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Lord Jim

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Lord Jim

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Ein spannender Seefahrer-Roman: Der junge Marineoffizier Jim versagt im entscheidenden Augenblick und muss fortan mit der Schuld leben.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Flucht vor der Vergangenheit

"Er war einer von uns", beteuert Marlow, der Erzähler in Joseph Conrads Roman Lord Jim, immer wieder, während er die Geschichte erzählt. Der verträumte junge Jim, Erster Offizier auf einem alten Dampfer, ist nicht besser oder schlechter als andere Menschen. Aber als das Schiff eines Nachts leckschlägt und er sich in Todesangst von den anderen Offizieren dazu hinreißen lässt, heimlich im Rettungsboot zu flüchten, verliert er seine Ehre und seinen Beruf und lädt eine untilgbare Schuld auf sich. Zumindest ihm erscheint es so: Seine Vergangenheit verfolgt ihn unaufhörlich, lässt ihn nicht mehr ruhen und durchkreuzt alle seine Versuche, ein glückliches Leben zu führen - bis er schließlich sein Versagen freiwillig sühnt. Joseph Conrads bekanntester Roman zeigt uns den Menschen als tragisches Opfer seines Schicksals, als einen, der für seine Fehlentscheidungen büßen muss und nicht auf Gnade hoffen darf. Mit seiner komplexen Struktur und der raffinierten Erzähltechnik wurde das Werk richtungsweisend für den Roman des 20. Jahrhunderts.

Take-aways

  • Lord Jim erzählt die Geschichte eines Mannes, der als junger Offizier einmal im Dienst versagt und sein Leben lang immer wieder von dieser Schuld eingeholt wird
  • Als ein Schiff mit 800 Mekka-Pilgern an Bord eines Nachts leckschlägt, beschließen die Offiziere, heimlich mit einem der wenigen Rettungsboote zu flüchten.
  • Einzig Jim möchte das Schiff nicht verlassen, springt jedoch in letzter Sekunde spontan mit ins Boot.
  • Dafür wird er als Einziger vor Gericht gestellt und verliert sein Offizierspatent; seine Karriere ist damit beendet.
  • Er geht nun anderen Berufen in verschiedenen Hafenstädten nach, muss aber immer wieder vor seiner Vergangenheit flüchten.
  • Schließlich nimmt er den Posten eines Handelsvertreters in Patusan an, einer entlegenen Provinz, wo niemand seine Geschichte kennt.
  • Dort zeigt Jim so viel Mut und Verantwortungsbewusstsein, dass er von den Eingeborenen rasch als Anführer respektiert wird.
  • Eines Tages überfällt der skrupellose Pirat Brown Patusan. Jims Vorgänger Cornelius schmiedet mit Brown ein Komplott gegen Jim.
  • Brown ahnt etwas von Jims Vergangenheit und nutzt diese Schwäche aus: Er fleht ihn an, unbehelligt abziehen zu dürfen, und Jim gewährt ihm diese Bitte.
  • Kurz darauf tötet Brown einige Einwohner von Patusan, darunter auch den einzigen Sohn von Jims einflussreichem Gönner Doramin.
  • Jim entflieht diesmal der Verantwortung nicht und lässt sich freiwillig von Doramin erschießen.
  • Der Roman fasziniert nicht nur durch seine schicksalsschwere Geschichte, sondern auch durch seine ausgefeilte Erzählstruktur.

Zusammenfassung

Der Vorfall auf der "Patna"

Der junge Engländer Jim, Sohn eines Pfarrers, möchte Seemann werden. In der Ausbildung hat er ein prägendes Erlebnis: In der Nähe der Ausbildungsbootes stoßen zwei Schiffe aneinander. Einige von Jims Kameraden retten einen Schiffbrüchigen. Jim ist nicht schnell genug, um mit ins Rettungsboot zu kommen und auch helfen zu können, aber anschließend ist er beseelt von dem Gefühl, noch viel tapferer sein zu wollen als seine Kameraden und noch viel größere Heldentaten zu vollbringen als sie.

