geblendet. Monsieur de Rênal begrüßt seinen Hauslehrer mit stolzgeschwellter Brust. Nachdem der Schneider ihn neu eingekleidet hat und - sehr zu seinem Gefallen - der gesamte Hausstand ihn mit "Herr" anspricht, verblüfft Julien alle Anwesenden und das halbe Dorf mit seinen Lateinkenntnissen. Obwohl er nach außen hin sehr freundlich mit den Kindern der de Rênals umgeht, hasst er sie. Die Zofe Elisa verliebt sich in ihn. Und auch Madame de Rênal beginnt, Gefühle für den jungen Mann zu entwickeln. Aufgewachsen im Kloster und unerfahren in der Welt, dachte sie bisher, alle Männer seien so wie Monsieur de Rênal: kalt, zornig und nur ums Geld bemüht. Daher fühlt sie sich von Julien besonders angezogen. Dieser jedoch verhält sich ihr gegenüber bewusst zurückhaltend. Keinesfalls darf er sich erlauben, seinen gesellschaftlichen Aufstieg wegen der Schönheit von Madame de Rênal zu gefährden. Obwohl: Wenn er sie wie eine von Napoleons Eroberungen betrachten würde ...?

Ruhm und Ehre

Julien geht auf Konfrontationskurs, als er sich mit der Familie auf dem Land befindet. Nachdem er der enttäuschten Elisa einen Korb gegeben hat, macht er sich zielbewusst an Madame de Rênal heran. Abends im Garten ergreift er ihre Hand. Nach anfänglichem Zögern verwehrt sie es ihm nicht und ist innerlich von Liebesglück erfüllt. Für Julien ist es nur ein erster Sieg auf seinem Eroberungsfeldzug. Seine Bewunderung für Napoleon wird ihm fast zum Verhängnis: Unter seiner Matratze bewahrt er ein Bildnis seines Idols auf. Als die Bettbezüge gewechselt werden, kann er es gerade rechtzeitig vor den Blicken Monsieur de Rênals in Sicherheit bringen und verbrennen. Seine bis zur Perfektion getriebene Doppelzüngigkeit wäre beinahe aufgeflogen. In der Öffentlichkeit schmäht er nämlich Napoleon, wo er nur kann. Das Angebot seines alten Freundes Fouqué, in den lukrativen Handel mit Holz einzusteigen, lehnt Julien dankend ab: Geld ist nicht alles. Gesellschaftliche Stellung bedeutet ihm mehr.

Eine Affäre im Hause de Rênal

An der Art und Weise, wie sie ihn ansieht und sich in seiner Gegenwart kleidet, erkennt Julien, dass Madame de Rênal wirklich in ihn verliebt ist. Er setzt alles auf eine Karte und sucht sie des Nachts in ihrem Zimmer auf. Sein Wagnis ist von Erfolg gekrönt. Während sie sich an der Liebe des jungen Mannes weidet, betrachtet Julien die Affäre vor allem als persönlichen Triumph: Er, der arme Handwerksbursche, ist der Geliebte einer hoch gestellten und schönen Frau. Sie verschafft Julien eine Position in der Ehrengarde, die anlässlich eines Besuchs des Königs eingerichtet wird. Julien genießt es, endlich im Soldatenrock und hoch zu Ross einherzugaloppieren. Doch ein Blick auf den jugendlichen Bischof von Agde führt ihm erneut unmissverständlich vor Augen, dass schneller Aufstieg und Ruhm vor allem im Kirchenamt zu erreichen sind. Als eines ihrer Kinder todkrank wird, betrachtet Madame de Rênal das zunächst als Strafe des Himmels für ihren Ehebruch. Einige Tage geht sie auf Abstand, doch dann kann sie nicht anders als Julien ihre tiefe Liebe zu gestehen - eine Liebe, die noch weit über diejenige zu ihren Kindern hinausgeht.

