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Schall und Wahn

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Schall und Wahn

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Ein Paradestück avantgardistischer Literatur: Faulkners Roman über den Zerfall einer Südstaatenfamilie.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Zerfall einer Familie und Zerfall der Sprache

Der Buchtitel ist ein Shakespeare-Zitat: Das Leben, heißt es in Macbeth, ist "eines Toren Fabel nur, voll Schall und Wahn, jedweden Sinnes bar". Die Schlüsselbegriffe aus dem Buchtitel verwandelt Faulkner im Text auf eindrucksvolle Weise in (moderne) Literatur. Thematisch geht es um den völligen Niedergang, ja Zerfall alles Menschlichen einer ehemals bedeutenden Südstaatenfamilie im Bundesstaat Mississippi. Die Art und Weise, wie dieses Thema aufgearbeitet wird, ist das Besondere und Herausfordernde des Romans; vor allem die ersten beiden der insgesamt vier Romanteile sind eine extrem anspruchsvolle Lektüre. Wie bei abstrakten Gemälden ist auf den ersten Blick rein gar nichts klar und eindeutig zu erkennen. Es gibt keinen chronologischen oder logischen Zusammenhang, der Leser wird in ein Säurebad von Andeutungen, Erinnerungsfetzen und innerem Monolog getaucht - streckenweise im Wortsinn ohne Punkt und Komma. Insofern handelt es sich bei Schall und Wahn um eines der bahnbrechenden Werke moderner, hochartifizieller Literatur in der Tradition von James Joyce. Faulkner ist die Anerkennung für sein Schaffen nicht versagt geblieben: Er erhielt 1949 den Nobelpreis.

Take-aways

  • Faulkners Schall und Wahn ist ein Meilenstein der amerikanischen Literaturgeschichte.
  • Aus der Perspektive von vier Familienmitgliedern wird der Zerfall der Südstaatenfamilie Compson in grelle Schlaglichter getaucht.
  • Der erste Teil gibt die Wahrnehmungen und Erinnerungsfetzen des schwachsinnigen Benjy am Karsamstag, dem 7. April 1928, wieder.
  • Im zweiten Teil wird der Ablauf eines Tages (2. Juni 1910) geschildert, an dem sich der zweite Sohn Quentin mit Selbstmordgedanken trägt.
  • Karfreitag, der 6. April 1928, wird aus der Perspektive des ältesten Sohnes Jason beschrieben.
  • Im Mittelpunkt des Ostersonntages, 8. April 1928, steht die schwarze Haushälterin der Compsons, Dilsey.
  • Das ganze Buch dreht sich um die heimliche Hauptfigur, Caddy Compson, die jedoch immer nur gespiegelt im Bewusstsein der anderen Personen auftaucht.
  • Jeder der vier Teile zeichnet sich durch eine andere Erzähltechnik aus. Faulkner bedient sich der fragmentarischen Erzählweise und liefert Gedankenströme, teils ohne Punkt und Komma und ohne logischen und chronologischen Zusammenhang.
  • Der Zerfall von Gesellschaft, Familie und Werten wird durch diese Sprachzerstörung geradezu schmerzlich fühlbar.
  • Faulkner schrieb das Buch zunächst ohne Veröffentlichungsabsicht als reines Kunstwerk, er gewann damit aber rasch literarische Anerkennung.
  • Der Autor stammte selbst aus einer traditionsreichen Südstaatenfamilie. Sein ganzes Werk spielt vor diesem Hintergrund.
  • Faulkner erhielt 1949 den Nobelpreis für Literatur.

Zusammenfassung

 