„Er war einen, vielleicht auch zwei Zoll weniger als sechs Fuß groß, kräftig gebaut, und er kam geradenwegs, mit leicht geneigten Schultern, den Kopf vorgestreckt und starr von unten heraufblickend auf einen zu, was an einen angreifenden Stier denken ließ.“ (über Jim, S. 11)

Der Arbeitsalltag als Offizier auf hoher See erweist sich jedoch als eintönig und wenig abenteuerlich. Als sich der 23-jährige Jim auf einer Fahrt verletzt, wird er irgendwo in Südostasien in einem Krankenhaus zurückgelassen. Nach seiner Genesung kehrt er nicht in seine Heimat zurück, sondern heuert als Erster Offizier auf der "Patna" an, einem schäbigen alten Schiff, das 800 Pilger nach Mekka bringen soll. Eines Nachts hält Jim Wache. Alle Passagiere schlafen, die See ist ruhig, und Jim träumt, wie so oft, von den Heldentaten, die er vollbringen möchte. In diesem Moment wird das Schiff von irgendetwas gerammt, vermutlich einem Wrack, das in der Dunkelheit nicht zu sehen war, - und beginnt voll zu laufen. Das Kollisionsschott, das den Wassereinbruch stoppen soll, ist völlig verrostet und wird nicht lange halten. Das Schiff hat nur sieben Rettungsboote, die nicht für alle Passagiere reichen. Der größte Teil der Besatzung schläft; außer Jim merken nur der Kapitän und die drei Ingenieure, dass sich eine Katastrophe anbahnt. Weitere Zeugen sind die beiden einheimischen Steuermänner, die aber blind auf die Befehle der Weißen vertrauen.

„Wenn einmal alle zurückschräken, dann würde er - dessen war er sicher - allein wissen, wie der lächerlichen Drohung von Wind und Wellen zu begegnen sei.“ (über Jim, S.18 f.)

Als Jim nach einer Untersuchung des Schotts wieder an Deck kommt, sind der Kapitän und die Ingenieure gerade damit beschäftigt, ein Rettungsboot flottzumachen: Sie wollen nur ihr eigenes Leben retten und von dem sinkenden Schiff fliehen. Die Aktion nimmt einige Zeit in Anspruch. Indessen zieht auch noch ein Unwetter auf. Während Jim seine Kollegen bei den Vorbereitungen beobachtet, kämpft er mit sich: Er möchte das Schiff und die schlafenden Passagiere nicht im Stich lassen, doch zugleich ist ihm bewusst, dass es keine Rettung mehr gibt: Das Schiff wird untergehen, erst recht bei diesem Unwetter. Die Rettungsboote reichen nicht, und es wäre auch gefährlich, die Passagiere und den Rest der Mannschaft jetzt zu wecken, denn das würde wahrscheinlich nur eine Panik auslösen.

„Er war vom rechten Schlag; er war einer von uns.“ (über Jim, S. 104)

Reglos steht Jim da und sieht zu, wie die anderen das Boot zu Wasser lassen und hineinspringen. Einer der Ingenieure, der herzkrank ist, bricht plötzlich vor Anstrengung tot zusammen. Die anderen rufen vom Boot aus nach dem Ingenieur - und aus irgendeiner unbewussten Regung heraus springt Jim plötzlich mit ins Boot. Nun treiben die vier Flüchtlinge auf dem Ozean. Irgendwann sind die Lichter der "Patna" hinter ihnen verschwunden. Sie sind sich sicher, dass das Schiff nun untergegangen sein muss, und glauben auch, die Schreie der Opfer zu hören. Bald werden sie von einem anderen Schiff an Bord genommen.

