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Das unbekannte Meisterwerk

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Das unbekannte Meisterwerk

Insel Verlag,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Echt oder gemalt? In Balzacs Novelle verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Kunst.

Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Realismus

Worum es geht

Die Kunst im Wettstreit mit der Natur

Kein anderer Text von Balzac hat bildende Künstler und Kunsttheoretiker so inspiriert wie Das unbekannte Meisterwerk. Dabei ist die knappe, parabelhafte Novelle kein typisches Werk des französischen Romanciers, der sich ansonsten als epischer Sittenmaler seiner Zeit hervortat. Balzac gewährt Einblick in die Kunstdiskurse an der Schwelle zwischen Klassik und Romantik. Mit Repräsentanten unterschiedlicher Künstlertypen – von Dürer und Holbein über Mabuse und Veronese, Rubens und Rembrandt bis hin zu Porbus und Poussin – bietet die Novelle bis heute eine Fülle an Diskussionsstoff. Wie in allen Teilen von Balzacs Menschlicher Komödie sind die Figuren auch im Unbekannten Meisterwerk weniger Individuen als Typen, die eine soziale Rolle oder kunsttheoretische Position abbilden. Die Novelle ist eine der kürzesten und prägnantesten Erzählungen Balzacs, und sie entfacht bis heute Diskussionen über die Darstellbarkeit des Undarstellbaren.

Take-aways

  • Balzacs Unbekanntes Meisterwerk ist eine der berühmtesten Künstlernovellen.
  • Inhalt: Der junge Maler Poussin lernt im Paris des Jahres 1612 den Kollegen Porbus und den Altmeister Frenhofer kennen. Frenhofer arbeitet seit vielen Jahren an einem Porträt seiner Geliebten. Als der Altmeister sein Werk endlich enthüllt, sind Poussin und Porbus schockiert, denn sie sehen nur wirre Farben und Linien. Am nächsten Tag ist Frenhofer tot. Zuvor hat er alle seine Bilder verbrannt.
  • Die Novelle ist Teil von Balzacs Romanzyklus Die menschliche Komödie.
  • Obwohl die Handlung im 17. Jahrhundert spielt, wird der ästhetische Streit zwischen der romantischen und der akademischen Schule des 19. Jahrhunderts thematisiert.
  • Daneben führt das Werk den Konflikt des Künstlers vor Augen, der sich zwischen Kunst und Liebe entscheiden muss.
  • Der Text hält immer wieder Informationen zurück, sodass der Leser wie in einem Kriminalroman Personen identifizieren und Geheimnisse enthüllen muss.
  • Die Figuren sind zum Teil realen Personen nachempfunden.
  • Balzac lehnte sich an E. T. A. Hoffmanns Künstlererzählungen an.
  • Die Novelle inspirierte Künstler wie Kunsttheoretiker. Pablo Picasso illustrierte die Buchausgabe von 1931.
  • Zitat: „Der Auftrag der Kunst besteht nicht darin, die Natur nachzuahmen, sondern sie auszudrücken!“

Zusammenfassung

Besuch bei einem Meister

An einem kalten Dezembertag des Jahres 1612 steigt in Paris ein junger, dürftig gekleideter Mann die Treppe zu einem Künstleratelier hoch. Er ist verschüchtert und ängstlich; schon das bloße Fragen nach dem Meister François Porbus kostet ihn Überwindung, derart bewundert der junge Mann den Maler Heinrichs IV., den Maria von Medici allerdings entlassen und durch Rubens ersetzt hatte. Der junge Mann sieht in Porbus ein Genie, den Schöpfer eines Meisterwerks. Dass er schließlich die Wohnung des Malers betritt, verdankt er einem Zufall, denn es trifft sich, dass ein selbstsicherer und gut gekleideter alter Mann Porbus ebenfalls besuchen will. In dem Glauben, dass der Junge und der Alte zusammengehören, lässt der Maler Porbus, ein kränklicher 40-Jähriger, die beiden eintreten.