  1. April 1928

Der 33. Geburtstag des schwachsinnigen Benjy Compson ist ein kühler Karsamstag. Der körperlich kräftige Mann ist taubstumm und geistig zurückgeblieben. Gemeinsam mit dem jungen Luster beobachtet er durch einen Zaun ein paar Golfspieler in der Nähe des großen Gutshauses der Compsons. Er ist der 14-jährige Sohn der alten Dilsey Gibson, der schwarzen Haushälterin der Compsons. Luster kümmert sich immer um Benjy. Heute hat er einen Geburtstagskuchen für ihn gekauft. Sie gehen vom Zaun weg und suchen am Bach nach einem Vierteldollar, den Luster verloren hat. Benjy erinnert sich an einen ebenso kalten Vorweihnachtstag, an dem seine ältere Schwester Caddy noch da war. Mit Caddy verbindet Benjy ein Gefühl körperlicher und emotionaler Wärme, das entstand, wenn beide gemeinsam unter der Bettdecke lagen. Caddy roch "wie Bäume". Am Bach erinnert sich Benjy, wie sich Caddy als 14-Jährige einmal das Kleid auszog, obwohl ihr älterer Bruder Quentin es ihr verboten hatte. Dann spritzten sich Caddy und Quentin gegenseitig nass. Caddy kümmerte es nicht, ob ihre Eltern davon erfuhren. Am Abend dieses Tages sollten die Compson-Kinder Benjy, Caddy, Quentin und Jason im Haus der Gibsons übernachten. Vom Hof aus beobachteten die Kinder seltsame Vorgänge im hell erleuchteten Herrenhaus, ohne jedoch deuten zu können, was dort wirklich geschah: Die Eltern hielten sie von der Trauerfeier für die Großmutter fern.

„Caddy roch wie Bäume und wie wenn sie sagt, wir schlafen.“ (Benjy, S. 25)

Im Haus wird der Geburtstagskuchen angeschnitten, den Dilsey von ihrem eigenen Geld besorgt hat, weil Jason, der mittlerweile der Hausherr ist, ihr "jedes Ei nachzählt". Luster verzehrt am meisten davon. Sie sitzen in der Küche, Benjy betrachtet das Herdfeuer im Ofen. Er streckt die Hand nach dem Feuer aus und verbrennt sich. Dilsey verbindet ihm die Hand, aber Benjys Geschrei hat seine Mutter auf den Plan gerufen, die sich beklagt, sie könne "nicht mal in Ruhe krank sein". Mrs. Compson beschuldigt Dilsey außerdem, sie habe ihren Sohn "mit billigem Warenhauskuchen vergiften" wollen. Benjys Mutter bemitleidet sich selbst, sie meint, sie gehe sowieso bald dahin. Luster und Benjy setzen sich in der Bibliothek vor ein Kaminfeuer. Die Szene mit Mrs. Compson ruft in Benjy Sinneseindrücke hervor, die er mit der Mutter verbindet: intensiver Kampfergeruch, der von ihrem Kopfkissen ausgeht, wenn er sich in ihrem Zimmer aufhält. Ein weiterer Strom von Erinnerungsfetzen, die eng mit Ereignissen in diesem Raum beim Flackern des Kaminfeuers verknüpft sind und mit dem Geräusch des Regens auf dem Dach, überflutet ihn. Benjy "hört" das Dach. Es sind kurze Szenen aus verschiedenen Phasen seines Lebens, die untrennbar ineinander verschwimmen. Immer ist Caddy dabei: wie sie ihm erklärte, dass sein Name von Maury zu Benjy verändert wurde, wie sich die Geschwister stritten, wie Caddy einmal entsetzt durch die Diele eilte, wie sie als Kinder zu Bett gebracht wurden. Caddy legte sich zu ihm. Das ist Benjys letzte Erinnerung vor dem Einschlafen an diesem Karsamstagabend.

  1. Juni 1910
„Die Kellertreppe lief im Mondschein den Berg hinauf, und T. P. fiel den Berg hinauf in den Mondschein, und ich rannte auf den Zaun zu, und T. P. lief hinter mir her und sagte immer ‚Sei still sei still’.“ (Benjy, S. 53)

Seit dem Aufwachen am Morgen rattern Quentins Gedanken wie das Uhrwerk, auf dessen Ticken er im Zimmer seines Studentenwohnheims in Harvard horcht. Bombastisch klingende Lebensweisheiten seines Vaters, wie Kalendersprüche in seinem Gedächtnis verankert, kommen ihm in den Sinn, ebenso wie die Erinnerung an die Hochzeitsfeier seiner Schwester Caddy. In seiner Phantasie bezichtigt sich Quentin gegenüber dem Vater eines inzestuösen Verhältnisses mit ihr. Sein Studienkollege Shreve kommt ins Zimmer und mahnt ihn zum Aufstehen. Quentin zerschlägt das Deckglas der Taschenuhr seines Großvaters an der Kommode. Er packt all seine Sachen in einen Koffer, badet und rasiert sich. Dann legt er den Kofferschlüssel in einen Umschlag, schreibt zwei kurze Briefe, einen an seinen Vater, den er abschickt, und einen an Shreve, den er in die Jackentasche steckt. Quentin frühstückt in einem Lokal, kauft sich eine Zigarre, fragt in einer Uhrmacherwerkstatt, ob eine Reparatur der Uhr möglich sei, lässt sie aber nicht dort. Anschließend nimmt er unter mehrmaligem Umsteigen die Straßenbahn bis in die Hafengegend an der Flussmündung.