Nach Besançon

Ergriffen von dieser Hingabe entflammt nun auch Julien in wahrer Liebe zu der schönen Frau. Davon bekommt leider auch die verbitterte Zofe Elisa Wind. Von Eifersucht getrieben, will sie das Paar auseinander bringen. Sie erzählt Monsieur Valenod davon, der sogleich einen anonymen Brief an Monsieur de Rênal schickt, um die beiden zu denunzieren. In Todesangst fassen Madame de Rênal und Julien einen Plan: Sie fingieren einen zweiten anonymen Brief, der durchblicken lässt, dass Monsieur Valenod den ersten geschrieben habe, weil er selbst auf die Liebe von Madame de Rênal aus sei. Als Monsieur de Rênal diesen Brief liest, verpufft sein Verdacht gegen Julien und er glaubt nun vielmehr an ein Komplott von Monsieur Valenod. Doch in einer Kleinstadt bleibt immer ein wenig Schmutz an den Menschen hängen, egal ob die Gerüchte stimmen oder nicht. Um einen Skandal zu verhindern, schickt der Pfarrer Julien in ein Priesterseminar nach Besançon. Madame de Rênal ist über den Verlust ihres Geliebten todunglücklich. Auch Julien leidet, blickt aber gleichzeitig seinem Aufstieg ins Kirchenamt mit hohen Erwartungen entgegen.

Im Seminar

In einem Café wird Julien beinahe in eine Schlägerei verwickelt. Als er schließlich im Seminar ankommt, scheint die ganze Reise ein Fehlschlag. Zu sehr schrecken ihn das muffige Gebäude und die griesgrämigen Priesteranwärter ab. In Monsieur Pirard, dem Direktor des Seminars, findet er aber einen Fürsprecher. Er wird Pirards Protegé, weil dem Direktor Juliens Intelligenz zusagt. Im Kreis der Seminarteilnehmer macht sich Julien schnell Feinde, weil er durch seine Bildung als Bourgeois gehandelt wird, den es zu verachten gilt. Pirard macht Julien zum Repetitor. Seit er den Unterrichtsstoff mit seinen Mitschülern wiederholt, wird der Neid der anderen Schüler nur noch verstärkt. Nachdem Pirard seinen Abschied genommen hat, schließt sich ein noch größerer Triumph für Julien an: Der Marquis de la Mole will Monsieur Pirard als seinen persönlichen Sekretär nach Paris holen. Pirard jedoch schlägt Julien für den Posten vor. Die große weite Welt, deren Anerkennung er sich so sehnlich gewünscht hat, liegt ihm endlich zu Füßen. Bevor die Reise losgeht, trifft sich Julien noch einmal mit Madame de Rênal, um sich von ihr zu verabschieden. Erst will sie ihn fortschicken, dann jedoch obsiegt die immer noch vorhandene Leidenschaft. Die beiden verbringen eine Nacht miteinander.

Die große weite Welt: eine Räuberhöhle

Am Hof des Marquis fühlt sich Julien sofort selbst wie ein Adliger. Zwar missfällt ihm die gähnende Langeweile, die alle Besucher des Marquis - und obendrein er selbst - ausstrahlen, die Pracht der Einrichtung macht dies aber zunächst wett. In den vornehmen Salons eckt der provinzielle Charme Juliens natürlich an. Allerdings fühlt sich Julien hier auch nicht besonders wohl. In dieser "Räuberhöhle" findet er sich in der Gesellschaft widerlicher Gestalten wieder, die fortwährend über andere lästern und sich selbst in ein gutes Licht rücken wollen. Als Neuankömmling wird Julien von den Besuchern des Salons als Feind betrachtet. Um nicht ständig als Fremdkörper angesehen zu werden, schult er sich in den aristokratischen Disziplinen: Er lernt fechten, reiten und schießen. Besonders die letztgenannte Fähigkeit kommt ihm bei einer Auseinandersetzung gelegen, die er mit dem Besucher eines Cafés hat. Weil dieser ihn beleidigt, fordert ihn Julien zum Duell. Julien allerdings unterliegt und muss mit einem zerschossenen Arm zwei Wochen lang das Bett hüten.