Ein wunderlicher Alter

Der alte Mann hat ein welkes Gesicht und einen hinfälligen Körper. Alter und Mühsal scheinen ihm zugesetzt zu haben. Zugleich trägt er eine schwere Goldkette, die auf seinen Reichtum hindeutet. In seinem Gesicht erkennt der junge Mann etwas Diabolisches, etwas, was auf Künstler sehr verführerisch wirkt. Porbus verneigt sich respektvoll vor dem Alten.

Das Bild der Maria von Ägypten

Der junge Mann ist sogleich von Porbus’ bereits berühmtem Gemälde eingenommen, der Maria Aegyptiaca, einem Werk, das für Maria von Medici bestimmt ist. Der wunderliche Alte ist einerseits bereit, viel Geld für das Gemälde zu zahlen, andererseits kritisiert er das Bild: Es lebe nicht. Porbus habe nur etwas abgezeichnet und auf die Leinwand geklebt, Räumlichkeit und Tiefe würden fehlen. Der Körper, den er auf dem Gemälde sehe, sei nicht beseelt, das Werk sei unvollständig, es fühle sich kalt, blut- und reglos an. Während der junge Mann angesichts dieser Kritik vor Wut bebt, ist Porbus voller Ehrfurcht gegenüber dem Alten. Dieser setzt seine Mängelliste fort.

Eine Kopie ist keine Kunst

Der alte Mann wirft dem Maler Unentschlossenheit vor; dieser habe sich nicht zwischen Zeichnung und Farbe, deutscher Gründlichkeit und italienischer Inbrunst, zwischen Dürer und Veronese entscheiden können. Entsprechend sei das Bild weder mager noch prächtig, weder gemalt noch gezeichnet. Porbus redet den Alten mit „Meister“ an und verteidigt sich. Der Alte echauffiert sich jedoch nur noch mehr: Das bloße Kopieren sei keine Kunst. Deshalb würden aus Gipsabdrücken ja auch nur Leichenstücke entstehen, ohne Leben und ohne Bewegung. Es gelte aber, den Geist, die Seele der Dinge zu erfassen. In seiner Kunstauffassung setzt der Alte die Maler, die Dichter und die Bildhauer gleich: Sie alle müssten der Natur ihr Geheimnis entreißen. Statt zu kopieren müssten sie sich ins Innerste der Form vertiefen. Erst dann erschließe sich nach geduldigem Ringen die wahre Gestalt der Schönheit. Nach Ansicht des Alten muss ein Porträt Ruhe oder Leidenschaft erzeugen und die überschäumende Fülle des Lebens zum Ausdruck bringen. Für ihn ist Raffael der König der Kunst, Rubens dagegen ein Nichts. Selbst Porbus’ Gemälde sei besser als die „flämischen Fleischberge“ von Rubens.

Überraschendes Talent

Nun schaltet sich der junge Mann in die Konversation ein und verteidigt Porbus’ Bild. Er findet die darauf zu sehende Heilige und den Schiffer durchaus nuanciert und keineswegs unentschieden. Erst jetzt wird Porbus auf den jungen Mann aufmerksam und fragt den Alten, ob er zu ihm gehöre. Der junge Mann entschuldigt sich, gibt sich selbst als „Farbkleckser“ zu erkennen und kopiert, als Porbus ihm ein Zeichenpapier vorlegt, die Maria Aegyptiaca. Das Bild signiert er mit dem Namen Nicolas Poussin. Der Alte ist beeindruckt und erklärt sich bereit, ihn in die tiefsten Geheimnisse der Kunst einzuweihen.

Der Alte malt

Porbus holt eine Palette und einen Pinsel, womit der Alte an dem Bild arbeiten soll. Dieser empört sich zunächst über die grellen und falschen Farben, malt dann aber doch fiebrig, während Porbus und Poussin ihm gebannt zuschauen. Er bringt die Luft auf dem Bild in Bewegung, lässt die Geschmeidigkeit der Haut hervortreten und wärmt mit seinen Farben die Schattenpartien. Er lässt mangelhafte Stellen aufleben, stellt einen einheitlichen Ton her und schafft mit leidenschaftlichem Eifer ein ganz neues Gemälde. Ein Dämon scheint in ihm zu stecken, so ungeduldig und ruckartig geht er zu Werke. Nebenbei belehrt er den Jungen, der ihn zusammen mit Porbus stumm bewundert. Von Poussins Talent angetan, lädt er ihn und Porbus zu sich nach Hause ein, um über Malerei zu reden.

