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Historien

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Historien

Artemis & Winkler,

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12 take-aways
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What's inside?

Mit seinen Historien begründete Herodot die abendländische Geschichtsschreibung.


Literatur­klassiker

  • Geschichte
  • Griechische Antike

Worum es geht

Der Beginn der Geschichtsschreibung

Herodot hat mit seinen Historien die Anfänge der Geschichtsschreibung geprägt. In seinem berühmten Werk geht es um den Krieg zwischen Griechen und Persern im fünften Jahrhundert v. Chr. Die Auseinandersetzung hat eine lange Vorgeschichte mit mythischen Wurzeln. Sie mündet in zwei Kriege (490 und 478 v. Chr.) und endet schließlich mit einer Niederlage der Perser. Fünf Bände lang erzählt Herodot vom Aufstieg des Perserreiches zur größten Macht der damaligen Welt: Griechische Stämme in Kleinasien werden unterworfen, dazu die Lyder, Babylonier, Ägypter und viele andere Völker. Niemand scheint den Perserkönig Dareios stoppen zu können, als er auch noch das griechische Festland in seine Macht bringen will. Erst mit der berühmten Schlacht bei Marathon, von Herodot im sechsten Band erzählt, wendet sich das Blatt: Die Perser werden erstmals von den Athenern besiegt. Doch Dareios und sein Nachfolger Xerxes geben noch nicht auf. Die westliche und die östliche Welt treffen in weiteren Schlachten aufeinander, bis sich die griechischen Bundesgenossen endgültig durchsetzen. Mit diesem historischen Sieg endet der groß angelegte Bericht des Herodot. Wer sich für die antike Geschichte - und zwar nicht nur für Schlachten und Feldzüge, sondern auch für die vielfältigen Sitten der Völker - interessiert, erfährt sie hier aus erster Hand.

Take-aways

  • Herodot gilt nach einem Ausspruch Ciceros als "Vater der Geschichtsschreibung".
  • Die Historien gehören zu den wichtigsten Werken der griechischen Prosa.
  • Erstmals wird mit dem Krieg zwischen Griechen und Persern ein bedeutendes geschichtliches Ereignis in erzählender Weise dargestellt.
  • Laut Herodot war der Konflikt zwischen den Griechen als Vertretern der westlichen Welt und den Persern als Vertretern des Orients unvermeidlich.
  • Er lobt den Freiheitsdrang der Athener, die sich nicht unterwerfen lassen wollen.
  • Herodot beschreibt die vielfältigen Sitten der Völker des Altertums und versucht eine genaue Genealogie der Herrscher wiederzugeben.
  • Zwar bestimmen Schicksal und Zufall nach Ansicht von Herodot den Lauf der Geschichte, er betont aber auch die menschliche Entscheidungsfreiheit.
  • Sein Ansatz ist revolutionär: Er widerlegt den Grundsatz des mythischen Denkens, alles Wissen komme von den Göttern, und beruft sich auf die eigene Urteilskraft.
  • Herodot unternahm mehrere Reisen inner- und außerhalb Griechenlands und erschloss den Griechen so eine Welt, von der sie bislang nur eine vage Vorstellung hatten.
  • Er nutzte viele Quellen wie Inschriften und Abbildungen, aber auch mündliche Berichte, um seine Schilderungen zu verifizieren.
  • Herodot hat sowohl die Anfänge der Völkerkunde als auch der Kartographie geprägt.
  • Die Historien sind bis heute eine der Hauptquellen für Historiker und Altertumsforscher.

Zusammenfassung

Griechen und Barbaren

Ziel des Werks ist es darzulegen, wie Griechen und Barbaren (also alle Nichtgriechen) zueinander stehen, welche Taten sie vollbracht haben und vor allem: warum Krieg zwischen ihnen ausbrach. Alles begann mit Frauenraub in mythischer, vorgeschichtlicher Zeit: Mehrere Königstöchter wurden entführt. Die Phoiniker raubten Io, die Tochter des Inachos aus Argos, nach Ägypten. Die Griechen revanchierten sich, indem sie die Königstochter Europa aus Tyros in Phoinikien (östliches Mittelmeer, heute Libanon, Israel, Syrien) nach Kreta verschleppten. Nach der Entführung von Helena kam es zum ersten Krieg: Die Griechen zogen nach Asien und zerstörten das Reich des Priamos.