Die Gerichtsverhandlung

Als die vier Geflüchteten wieder an Land sind, begibt sich der Kapitän als Erstes zum Hafenamt, um Bericht zu erstatten. Dort gerät er an den cholerischen Hafendirektor, der ihn derart beschimpft, dass der Kapitän die Flucht ergreift und nie wieder gesehen wird. Wie sich herausstellt, ist die "Patna" gar nicht gesunken. Das Schott war doch stabiler, als es aussah. Das beschädigte Schiff wurde von einem anderen geborgen und in den nächsten Hafen geschleppt. Alle Passagiere haben das Unglück überlebt. Die pflichtvergessenen Offiziere sollen nun zur Verantwortung gezogen werden. Doch der Kapitän ist verschwunden und der eine Ingenieur verletzt, der andere betrinkt sich drei Tage lang und fällt dann ins Delirium. Nur der junge Jim entzieht sich nicht der Verantwortung. Er wird als Einziger vor Gericht gestellt.

„Sie halten mich für einen Hund, weil ich so dastand, aber was hätten Sie an meiner Stelle getan? Was! Sie können es nicht sagen - niemand kann es.“ (Jim zu Marlow, S. 122)

Unter den Zuhörern bei der Gerichtsverhandlung ist Kapitän Marlow. Er findet Jims offene, aufrichtige Art sympathisch, deshalb sucht er die Bekanntschaft des jungen Mannes und lädt ihn zum Abendessen ins Hotel ein. Dort erzählt ihm Jim von den Ereignissen auf der "Patna" und von sich selbst: Dieser Vorfall hat seine Karriere und damit sein Leben ruiniert. Er wird sein Offizierspatent verlieren und kann sich dann höchstens noch als einfacher Matrose auf einem Schiff verdingen. Zu Hause in England hätte er vielleicht noch mehr Chancen, aber er will nicht zurück: Die Nachricht von den Vorfällen auf der "Patna" ist sicher bis nach England gedrungen, und nun kann er seinem Vater, der auf den Sohn sehr stolz war, nicht mehr unter die Augen treten.

„Es gab kein Zurück. Mir war, als ob ich in einen Brunnen gesprungen wäre - in einen unendlich tiefen Schlund ...“ (Jim, S. 145)

Marlow bietet Jim an, ihm bei der Flucht und bei einem Neuanfang zu helfen, damit er sich dem Urteil nicht zu stellen braucht. Jim aber lehnt ab: Diesmal will er durchhalten und nicht schon wieder aus einer schwierigen Situation fliehen. Am nächsten Tag verkündet das Gericht das Urteil: Jim verliert, wie er schon befürchtet hat, sein Offizierspatent und damit alle Zukunftsperspektiven.

Jim auf der Flucht

Marlow möchte Jim weiterhin helfen und schickt ihn deshalb mit einem Empfehlungsschreiben zu einem Bekannten, in dessen Mühle er arbeiten kann. Sein neuer Vorgesetzter schätzt ihn sehr und lässt ihn bald sogar bei sich wohnen. Aber als Jim bemerkt, dass auch er die Geschichte mit der "Patna" kennt, verschwindet er. Ähnlich ergeht es ihm bei einem weiteren Arbeitgeber: Jim ist erfolgreich und beliebt, aber als einmal die Sprache auf die "Patna" kommt und jemand abfällige Bemerkungen über die verantwortungslosen Offiziere macht, ergreift er sofort die Flucht. So geht es eine Weile weiter: Jim arbeitet als Hafenagent, aber sobald er bemerkt, dass jemand seine Geschichte kennt, nimmt er Reißaus und sucht sich an einem anderen Ort einen neuen Arbeitgeber. Da die Ereignisse um die "Patna" überall bekannt sind, kann er nirgends lange bleiben. Marlow versucht noch mehrfach, Jim irgendwie zu helfen, aber erfolglos: Jim ist zu stolz, um irgendwo anders - etwa in Amerika - einen Neuanfang zu wagen, aber zugleich zu empfindlich, um die Situation aushalten zu können.