Eine launische Geliebte

Seit sechs Wochen leidet der Marquis an einer schweren Gichterkrankung. Weil seine Frau und der Rest der Familie bei Verwandten weilen, wird Julien zum engsten Vertrauten des Kranken. Seine unbekümmerte Art amüsiert den Marquis. Er hat den "kleinen Abbé" gern und betrachtet ihn sogar als seinesgleichen - allerdings nur dann, wenn Julien sein schwarzes Gewand gegen ein blaues eintauscht, das der Marquis ihm geschenkt hat. Auf einem Ball fällt Julien Mathilde, die Tochter des Marquis, auf. Das Mädchen ist so gelangweilt von ihren vielen Verehrern und dem ganzen Treiben bei Hof, dass sie einer Art Totenkult anhängt und eines im 16. Jahrhundert enthaupteten Vorfahren gedenkt. Ihre Obsession für das Jahrhundert der Helden, der wildromantischen Affären und der starken, kühnen Männer steht Juliens Vergötterung Napoleons in nichts nach. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Mathilde lässt sich nur allzu gern von Julien verführen. Seine ungezügelte Wildheit und die verbotene Verbindung über Standesgrenzen hinweg gefallen ihr. Ihre Liebe ist ungezähmt und mitunter handgreiflich. Als Julien seiner Geliebten nach einem Streit das Schwert an die Kehle setzt, löst allein sein Anblick in ihr ein Feuer der Begierde aus. Leider ist sie auch wankelmütig und flatterhaft: Schon nach wenigen Tagen will sie nichts mehr von Julien wissen.

Die Guillotine wartet schon

Verzweifelt versucht Julien Mathilde zu vergessen. Eine Geheimmission im Auftrag des Marquis bietet ihm die passende Gelegenheit. Nach seiner Rückkehr gelingt es ihm, Mathilde eifersüchtig zu machen und so ihre Beziehung neu aufflammen zu lassen. Schließlich wird Mathilde sogar schwanger und will Julien heiraten. Der Marquis ist empört. Doch nach langen Verhandlungen und dem schlichtenden Eingreifen von Monsieur Pirard entscheidet sich der Marquis, Julien zu adeln. Fortan heißt dieser Julien de La Vernaye, erhält ein stattliches Vermögen, einen Posten in der Armee und schließlich auch die Hand Mathildes. Julien fühlt, dass er nun die Spitze erreicht hat, und genießt den Triumph in vollen Zügen. Doch so rasant wie sein Aufstieg verläuft auch sein Absturz: Die schon fast vergessene Madame de Rênal schreibt auf Druck ihres Beichtvaters einen Brief an den Marquis, der Julien als opportunistischen Frauenverführer denunziert. Julien gerät darüber so in Rage, dass er kurzerhand nach Verrières reitet und auf die in der Kirche kniende Madame de Rênal schießt. Sie wird nur leicht verletzt, er selbst aber verhaftet und zum Tod verurteilt. Erst im Gefängnis wird ihm klar, dass er sein Leben dem Machtstreben geopfert hat. Er erkennt in Madame de Rênal seine einzige große Liebe, streift seine Maske der Heuchelei ab und lernt die Kraft des echten Glaubens kennen. Julien wird guillotiniert. Mathilde erbittet seinen Kopf, den sie, wie bei ihrem verehrten Vorfahren, selbst begräbt. Madame de Rênal stirbt Julien nach drei Tagen nach.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die insgesamt 75 Kapitel des Romans erschienen in der ursprünglichen Fassung getrennt in zwei Bänden. Diese Zweiteilung entspricht dem Inhalt: Die ersten 33 Kapitel beschreiben Juliens langsamen gesellschaftlichen Aufstieg, bei dem er sich auch räumlich immer weiter von der französischen Provinz entfernt: vom Vaterhaus ins Haus des Bürgermeisters der Kleinstadt Verrières, ins Priesterseminar nach Besançon und schließlich nach Paris. Von seinen Erlebnissen in der "grande capitale", die zu dieser Zeit gewissermaßen auch das gesellschaftliche Zentrum Europas bildete, handeln die 42 Kapitel des zweiten Teils. Mit seiner Rückkehr in die Provinz beginnt Juliens abrupter gesellschaftlicher Abstieg. Stendhals Stil ist außergewöhnlich und für einen Schriftsteller an der Nahtstelle zwischen Romantik und Realismus außerordentlich modern: Knapp, nüchtern, journalistisch mutet seine Prosa an. Es gibt keine Emphasen (Überhöhungen), alles wird sachlich und realistisch dargelegt. Nicht umsonst erklärte Stendhal den Code civil, das französische Pendant zum Bürgerlichen Gesetzbuch, zu seinem stilistischen Vorbild: "Ich sehe nur eine Regel: Der Stil kann gar nicht klar und einfach genug sein." Mit psychologischem Geschick skizziert er die Innenwelt seines Helden Julien, der immer nur im Selbstgespräch seine wahren Motive enthüllt und nach außen hin eine perfekte Maske trägt. Auch die ironischen Kommentare, mit denen Stendhal die Gesellschaft, den Hof und seine Protagonisten bedenkt, sind bemerkenswert und steigern die Lust an der Lektüre - auch für heutige Leser.