Die Geschichte des Kroisos

Einer der ersten Barbarenkönige, der einen Teil der Griechen unterwarf und tributpflichtig machte, war Kroisos aus Sardes in Lydien (östliches Mittelmeer, heute Türkei). Mit ihm begannen die Feindseligkeiten zwischen Griechen und Lydern, denn vorher waren die Griechen frei. Kroisos unterwarf im Gebiet von Kleinasien (heute etwa der asiatische Teil der Türkei) die Ionier, Aiolier und Dorer, mit den Lakedaimoniern schloss er Freundschaft. Viele Geschichten ranken sich um Kroisos. Eines Tages kam der griechische Weise Solon zu ihm. Kroisos fragte ihn, wer der glücklichste Mensch von allen sei. Solon nannte viele Beispiele, der König selbst gehörte aber nicht dazu, was diesen sehr erboste. Doch Solon meinte nur, dass sich erst nach dem Tode zeige, ob ein Leben glücklich gewesen sei. Später erwies sich, dass er Recht gehabt hatte: Der Herrscher der Lyder verlor den Krieg gegen die Perser und wurde von ihnen bis zu seinem Lebensende gefangen gehalten.

Der Aufstieg der Perser

Der größte Gegenspieler des Lyderkönigs Kroisos war Kyros. Dieser wurde auf sehr ungewöhnliche Weise König der Perser. Kyros war ein Sohn der Königstochter der Meder, Mandane, und eines niedrig gestellten Persers. Die Perser waren damals Vasallen des Volkes der Meder. Mederkönig Astyages wollte Kyros, seinen Enkelsohn, nach der Geburt töten lassen, weil er fürchtete, dieser könnte sich gegen ihn erheben. Durch einen Zufall überlebte Kyros. Als er erwachsen war, gelang es ihm, die Perser zum Abfall von den Medern zu bewegen. Kyros wurde König, er befreite die Perser und vergrößerte das persische Reich durch Eroberungen. Auch die Lyder unter König Kroisos unterwarf er. Kyros besiegte die Assyrer und eroberte Babylon, damals die bedeutendste Stadt der Welt. So erlangten die Perser die Herrschaft über ganz Vorderasien. Kyros wurde später in der Schlacht gegen die Massageten getötet. Seine Nachkommen unterwarfen nach und nach viele Völker, darunter auch die griechischen Stämme der Aiolier und Ionier.

„Herodot von Halikarnass veröffentlicht hiermit seine Forschung, auf dass die menschlichen Werke bei der Nachwelt nicht in Vergessenheit geraten, und damit große und wunderbare Taten der Griechen und der Barbaren nicht ohne Gedenken bleiben. Vor allem aber soll man erfahren, warum sie gegeneinander zum Kriege schritten.“ (S. 7)

Perser und Griechen unterscheidet vieles. Die Perser haben keine Götter in Menschengestalt, sondern sie verehren die Sonne, den Mond und die Elemente als göttlich. Was sie im Rauschzustand beschließen, besprechen sie noch einmal, wenn sie wieder nüchtern sind - und umgekehrt. Die Perser erziehen ihre Söhne im Reiten, Bogenschießen und in der Wahrhaftigkeit.

Die Gebräuche der Ägypter

Die Ägypter hielten sich lange für das älteste aller Völker. Ägypten besteht zum größten Teil aus Schwemmland, das durch die Nilüberflutungen entstanden ist. Die Ägypter nehmen - anders als die Perser - nie die Bräuche anderer Völker an. Noch dazu sind ihre Sitten oft das Gegenteil von denen anderer Völker. Zum Beispiel treiben die Frauen Handel und die Männer bleiben zu Hause. Auch der Opferkult unterscheidet sich sehr von den Gebräuchen anderer Völker, ebenso die Bestattung der Toten, welche einbalsamiert werden. Die Ägypter haben die Einteilung des Kalenders in zwölf Monate erfunden. Schaut man sich die jahrtausendealte Geschichte ihrer Herrscher an, gibt es viele grausame Könige. Als erster ägyptischer König gilt Menes. Ein Menschenschinder war König Cheops, der eine riesige Pyramide bauen ließ. Unter der Herrschaft von Anysis fielen die Äthiopier in Ägypten ein und machten sich das Land 50 Jahre lang untertan. Die Bauwerke der Ägypter sind denen der Griechen überlegen.

