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Jane Eyre

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Jane Eyre

Manesse,

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12 take-aways
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What's inside?

Heimchen am Herd? Nicht so Jane Eyre. Sie zeigt, was wahre Emanzipation ist – und das bereits im England des 19. Jahrhunderts!


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Die Geschichte einer eigensinnigen Frau

Die Lebensgeschichte Jane Eyres liest sich fast wie das Aschenputtelmärchen: Eine mittellose Waise und Gouvernante verliebt sich in ihren reichen Arbeitgeber und heiratet ihn am Ende, nachdem sie widrige Umstände durch vorbildliches Verhalten überwunden hat. Was nach Kitschschmonzette klingt, ist die weitgehend authentische Lebens- und Liebesgeschichte einer ungewöhnlichen Frau im England des 19. Jahrhunderts, zu einer Zeit der Prüderie und der strengen Konventionen. Jane Eyre ist trotz ihrer fast chancenlosen Ausgangslage kein Heimchen am Herd, das auf die große Liebe wartet, sondern eine eigenständige und starke Frau. Sie kämpft stets um Respekt und um die Wahrung ihrer persönlichen Freiheit, auch wenn sie bisweilen viel dafür opfern muss. Der Roman von Charlotte Brontë droht an einigen Stellen aufgrund unwahrscheinlicher, fast schon absurder Vorkommnisse in die Trivialität abzudriften, kann sich aber dank lebendiger und dichter Charakterzeichnungen immer wieder fangen. Jane Eyre war beim zeitgenössischen Publikum ein Renner und zählt heute zu den Klassikern und meistgelesenen Werken der englischen Literatur.

Take-aways

  • Charlotte Brontë ist eine der drei Brontë-Schwestern, die allesamt als Dichterinnen berühmt wurden.
  • Ihr Roman Jane Eyre erschien 1847 und ist das populärste ihrer Werke.
  • Weil während der Viktorianischen Zeit Frauen als Schreibende meist belächelt wurden, veröffentlichte Brontë das Buch unter dem Pseudonym Currer Bell.
  • Jane Eyre weist autobiografische Züge auf: Das Werk ist zwar in erster Linie fiktional, jedoch entnimmt die Autorin viele Personen und Orte ihrem eigenen Leben.
  • Die verwaiste Jane Eyre erlebt eine unglückliche Kindheit auf dem Wohnsitz ihrer Tante.
  • Sie wird in ein Waisenhaus abgeschoben und lernt dort Hunger und Entbehrung kennen, macht aber auch erstmals die Erfahrung, geliebt zu werden.
  • Als sie später als Gouvernante arbeitet, verliebt sie sich in den Hausherrn Edward Rochester, der ihre Gefühle erwidert.
  • Kurz vor Janes Heirat mit Rochester kommt heraus, dass dieser bereits verheiratet ist: mit einer Wahnsinnigen, die er auf dem Dachboden seines Hauses eingesperrt hält.
  • Jane flieht, verhungert fast und wird schließlich von den Geschwistern Rivers aufgenommen, die sich später als ihre Verwandten herausstellen.
  • Jane kann Rochester nicht vergessen. Sie kehrt zu ihm zurück und trifft auf einen gebrochenen und verkrüppelten Witwer. Die beiden heiraten und werden glücklich.
  • Neben ihrer eigenen Lebensgeschichte hat die Autorin auch Elemente aus der Spuk- und Esoterikwelt verwendet, die den Roman teilweise unglaubwürdig wirken lassen.
  • Jane Eyre ist eine für die Viktorianische Zeit ungewöhnlich unabhängige und willensstarke Frau und eine der eindrücklichsten Figuren der Weltliteratur.