Interpretationsansätze

  • Der Nachname von Stendhals Held Julien "Sorel" ist das rückwärts geschriebene französische Wort für "Eros" ("l'éros", d. h. die körperliche Liebe). Dieser Inversion (Umstellung) gemäß verhält sich Julien: Er zäumt sein Liebesleben von hinten auf und betrachtet seine Geliebten nur als Eroberungen oder Mittel zum Zweck.
  • Julien kämpft einen Kampf gegen die Mittelmäßigkeit der Gesellschaft, die einem begabten jungen Mann aus niederen Verhältnissen, anders als noch im Heer Napoleons, keine Chance auf einen weltlichen Aufstieg mehr einräumt. Julien fehlt jedoch die Kraft zum rücksichtslosen Eigennutz: Der kriecherischen Falschheit des Priesterseminars vermag er sich nicht zu unterwerfen;. Julien erweist sich für seine "Mission" als zu wenig verdorben. Er ist zwar verschlagen, doch kein Verbrecher.
  • Stendhal zeichnet das Bild einer degenerierten Kirche: Die Priesteranwärter im Seminar in Besançon sind allesamt Bauern, die nicht der Glaube, sondern der blanke Opportunismus und die Gier nach Geld in den Kirchendienst treiben. Reaktionäre Kräfte bemächtigen sich der Kirche: Sie ist ein Mikrokosmos des instabilen politischen Systems in Frankreich um 1830.
  • Das "Rot" im Romantitel kann für die Liebe, das "Schwarz" für den Tod stehen. Am überzeugendsten ist aber die Interpretation, dass es sich hierbei um die Farben der verschiedenen Kleidungsstücke handelt, die Julien trägt und die verschiedene Karrieremöglichkeiten symbolisieren: "Rot" deutet auf den Soldatenrock (eine Karriere, die Julien unter Napoleon gewählt hätte) hin, "Schwarz" auf das Priestergewand, mit dessen Hilfe er sich gesellschaftlichen Aufstieg erhofft.
  • Stendhal ironisiert den Glauben seiner Zeitgenossen, dass Kleider Leute machen: Der Marquis behandelt Julien völlig anders, wenn dieser statt seines schwarzen Alltagsrocks das schöne blaue Gewand trägt, ein Geschenk des Marquis. Je nach Kleidung werden andere Umgangsformen sichtbar, die beim Marquis fast schon mechanisch "einrasten".