Die Perser erobern Ägypten

Der Perserkönig Kambyses wollte Ägypten erobern. Um auf dem Weg über die Wüste in Ägypten einfallen zu können, hatte Kambyses sich mit dem arabischen König aus Syrien verbündet. Die Araber übernahmen die Wasserversorgung der Perser. An der Nilmündung kam es zur Schlacht, die Ägypter flohen in die Stadt Memphis. Nach zehn Tagen wurde die Stadt von den Persern eingenommen. Kambyses war äußerst grausam, da er größenwahnsinnig geworden war und sich von niemandem etwas sagen ließ. Er öffnete Grabkammern und ließ Götterbilder verbrennen. Selbst seinen Bruder und seine Schwester, die er zur Frau genommen hatte, ließ er ermorden. Die Warnungen des Lyderkönigs Kroisos, das eigene Volk könne sich gegen ihn auflehnen, missachtete er.

Feldzug gegen die Skythen

Nach Kambyses’ Tod wurde Dareios König der Perser. Er reformierte die Verwaltung, teilte das Perserreich in 20 Provinzen und führte eine Tributpflicht ein. Dareios unternahm außerdem den ersten Versuch, das Küstenland der Griechen zu erkunden. Auf den Wunsch seiner Frau hin eroberten einige seiner Leute die Insel Samos. Gleichzeitig probten die Babylonier den Aufstand, der jedoch niedergeschlagen wurde. Dareios ließ die gewaltigen Mauern der Stadt Babylon schleifen. Danach begann er einen Feldzug gegen seine Erzfeinde, die Skythen, ein asiatisches Nomadenvolk, dessen Land sich am Schwarzen Meer entlang zieht. Die Skythen verabscheuen die Sitten anderer Völker, vor allem die der Griechen, mit denen sie jedoch Handel treiben. Dareios kam mit 700 000 Mann nach Skythien, ließ eine Brücke über den Bosporus bauen und eroberte unterwegs das mächtige Thrakien (Balkanhalbinsel, heute Bulgarien, Griechenland, Türkei). Dennoch gelang es den Persern nicht, die Skythen zu besiegen. Diese entzogen sich, teilten ihr Heer, griffen die Perser mal von dieser, mal von jener Seite an. Schließlich musste sich Dareios zurückziehen, ließ aber in Thrakien einen Feldherrn mit 80 000 Mann zurück. Zur gleichen Zeit zogen die Perser auch gegen Libyen.

Der Aufstand der Ionier

Dareios kehrte in seine Hauptstadt Susa zurück, drei Monatsreisen von der kleinasiatischen Küste entfernt. In Susa hielt er Hof, dort standen auch seine Schatzhäuser. Sein Halbruder Arthaphrenes blieb als Statthalter von Sardes zurück. Er versuchte ohne Erfolg, Naxos und andere zu Griechenland gehörende Kykladeninseln zu erobern. Der Tyrann von Milet, Aristagoras, ein einstiger Verbündeter des Dareios, beschloss, von den Persern abzufallen. Sein Versuch, Bundesgenossen in Sparta zu finden, scheiterte, obwohl er den Spartanern viele Versprechungen machte und die schlechte Situation der Ionier beschwor. In Athen hatte er mehr Glück. Die Stadt hatte sich - mit Hilfe Spartas - von ihren Tyrannen befreit und war stärker geworden. Athen schickte 20 Schiffe, um den Ioniern gegen die Perser beizustehen. Sardes wurde von den Athenern zwar niedergebrannt, doch die Schlacht gegen die Perser ging verloren. Die Bewohner der Stadt Milet wurden getötet oder umgesiedelt. Und Dareios schwor Rache gegen die Athener.

Die Schlacht bei Marathon

Die Ionier versuchten erneut, sich von Persien zu befreien, scheiterten jedoch in einer Seeschlacht, in der die Perser Unterstützung von all ihren Bundesgenossen, auch den Phoinikern und Ägyptern, erhielten. Die Perser eroberten nun viele griechische Städte westlich des Hellespont (heute die Dardanellen, Meerenge zwischen europäischer und asiatischer Türkei) sowie einige Inseln vor der kleinasiatischen Küste wie Chios und Lesbos. Später rüstete Mardonios, der Schwiegersohn des Dareios, zum Kampf gegen Athen, musste sich aber nach Asien zurückziehen, weil seine Flotte durch einen Sturm große Verluste erlitt. Dareios’ Wut auf die Griechen nahm zu. Er unternahm einen neuen Feldzug gegen Athen. Im Handstreich gelang es den Persern, die Stadt Eretria zu unterwerfen, und sie waren überzeugt, dass sie es mit Athen genauso leicht haben würden. Bei Marathon kam es zur entscheidenden Schlacht. Obwohl die Athener den Persern und deren Verbündeten zahlenmäßig unterlegen waren, siegten sie. Denn als erster Kriegsgegner griffen sie das Heer der Barbaren im Laufschritt an - ein Überraschungscoup, der gelang. 6400 Perser starben und nur 192 Athener. Die Perser zogen sich nach Asien zurück.