Zusammenfassung

Bei missgünstigen Verwandten

Die bereits als kleines Kind verwaiste Jane Eyre wächst beim Bruder ihrer Mutter und dessen Familie auf dem Herrensitz Gateshead Hall auf. Als ihr Onkel stirbt, nimmt er seiner Frau das Versprechen ab, Jane wie ihr eigenes Kind aufzuziehen und zu lieben. Aber die hartherzige Mrs. Reed kann sich nicht überwinden, die neugierige und aufgeweckte Jane wie ihr eigen Fleisch und Blut zu behandeln. In ihren Augen ist Jane ein tückisches, verschlagenes und verlogenes Kind, und dementsprechend geht sie mit ihr um. Auch ihre beiden Cousinen Eliza und Georgina und ihr Cousin John begegnen Jane nur abschätzig. Besonders der wilde und grobe John hört nicht auf, Jane psychisch und physisch zu quälen. Als er es einmal mehr zu bunt treibt, setzt sich Jane zur Wehr und schlägt zurück. Zur Strafe für ihren „dreisten Jähzorn“ wird sie in das rote Zimmer gesperrt, wo es angeblich spukt. Allein gelassen in dem fürchterlichen Raum gerät Jane in Panik und bettelt ihre Tante um Gnade an – doch diese lässt sie nur noch länger eingesperrt. Als Jane daraufhin in Ohnmacht fällt, stellt der herbeigerufene Apotheker einen Nervenzusammenbruch fest und verordnet Luftveränderung und eine andere Umgebung. Diesem Rat kommt Mrs. Reed nur zu gerne nach und veranlasst, dass die Zehnjährige in das Waisenhaus Lowood geschickt wird.

Im Waisenhaus

Jane ist zwar glücklich, ihrer Tante und Gateshead endlich entkommen zu sein, doch muss sie feststellen, dass ihre neue Umgebung keineswegs angenehmer ist. Das Waisenhaus Lowood wird von dem Geistlichen Mr. Brocklehurst mit harter Hand geführt. Die über hundert Mädchen bekommen stets zu wenig und dazu noch verdorbenes Essen, die Räumlichkeiten sind kalt und zugig und die Regeln äußerst streng. Jane nimmt sich vor, ein neues Leben zu beginnen und Freundinnen zu gewinnen. Das erste Mädchen, mit dem sie sich anfreundet, ist Helen Burns, die Jane viel über Nächstenliebe und Vergebung lehrt. Dank ihrem widerstandsfähigen Wesen überlebt Jane den harten Winter in Lowood. Obwohl sie körperlich und materiell viel entbehren muss, blüht sie wegen der Freundschaft mit Helen – die wenig später an Schwindsucht sterben wird – und der Zuneigung der Schulleiterin Miss Temple auf. Die kluge und faire Lehrerin bringt Jane die lang ersehnte Liebe und Achtung entgegen. Dank dieser Unterstützung übersteht das Mädchen sowohl die gefühllosen Demütigungen des bigotten Mr. Brocklehurst als auch die Typhusepidemie, der mehr als die Hälfte der Schülerinnen erliegt. Immerhin werden aufgrund der hohen Anzahl Seuchenopfer die Zustände in Lowood stark verbessert. Jane bleibt acht Jahre lang in dem Waisenhaus, zwei davon als Lehrerin. Doch als die geliebte Miss Temple heiratet und Lowood verlässt, verschwinden mit ihr auch Janes Gemütsruhe und das Gefühl, ein Zuhause gefunden zu haben. Die 18-Jährige gibt eine Stellenanzeige in der Zeitung auf und findet kurz darauf Arbeit als Gouvernante.