Im Haus des Altmeisters

Der Alte wohnt in einem reich verzierten Haus mit einer geräumigen Halle, in der bei der Ankunft der drei Maler ein Feuer lodert und ein gedeckter Tisch steht. Hier hängt auch das Bild mit dem Titel Adam, das Mabuse einst schuf, um aus dem Schuldgefängnis entlassen zu werden, und das die Kunstmaxime des Alten sinnfällig macht. Der Alte behauptet von sich, er habe Besseres als sein Lehrer Mabuse gemalt, denn Mabuses Bildern habe das Göttliche gefehlt. Poussin möchte den Namen seines Gastgebers erfahren, doch Porbus gibt ihm zu verstehen, dass es besser sei, nicht danach zu fragen. Porbus selbst redet ihn schließlich mit Meister Frenhofer an und gibt so die Identität des Alten preis. Zudem bittet er darum, das Porträt der Geliebten des Alten zu sehen, weil er glaubt, nach dem Anblick des Bildes ein gutes Gemälde fertigbringen zu können. Der Alte weigert sich jedoch beharrlich und behauptet, er müsse das Bild noch vervollkommnen. Außerdem habe er Zweifel an seinem Werk. Zwar habe er die Fehler anderer vermieden und sich alternative Malweisen überlegt, doch zu viel Wissen sei ebenfalls schädlich. Er arbeite seit zehn Jahren an dem Werk, aber für den Kampf mit der Natur sei das kein langer Zeitraum.

Die personifizierte Kunst

Poussin ist von Frenhofer fasziniert. Der Altmeister erscheint ihm als die wahre Künstlernatur, ja als personifizierte Kunst mit den ihr eigenen Geheimnissen. Was Frenhofer jedoch, wie er selbst sagt, fehlt, ist eine makellose Frau von vollendeter Schönheit. Für ihren Anblick würde er sein gesamtes Vermögen hergeben. Porbus klärt Poussin über Frenhofer auf: Dieser war der einzige Schüler von Mabuse, dem Künstler, der Papier so täuschend echt bemalen konnte, dass man es für Stoff hielt. Der reich geborene Frenhofer hat große Summen geopfert, um Mabuse gefällig zu sein und ihm das Geheimnis der plastischen Malerei zu entlocken. Doch inzwischen hat das viele Forschen ihn zum Zweifler gemacht. Er behauptet, man könne mit Strichen nur geometrische Formen wiedergeben. Poussin und Porbus verabschieden sich und gehen nach Hause.

Poussin fasst einen Plan

Der junge Poussin ist hocherfreut über die Begegnung mit Porbus und Frenhofer. Er ist zuversichtlich, eines Tages in Frenhofers Atelier vorzudringen. Nun fühlt er sich als Maler und zweifelt nicht mehr an seinem Talent. Zu Hause angekommen, wird ihm jedoch bewusst, wie armselig seine Existenz ist. Auch wenn er sein Genie fühlt, reicht sein Geld noch nicht einmal für Farbe und Leinwand. Zu Hause wartet Gillette auf ihn, eine anmutige, fröhliche und folgsame Seele, die seine Nöte teilt. Sie möchte jedoch nicht mehr für ihn Modell stehen, weil er nur noch an seine Kunst denkt, wenn er sie ansieht. Poussin bittet sie, seine Karriere zu unterstützen, indem sie sich in den Dienst eines anderen Malers stellt. Gillette weigert sich zunächst, doch Poussin wiederholt seine Bitte und fügt an, der Künstler, für den sie Modell stehen solle, sei ein alter Mann. Nach einigem Ringen erklärt sich Gillette einverstanden. Poussin dürfe aber nicht dabei zusehen, sondern müsse mit einem Dolch an der Tür warten und den Maler töten, falls er zudringlich werden sollte. Bald bereut sie ihre Entscheidung. Sie spürt, dass Poussin seine Kunst mehr liebt als sie.