Neuer Anlauf unter Xerxes

Dareios beschloss, furchtbare Rache zu nehmen. Da er nun selbst in den Krieg gegen die Griechen ziehen wollte, ernannte er seinen Sohn Xerxes zum Stellvertreter und Nachfolger. Doch Dareios starb im 36. Jahr seiner Herrschaft, mitten in den Vorbereitungen des Feldzuges gegen Griechenland und die aufständischen Ägypter. Xerxes wollte nun eigentlich nur gegen die Ägypter ziehen und nicht gegen die Griechen. Er ließ sich aber trotz böser Vorahnungen von seinem Vetter Mardonios überreden. Erst wurden die Ägypter erneut unters persische Joch gebracht. Vier Jahre dauerte dann das Aufrüsten gegen die Griechen. Alle Völker Asiens mussten Xerxes mit Schiffen, Pferden oder Lebensmitteln unterstützen. Sogar ein Kanal am Berg Athos, wo die persische Flotte schon einmal gescheitert war, wurde gebaut. Das gewaltige Heer machte sich auf den Fuß- und Seeweg ins kleinasiatische Sardes und zog dann weiter zum Hellespont, wo die Perser in sieben Tagen und sieben Nächten auf zwei eigens gebauten Brücken nach Griechenland übersetzten. König Xerxes war unter ihnen. Begleitet wurde die Landstreitmacht von einer riesigen Flotte.

Die Uneinigkeit der Griechen

Athen und Sparta waren äußerst besorgt und versuchten, Bundesgenossen zu gewinnen, doch viele Stämme und ihre Herrscher wollten sich lieber den Persern anschließen als eine griechische Allianz zu bilden. Dennoch gelang es den Athenern, ein Landheer zu versammeln und eine Flotte zusammenzustellen. Unaufhaltsam rückte das persische Heer näher. Überall nahmen die Perser Städte ein, und sie verbrauchten riesige Mengen an Wasser und Lebensmitteln. Küsten- und Landbewohner mussten sich dem persischen Vormarsch anschließen. Obwohl der Feldzug sich nicht allein gegen Athen richtete, sondern gegen ganz Griechenland, handelten die griechischen Stämme nicht gemeinsam; viele vereinigten sich sogar freiwillig mit den Persern.

Verluste und Siege

Beim Engpass der Thermopylen in Thessalien (Region in Mittelgriechenland) kam der persische Vormarsch erstmals ins Stocken. Das griechische Landheer unter Führung des Königs von Sparta, Leonidas, tötete viele persische Krieger, wurde dann aber in einen Hinterhalt gelockt und überwältigt, weil ein Grieche den Persern einen Pfad verraten hatte, mit dem die Perser den Engpass umgehen konnten. Während es der griechischen Flotte in der Schlacht bei Artemision gelang, unter großen Verlusten persische Schiffe zu versenken, rückte Xerxes nach Attika vor und nahm Athen ein. Der Tempelbezirk ging in Flammen auf. Die Athener hatten jedoch vorher ihre Familien auf den Peloponnes, die große Halbinsel im Süden Griechenlands, gebracht. Nun schlug die große Stunde des Themistokles. Der athenische Feldherr überzeugte die Bundesgenossen, sich nicht mit ihrer Flotte zurückzuziehen, sondern in der Meerenge bei Salamis gegen die Perser zu kämpfen. Und weil die riesige Flotte der Perser manövrierunfähig wurde und konfus durcheinander segelte, gelang es den Griechen tatsächlich, sie zu besiegen und in die Flucht zu schlagen. Xerxes war darüber so bestürzt, dass er sich mit einem Teil des Heeres nach Kleinasien zurückzog. Ein weiterer Teil seines Landheeres überwinterte in Thessalien.