In Patusan

Schließlich bespricht sich Marlow mit seinem Bekannten Stein, der Jim den Posten eines Handelsvertreters in Patusan anbietet, einem abgelegenen Bezirk eines Eingeborenenstaates. Hier hat niemand etwas von der "Patna" gehört, und Jim könnte in Patusan für den Rest seines Lebens untertauchen. Er erkennt seine Chance, nimmt das Angebot dankbar an und reist sofort nach Patusan. Zunächst einmal sind die Eingeborenen misstrauisch; auch der verbrecherische Cornelius, sein Vorgänger als Handelsvertreter, ist ihm feindlich gesinnt. Eine Verbündete findet er jedoch in der Stieftochter von Cornelius, die er Juwel nennt. Er lernt den einflussreichen alten Doramin kennen, einen Bekannten Steins. Von dessen Familie wird er freundlich aufgenommen und schließt Freundschaft mit Dain Waris, Doramins einzigem Sohn.

„Ich mag gesprungen sein, aber ich reiße nicht aus.“ (Jim, S. 198)

In Patusan herrscht eine Art Bürgerkrieg: Die beiden mächtigsten Männer der Gegend, Doramin und Rajah Allang, und ihre Anhänger bekämpfen sich gegenseitig. Eine weitere Bedrohung ist der Partisane Scherif Ali, der sich mit seinen Gefolgsleuten auf der Kuppe eines Berges festgesetzt hat und das Land mit seinen Raubzügen heimsucht. Jim beschließt, diesen Fehden ein Ende zu bereiten. Er überredet Doramin, einige alte Kanonen auf einen Berg gegenüber von Scherif Alis Lager zu schaffen und ihn anzugreifen. Keiner der Einheimischen hält es für möglich, dass man die Kanonen auf den Berg transportieren könnte, doch das gewagte Vorhaben gelingt. Das Lager wird eingenommen, Scherif Ali flüchtet. Nun fürchtet sich auch Rajah Allang vor dem Weißen, und damit sind die Konflikte in Patusan gelöst. Jim ist der angesehenste und mächtigste Mann in der ganzen Gegend.

Jims neues Leben

Zwei Jahre später besucht Marlow Jim in Patusan und kann sich mit eigenen Augen überzeugen, dass aus seinem Schützling ein angesehener, verantwortungsbewusster und glücklicher Mensch geworden ist. Er lebt mit Juwel zusammen, die ihn sehr liebt und verehrt. Die Einheimischen haben ihm den Titel "Lord Jim" gegeben, schreiben ihm übernatürliche Kräfte zu und suchen bei Streitigkeiten seinen Rat. Jim wiederum tut alles, um dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. So hat er wenigstens in der Abgeschiedenheit von Patusan seine Ehre wiedergewonnen. Nur Cornelius bleibt sein Feind.

„Er war groß - unbesiegbar -, und die Welt vermisste ihn nicht, sie hatte ihn vergessen, sie würde ihn nicht einmal wiedererkennen.“ (über Jim, S. 403)

Marlow spürt jedoch, dass ausgerechnet Jims Engagement bei einigen Einheimischen Misstrauen weckt. Sie sind es gewohnt, dass die Weißen nur für kurze Zeit zu ihnen kommen und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren. Dass der junge Jim sein Leben bei ihnen in dieser Abgeschiedenheit verbringen möchte und nicht an Heimkehr denkt, können sie nicht verstehen. So erkundigen sich Doramin und seine Frau bei Marlow, ob Jim keine Familie hat, die ihn vermisst. Am letzten Abend vor seiner Abreise wird Marlow auch von Juwel angesprochen, die etwas über Jims Vergangenheit erfahren möchte. Sie fürchtet, eines Tages von Jim verlassen zu werden, denn auch sie kann nicht verstehen, wieso er freiwillig auf Dauer in Patusan bleiben will. Marlow möchte sie beruhigen, aber auch Jims unrühmliche Vergangenheit geheim halten. Deshalb deutet er nur an, Jim sei für ein Leben unter Weißen nicht gut genug gewesen. Juwel glaubt ihm nicht, denn sie kennt Jim nur als verantwortungsvollen, mutigen Mann.