„Das Zimmer ging fort, aber ich blieb nicht still, und das Zimmer kam wieder, und Dilsey kam und setzte sich ans Bett und blickte mich an.“ (Benjy, S. 57)

Er geht am Quai entlang, den Kopf voller Gedanken an seine Anfangszeit in Harvard: Benjys Erbteil, eine ans Haus angrenzende Wiese, ist verkauft worden, damit sich Mrs. Compsons Traum erfüllte, einen ihrer Söhne nach Harvard zu schicken. Die Wiese ist jetzt der Golfplatz. Der schwarze Pedell nahm Quentin in der Eingewöhnungszeit in Harvard unter seine Fittiche; dann lernte er die ersten Studienkollegen und ihre teilweise bizarren Oberschichtallüren kennen. Diese Erinnerungen sind durchmischt mit solchen an seine Familie, seine Kindheit und mit kleinen Begegnungen in der Hafengegend. Überdeutlich vernimmt Quentin immer wieder die Glockenschläge von Turmuhren. Der Duft von Geißblatt weckt in ihm quälende Sehnsucht nach seiner Schwester Caddy.

„Ich hörte die Uhr und ich hörte Caddy, die hinter mir stand, und ich hörte das Dach. Es regnet immer noch, sagte Caddy. Ich hasse Regen. Ich hasse alles.“ (Benjy, S. 67)

Am frühen Nachmittag verspürt Quentin ein wenig Hunger und betritt eine Bäckerei. Darin steht ein verdrecktes, heruntergekommenes kleines Mädchen, das ein Fünf-Cent-Brot kauft. Aus Mitleid spendiert Quentin der Kleinen eine süße Semmel, und von da an folgt sie ihm wortlos auf Schritt und Tritt. Er will sie nach Hause bringen und sie führt ihn in eine verlassene Gegend, wo mehrere herumlungernde Lümmel Quentin beschuldigen, das Kind geraubt zu haben. Sie schleppen ihn zum Friedensrichter. Unterwegs begegnet die ganze Prozession zufällig einer Gruppe von Quentins Studienkollegen. Der zu Beginn sehr ungnädige Friedensrichter lässt Quentin gegen Zahlung von sechs Dollar aufgrund der Leumundsaussagen seiner Freunde wieder frei. Quentins Gedanken werden immer wirrer - er trägt sich mit dem Gedanken, Selbstmord zu begehen.

  1. April 1928
„Vater sagte, das dauernde Nachsinnen über den Stand von mechanischen Zeigern auf einem willkürlichen Ziffernblatt sei ein Symptom tätigen Bewusstseins. Eine Ausscheidung sagte Vater, wie Schwitzen.“ (Quentin, S. 84)

Beim Frühstück unterhalten sich Jason und Mrs. Compson, seine Mutter, über die 17-jährige Quentin, die uneheliche Tochter von Caddy. Mrs. Compson, die ihr Schlafzimmer außer zu den Mahlzeiten kaum verlässt, glaubt, Quentin schwänze die Schule. Jason weiß es besser: Sie treibt sich mit Männern herum. Aber seiner Mutter gegenüber belässt er es bei Andeutungen. Nach dem Ableben des Vaters, der sich buchstäblich zu Tode gesoffen hat, ist Jason der Herr im Haus. Caddy hat striktes Hausverbot und darf auch ihre Tochter nicht sehen. Sie zahlt aber Unterhalt für Quentin. Die Schecks löst Jason ein, behält das Geld jedoch für sich. Jason erinnert sich, wie Caddy einmal in Jefferson auftauchte und ihn anflehte, ihm erst 50, dann 100 $ bot, um ihre Tochter wenigstens für einen Augenblick sehen zu dürfen. Jason nahm das Geld an und arrangierte es dann so, dass Caddy das Baby tatsächlich nur für einen Augenblick aus einer vorbeifahrenden Kutsche zu sehen bekam, der sie fassungslos nachrannte.