Athen und Sparta siegen erneut

Im Frühjahr fiel Mardonios erneut in Athen ein und machte die Stadt dem Erdboden gleich. Dann versuchte er, die beiden wichtigsten Bündnispartner Sparta und Athen gegeneinander auszuspielen und sie für ein Bündnis mit Persien zu gewinnen. Als ihm das nicht gelang, zog er sich nach Theben zurück. In der Nähe von Plataiai trafen das persische Heer und die griechischen Bundesgenossen erneut aufeinander, zunächst wollte keiner angreifen. Teile des griechischen Heeres zogen wieder ab, und die Perser setzten diesen überhastet hinterher. Dadurch gerieten ihre Soldaten aus der Ordnung, sie wurden von den Griechen angegriffen, besiegt und vertrieben. Der persische Feldherr Mardonios kam ums Leben. Danach segelte die griechische Flotte nach Kleinasien, wo sie in der Schlacht bei Mykale den verbliebenen Teil der persischen Flotte schlug. Außerdem gelang es den Griechen nach einer langen Belagerung, Sestos am Hellespont zu erobern. Griechenland hatte die Perser endgültig abgewehrt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Herodot, obwohl selbst Dorer, verfasste die Historien in Prosa im ionischen Dialekt, einer Spielart des Griechischen, die sich damals als Schriftsprache etablierte. Er tritt als Ich-Erzähler auf. Berühmt wurde seine kurze Vorrede, das so genannte Prooimion, in der er seine Absicht kundtut, die Taten der Barbaren und Griechen zu beschreiben. Das gewichtige Werk der Historien ist in neun Bücher aufgeteilt, wobei diese Einteilung jedoch nicht von Herodot selbst stammt, sondern später von Gelehrten in Alexandria vorgenommen wurde. Herodots Stil ist lebendig und seine Schilderungen voller für heutige Leser fremdartiger Details. Viele Geschichten und Anekdoten erzählen von den Sitten, aber auch den blutrünstigen Taten der alten Völker, wozu Menschenraub und Kannibalismus ebenso wie Knabenliebe und die Unterdrückung der Frauen gehörten. Die Historien wurden wegen ihrer farbigen Details als Volksbuch bezeichnet und sind eine fesselnde Lektüre. Herodot zeigt sich wiederholt als Skeptiker, der auch seine eigenen Aussagen relativiert. Er spielt mit literarischen Formen: Dialoge, mythische Erzählungen, Gedichte, Berichte und Landschaftsschilderungen. Vieles ist unterhaltsam oder gar brillant geschrieben und manchmal sogar mit einer Portion Humor gewürzt. Heute ist Herodots Ansatz der "oral history" aktueller denn je: Treten doch in den Geschichtssendungen im Fernsehen häufig Zeitzeugen auf, die uns die Geschichte näher bringen sollen.

Interpretationsansätze

  • Herodots Historien sind das erste große Geschichtswerk in erzählender Form. Zum ersten Mal werden die Ursachen eines kriegerischen Konflikts ausführlich dargelegt. Der Historiker Leopold Ranke nannte die Historien im 19. Jahrhundert ein "Grundbuch des historischen Wissens". Sie enthalten alle Kategorien, die ein historisches Werk ausmachen: die Einbeziehung von Raum und Zeit und den Versuch, Zusammenhänge sichtbar zu machen.
  • Die Historien markieren den Übergang vom Mythos zum Logos, d. h. die Menschen vertrauen weniger der Allmacht der Götter als der eigenen Urteilskraft. Herodot versteckt seine eigenen Urteile jedoch oft in der direkten Rede anderer Personen, z. B. im Gespräch zwischen Perserkönig Xerxes und seinem Onkel, der ihm vom Feldzug gegen die Griechen abrät.
  • Herodot eröffnete den Griechen die Welt der Barbaren, womit alle Nichtgriechen gemeint waren. Er beurteilt diese fremden Völker unvoreingenommen und gerecht - was ihm von einigen antiken Kritikern übel genommen wurde.
  • Indem er die Geschichte des persisch-griechischen Krieges mit dem Sieg der Athener in der Seeschlacht bei Mykale (479 v. Chr.) enden lässt, betont er die herausragende Position Athens und blendet spätere Entwicklungen bewusst aus.
  • Aus dem Studium großer Ereignisse zieht Herodot moralische Lehren. Damit wirkte er sehr stark auf die spätere griechische und römische Geschichtsschreibung.
  • Herodot führte die noch heute gültigen Werkzeuge des Historikers ein: u. a. die systematische Auswertung von schriftlichen Quellen und Zeitzeugenberichten und die Erforschung von Inschriften und Alltagsgegenständen.
  • Sein Werk ist ein wichtiges Zeugnis für die Sitten und Gebräuche der alten Völker. Ihr Alltags- und Familienleben, Handel, Toten- und Götterkult sowie ihre Kriegskunst lassen sich aus Herodots Werk erschließen.