Das Ende

Etwa drei Jahre nach Jims Ankunft wird Patusan eines Tages von dem skrupellosen Piraten Brown und seinen Männern bedroht. Die Piraten sind ausgehungert und zu jedem Verbrechen bereit. Sie kommen über den Fluss nach Patusan und verschanzen sich auf einem Hügel. Jim ist zu dieser Zeit gerade auf einer Reise im Landesinnern. Außer ihm gibt es niemanden, der die Führung übernehmen und die Eindringlinge vertreiben könnte, denn keiner hat so viel Autorität wie dieser Weiße, der als unverwundbar gilt und mit übernatürlichen Kräften ausgestattet scheint. Boten werden ausgesandt, um Jim zu suchen. Inzwischen zerfällt die Bevölkerung von Patusan wieder in mehrere feindliche Lager, genau wie vor Jims Ankunft.

„Die Unbesonnenheit unserer Gedanken fällt auf uns zurück; wer mit dem Schwert spielt, wird durch das Schwert fallen.“ (S. 434)

Doramin, der fürchtet, seinen einzigen Sohn Dain Waris im Kampf gegen Brown zu verlieren, schickt ihn mit einigen Begleitern fort, um den Fluss weiter abwärts zu überwachen. Rajah Allang wittert seine Chance, gegen Jim und Doramin vorzugehen und die Macht wieder an sich zu reißen. Er schickt Cornelius als Unterhändler zu Brown und versorgt die Piraten mit Lebensmitteln. Brown wiederum, von Cornelius über die Machtverhältnisse in Patusan informiert, will jetzt mehr als nur Nahrung - er will Jims Stelle einnehmen, der mächtigste Mann in Patusan werden und das Land ausbeuten. Doramin und seine Anhänger versuchen dagegen, Brown zu bekämpfen.

„Als er Jim mit schroffer, verzweifelter Offenheit fragte, ob er denn nicht - Hand aufs Herz - verstehen könne, dass man sich, ‚wenn’s darauf ankam, im Finstern das eigene Leben zu retten, nicht darum kümmerte, wer sonst noch draufging - drei, dreißig, dreihundert Menschen’ - es war, als hätte ein Dämon ihm den Rat ins Ohr geflüstert.“ (über Brown, S. 491)

Als Jim zurückkehrt und den Ernst der Lage erkennt, sucht er furchtlos das Gespräch mit Brown. Dieser versucht, das Mitleid seines Gegners zu wecken: Er erzählt Jim, dass die Piraten nur hierher gekommen seien, um ihren Hunger zu stillen. Den Tod anderer Menschen hätten sie nur in Kauf genommen, um ihr eigenes Leben zu retten, und er, Jim, sei sicher auch nicht so vollkommen, dass er das nicht verstehen könne. Damit hat er Jims wunden Punkt getroffen. Jim wird an sein eigenes Fehlverhalten auf der "Patna" erinnert und beschließt, Browns Bitte um einen freien Abzug zu erfüllen. Er bespricht sich mit einigen einflussreichen Persönlichkeiten des Landes und ersucht um Gnade für Brown. Als die anderen dagegen sind, verspricht Jim, mit seinem eigenen Leben zu haften, falls die Piraten weitere Verbrechen begehen sollten. Seine Gesprächspartner sind von seiner Haltung nicht überzeugt, stimmen Jim aber schließlich zu, weil sie volles Vertrauen zu ihm und seinen Entscheidungen haben.