Historischer Hintergrund

Die französische Restauration

Im Original hatte Stendhal seinem Roman den später verwässerten Untertitel "Eine Chronik des Jahres 1830" gegeben. Er wollte in jedem Fall ein Bild seiner Zeit zeichnen, und zwar der in seinen Augen langweiligen Zeit zwischen der Abdankung Napoleons und der Julirevolution von 1830. Darum langweilen sich Stendhals Hauptfiguren beständig, leben rückwärts gewandt und werfen ihren Blick in die ruhmreiche Vergangenheit (Juliens Schwärmerei für Napoleon und Mathildes Ahnenkult). Die Zeit zwischen 1815 und 1830 wird als Restauration bezeichnet. Nach Napoleons Abdankung 1814 kehrte Ludwig XVIII. aus dem Exil zurück auf den Thron - und blieb dort auch, als Napoleon nach seiner "Herrschaft der hundert Tage" bei Waterloo endgültig vernichtend geschlagen und verbannt wurde. König Ludwig führte am 4. Juni 1814 eine konstitutionelle Monarchie in Frankreich ein. Das politische System verband alte royalistische Züge mit einigen Zugeständnissen an die Errungenschaften der Revolution von 1789, u. a. ein Zweikammersystem, bei dem der König die Mitglieder der ersten Kammer bestimmte, während Adel und Bourgeoisie jene der zweiten Kammer wählten. Doch ab etwa 1820 geriet die konstitutionelle Monarchie unter den Druck der Ultraroyalisten, angeführt von König Ludwigs Bruder. Dieser hatte die vor der Revolution geflohenen Emigranten angeführt und war darauf aus, wieder eine absolutistische Monarchie zu errichten. Als Ludwig 1824 starb, ließ sich sein Bruder zum König Karl X. krönen. Jetzt kam die Reaktion in volle Fahrt: Die geflohenen Emigranten erhielten ihre Güter und Rechte zurück, insbesondere die Kirche wurde für die erlittenen Verluste entschädigt und mit Privilegien ausgestattet. Sie entwickelte sich zur neuen Macht, was auch Stendhals Held Julien zur Beschleunigung seines Aufstiegs nutzen kann. Als im Juli 1830 die Ultraroyalisten in der zweiten Kammer kläglich gegen die Liberalen verloren, löste Karl die Kammer einfach auf, schränkte das Wahlrecht ein und hob die Pressefreiheit vollkommen auf. Einen Tag später fegte die so genannte Julirevolution durch Paris, an deren Ende Karl X. den Thron räumen musste.

Entstehung

Als Stendhal im Alter von 45 Jahren - ohne Frau, ohne Stelle, ohne Einkommen und ohne einen verwertbaren Ruf als Schriftsteller - aus Mailand nach Paris zurückkehrte, fiel sein Blick auf einen Bericht in der Gazette des Tribunaux, einem populären Gerichtsblatt, das über spektakuläre Prozesse berichtete. Ein Fall interessierte ihn so sehr, dass er sich sogar von einem der Geschworenen einen handschriftlichen Detailbericht liefern ließ. Die so genannte "Affäre Berthet" fungierte dann auch als Hintergrund für den Roman Rot und Schwarz. Antoine Berthet, der Sohn eines Schmieds, wurde von einem Priester gefördert, musste jedoch aus gesundheitlichen Gründen das Priesterseminar wieder verlassen. Er wurde Hauslehrer der Familie Michoud und machte angeblich der Dame des Hauses amouröse Avancen. Daraufhin wurde er entlassen, rächte sich aber an ihr und erschoss sie während eines Gottesdienstes. Dafür wurde er am 23. Februar 1828 auf der Guillotine hingerichtet. 1829 begann Stendhal mit der Niederschrift des Romans, den er zunächst einfach nur Julien taufte. Um das Privatleben der Menschen zu schützen, wie er selbst vermerkte, erfand er die Kleinstadt Verrières und verlegte einen Teil der Handlung nach Besançon, wohin er zeitlebens nie gekommen ist. Um den Charakter eines historischen Romans zu vermeiden, änderte er - mit Ausnahme Napoleons - die Namen der politischen Akteure. Vier Monate nach der Julirevolution (1830) vollendete Stendhal den Roman.