„Von Harvard weggehen deiner Mutter Traum Benjys Wiese dafür verkauft“ (Quentin, S. 107)

Jason arbeitet als Verkäufer in einem Geschäft für landwirtschaftlichen Bedarf. Vom nahe gelegenen Telegrafenamt aus erteilt er Kauf- und Verkaufsorders für die Warenterminbörse. An diesem Tag investiert er trotz fallender Kurse, obwohl er angeblich die Machenschaften der Tippgeber durchschaut. Immer wieder taucht Jason im Telegrafenamt auf, um sich nach den Kursständen zu erkundigen. Weil an diesem Tag eine Zirkustruppe in der Stadt gastiert, mahnt ihn sein Chef, Jason möge seine Mittagspause verkürzen, da die Leute ihre Einkäufe vor dem Beginn der Vorstellung erledigen wollten. Gegen Mittag kommt Quentin und bettelt Jason um Geld an. Sie vermutet zu Recht, dass ihre Mutter ihr zu Ostern außerplanmäßig 50 $ geschickt hat. Jason muss einen Kunden bedienen, und in diesem unbeobachteten Moment durchwühlt Quentin sein Pult und findet einen Brief von Caddy und den Barscheck in einem Umschlag. Jason kommt gerade noch rechtzeitig hinzu, um ihr beides zu entreißen und unter Gewaltandrohung die zur Einlösung notwendige Unterschrift auf der Rückseite des Schecks von ihr zu erpressen. Dann speist er sie mit zehn Dollar ab.

„In der weichen warmen Leere wirkte das Gesichtchen wie eine Tasse Milch mit einem Schuss Kaffee.“ (Quentin, S. 127)

Jason ignoriert die Ermahnung seines Chefs und geht zum Essen nach Hause. Wie jeden Monat bringt er seine Mutter dazu, einen eigenhändig gefälschten Scheck, der angeblich von Caddy stammt, zu verbrennen. Am Nachmittag beobachtet Jason zufällig, wie Quentin in Begleitung eines fremden Mannes mit roter Krawatte durch eine Seitengasse streift und kurz darauf in einem Ford an seinem Geschäft vorbeifährt. Trotz seiner beruflichen Pflichten hetzt Jason den beiden in seinem eigenen Wagen nach. Dieses Auto hat er sich vom Geld seiner Mutter geleistet. Mrs. Compson glaubt jedoch, das Geld stecke als Einlage in der Eisenwarenhandlung. In der Nähe eines Wäldchens entdeckt Jason den Ford und schleicht sich an. Er glaubt, das Pärchen in flagranti erwischen zu können - da saust der Ford davon. Jason kann ihnen nicht folgen: Aus einem seiner Autoreifen ist die Luft herausgelassen.

„Weil Frauen so heikel so rätselhaft sagte Vater. Heikles Gleichgewicht periodischen Schmutzes zwischen zwei Mondwechseln ausbalanciert.“ (Quentin, S. 130)

Sein Chef hat Jason zwei Freikarten für den Zirkus gegeben. Als Jason am Abend nach Hause kommt, bittet ihn Luster, der sich tagaus, tagein um Benjy kümmert, um einen Vierteldollar, damit er sich eine Eintrittskarte kaufen kann. Das verweigert Jason ihm, stattdessen bietet er Luster an, er könne ihm eine der Karten für einen Nickel abkaufen. Luster aber hat keinen Penny. Vor seinen Augen wirft Jason die Karten ins Herdfeuer. Beim Abendessen erzählt Jason seiner Mutter die Geschichte von einem Mädchen, das mit einem Liebhaber durchgebrannt ist - ohne den Namen der anwesenden Quentin ins Spiel zu bringen. Da sie sich nicht wehren kann, ohne sich selbst zu bezichtigen, geht sie erbost und gedemütigt auf ihr Zimmer. Mrs. Compson ermahnt Quentin noch, Jason gegenüber gehorsam zu sein. Allerdings ist sie es gleichzeitig auch, die immer wieder dazwischen geht, wenn Jason Quentin züchtigen will. Mrs. Compson seufzt und klagt sich selbst an, Jason keine bessere Ausbildung ermöglicht zu haben. Sie hat geglaubt, er sei durch ein Versprechen von Caddys Ex-Verlobtem, Jason in seiner Bank eine Anstellung zu verschaffen, versorgt. Doch nach der unehelichen Geburt von Quentin zerschlug sich diese Aussicht. Mrs. Compson geht auf ihr Zimmer und schließt Quentins Tür von außen ab. Im Haus kehrt Ruhe ein. Bei einer letzten Zigarre hört Jason das sonore Schnarchen seines schwachsinnigen Bruders Benjy, den er schon in jungen Jahren hat kastrieren lassen, da die Einweisung in eine Irrenanstalt ausgeschlossen war, um die Familienehre nicht zu gefährden.