„Er hatte sich aus der einen Welt wegen der Kleinigkeit eines unbedachten Sprungs zurückgezogen, und jetzt war die andere, das Werk seiner Hände, über seinem Haupt zusammengebrochen.“ (über Jim, S. 518)

Am nächsten Morgen ziehen Brown und seine Männer ab. Jim schickt seinen Diener Tamb’ Itam zu Dain Waris, um ihm mitzuteilen, dass er zurückkommen kann. Brown hat Cornelius mitgenommen, der Jims Tod wünscht und Brown deshalb immer weiter gegen Jim aufhetzt. Auf Cornelius’ Rat hin nehmen die Piraten mit dem Boot einen anderen Weg als geplant und überfallen Dain Waris und seine Männer. Es gibt einige Tote, auch Dain Waris muss sein Leben lassen. Nun entsteht eine große Unruhe unter den Bewohnern von Patusan - Lord Jim hat ihr Vertrauen und damit sein Ansehen verloren. Jim beschließt, sein Versprechen zu halten und mit seinem Leben für Browns Verbrechen einzustehen. Tamb’ Itam will ihm die Flucht ermöglichen, und auch Juwel, die ihn nicht verlieren möchte, versucht verzweifelt, ihn zurückzuhalten. Jim aber will dieses Mal nicht flüchten. Er widersetzt sich den beiden und geht zu Doramin, der wie wahnsinnig um seinen Sohn trauert. Jim lässt sich von ihm erschießen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Aufbau von Lord Jim ist ausgesprochen kompliziert: Zuerst wird Jim als unsteter Hafenagent eingeführt, dann folgt in einer Rückblende die Darstellung von Jims Jugend und seinem Werdegang bis zu dem Moment, als die "Patna" mit einem Hindernis zusammenstößt. Das nächste Kapitel schildert eine Szene im Gerichtssaal, die erste Begegnung zwischen Jim und Marlow, und leitet über zu der Erzählsituation, die den größten Teil des Romans prägt: Marlow sitzt mit einigen Zuhörern nachts auf einer Terrasse und erzählt ihnen Jims Geschichte. Dieser Teil umfasst die Handlung vom Unfall der "Patna" bis zu Jims Erfolgen in Patusan. Um den Gang des Geschehens zu rekonstruieren, gibt Marlow auch das wieder, was ihm zahlreiche andere Personen - unter ihnen auch Jim selbst - erzählt haben.

Interpretationsansätze

  • Zentrales Thema des Romans ist die Frage nach Schuld und Sühne: Jims Versagen auf der "Patna" wird zwar durch das Gerichtsurteil gesühnt, seine Ehre aber dauerhaft zerstört. Erst als er am Ende die Verantwortung für das Verbrechen eines anderen übernimmt, stellt er seine Ehre wieder her - jedoch um den Preis seines Lebens.
  • Der Autor nimmt bewusst keine moralische Wertung vor: Jim wird insgesamt positiv dargestellt, und die Frage, wie schwer seine Schuld tatsächlich wiegt, bleibt offen; ihre Beantwortung wird dem Leser selbst überlassen.
  • Jims tragisches Scheitern wird durch seine positiven Eigenschaften mit ausgelöst: Er könnte fliehen oder vergessen, aber dazu ist er zu verantwortungsbewusst und zu sensibel. Das eigentliche Problem besteht darin, dass er sich selbst nicht vergeben und nicht von Grund auf neu anfangen kann.
  • In Marlows Gesprächen mit anderen Menschen stellt Conrad auch Alternativen zur Bewältigung des Problems vor: Schuld und Versagen kennt jeder - entscheidend ist, wie man damit umgeht.
  • Das im Roman gezeigte Weltbild ist überwiegend pessimistisch: Es gibt weder Gerechtigkeit noch Gnade; schon für einen kurzen Moment der Schwäche muss man lebenslang büßen, und auch positive Charaktereigenschaften können einen Menschen zugrunde richten.
  • Am Ende des Romans stellt sich die Frage, ob Jim nicht gerade durch seinen heldenhaften Opfertod sein romantisches Lebensideal erfüllt und damit das Ziel seines Daseins erreicht hat.

Historischer Hintergrund

Kolonialismus im 19. Jahrhundert

Mit der Entdeckung neuer Erdteile durch seefahrende Europäer begann im 15. und 16. Jahrhundert die Kolonialisierung. Spanien und Portugal etwa gründeten Kolonien in Südamerika, und das heutige Indonesien wurde gegen Ende des 16. Jahrhundert als Niederländisch-Indien die erste holländische Kolonie. Über Jahrhunderte hinweg holten sich europäische Staaten aus ihren Kolonien in Asien, Afrika und Südamerika alles, was ihnen im eigenen Land fehlte: Gewürze, Rohstoffe, aber auch Sklaven. Außerdem dienten die Besitzungen in Übersee europäischen Auswanderern als Siedlungsgebiete.