Als Gouvernante in Thornfield Hall

Bereits bei ihrer Ankunft in Thornfield Hall wird Jane angenehm überrascht. Die Verwalterin Mrs. Fairfax bereitet ihr einen warmen und herzlichen Empfang, und mit ihrer Schülerin Adèle versteht sie sich von Beginn an gut. Adèle ist das Mündel des Hausherrn Edward Rochester, der das achtjährige Mädchen aus Frankreich zu sich nach Thornfield geholt hat und es nun dort aufziehen lässt. Rochester selbst verbringt nur wenig Zeit des Jahres in Thornfield. Ihm eilt der Ruf voraus, ein großzügiger und gerechter, aber auch ein wenig kauziger Herr zu sein. Beim ersten offiziellen Treffen stellt er der neuen Gouvernante viele Fragen und verhält sich nicht besonders höflich. Jane empfindet ihn zuerst als sprunghaft und schroff, ändert ihre Meinung aber, als sie ihn näher kennen lernt. Und auch Rochester lernt die kluge und schlagfertige Jane Eyre schätzen, die sich nicht scheut, ihm auch unangenehme Antworten zu geben. Er findet Gefallen daran, sich allabendlich mit ihr zu unterhalten. Da Jane eine ausgezeichnete Zuhörerin ist, öffnet sich Rochester bald und erzählt ihr von seiner ruhelosen und unmoralischen Vergangenheit, die er nun am liebsten vergessen möchte. Jane lässt sich aber von Rochesters turbulenter Geschichte nicht abschrecken, im Gegenteil: Er übt eine besondere Anziehungskraft auf sie aus, da sie hinter seinem rohen Benehmen einen edlen und gutmütigen Mann zu erkennen glaubt.

Hochmütige Gäste

Jane gefällt es gut in Thornfield, einzig die äußerst rätselhafte Angestellte Grace Poole beunruhigt sie. Immer wieder hört Jane schauderhaftes, tierisches Gelächter aus Graces Nähkammer und wird das Gefühl nicht los, dass etwas Böses im Haus vor sich geht. Als Jane eines Nachts von merkwürdigen Geräuschen geweckt wird, stellt sie fest, dass aus dem Zimmer über ihr, in dem Mr. Rochester schläft, Rauch kommt. Beherzt löscht Jane das Feuer an dessen Bett und rettet Rochester vor dem sicheren Tod. Eine Erklärung für diesen Vorfall erhält sie jedoch nicht von ihm. Stattdessen reist er am nächsten Tag ab und kehrt erst Wochen später in illustrer Gesellschaft zurück. Obwohl sich Jane in der Zwischenzeit selbst zur Ordnung gerufen hat und die aufkeimenden Gefühle für Mr. Rochester zu unterdrücken versucht, schmerzt es sie, dass er sie vor seinen Gästen nur als Angestellte behandelt. Auch von den Besuchern wird Jane nur als dumme Gouvernante angesehen. Besonders die hochmütige Miss Ingram lässt Jane ihre Verachtung für deren niedrigen Stand spüren. Dass Rochester ausgerechnet an der zwar schönen, aber gedankenleeren und lieblosen Miss Ingram Gefallen gefunden hat und sich ganz offensichtlich um sie bemüht, enttäuscht Jane sehr.

Viele schlechte Nachrichten

Als unerwartet ein weiterer Gast nach Thornfield kommt, geschieht erneut etwas Furchterregendes: Wiederum in der Nacht schreckt Jane aufgrund eines grauenvollen Schreies aus dem Schlaf hoch und hört, wie der neue Gast, ein gewisser Mr. Mason, in Panik nach Rochester ruft. Vom Hausherrn zu Hilfe geholt, sieht Jane den blutenden Mason in seinem Bett liegen. Er wird verarztet und noch in derselben Nacht weggeschickt. Im anschließenden Gespräch mit Rochester erhält Jane abermals keine schlüssigen Erklärungen für diesen Vorfall. Der Hausherr gibt aber zu, dass Mason etwas mit seinem früheren Leben zu tun hat. Ein Leben, von dem er sich gerne reinwaschen möchte – durch eine Heirat mit Miss Ingram. Während Jane diese schlechte Nachricht zu verarbeiten versucht, erfährt sie eine weitere schreckliche Neuigkeit: Ihr Cousin John hat in London Selbstmord begangen, nachdem er in liederlichem Lebenswandel das Vermögen seiner Familie durchgebracht hat. Aufgrund des Schocks hat ihre Tante einen Schlaganfall erlitten und verlangt nun als Sterbende nach ihrer Nichte. Jane reist sofort nach Gateshead ab. Dort stellt sie fest, dass sich ihre Cousinen zwar äußerlich verändert haben, sie jedoch mit derselben Distanziertheit behandeln wie Jahre zuvor. Auch ihre Tante, obwohl sterbenskrank und nur für wenige Stunden am Tag bei Sinnen, zeigt ihren Hass gegenüber Jane offen. Aber Jane, im Reinen mit sich selbst, empfindet nichts als Erbarmen für die Tante. Ein Monat verstreicht, bis Mrs. Reed, wenige Stunden vor ihrem Tod, gesteht, dass Jane einen Onkel habe, der sie als Kind gerne zu sich genommen hätte, dass sie dies jedoch verhindert habe, weil sie der Nichte kein behagliches Leben gönnte.