Historischer Hintergrund

Die Vorherrschaft Athens in Griechenland

Herodots Historien enden mit der Seeschlacht bei Mykale. Der griechisch-persische Krieg war damit aber noch nicht zu Ende. 478 v. Chr., ein Jahr nach der Schlacht von Plataiai und dem Rückzug der Perser, gründeten die Griechen den Attischen Seebund unter der Vorherrschaft Athens. Mitglieder dieses Bündnisses waren die griechischen Stadtstaaten, die sich auch künftig dem Perserreich entgegenstellen wollten, welches weiterhin als Bedrohung galt. Erst 449/48 v. Chr. schlossen die Griechen und die Perser endgültig Frieden, was Herodot in seinen Historien aber nicht mehr erzählt. Der persische Großkönig verzichtete auf die ionischen Städte an der kleinasiatischen Küste. Der Sieg gegen die Perser hatte die Vormachtstellung Athens in Griechenland zur Folge. Herodot selbst erlebte die Blütezeit der Stadt. Hier hatte sich die demokratische Staatsform entwickelt, die allerdings unter dem Staatsmann Perikles einen monarchischen Charakter erhielt. Hier schufen Philosophen und Naturwissenschaftler ein einzigartiges geistiges Klima. Kritisch wurde es, als Athen auch zur führenden Landmacht Griechenlands werden wollte. Dies verschärfte die Konkurrenz zu Sparta und führte zum Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.). Der Krieg war das Thema des berühmten Nachfolgers Herodots: Thukydides.

Entstehung

Man mag es kaum glauben, aber Herodot schrieb sein gewaltiges Werk erst spät und dann gleich komplett in einem Arbeitsgang auf. Die Historien sind die Essenz seines ganzen Forscherlebens. Er verfasste das Werk, dessen Titel auch "Erkundungen" oder "Forschungen" bedeuten kann, am Ende seines Lebens, als er bereits in Thurioi in Süditalien wohnte. In manchen Abschriften steht daher auch: "Das ist die Geschichtsschreibung des Herodot des Thuriers." Sein Ziel war es, die Ursachen der Auseinandersetzung zwischen Griechen und Persern, die bis in mythische Zeiten zurückreichten, für die Nachwelt festzuhalten. Zahlreiche Forschungsreisen Herodots, seine Begegnungen mit Menschen, aber auch seine Beschäftigung mit schriftlichen Quellen, wie persischen Keilschriftdokumenten oder Inschriften an Tempeln, Palästen etc., sind in das Mammutwerk eingegangen. Auch die Werke anderer, noch früherer Geschichtsschreiber hat er wohl gekannt. Aber die "Autopsie", das Selberschauen, war seine wichtigste Quelle. Der griechische Autor hat seine Erkenntnisse vor der Verfassung der Historien immer mündlich vorgetragen. Seine Vortragskunst war legendär, in Athen erhielt er Preise dafür. Noch im schriftlich niedergelegten Text der Historien ist das "Geschichtenerzählen" ein wichtiger Bestandteil; zahlreiche Anekdoten unterbrechen immer wieder den Fluss des Textes. Herodot muss aber auch ein eifriger Zuhörer gewesen sein, der sich von Reisenden stets ihre Eindrücke schildern ließ und diese dann kritisch hinterfragte.

Wirkungsgeschichte

Herodots Historien wurden ambivalent aufgenommen. Einer seiner schärfsten Kritiker war der Grieche Ktesias, der ihn um 400 v. Chr. einen Lügner und Schwätzer nannte. Auch der Lateiner Gellius bezeichnete ihn im 2. Jahrhundert n. Chr. als Fabulant. Plutarch kritisierte in seinem Werk Über die Gehässigkeit des Herodot, dass der Grieche viel zu aufgeschlossen gegenüber den Barbaren war. Gleichzeitig gab es in der Antike Autoren, die sich eindeutig an Herodots Stil orientierten. Cicero erkannte in seinem Werk Die Gesetze (52 v. Chr.) an, dass Herodot die Grundlagen der Geschichtsschreibung geschaffen habe, und nannte ihn deren Vater. Thukydides, der zweite große Historiker im antiken Griechenland, grenzte sich von Herodot ab und wollte reine Tatsachenberichte liefern - keine Mythen, Anekdoten und volkskundlichen Beschreibungen.