Ein unmoralisches Angebot

Drei Monate sind vergangen. Porbus besucht Frenhofer erneut. Der ist plötzlich mutlos, entkräftet und melancholisch. Er hat sich mit seinem Gemälde zu viel zugemutet und zweifelt nun mehr denn je daran, dass er das Kunstwerk fertigstellen kann. Sein Plan ist, in der Türkei, in Griechenland und in Asien nach einer Frau zu suchen, nach einem Modell, das ihm helfen könnte, das Bild zu vollenden. Porbus will dem Alten die Strapazen einer Reise ersparen und unterbreitet ihm Poussins Plan: Poussin sei nämlich bereit, Frenhofer seine überaus schöne Geliebte auszuleihen. Im Gegenzug soll Frenhofer Poussin und Porbus sein Bild zeigen. Der Altmeister ist empört. Sein Bild ist für ihn wie eine Gattin, ein Geschöpf, mit dem er seit zehn Jahren lebt. Er ist Vater, Liebhaber und Gott für sie. Sie zu zeigen, käme einer Entehrung gleich. Eher will er Catherine – so der Name des Bildes – verbrennen, als sie fremden Blicken auszusetzen. Denjenigen, der sie mit seinem Blick besudelt, will er töten.

Fanatische Liebe

Der Alte echauffiert sich derart, dass er wie verjüngt wirkt. Porbus hingegen weiß nicht, ob Frenhofers Fanatismus noch normal oder krankhaft ist. Um den Alten dennoch zur Enthüllung seines Bildes zu bewegen, kontert er, Poussin würde seine Geliebte ja schließlich auch Frenhofers Blicken ausliefern. Frenhofer erwidert, seine Catherine sei ihm treu, während Gillette ihren Geliebten früher oder später betrügen werde. Entgegen seiner vorherigen Äußerung behauptet er jetzt, sein Bild sei fertig. Es sei derart lebensecht, dass man glauben werde, tatsächlich eine Frau auf einem Samtbett vor sich zu haben.

Posieren oder leben

Unterdessen kommen Gillette und Poussin zu Frenhofers Haus. Gillette hat große Bedenken und glaubt nicht, dass ihr Geliebter glücklich wird, wenn sie für Frenhofer posiert. Seinem Ruhm zuliebe ist sie aber mitgekommen. Sie weint und zittert, weil sie weiß, dass sie nur als gemalte Erinnerung weiterleben wird, dass sie nur noch ein Bild sein wird. Frenhofer erschauert bei ihrem Anblick. Sie ist beschämt und fühlt sich wie einem Sklavenhändler vorgeführt. Poussin verflucht seine Entscheidung und wird eifersüchtig, als Frenhofer die Geliebte mit seinen Augen auszieht. Er ist bereit zu gehen, woraufhin Gillette in Tränen ausbricht – so erfreut ist sie, dass Poussin sie anscheinend doch liebt.

Eine Überraschung im Atelier

Frenhofer jedoch kann es jetzt kaum abwarten, seine gemalte Catherine mit der echten Gillette zu vergleichen. Poussin warnt den Alten, er werde ihn mit einem Degen töten und sein Haus in Brand stecken, wenn das Mädchen auch nur einen Klagelaut von sich geben sollte. Gillette ist inzwischen klar, dass sie nur das Opfer von Poussins künstlerischem Ehrgeiz ist. Sie geht mit Frenhofer ins Atelier. Porbus und Poussin stehen lauschend vor der Tür, bis der Alte sie freudig hineinruft. Die beiden jungen Maler halten zunächst vor einer Leinwand mit einer halb nackten Figur inne; Frenhofer erklärt ihnen jedoch, dieses Bild sei nichts wert und nur ein Irrtum. Porbus und Poussin sind außerstand, das versprochene Porträt zu finden, bis der Alte sie gezielt auf das Meisterwerk hinweist. Dieses sei so wirklich wie kein anderes; die Kunst sei darin zugunsten der Lebendigkeit verschwunden. Frenhofer rühmt die Farbe, die Konturen, den Lichteinfall. Die beiden anderen können die Verzückung des Meisters jedoch nicht verstehen, denn was sie sehen, egal aus welchem Blickwinkel, sind nur wirr aufgetragene Farben.