Die einsetzende Industrialisierung im 19. Jahrhundert entfachte auch das Interesse an den Kolonien neu. War die Kolonialisierung in früheren Jahrhunderten oft noch christlich und missionarisch motiviert, so standen jetzt eindeutig wirtschaftliche Belange im Vordergrund. Das galt vor allem für England: Das Land war relativ früh industrialisiert und hatte damit einen enormen Rohstoffbedarf, den es allein nicht decken konnte. Außerdem eröffnete der technische Fortschritt, z. B. in Form der Dampfschifffahrt über die Ozeane, ungeahnte Möglichkeiten bei der Erschließung überseeischer Gebiete und beim Handel mit den Kolonien. Bald zogen andere europäische Staaten nach: Der Besitz von Kolonien versprach politische Macht. Mit dem Streben nach dieser Macht begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Kampf um die Vorherrschaft in Afrika und Asien, um den Zugang zu Rohstoffen und Siedlungsgebieten. Handelsgesellschaften wie die Niederländische oder die Britische Ostindien-Kompanie wurden gegründet; zahllose junge Männer versuchten ihr Glück in der Ferne - und scheiterten oft genug, indem sie in der fremden Kultur jeglichen Halt verloren oder an unbekannten Krankheiten starben. Die Konzentration auf wirtschaftliche Interessen führte bald zu einer skrupellosen Ausbeutung der Kolonien. Die Einheimischen wurden grausam behandelt und ausgenutzt, fremde Kulturen von den Europäern bedenkenlos zerstört.

Entstehung

1887 war Joseph Conrad als Erster Offizier auf der "Highland Forest" von Amsterdam nach Java unterwegs. Auf dieser Reise verletzte er sich so schwer am Rücken, dass ein Krankenhausaufenthalt in Singapur notwendig wurde. Nach seiner Genesung kehrte er nicht nach Europa zurück, sondern heuerte stattdessen auf der "Vidar" an, einem kleinen Dampfer, der im Malaiischen Archipel auf einer festen Route unterwegs war. Erst einige Monate später bemühte er sich wieder um eine Stelle auf einem englischen Schiff. Dieses Erlebnis verarbeitete Conrad Jahre später in Lord Jim: Auch Jim leidet während einer Fahrt über den Indischen Ozean an einer Rückenverletzung, muss ins Krankenhaus, bleibt in einer fremden Kultur allein zurück und erlebt dadurch einen Bruch in seiner Karriere, der sein endgültiges Scheitern vorbereitet. Die Ortsangaben in Lord Jim sind spärlich, die Handlung spielt jedoch mit einiger Sicherheit an Schauplätzen, die Joseph Conrad selbst besuchte: in Malaysia und im heutigen Indonesien. Möglicherweise ist auch das zentrale Thema des Romans, die Auseinandersetzung mit persönlicher Schuld, autobiographisch motiviert: Kritiker in seinem Geburtsland Polen warfen Conrad immer wieder vor, mit seiner Übersiedlung nach England seine Heimat verraten zu haben.

Joseph Conrad konzipierte Lord Jim zunächst als Kurzgeschichte, die er erst später zu einem Roman erweiterte. Er begann mit der Abfassung bereits vor der Arbeit an Herz der Finsternis (1899) und nahm sich nach Abschluss dieser Erzählung den Roman im Februar 1899 wieder vor. Ab Oktober 1899 erschien Lord Jim in insgesamt 14 Folgen als Fortsetzungsroman im Edinburgh Monthly Magazine. Aber erst im Juli 1900 beendete Conrad den Roman - den Schluss schrieb er innerhalb von 21 Stunden ohne Pause. Mit Kapitän John Marlow als Erzähler griff Conrad auf eine Figur zurück, die auch schon in früheren Werken auftauchte: Marlow fungierte bereits in der Geschichte Jugend (1898) als Erzähler, ebenso in Herz der Finsternis, und trat später im Roman Spiel des Zufalls (1913) nochmals auf.