Herodots Werk wurde seit der Renaissance oftmals neu herausgegeben und auch übersetzt. Dennoch gibt es keinen direkten Einfluss Herodots auf die neuere Geschichtsschreibung, wie sie Leopold Ranke mit der Rückbesinnung auf die Quellen forderte. Im aufkommenden Historismus des 19. Jahrhunderts geriet Herodot wegen seiner angeblich fehlenden kritischen Haltung ins Abseits. Erst die Orientalistik hat ihn Anfang des 20. Jahrhunderts wieder entdeckt und seine Beobachtungen etwa über Ägypten z. T. bestätigt. In der Literatur sind seine Stoffe und Figuren vielfach aufgegriffen worden, z. B. in den Dramen Friedrich Schillers oder Friedrich Hebbels (Gyges und sein Ring).

Über Jahrhunderte schien sich die Forschung nur mit der einen Frage zu beschäftigen: Sind die Schilderungen Herodots wahr oder nicht? Mittlerweile ist unstrittig, dass Herodots Werk eine unerschöpfliche Quelle für die Erforschung der antiken Welt ist, da es den gesamten Wissenskosmos enthält, den ein gebildeter Mensch um 450 v. Chr. haben konnte. Und so kommt heute kein Forschungsprojekt über die Perser, Ägypter oder Skythen ohne Herodots Beschreibungen aus. Auch auf den Internetseiten griechischer oder türkischer Touristenorte mit antiken Wurzeln sind immer wieder Zitate aus Herodots Historien zu lesen.

Über den Autor

Über Herodot ist nur wenig bekannt. Die meisten Informationen über sein Leben stammen aus altgriechischen Quellen und sind dementsprechend unsicher. Nicht einmal sein Geburtsjahr ist genau feststellbar. Immerhin ist der Geburtsort verbürgt, denn Herodot schreibt selbst, dass er aus Halikarnossos, einem Ort an der südwestlichen Küste Kleinasiens, stammt, der heute Bodrum heißt und zur Türkei gehört. Geboren wird er vermutlich um 484 v. Chr. Herodot wird in eine Gesellschaft hineingeboren, die multikulturell geprägt ist: durch den vorgriechischen Stamm der Karer, die griechischen Dorer und Ionier. Sein Onkel, der Dichter Panyassis, der in seinem Hauptwerk Herakleia die Heldentaten des Herakles besungen hat und wohl auch seinen Neffen beeinflusst, ist berühmt. Ihm verdankt Herodot die genaue Kenntnis des Seher- und Orakelwesens. Eines der wichtigsten Vorbilder Herodots ist der Dichter Homer, dessen Stil ihn sehr beeindruckt haben muss. Während der Auseinandersetzungen um den Sturz des Tyrannen Lygdamis von Halikarnossos geht Herodot nach Samos, kehrt jedoch um 450 v. Chr. zurück, als der Tyrann endgültig vertrieben ist. In den folgenden Jahren begibt sich Herodot auf seine zahlreichen Reisen, die er zu Forschungszwecken unternimmt: nach Ägypten, Phoinikien, Mesopotamien und an die Schwarzmeerküste in das Land der Skythen. Um 445 v. Chr. erreicht er Athen, damals das kulturelle Zentrum der griechischen Welt. Dort lernt er den Dichter Sophokles kennen, dessen Freund er wird. Auch zu dem berühmten athenischen Staatsmann Perikles hat Herodot eine enge Beziehung. Sein Aufenthalt in Athen, die dortigen Diskussionen über Demokratie, Philosophie und Dichtung prägen seine weltanschaulichen Ansichten, z. B. setzt er sich klar für die Demokratie als beste der Staatsformen ein und begrüßt die Niederwerfung der Tyrannen. Später wandert Herodot nach Thurioi aus, einer griechischen Kolonie in Süditalien, an deren Gründung er vielleicht sogar beteiligt ist. Wie lange er dort bleibt, ist unbekannt. In Thurioi schreibt er die berühmten Historien auf; er stirbt um 425 v. Chr.

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