  1. April 1928
„der Geißblattduft triefte und triefte ich hörte die Grillen die uns im Kreis umlauerten sie wich zurück ging um mich herum und auf die Bäume zu“ (Quentin, S. 153)

Ein kühler, regnerischer Ostersonntag. Dilsey bereitet das Frühstück, immer wieder unterbrochen von Mrs. Compson, die oben auf der Treppe nach einer frischen Wärmflasche verlangt. Dilsey schickt ihren Sohn Luster zu Benjy, damit er ihn anzieht und zum Frühstück herunterbringt. Alle erscheinen zum Essen. Jason verlangt auch Quentin zu sehen, die man in ihrem abgeschlossenen Zimmer vermutet. Jason, Mrs. Compson und Dilsey gehen hinauf, während Luster weiterhin Benjy füttert. Jason öffnet Quentins Zimmer mit Mrs. Compsons Schlüssel. Es ist unaufgeräumt und Quentin ist verschwunden - sie über den Birnbaum vor ihrem Fenster entflohen. Jason schöpft Verdacht und stellt fest, dass sie sein und ihr Geld, das er in seinem Zimmer versteckt hat, mitgenommen hat - mehrere tausend Dollar. Jason ruft bei der Polizei an und verlangt in arrogantem Ton deren Eingreifen.

„Ich hatte nie Zeit, nach Harvard zu gehn wie Quentin oder mich totzusaufen wie Vater. Ich musste ja arbeiten.“ (Jason, S. 177)

Dilsey bereitet Luster und Benjy zum österlichen Kirchgang vor. Zwischen ihr und Luster kommt es zu einem kleinen Disput darüber, welche Kopfbedeckung er aufsetzen und ob er einen Schirm mitnehmen soll. Begleitet werden sie von Frony, Lusters Schwester. Beim Gang durch den Ort werden ein paar Worte mit den Nachbarn getauscht. Dann verfolgen die vier den speziellen Gottesdienst für Schwarze. Er wird von einem besonderen Gastprediger abgehalten. Obwohl von weißer Hautfarbe, verfällt dieser bald in den typischen "Negersingsang". Dilsey lauscht der emotionalen Ansprache ergriffen. Nach Hause zurückgekehrt, sieht sie noch nach der bettlägerigen Mrs. Compson und bereitet das Mittagsmahl zu.

„Es braucht gar kein großer Coup zu sein; auf so was sind kleine Provinzspekulanten scharf, ich will einfach mein Geld wieder, das mir diese verdammten Juden mit ihren angeblich todsicheren Tipps abgeknöpft haben.“ (Jason, S. 225 f.)

Doch niemand erscheint zum Essen. Jason ist zum Polizeirevier gefahren und verlangt vom Sheriff, die "Verbrecher" zu jagen, was dieser verweigert, da Jason keine Beweise für den Diebstahl vorlegen kann. Jason fährt nun alleine mit rasenden Kopfschmerzen in den Nachbarort, wo er Quentin mit ihrem Liebhaber von der Zirkustruppe vermutet. Auf dem Bahnhof dringt er in den abgestellten Eisenbahnwaggon der Truppe ein, der allerdings leer ist. Nachdem er einen alten Wachmann, der auch keine Auskunft geben kann, in rasender Wut beinahe umgebracht hätte, lässt er sich von einem zufällig vorbeikommenden Schwarzen nach Jefferson zurückfahren, weil er selbst wegen der Kopfschmerzen nicht mehr am Steuer sitzen kann.

„Ich sag, meine Familie hat hier schon Sklaven besessen, als ihr noch eure Kramlädchen gehabt habt und so wenig Ackerland zum Bestellen, dass es nicht einmal ein Nigger in Halbpacht mit euch hätte teilen mögen.“ (Jason, S. 229 f.)