Ein Rest Realität

An einer Ecke des Porträts entdecken sie schließlich etwas Gegenständliches, die Spitze eines nackten Fußes, die faszinierend lebendig wirkt. Sie scheint das einzige Fragment zu sein, das von der Zerstörung des Bildes durch das Auftragen unzähliger Farbschichten verschont geblieben ist. Porbus und Poussin realisieren allmählich den Wahn des Alten. Poussin äußert die Hoffnung, früher oder später werde der Alte schon merken, dass nichts auf seiner Leinwand sei. Wie eine Furie reagiert Frenhofer auf diese Bemerkung und fragt Porbus, ob auch er nichts sehe. Aus Angst fordert Porbus Frenhofer nur auf, sein Bild zu betrachten. Der Alte realisiert daraufhin seine Wahnvorstellung und ist – nach zehn Jahren Arbeit – am Boden zerstört. Dann jedoch schlägt seine Stimmung in Wut um. Er wirft Porbus und Poussin vor, nur eifersüchtig zu sein. Er sehe seine wunderschöne Catherine sehr wohl. Das Schluchzen von Gillette unterbricht das Gespräch der Männer. Sie fordert Poussin auf, sie zu töten, denn sie verachte und hasse ihn. Frenhofer bedeckt sein Gemälde unterdessen mit einem Tuch, dann setzt er seine Gäste vor die Tür. Als Porbus am nächsten Tag nach Frenhofer sieht, erfährt er, dass dieser in der Nacht verstorben ist und zuvor alle seine Bilder verbrannt hat.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Novelle Das unbekannte Meisterwerk spielt sich im Lauf dreier Monate in den Jahren 1612 und 1613 in Paris ab und beschränkt sich auf ein minimales Figurenrepertoire von nur vier Personen. Das essenzielle Personendreieck bilden die drei Maler Poussin, Porbus und Frenhofer, die vor allem philosophieren; hinzu kommt Poussins Geliebte Gillette, deren Auftritt die Handlung beschleunigt und das Ende herbeiführt. Der Text ist kunstvoll dramatisch aufgebaut; immer wieder werden Informationen zurückgehalten, sodass die Leser wie in einem Kriminalroman Personen identifizieren und Geheimnisse enthüllen müssen. So werden zum Beispiel die Namen der drei Hauptfiguren lange Zeit nicht genannt. Das ominöse Porträt der Geliebten von Frenhofer bleibt sogar bis zum Schluss im Verborgenen und entpuppt sich dann als Luftblase. Die Figuren sind zum Teil realen Personen nachempfunden: François oder Frans Porbus war tatsächlich der Hofmaler Heinrichs IV., Nicolas Poussin war ein französischer Maler des Barock-Klassizismus, und Catherine Lescault war eine bekannte Kurtisane des 17. Jahrhunderts.

Interpretationsansätze

  • Frenhofer ist die Personifikation des nach Absolutheit strebenden Künstlers, die romantische Künstlernatur, die mal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt ist und an der Unerreichbarkeit des Ideals zerbricht. Das Bild von Catherine verzehrt seine Lebenskraft so sehr, dass die Arbeit daran ihn umbringen wird. In seiner Maßlosigkeit bewegt der mit diabolischen Zügen ausgestattete Maler sich am Abgrund und geht schließlich an seiner Leidenschaft zugrunde.
  • Unter dem Eindruck neuer naturwissenschaftlicher Entdeckungen und eines neuen Anspruchs auf Wissenschaftlichkeit strebte Honoré de Balzac mit seinen Schilderungen wissenschaftliche Objektivität an. Das führt dazu, dass vor allem im ersten Teil der Novelle exzessive Beschreibungen die Handlung fast zum Erliegen bringen. So wird Frenhofer zwar nicht beim Namen genannt, aber jede Falte seines Gesichts wird ausgeleuchtet: Stirn, Nase, Mund, Kinn werden minutiös beschrieben. Ähnlich detailliert ist die Schilderung von Porbus’ Atelier.
  • Angeregt durch die Schriften von Denis Diderot und Théophile Gautier hat Balzac sich mit dem Kunststreit seiner Zeit auseinandergesetzt und schildert Frenhofer als Vertreter der romantischen Schule, die Plastizität und Farbe fordert. Den Gegenpol zu seiner Kunstauffassung bildet die „École académique“, deren ästhetisches Programm sich an der Linie und dem Primat der Zeichnung ausrichtet.
  • Poussin und Frenhofer illustrieren die Zerrissenheit des Künstlers, der seine Geliebte zum Modell und damit zum Gegenstand ästhetischer Faszination macht und sich zwischen Kunst und Liebe entscheiden muss. Poussin verliert die Liebe Gillettes, ebenso wie Frenhofer die Illusion von Catherine verliert.
  • Die Frauenfiguren Gillette und Catherine, Letztere nur in Form eines Gemäldes vorhanden, verkörpern das psychologisch-erotische Element, das den Künstler mit seinem Werk verbindet.