Ganz nah am Glück

Jane kehrt nach Thornfield zurück in der Meinung, das geliebte Haus und den angebeteten Mr. Rochester schon bald verlassen zu müssen. Groß ist deshalb ihr Erstaunen, als Rochester ihr offenbart, dass seine geplante Hochzeit mit Miss Ingram nur eine Finte gewesen sei, um Jane eifersüchtig zu machen und ihre Gefühle für ihn zu wecken. Er macht ihr einen Heiratsantrag, den sie nach einigem Zögern annimmt. Jane ist glücklich, kann sich jedoch gewisser Zweifel nicht erwehren. Sie versucht, die überschäumenden Gefühle und Liebesbekundungen ihres zukünftigen Gatten zu relativieren, und verbittet sich, von ihm mit Schmuck und Tand eingedeckt zu werden, weil sie fürchtet, sich selbst untreu zu werden. Kurz vor der Hochzeit träumt sie, Thornfield sei eine Ruine, und sie hat ein weiteres Erlebnis der unangenehmen Art: Mitten in der Nacht wacht sie auf, weil eine unbekannte und furchterregende Gestalt neben ihrem Bett steht, die ihren Hochzeitsschleier zerreißt. Rochester gibt zu, dass im Haus etwas Unheimliches vorgeht, will sich jedoch erst in einem Jahr dazu äußern.

„Sie wissen, dass ich bei der Erziehung dieser Mädchen beabsichtige, sie nicht an Luxus und Wohlleben zu gewöhnen, sondern an Abhärtung, Langmut und Selbstverleugnung.“ (Mr. Brocklehurst, S. 97)

Doch am Tag der Hochzeit wird er gezwungen, sein Geheimnis zu offenbaren: Während der Trauungszeremonie taucht überraschend ein Anwalt auf, der Rochester der Bigamie bezichtigt und so die Hochzeit verhindert. Rochester gibt zu, tatsächlich bereits verheiratet zu sein. Rochesters Frau ist Mr. Masons Schwester. Weil sie dem Wahnsinn verfallen und äußerst bösartig ist, hält Rochester sie auf dem Dachboden versteckt. So erklären sich auch die unheimlichen Vorkommnisse: Immer wieder hat die Irre ihre Bewacherin Grace Pool überlistet und im Haus ihr Unwesen auf Kosten von Rochester, Mason und Jane getrieben. Rochester glaubte sich aufgrund der Unzurechnungsfähigkeit seiner ersten Frau vom Hochzeitsvertrag entbunden, rechnete jedoch nicht mit der Wahrheitsliebe und Gesetzestreue von Jane. Für Jane ist es ausgeschlossen, einen Mann zu heiraten, der bereits gebunden ist. Obwohl sie ihn liebt und im Grunde alles vergessen und bei ihm bleiben möchte, entschließt sie sich ihrer Selbstachtung und ihrer Tugend zuliebe, Thornfield zu verlassen. Da Rochester sie freiwillig nicht gehen lassen würde, verschwindet sie in der folgenden Nacht heimlich.