Im Haus der Compsons ist Benjy kaum zu bändigen. Er wimmert und jammert und schreit. Luster bettelt bei Dilsey um Erlaubnis, mit Benjy in einem Kutschwagen herumfahren zu dürfen. Dilsey erteilt die Genehmigung nach einigem Zögern, nimmt Luster aber die Peitsche ab. Sie traben los. Unterwegs schneidet sich Luster eine Gerte von einem Busch und treibt damit das Pferd an, um vor anderen Schwarzen im Ort anzugeben. Am Marktplatz, wo er sich der ungeteilten Aufmerksamkeit aller Zuschauer sicher sein kann, steuert Luster das Pferd linksherum. Benjy bricht daraufhin in wahnhaftes Brüllen aus. Jason springt auf das Gefährt, stößt Luster beiseite und steuert es rechtsherum über den Platz. Dann weist er Luster wütend an, mit Benjy unverzüglich nach Hause zu fahren. Benjy ist wieder still.

Zum Text

Aufbau und Stil

Schall und Wahn besteht aus vier Teilen, die jeweils mit einem bestimmten Datum als Kapitelüberschrift versehen sind. Dass diese Daten nicht chronologisch aufeinander folgen, sorgt schon einmal für die erste Verwirrung. Faulkner schrieb die Teile als weitgehend selbstständige Erzählungen jeweils aus der Perspektive eines anderen Mitglieds der Familie Compson. Auch stilistisch heben sie sich deutlich voneinander ab. Im ersten Teil wird ein Ausschnitt der Familiengeschichte aus der Sicht des schwachsinnigen Benjy wiedergegeben, der fast nur flüchtige äußerliche Sinneseindrücke und Erinnerungsfetzen kennt, ohne diese in einen logischen und sinnvollen Zusammenhang bringen zu können. Ähnlich konsequent ist diese fragmentarische Technik im zweiten, dem Quentin-Teil, umgesetzt, entsprechend dem psychischen Druck eines Menschen, der im Begriff steht, sich das Leben zu nehmen: teilweise noch zerrissener, dann wieder extrem komprimiert, atemlos, ohne Punkt und Komma. Der dritte und vierte Teil - aus Jasons und Dilseys Perspektive - sind dann weitgehend konventionell erzählt: Jason berichtet ganz aus der Ich-Perspektive mit vielen Rückblenden, Dilsey steht im Mittelpunkt eines Kapitels, durch das ein allwissender Erzähler führt. Für eine Neuausgabe des Buches hat Faulkner viele Jahre später ein wenige Seiten umfassendes Vorwort geschrieben, das die Geschichte der Familie Compson von 1699 bis 1945 umreißt.

Interpretationsansätze

  • Der Zerfall des menschlichen Individuums, der Familie wie auch der Gesellschaft spiegelt sich in Schall und Wahn direkt im Zerfall der Sprache und in der Variation der Erzählweise. Faulkner benutzt vor allem in den ersten beiden Teilen ("Benjy" und "Quentin") bewusst Erzählweisen, die Zusammenhänge auseinander reißen oder überzeichnen und die ihre Entsprechungen in abstrakten, expressionistischen und surrealen Strömungen anderer Künste (Malerei, Musik) seiner Zeit haben.
  • Faulkner verwendet zahlreiche Symbole, z. B. Uhren für die ablaufende Zeit. Gerüche und Geräusche als die Menschen überwältigende Assoziationsauslöser gewinnen im Roman eine Präsenz wie in vielen Romanen nur konkrete, materielle Dinge; deren Beschreibung vernachlässigt Faulkner aber ganz bewusst.
  • Die Erlebniswelten der jeweiligen Hauptfiguren sind nicht miteinander verbunden, sie reagieren nicht aufeinander. Die eigentliche Hauptfigur ist abwesend: Die vitale, nonkonformistische Caddy, von Benjy und Quentin geliebt, von Jason gehasst, spiegelt sich immer nur im Bewusstsein der anderen Familienmitglieder.
  • Die Familiengeschichte der Compsons steht für den Zerfall einer ganzen Gesellschaftsschicht, der ehemals führenden Familien im "Alten Süden" der USA, aber auch für den Wertezerfall schlechthin.
  • Die zeitliche Platzierung von drei Kapiteln in die Osterzeit stellt den Roman vor einen religiösen Hintergrund im Sinne der Erlösungsbedürftigkeit dieser innerlich zerstörten Menschen.
  • Nur die schwarze Haushälterin Dilsey und ihre Erzählung sind "intakt", genauso wie ihre Werte, ihre naive Frömmigkeit, ihr gutes Herz. Dieses positive Bild steht im Kontrast zu den bisweilen schockierend rassistisch klingenden Äußerungen vor allem aus dem Munde Jasons.

