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Malina

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Malina

Suhrkamp,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Ingeborg Bachmanns einziger Roman: Das verstörende Protokoll eines Liebesdreiecks, das tödlich endet.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Das Vermächtnis einer gebrochenen Frau

Im Alter von elf Jahren erlebte Ingeborg Bachmann den Einmarsch von Hitlers Truppen in ihrem Heimatort Klagenfurt. Das Trauma der abrupt verlorenen Kindheit überwand sie nie. Ihr Leben lang schrieb sie mit kraftvoller Poesie für eine bessere Gesellschaft und gegen die Unterdrückung des Individuums. Im Lieben und in der Suche nach dem Glück war sie so kompromisslos wie in ihrem Schreiben. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie Malina, ein stark autobiografisch geprägtes Buch. Vordergründig handelt der Roman von einer Dreiecksbeziehung der namenlosen Erzählerin mit zwei Männern: dem schönen Liebhaber Ivan und ihrem Lebensgefährten Malina. Ivan kann ihrer Liebe letztlich jedoch nicht standhalten, die Erzählerin verzweifelt, und weder die Literatur noch Malina können sie retten; die Männerwelt ist tödlich für sie. Im Roman klingt deutlich der Wunsch nach Selbstzerstörung an, Bachmann spielt mit dem Motiv des Todes durch Verbrennen. Ahnte sie ihr eigenes, an Dramatik kaum zu überbietendes Ende? Deutungen ihrer Schriften lehnte die Autorin zeitlebens ab, sie bevorzugte stilles Nachdenken. Dafür liefert Malina wahrlich Stoff genug - sofern man als Leser ob der wirren Erzählung nicht frühzeitig aufgibt.

Take-aways

  • Malina ist der einzige vollendete Roman der österreichischen Dichterin Ingeborg Bachmann.
  • Das Buch erschien zwei Jahre vor dem aufsehenerregenden Feuertod der bekannten Autorin im Jahr 1973 in Rom.
  • In Malina beschreibt eine namenlose Ich-Erzählerin ihre tragische Liebesgeschichte zu zwei Männern.
  • Der eine, Ivan, ist ihr Liebhaber, den sie mit ihrer grenzenlosen Zuneigung fast erdrückt.
  • Der andere ist ihr Lebensgefährte: Malina. Diese Figur löst sich im Verlauf des Buches auf, Malina wird von einer Person zum zerstörerischen Element im Innern der Erzählerin.
  • Ivan ist oft beschäftigt und kann die Erzählerin nicht so bedingungslos lieben wie sie ihn.
  • Im zweiten Kapitel des Buches blickt die Erzählerin auf eine traumatische Kindheit zurück.
  • In unzähligen Varianten von Horrorträumen wird sie von ihrem Vater hundertfach ermordet.
  • Im dritten Kapitel versucht sie, im Schreiben neue Hoffnung zu finden.
  • Am Schluss des Buches zerbricht mit der Liebe zu Ivan auch der Lebenswille der Erzählerin.
  • Bachmanns Roman ist zum Sinnbild für die Zerstörung des Weiblichen in der bürgerlich-patriarchalischen Gesellschaft geworden.
  • Der Roman ist eine Collage verschiedener Textformen, er enthält absurde Briefe ebenso wie Telefonprotokolle und fantastische Traumerzählungen.

Zusammenfassung

Eine komplizierte Dreierkiste

Die Erzählerin, eine namenlose Schriftstellerin, lebt mit ihrem Partner Malina in der Ungargasse Nr. 6 in Wien. Ihr Liebhaber, der Ungar Ivan, wohnt nur ein paar Häuser weiter. Der sachliche Malina und die sensible Erzählerin sind einander sehr unähnlich. Sie verschwendet gern ihre Zeit mit Nichtigkeiten und Spaziergängen, er geht einem geschäftigen Beruf als Militärhistoriker nach. Die Erzählerin ist eine Melancholikerin, sie erinnert sich besser an ihre erste Ohrfeige als an ihren ersten Kuss. Voller Selbstmitleid beklagt sie ihren Geburtstag.

„Ich: Österreichischer Pass, ausgestellt vom Innenministerium. Beglaubigter Staatsbürgerschaftsnachweis. Augen br., Haare bl., geboren in Klagenfurt, es folgen Daten und ein Beruf, zweimal durchgestrichen und überschrieben (...)“ (S. 8)