Bei liebenswerten Verwandten

Nach ihrem überstürzten Aufbruch lässt sich Jane von einer Kutsche möglichst weit weg bringen. Die ohnehin wenigen Habseligkeiten, die sie mitgenommen hat, lässt sie in ihrem Eifer noch darin liegen. Sie landet in Whitcross, einem kleinen, unscheinbaren Dörfchen. Dort irrt sie umher, auf der Suche nach Arbeit und einem Dach über dem Kopf. Doch sie findet weder das eine noch das andere, und so bittet sie in ihrer Not hier und dort um ein Stück Brot und schläft unter freiem Himmel. Nach wenigen Tagen ist Jane völlig entkräftet und schleppt sich mit großer Mühe durch die öde Gegend. Sie ist bereit zu sterben, als sie in der Ferne ein Licht erblickt. Und tatsächlich entdeckt sie in der abgelegenen Moorlandschaft ein Häuschen, dessen Bewohner, eine ältere Frau und zwei junge Damen, sie durch das Fenster beobachtet. Jane klopft an und bittet um ein Stück Brot und ein Nachtlager, doch sie wird von der älteren Frau abgewiesen. Am Ende ihrer Kräfte bricht Jane vor der Haustür zusammen. Kurz darauf wird sie von einem jungen Mann aufgelesen, ins Haus gebracht und mit Nahrung versorgt. St. John Rivers und seine Schwestern Mary und Diana beherbergen die kranke Jane und kümmern sich um sie.

„Es ist meine Pflicht, euch warnend darauf hinzuweisen, dass dieses Mädchen, das ein Lamm Gottes sein könnte, ein schwarzes Schaf ist, kein Mitglied der rechten Herde, sondern ganz offenbar ein Eindringling und Fremdling.“ (Mr. Brocklehurst, S. 103)

Auch nach ihrer Genesung bleibt Jane in bei den Schwestern, mit denen sie sich sehr gut versteht, in Marsh End. Mit St. John hat sie allerdings ihre Mühe, denn der junge Pfarrer ist schwer zugänglich und macht einen strengen und kalten Eindruck. Er verschafft Jane eine Beschäftigung als Lehrerin, und so bleibt sie im Ort. Ihre Situation als Mittellose ändert sich drastisch, als ihr Onkel – derselbe, der sie als Kind gesucht hat – stirbt und Jane als Alleinerbin seines Vermögens einsetzt. Und sie wird noch weiter vom Schicksal begünstigt, denn es stellt sich heraus, dass Mary, Diana und St. John ebenfalls Kinder aus der Familie Eyre und somit Verwandte von Jane sind. Besonders dieser zweite Umstand verschafft ihr höchste Glücksgefühle: Endlich hat sie eine Familie und ist nicht mehr allein. Jane beschließt, ihr Erbe unter allen vier Eyres aufzuteilen, damit Mary und Diana nicht mehr als Gouvernanten arbeiten müssen und St. John seinen Traum verwirklichen kann. Der unermüdliche Geistliche fühlt sich nämlich berufen, in Indien als Missionar zu arbeiten. Er fordert Jane auf, ihn als seine Frau zu begleiten und ihr Leben ganz Gott zu widmen. Jane willigt ein, mit ihm zu gehen, weigert sich allerdings, St. John zu heiraten, denn sie ist sich wohl bewusst, dass er für sie keine Liebe empfindet. Und unter gar keinen Umständen will sie eine Pflichtheirat eingehen. Doch St. John gibt nicht nach und versucht Jane mit allen Mitteln zu überreden. Als er sie fast so weit hat, dass sie gegen ihren Willen zusagt, hört sie von irgendwoher eine Stimme ihren Namen rufen – die Stimme von Edward Rochester, den sie nie vergessen hat. Die Rufe als Eingebung deutend, macht sich Jane unverzüglich auf den Weg nach Thornfield.

Happy End?