Historischer Hintergrund

Der Alte Süden der USA

Durch den mit unvorstellbarer Grausamkeit und unter hohem Blutzoll geführten fünfjährigen amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) brach die agrarische Pflanzer- und Sklavenhaltergesellschaft des "Old South" (Alter Süden) zusammen. Die Städte bestanden nur noch aus rauchenden Trümmern. Die freigelassenen Schwarzen wurden noch bis in die 1960er Jahre vom weißen Pöbel terrorisiert, und die "Rekonstruktions"-Politik der Union erwies sich als demütigende Herrschaft raffgieriger, korrupter Politiker. Industrielle Ansätze hatte es im Süden von jeher kaum gegeben. Der dem Krieg folgende wirtschaftliche Aufschwung in der technisch-industriellen Gründerzeit der USA, personifiziert in Namen wie Thomas Edison (Glühbirne), Graham Bell (Telefon), Henry Ford (Automobil), Andrew Carnegie (Stahl) und John Rockefeller (Öl), ging am Alten Süden vorbei. An ein Wiederanknüpfen an die früheren agrarischen Grundlagen des Wohlstands war nach dem Wegfall des ausschlaggebenden Produktionsfaktors "Sklave" nicht zu denken; die traditionellen Güter wie Tabak, Zuckerrohr, Baumwolle und Indigo verloren ihre Bedeutung als Leit- und Luxusprodukte.

Der Süden verarmte wirtschaftlich und verelendete moralisch. Man lebte von der Substanz. Dies traf vor allem auf die alten Gutsherren- oder Pflanzerfamilien zu, denen die Sklaven weitgehend abhanden gekommen, denen aber manchmal immerhin der Boden, der zweite wichtige Produktionsfaktor, geblieben war. Davon konnte man notfalls etwas verkaufen. Bis zum Bürgerkrieg hatte die Gutsherrenschicht einen Lebensstil gepflegt, der sich am aristokratischen Ideal der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und des Müßiggangs orientierte. Immerhin waren diese Plantagenherren durchaus erfolgreiche agrarische Unternehmer gewesen. Mit der lang andauernden wirtschaftlichen Blüte waren stabile Gesellschaftsformen einhergegangen, die der besitzenden Klasse ein Leben nach Gentleman-Art erlaubt hatten. Das Trauma des Verlusts der ökonomischen Basis für diese Art von "standesgemäßem" Leben war im Alten Süden auch Jahrzehnte nach dem Krieg bei vielen Angehörigen dieser Schicht noch nicht verarbeitet.

Entstehung

Die Trauerfeier für die Großmutter, welche die Compson- und Gibson-Kinder nur indirekt miterleben, war ursprünglich der Kern des ersten Kapitels und des gesamten Buches überhaupt. Faulkner schrieb zunächst nur dieses Kapitel als Erzählung, der er den Titel "Twilight" (Zwielicht) gab. Doch die Darstellung der Ereignisse - Caddy als Hauptfigur, aber aus der äußerst beschränkten Sicht Benjys - war für den Autor unbefriedigend. Deswegen beleuchtete er die Figur Caddy in einer weiteren Erzählung erneut, derjenigen von Quentin, die 18 Jahre früher spielt. Doch Faulkner musste feststellen, dass die Geschichte immer noch nicht funktionierte, und fügte noch das Jason-Kapitel und schließlich den eher konventionell geschriebenen (allwissender Erzähler) Schlussteil mit Dilsey im Mittelpunkt an.