Historischer Hintergrund

Revolution, Restauration, Julimonarchie

Die Französische Revolution von 1789 setzte dem absolutistischen Ständestaat ein Ende und verwirklichte grundlegende Werte und Ideen der Aufklärung. Mit ihr begann der Aufstieg des Bürgertums, der sich während des Kaiserreichs von Napoleon Bonaparte und der Restauration fortsetzte.

Die Restaurationszeit, in der die alte Königsfamilie der Bourbonen auf den Thron zurückkehrte, war für Frankreich eine relativ ruhige und stabile Phase. Mit dem Ancien Régime aber war es ein für alle Mal vorbei und gewisse revolutionäre Errungenschaften wie ein Mindestmaß an Parlamentarismus waren nicht mehr rückgängig zu machen. Die Bourgeoisie hatte nun die Möglichkeit, im Rahmen der in der Verfassung vorgesehenen gewählten Abgeordnetenkammer am Staat zu partizipieren. Die relative Stabilität der Restauration förderte unternehmerische Initiativen und führte zur Herausbildung erster industrieller Zentren. Die Bourgeoisie wurde sich somit ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bewusst und verlangte zunehmend politische Mitbestimmung.

Als es 1830 zu Missernten, Arbeitslosigkeit und Unruhen kam und König Karl X. beschloss, die Privilegien des Adels wiederherzustellen und die Pressefreiheit einzuschränken, kam es zur Julirevolution. Der König wurde zur Flucht nach Großbritannien gezwungen. Unter dem Bürgerkönig Louis-Philippe übernahm das aufstrebende Finanzbürgertum die Macht. „Enrichissez-vous“ („Bereichert euch“) wurde zum Credo der Julimonarchie, einer Mischform aus konstitutioneller und parlamentarischer Monarchie. Die Periode galt als Goldenes Zeitalter des französischen Bürgertums und gab den liberalen und demokratischen Bestrebungen in ganz Europa Auftrieb.

Entstehung

Nachdem Balzac 1820 eine Tragödie verfasst hatte, die wenig Beachtung fand, konzentrierte er sich in den 1820er-Jahren aufs Romaneschreiben. Unter einem Pseudonym veröffentlichte er historische Romane in Anlehnung an sein Vorbild Walter Scott. Zugleich versuchte er sich als Druckereiunternehmer, wobei seine unternehmerischen Ambitionen in einer hohen Verschuldung endeten. 1829 publizierte er erstmals einen Roman unter eigenem Namen, 1830 erschien eine Sammlung mit Erzählungen, die 1832 fortgesetzt wurde. In den Jahren zwischen 1830 und 1835 erschienen zahlreiche Texte, die bereits die groben Züge der Menschlichen Komödie – seines als Gesamtschau auf die Gesellschaft angelegten 91-bändigen Romanzyklus – vorwegnehmen sollten.

Balzac bewunderte E. T. A. Hoffmann und dessen fantastische Erzählungen und lehnte sich im Unbekannten Meisterwerk insbesondere an Hoffmanns Text Der Baron von B. an. Die ursprüngliche Fassung der Balzac’schen Novelle erschien 1831 in der Künstlerzeitschrift L’Artiste und trug den Untertitel „Conte fantastique“, fantastische Erzählung. Die Novelle wurde vermutlich 1837 überarbeitet, wobei die kunsttheoretischen Passagen maßgeblich erweitert wurden. Balzac ordnete die Erzählung später den Philosophischen Studien seiner Menschlichen Komödie zu.