Als Jane in Thornfield ankommt, macht sie die schreckliche Entdeckung, dass ihr Albtraum von einst in Erfüllung gegangen ist: Thornfield Hall ist eine Ruine. Von den Dorfbewohnern erfährt sie, dass das Haus vor einiger Zeit abgebrannt, die irre Frau des Hausherrn dabei umgekommen und er selbst schwer verletzt worden ist. Jane begibt sich nach Ferndean, wo Rochester nun lebt, und findet ihren Geliebten als Krüppel vor: Er hat nur noch eine Hand und ist erblindet. Als sie sich ihm zu erkennen gibt, kann der gebrochene Mann sein Glück kaum fassen: Endlich ist seine Jane wieder bei ihm und erlöst ihn von Schuldgefühlen und Gram. Jane will ihn nie mehr verlassen. Da durch den Tod seiner ersten Frau einer Ehe nichts mehr im Weg steht, heiraten die beiden, gründen eine Familie und führen ein glückliches Leben miteinander. Jahre später erlangt Rochester sogar auf einem Auge seine Sehkraft wieder.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman ist in fünf Teile gegliedert, die nicht nur die Entwicklungsstationen in Janes Leben kennzeichnen, sondern auch die wechselnden Lokalitäten markieren: Gateshead, Lowood, Thornfield, Marsh End und Ferndean. Die Erzählfolge ist streng chronologisch, von Janes Kindheit in Gateshead bis zur Heirat mit Rochester in Ferndean. Berichtet wird die Lebensgeschichte rückblickend von der bereits verheirateten Jane. Von der Heirat selbst allerdings erfährt der Leser erst ganz am Schluss. Jane Eyre ist ein Ich-Roman und entspricht damit der Erzählform einer Autobiografie. Die Erzählerin wendet sich an mehreren Stellen direkt an ihre Leserschaft („ Lieber Leser, ...“) oder unterbricht die Erzählung durch einen Einwurf oder eine Frage („Wer tadelt mich?“). Auf diese Weise stellt Charlotte Brontë einen direkten Draht zum Leser her und gewährt zugleich tiefen Einblick in die Gemütsverfassung und die Gedanken ihrer Heldin. Jane Eyre wird als fiktive Autobiografie, als Liebes- und Gesellschaftsroman und bisweilen auch als Bildungsroman bezeichnet. Besonders bemerkenswert sind die präzisen und lebensechten Charakterdarstellungen, die die Autorin als feinfühlige Beobachterin ausweisen. Die bisweilen eher unwahrscheinlichen und melodramatischen Ereignisse verleihen dem Roman zwar Spannung, entziehen ihm aber auch einiges an Glaubwürdigkeit und Realitätsnähe.

Interpretationsansätze

  • Jane Eyre zeichnet sich aus durch die Wahrung ihrer persönlichen Integrität und die Suche nach einer Familie. Der Mangel an Liebe, den Jane als Kind erfährt, macht sie zu einer willensstarken und unabhängigen Persönlichkeit. Jane bleibt ihren Prinzipien stets treu, auch wenn die Konsequenzen oft fast unerträglich hart sind.
  • Für die Viktorianische Zeit ist Jane Eyre eine sehr ungewöhnliche Frauenfigur: Sie bietet Männern die Stirn, kritisiert sozial Höhergestellte und nimmt sich das Recht heraus, jederzeit ihre Meinung zu sagen – für das damalige, vorwiegend weibliche Lesepublikum eine willkommene Abwechslung von seinem in jeder Hinsicht eingeschränkten Lebensalltag. Jane Eyre kann somit als Kritik der Autorin an der übermoralischen und von Konventionen eingeengten Gesellschaft im England des 19. Jahrhunderts verstanden werden.
  • Auch versteckte Religionskritik findet sich im Roman: St. John Rivers ist zwar ein äußerst glaubenstreuer und unermüdlicher Diener Gottes, aber gleichzeitig ein kalter Mensch, der zu keinerlei Emotion fähig ist und der in seinem Eifer, Gutes zu tun, jegliche Humanität verloren hat. Im Kontrast dazu steht Janes natürliche Menschenfreundlichkeit, die von Herzen kommt.
  • Am Ende des Romans wird das Geschlechterverhältnis auf den Kopf gestellt: Rochester ist gebrochen und verkrüppelt, Jane dagegen stark und vermögend. Nun erst wird die Heirat der beiden möglich. Oberflächlich betrachtet sieht das zwar nach einem herkömmlichen Happy End aus, für die damalige Zeit ist es aber eine sehr fortschrittliche Auflösung.