Schall und Wahn - der Titel entstand auf Vorschlag von Faulkners Lektor und Mentor Phil Stone, einem Anwalt und Literaturagenten, dem Faulkner schon als 17-Jähriger seine ersten Gedichte vorgelegt hatte. Das Buch war ein sehr persönliches Werk, das Faulkner zunächst gar nicht in der Absicht schrieb, es zu veröffentlichen. Beim Verfassen von "Twilight" bzw. dem späteren Schall und Wahn hatte Faulkner nicht das Gefühl, irgendwelchen Publikums- oder Verlagserwartungen gerecht werden zu müssen, sondern er entwickelte seinen Stil nach seinen ganz persönlichen Vorstellungen. Schall und Wahn, das dann 1929 erschien, ist deutlich beeinflusst von der von James Joyce (Ulysses) entwickelten "Stream of consciousness"-Technik, bei der die Bewusstseinsinhalte einer literarischen Figur weitgehend ungefiltert und unstrukturiert wiedergegeben werden.

Wirkungsgeschichte

Schall und Wahn trug Faulkner viel Anerkennung ein und etablierte ihn als bedeutenden Autor. Sein besonderer literarischer Stil findet sich auch in weiteren Werken aus jener Zeit, wie Sartoris (1929), Als ich im Sterben lag (1930) und Die Freistatt (1931). Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs waren die meisten seiner Bücher in den USA jedoch vergriffen und er geriet dort beinahe in Vergessenheit, bis einer seiner Lektoren 1946 eine Neuauflage seiner Werke veranlasste. Dafür schrieb Faulkner dann auch das Vorwort zu Schall und Wahn, in dem er die Familiengeschichte der Compsons zusammenfasst. Anders als in den USA war Faulkner im Europa der Nachkriegszeit keineswegs vergessen. Jean-Paul Sartre und Albert Camus lobten ihn in den höchsten Tönen; Sartre erklärte, Faulkner sei "für die jungen Leute in Frankreich ein literarischer Gott". Für Gottfried Benn war Faulkner einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren. Direkten Einfluss übten seine Werke auch auf Schriftsteller wie Heinrich Böll, Alfred Andersch und Uwe Johnson aus. Schall und Wahn wurde 1959 von Martin Ritt verfilmt; Yul Brynner und Joanne Woodward spielten die Hauptrollen.

Über den Autor

William Faulkner (ursprünglich: Falkner) stammt aus einer der aristokratisch geprägten Gutsherrenfamilien des amerikanischen Südens. Er wird am 25. September 1897 in New Albany, Mississippi, geboren. Sein Urgroßvater väterlicherseits hat eine gewisse historische Rolle in Mississippi als Konföderierten-Offizier im amerikanischen Bürgerkrieg gespielt sowie als Stadtgründer, Initiator einer Eisenbahnlinie und als Verfasser mehrerer Romane. William Faulkner selbst beendet ein Literaturstudium ohne Abschluss und meldet sich im Ersten Weltkrieg als Pilot bei der kanadischen Luftwaffe, ohne jedoch zum Kriegseinsatz zu kommen. In den 1920er-Jahren arbeitet er in verschiedenen Berufen, schreibt und veröffentlicht erste Arbeiten (Gedichte und einen Kriegsroman). 1929 gelingt ihm der erste Bucherfolg: Sartoris ist ein Familienroman über den alten Süden vor dem Hintergrund der verfallenden Südstaatengesellschaft, behandelt also ein ähnliches Thema wie Schall und Wahn (The Sound and the Fury), das im selben Jahr erscheint. Von 1932 an bis in die 1950er-Jahre arbeitet Faulkner in Hollywood als Drehbuchautor für alle großen Studios; unter anderem stammen die Skripte für zwei berühmte Filme unter der Regie von Howard Hawks aus seiner Feder: Tote schlafen fest (The Big Sleep, 1946) nach Raymond Chandler sowie Haben und Nichthaben (To Have and Have Not, 1944) nach Ernest Hemingway. Faulkner heiratet zweimal, hat mehrere Geliebte und ist beinahe zeitlebens berühmt für seinen übermäßigen Alkoholkonsum. 1949 wird ihm der Literaturnobelpreis verliehen. Faulkner weigert sich zunächst, nach Stockholm zu reisen, aber das amerikanische Außenministerium und seine Familie überreden ihn schließlich mit dem Argument, es wäre eine Schande für Amerika, wenn er es nicht täte. In den 1950er-Jahren arbeitet Faulkner auch als Dozent an Universitäten, vor allem in Charlottesville, Virginia, und wird mit Ehren überhäuft. Zweimal erhält er den Pulitzerpreis (1955 und 1963). 1962 übersteht er noch zwei Reitunfälle, stirbt aber am 6. Juli desselben Jahres an einem Herzschlag.

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