Balzac war bekennender Monarchist und Anhänger der Kirche, wie er in der Vorrede zur Menschlichen Komödie erklärt. Die Liberalen, die 1830 mit dem Bürgerkönig Louis-Philippe an die Macht kamen, verachtete er. Er verstand sich selbst als „Sekretär“ – der eigentliche Autor seines Werks sei die französische Geschichte.

Wirkungsgeschichte

Balzacs Unbekanntes Meisterwerk ist eine der berühmtesten Künstlernovellen und inspirierte viele Künstler und Kunsthistoriker. Pablo Picasso beschäftigte sich 1926 mit Balzacs Erzählung und war von der dramatischen Beziehung zwischen Künstler und Modell derart fasziniert, dass er sich entschied, die Erzählung mit verschiedenen Arten von Illustrationen zu bebildern. Die bibliophile Ausgabe erschien 1931. Picasso machte zudem das tatsächlich existierende Haus in der Rue des Grands-Augustins aus dem 17. Jahrhundert, in dem Balzac die drei Maler aufeinandertreffen lässt, für viele Jahre zu seinem Atelier.

Ausgehend von Balzacs Text beschäftigte sich der französische Philosoph Georges Didi-Huberman 1985 in Die leibhaftige Malerei mit Künstlermythen und dem vielfältigen Zusammenhang zwischen Malerei und Körper. Der deutsche Kunsthistoriker Hans Belting widmete sich 1998 ebenfalls Balzacs Künstlernovelle und untersuchte in seiner Studie Das unsichtbare Meisterwerk den Mythos des künstlerischen Werks. Balzacs Novelle wurde 1992 von Jacques Rivette unter dem Titel Die schöne Querulantin verfilmt.

Über den Autor

Honoré de Balzac wird am 20. Mai 1799 in Tours geboren. Sein Vater, der Sohn eines Bauern, hat sich zum leitenden Beamten hochgearbeitet, seine Mutter stammt aus gutbürgerlicher Familie. 1814 zieht die Familie Balzac nach Paris. Ein Jurastudium bricht der junge Balzac ab, um Schriftsteller zu werden. Lange Jahre ist er erfolglos. Er macht Schulden, die ihn für den Rest seines Lebens drücken werden, als er sich 1826 als Verleger versucht und eine Druckerei kauft, die zwei Jahre später Konkurs anmelden muss. 1829 stellt sich erster schriftstellerischer Erfolg ein, der ihm Zutritt zu Adelskreisen verschafft. Er führt ein Leben über seine Verhältnisse und hat viele Liebschaften mit zumeist verheirateten Damen. 1832 tritt die ukrainische Gräfin Eva Hanska mit ihm in Briefkontakt. Die beiden schreiben sich 18 Jahre lang und sehen sich gelegentlich auf Reisen, bis sie ihn wenige Monate vor seinem Tod schließlich heiratet. Balzac schreibt einen Roman nach dem anderen. Er fasst seine Werke bereits früh in Gruppen zusammen. Während der Entstehung eines seiner bekanntesten Texte, Le père Goriot (Vater Goriot, 1834/35), hat er die Idee, dieselben Romanfiguren in verschiedenen Werken auftreten zu lassen und so ein überschaubares, vielfältig verwobenes Romanuniversum zu schaffen. Das Projekt der Comédie humaine, der Menschlichen Komödie, entsteht mit seinen Großgruppen und Untergruppen und dem Ziel, ein umfassendes Sittengemälde von Balzacs Zeit zu entwerfen. Dafür erlegt sich der Schriftsteller ein unglaubliches Arbeitspensum auf, schreibt oft bis zu 17 Stunden am Tag. 91 der 137 geplanten Romane und Erzählungen kann er fertigstellen. Zu den bekanntesten zählen Illusions perdues (Verlorene Illusionen), Eugénie Grandet, Splendeurs et misères des courtisanes (Glanz und Elend der Kurtisanen) und La peau de chagrin (Das Chagrinleder). Balzac gilt zusammen mit Stendhal und Flaubert als der Begründer des literarischen Realismus in Frankreich. Die ständige Überanstrengung ruiniert seine Gesundheit, er stirbt am 18. August 1850 in Paris.

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