Wirkungsgeschichte

Stendhals Roman lag zu seinen Lebzeiten wie Blei in den Regalen. Sein guter Freund, der Schriftsteller Prosper Mérimée, bedauerte dies und versuchte in einem Brief an Stendhal herauszufinden, woran die Ablehnung lag. Mérimée kam zu dem Schluss, dass Stendhal den Blick auf die entsetzlichsten Wunden der menschlichen Seele gelenkt und den Charakter des Julien mit den schlimmsten Zügen ausgestattet habe, von denen jeder weiß, dass sie existieren, aber die man nicht wahrhaben will. Er äußerte die Hoffnung, dass dereinst die Kritiker des 20. Jahrhunderts seine Bücher "aus dem Kehricht der Literatur des 19. Jahrhunderts" befreien und entdecken würden. Die zentrale Figur der französischen Romantik, Victor Hugo, meinte mit offenem Sarkasmus, dass von Stendhal nichts bleiben werde, denn "nicht einen einzigen Augenblick hat er sich auch nur vorstellen können, was Schreiben eigentlich heißt". Ganz ähnlich sah es auch der Naturalist Émile Zola: "Das Werk des Romanschriftstellers muss aufhören, wo jenes des Moralisten beginnt." Zu den wenigen positiven Stimmen zu Rot und Schwarz gehört diejenige von Goethe, der sich gleich nach dem Erscheinen ein Exemplar des Romans besorgte. Über sein Urteil gibt der Goethe-Vertraute Johann Peter Eckermann Auskunft: "Wir sprachen darauf über Rouge et Noir, welches Goethe für das beste Werk von Stendhal hält. ‚Doch kann ich nicht leugnen', fügte er hinzu, ‚dass einige seiner Frauencharaktere ein wenig zu romantisch sind. Indessen zeugen sie alle von großer Beobachtung und psychologischem Tiefblick, so dass man dem Autor einige Unwahrscheinlichkeiten des Details gern verzeihen mag.'" Stendhal selbst machte die Prognose, dass man ihn ab 1880 zu lesen beginnen und er spätestens ab 1930 weltberühmt sein werde. Er sollte Recht behalten: Heute gehört er zu den französischen Klassikern.

Über den Autor

Stendhal wird als Henri Beyle am 23. Januar 1783 in Grenoble geboren. Sein Pseudonym legt er sich 1814 in Anlehnung an den Geburtsort des Archäologen und Kunsthistorikers Johann Joachim Winckelmann zu. Die Enge seiner Heimatstadt und die jesuitische Erziehung seines Vaters sind ihm verhasst. Im jungen Alter von 17 Jahren zieht es ihn zunächst nach Paris. Er möchte dort möglichst ein zweiter Molière werden. Seine Dramenprojekte scheitern jedoch, er lebt als Bohemien und entdeckt seine große Lust an amourösen Affären. Durch Vermittlung seiner Cousins wird Stendhal 1800 Offizier in Napoleons Italienfeldzug und bringt es 1807 bis zum hohen Verwaltungsbeamten in Braunschweig. Auch am Russlandfeldzug nimmt er teil. Er erlebt das Scheitern der Grande Armée, kann nach Napoleons Abdankung im Paris der Restauration nicht mehr Fuß fassen und entdeckt Italien als seine zweite Heimat. Er geht nach Mailand und versucht sich weiterhin erfolglos als Schriftsteller, bis man ihn 1821 wegen seiner liberalen Gesinnung aus dem von Österreich beherrschten Italien ausweist. Zurück in Paris hofft er nach der Julirevolution 1830 auf einen neuen Posten im Staatsdienst, wird aber nur Konsul im kleinen italienischen Hafenstädtchen Civitavecchia. Zeitgleich wird sein Roman Le Rouge et le Noir (Rot und Schwarz) veröffentlicht, der wieder ohne große Resonanz bleibt und Stendhal zu seiner berühmt gewordenen Voraussage verleitet, man werde ihn 1880 zu lesen beginnen, und ab 1930 werde er weltberühmt sein. Den beginnenden Siegeszug seines letzten Romans, La Chartreuse de Parme (Die Kartause von Parma), erlebt Stendhal 1840 noch mit, ebenso Balzacs wohlwollende Besprechung in der Revue Parisienne. Im folgenden Jahr erleidet er jedoch seinen ersten Schlaganfall, ein Jahr später einen zweiten; er stirbt am 23. März 1842. Stendhal wird auf dem Friedhof von Montmartre, nicht wie er es sich immer gewünscht hat in Italien, beigesetzt.

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