Historischer Hintergrund

Die Stellung der Frau in der Viktorianischen Zeit

Als Viktorianische Zeit wird die Regentschaft der englischen Königin Victoria von 1837 bis 1901 bezeichnet, also fast das gesamte 19. Jahrhundert. Für Großbritannien bedeutete diese Epoche wirtschaftliche Prosperität. Die industrielle Revolution und die Stellung als Kolonialmacht machten England zur führenden Wirtschaftsnation. Die optimistische Einstellung und der Glaube an den Fortschritt waren groß. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung und der ständige Wandel führten aber auch dazu, dass die Menschen in bürgerlichen Traditionen Halt suchten. Die Gesellschaft war geprägt von strikten gesellschaftlichen Konventionen und einem Hang zur Prüderie, der jeglichen Anflug von Erotik in die Privatsphäre verbannte.

Das Schreiben galt für Frauen als unschicklich, und obwohl es im Großbritannien des 19. Jahrhunderts viele Schriftstellerinnen gab, wurde einzig ihren männlichen Kollegen Respekt gezollt. Viele Autorinnen wie die Schwestern Charlotte, Emily und Anne Brontë oder Mary Ann Evans, bekannt als George Eliot, veröffentlichten ihre Werke deswegen unter einem Pseudonym. Für Frauen waren die Möglichkeiten zur Selbstständigkeit und Entwicklung äußerst eingeschränkt. Zeitlebens waren sie von ihrer Familie abhängig, erst vom Vater und den Brüdern, danach vom Ehemann. Mittellose oder verwaiste Frauen mit Bildung konnten als Gouvernanten oder Lehrerinnen tätig sein, aber auch in diesem Fall waren sie in hohem Maße vom Dienstherrn oder Arbeitgeber abhängig.

Entstehung

Als eine Erbschaft die Brontë-Schwestern von ihrem Dasein als Gouvernanten befreite, konnten sie endlich ihren Traum verwirklichen und sich ganz der Schriftstellerei hingeben. Obwohl sich ihr gemeinsamer Gedichtband Poems by Currer, Ellis und Acton Bell nur gerade zweimal verkaufte, begannen die Schwestern mit dem Verfassen ihrer ersten Romane, die sie ebenso wie den Gedichtband auf eigene Kosten und unter Pseudonymen herausbrachten.

Das Interesse für die Verfasserin von Jane Eyre und die Frage, wie viel sie mit ihrer Figur gemeinsam hat, beschäftigte die Öffentlichkeit sehr. Tatsächlich haben einige Menschen aus dem Leben der Autorin auch in ihrem Roman einen Platz gefunden. So sind einige Züge von Mr. Rochester Charlottes Lehrer Constantin Heger entlehnt, und in den Schwestern Mary und Diana lassen sich Ähnlichkeiten mit ihren eigenen Schwestern erkennen, wenn auch diese idealisierten Romanfiguren nicht mit den Brontë-Schwestern gleichgesetzt werden dürfen. Zudem hat Jane Eyre selbst viel mit ihrer Schöpferin gemeinsam. Sie kann aber ebenso wenig als Abbild bezeichnet werden, sondern muss wohl als Charlotte Brontës Idealvorstellung von ihrer eigenen Person verstanden werden. Die Autorin hat außerdem einige Lokalitäten aus ihrem Leben in den Roman eingebaut: Lowood etwa entspricht dem Internat, in dem sie selbst war und in dem zwei ihrer Schwestern an Typhus starben. Der Hauptschauplatz Thornfield ist jedoch ein reines Fantasiegebilde der Autorin.