Wirkungsgeschichte

Lord Jim ist Joseph Conrads bekanntester Roman. Zunächst brachte er dem Autor zwar literarischen Ruhm, aber wenig wirtschaftlichen Erfolg ein. Erst im 20. Jahrhundert wurden die Werke Conrads langsam einem breiteren Publikum bekannt. 1925 wurde Lord Jim erstmals verfilmt, dann 1964 erneut, mit Peter O’Toole in der Hauptrolle. Mit seiner Konzentration auf psychologische Aspekte, auf die Frage nach Identität und Individualität wurde Conrads Werk zu einem Vorläufer des modernen Romans des 20. Jahrhunderts. Sein kühnes, oft verwirrendes Spiel mit den Erzählperspektiven hatte einen prägenden Einfluss auf die englische Literatur des 20. Jahrhunderts, auf Schriftsteller wie William Faulkner, F. Scott Fitzgerald, James Joyce, Ernest Hemingway oder Virginia Woolf. Diese sagte über ihn: "Conrads Bücher sind voll visionärer Augenblicke. Sie beleuchten ganze Charaktere mit einem Schlag. Man spürt, dass er nicht schlecht schreiben konnte, dass er um sein Leben schrieb."

Über den Autor

Joseph Conrad wird als Józef Teodor Konrad Korzeniowski am 3. Dezember 1857 im polnischen Berdyczew geboren. Zu dieser Zeit ist Polen kein eigenständiger Staat, sondern aufgeteilt unter Russland, Österreich und Preußen. Josephs Vater, der dem Adel angehört, engagiert sich im Kampf gegen die russische Herrschaft; deshalb wird die Familie nach Russland verbannt. Die Mutter stirbt an den gesundheitlichen Folgen der Verbannung. Als auch der Vater 1869 stirbt, kommt Joseph in die Obhut seines Onkels. Dieser ist entsetzt, als der Junge den Wunsch äußert, zur See fahren zu wollen. Er unternimmt alles, um ihn davon abzubringen, muss aber schließlich doch nachgeben. 1874 beginnt Joseph seinen Dienst in der französischen Handelsmarine. Bald lässt er sich in Schmuggelgeschäfte verwickeln und verliert so sein ganzes Geld. Hoch verschuldet unternimmt er einen Selbstmordversuch. Danach entschließt er sich, in die englische Handelsmarine einzutreten und die Offizierslaufbahn einzuschlagen. 1886 erhält er sein Kapitänspatent und die britische Staatsbürgerschaft. 1889 beginnt er seinen ersten Roman, Almayer´s Folly (Almayers Wahn) – bemerkenswerterweise in Englisch, seiner dritten Sprache. Eine Fahrt in den Kongo 1890 wird zu einem traumatischen Erlebnis: Der grausame Umgang der Weißen mit den Einheimischen schockiert Conrad. Außerdem wird seine Gesundheit so schwer angegriffen, dass er vorzeitig nach England zurückkehren muss. Als er, auch wegen anhaltender gesundheitlicher und psychischer Probleme, keine Arbeit mehr findet, beendet er 1894 seinen ersten Roman und veröffentlicht ihn unter dem Namen Joseph Conrad, den er von da an beibehält. Das Werk wird von der Kritik positiv aufgenommen, und Conrad beschließt, sich in Kent niederzulassen und als Schriftsteller zu leben. Viele seiner Texte greifen seine Erlebnisse als Seemann auf. Ein wichtiges Werk ist die Erzählung Heart of Darkness (Herz der Finsternis, 1899), in der er seine Erlebnisse im Kongo verarbeitet. Conrad stirbt am 3. August 1924 an Herzversagen.

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