Wirkungsgeschichte

Der Roman Jane Eyre wurde nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1847 sofort ein durchschlagender Erfolg, binnen kurzer Zeit wurden drei Auflagen gedruckt. Die Öffentlichkeit rätselte, ob hinter dem Pseudonym Currer Bell ein Mann oder eine Frau steckte. Nicht mal die Verleger selbst waren über die wahre Identität der Autorin im Bilde. Erst nach dem Tod ihrer Schwestern 1849 lüftete Charlotte Brontë das Geheimnis um ihr Pseudonym, was dem Erfolg von Jane Eyre jedoch keinen Abbruch tat. Von den Kritikern wurde der Roman aufgrund seiner Wärme und Leidenschaft wohlwollend aufgenommen und sogar mit dem Welterfolg Jahrmarkt der Eitelkeit, dem gesellschaftskritischen Roman von William Makepeace Thackeray, verglichen. Auch von ihren Autorenkollegen, dem eben genannten Thackeray und der damals sehr berühmten Schriftstellerin Elizabeth Gaskell, wurde Charlotte Brontë für ihren Roman gelobt. Beim zeitgenössischen Publikum war Jane Eyre beliebter als das eigentlich komplexere und noch kraftvollere Werk Sturmhöhe von Charlottes Schwester Emily. Obwohl Sturmhöhe heute als literarisch bedeutenderes Werk gilt, zählt Jane Eyre dennoch zu den Klassikern der englischen Literatur. Die ungewöhnliche Heldin, der lebendige Stil und die stille Weisheit des Buches haben Generationen von Schriftstellerinnen, darunter auch große Namen wie Virginia Woolf, nachhaltig beeinflusst. Jane Eyre wurde mehrfach verfilmt.

Eine besonders originelle Nachwirkung entfaltete Jane Eyre in dem Roman Sargassomeer (1966) von Jean Rhys. Darin erzählt die Autorin die Vorgeschichte zu Jane Eyre, nämlich die tragische Liebesgeschichte von Edward Rochester und dessen erster Frau, die im Wahnsinn endet.

Über den Autor

Charlotte Brontë wird am 21. April 1816 in Thornton/Yorkshire geboren und wächst als Tochter eines Geistlichen irischer Abstammung in der ungastlichen Moorlandschaft Nordenglands auf. Ihre Mutter stirbt früh, ebenso zwei der älteren Schwestern, die sich im Internat mit Tuberkulose angesteckt haben. Der Vater holt Charlotte aus dem Internat nach Hause und unterrichtet sie und ihre drei anderen Geschwister selbst. Zusammen mit den jüngeren Schwestern Emily und Anne und dem Bruder Branwell erfindet Charlotte eine bunte Fantasiewelt, die in Tagebüchern festgehalten wird. Der Vater unterstützt stets die Wissbegier seiner Kinder. 1831 besucht Charlotte wiederum ein Internat, wo sie ausgebildet wird und selbst als Lehrerin tätig ist. Ab 1839 muss sie als Gouvernante arbeiten. 1842 reist sie mit ihrer Schwester Emily nach Brüssel. Mit der Aussicht, eine Schule zu eröffnen, lernt Charlotte fleißig Deutsch. Sie verliebt sich unglücklich in ihren verheirateten Lehrer Constantin Heger. Als sie auch noch starkes Heimweh verspürt, kehrt sie 1844 nach England zurück. Nachdem der Plan, eine eigene Schule zu eröffnen, gescheitert ist, publizieren Charlotte und ihre Schwestern auf eigene Kosten einen Gedichtband unter den bewusst geschlechtsneutral gewählten Pseudonymen Currer (Charlotte), Ellis (Emily) und Acton (Anne) Bell. Sie wollen sich so der zu erwartenden Kritik an schreibenden Frauen entziehen. Der Gedichtband verkauft sich genau zweimal, doch die Schwestern geben nicht auf und veröffentlichen 1847 alle ihren ersten Roman: Wuthering Heights (Sturmhöhe) von Emily, Agnes Grey von Anne und Jane Eyre von Charlotte. Jane Eyre findet großen Anklang beim zeitgenössischen Publikum. Leider können die Schwestern den Erfolg nicht lange genießen: 1848 stirbt zuerst der Bruder, wenige Monate später Anne und Emily. 1849 erscheint Charlottes zweiter Roman, Shirley, vier Jahre danach Villette. Charlotte macht die Bekanntschaft berühmter Schriftsteller wie William Makepeace Thackeray und Elizabeth Gaskell. 1854 heiratet sie einen Hilfspfarrer. Neun Monate später, am 31. März 1855, stirbt sie kurz vor ihrem 39. Geburtstag.

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