Ivan hat sie einmal zufällig kennengelernt, als sie Blumen kaufte und er vor dem Schaufenster stand. Die zwei verliebten sich auf den ersten Blick ineinander. Sie spazierten zusammen zur Post, wo die Frau die erste schmerzhafte Trennung erfuhr: Ivan und sie standen an zwei verschiedenen Schaltern an. Ohne große Worte ging sie danach direkt zu ihm - eine verhängnisvolle Affäre begann. Pausenlos und zwanghaft ruft sie Ivan nun an, seine Nummer ist zu ihrem Lebensinhalt geworden. Sie raucht viel und wartet wie ohnmächtig, vom Liebesfieber befallen, bis er Zeit für sie hat. Vorerst ist das Glück tatsächlich greifbar: Manchmal brauchen die zwei überhaupt nicht zu sprechen, treffen sich wortlos, weil jeder Satz die Aura der Liebe trüben könnte. Bei Ivan scheinen sich alle ihre Probleme aufzulösen. An dem Haus, in dem er wohnt, kann sie kaum vorbeigehen. Tagelang kniet sie erwartungsvoll vor dem Telefon und hofft dabei, dass Malina nicht dahinterkommt. Sie könnte stundenlang mit Ivan telefonieren, doch der Ungar hat oft keine Zeit für sie. Manchmal spielen sie Schach zusammen. Ivan unterstützt sie dabei, damit es zu einem Patt kommt. Nicht nur für das Spiel, auch für ihr Leben gibt er ihr Tipps. Manchmal zuckt sie scheinbar ohne Grund zusammen; Ivan kann ihr Trauma aber nicht erklären, weil sie ihm nichts von sich erzählt. Doch er findet Notizen von ihr, in denen sie sich mit verschiedenen Todesarten beschäftigt.

„Ich muss erzählen. Ich werde erzählen. Es gibt nichts mehr, was mich in meiner Erinnerung stört.“ (S. 20)

Im Büro arbeitet die Erzählerin mit einer Sekretärin zusammen, Fräulein Jellinek, die manchmal die intimen Telefongespräche mit Ivan stört. Sofort wenn das Fräulein gegangen ist, ruft die Erzählerin ihn an. Sie ist kopflos verliebt und rennt ihm immer nach. Seine Aktivitäten mit seinen Kindern und deren Mutter blendet sie aus, ebenso wie seine Abwesenheiten, und dichtet ihm Glückslieder. In ihrer Verliebtheit erfindet die Erzählerin ein Märchen, in dem eine Prinzessin zur Zeit der Völkerwanderungen in fremde Gefangenschaft gerät. Schlaflos harrt das Mädchen seiner Vermählung mit einem alten König, als plötzlich in der Nacht ein Fremder sie ruft. Er versteckt sie unter seinem schwarzen Mantel und führt sie zu einem Rappen. Dann wendet er sich ab und verschwindet. Als die Prinzessin auf ihrer Flucht in ein Moor gerät und vor Erschöpfung fast stirbt, rettet er sie ein zweites Mal vor dem Totenreich. Er schlägt den Mantel über sie und erweckt sie zu neuem Leben. Doch wiederum verlässt er sie, sie muss allein weiterreiten.

„Ich bin glücklich. Wenn Ivan es will, baue ich eine Freudenmauer um ganz Wien herum, wo die alten Basteien waren und wo die Ringstraße ist und meinetwegen auch eine Glücksmauer um den hässlichen Gürtel von Wien.“ (S. 60)

Damit Fräulein Jellinek das Märchen nicht entdeckt, lässt die Autorin die Blätter verschwinden. Die tägliche Arbeit der Frauen besteht darin, Absagen auf Einladungen zu schreiben. Manchmal diktiert die Erzählerin Fräulein Jellinek eine absurde Begründung, manchmal weist sie sie an, zu schreiben, was immer sie wolle. Die fantasievollsten Absagebriefe lässt sie aber im Papierkorb verschwinden. Die Telefonate mit Ivan werden immer ermüdender, doch sobald er nur ein Wort sagt, lässt sie alles liegen und läuft zu ihm. Die beiden trinken zusammen, sie weint sich bei ihm aus. Er benutzt ihr Auto und versucht, sie von ihrem Trauma zu erlösen.

Bröckelndes Glück

Die Erzählerin kocht für Ivan, sie macht sich schön für ihn, und nun will sie ihm auch noch ein Buch schreiben. Dabei ahnt sie mehr und mehr, dass diese Liebesgeschichte böse enden wird. Er signalisiert ihr, dass sie zu stark an ihm hänge. Sie will ihm aber nichts vorspielen. Lieber lässt sie sich von ihm beschimpfen. Malina übrigens ignoriert Ivan total, er verliert nie ein Wort über ihn, beherrscht sich tadellos, steckt den Kopf in den Sand.

„Ich will kein Spiel / Es geht aber nicht ohne Spiel“ (S. 85)

Die Erzählerin empfängt einen Journalisten zum Interview. Während sie in ihren Antworten ständig abschweift, wird der Interviewer immer nervöser. Schließlich bricht er entnervt ab, nachdem seine dilettantischen Fragen von der unpässlichen Autorin erbarmungslos zerpflückt wurden. Ivan versucht weiterhin, ihr Mut zu machen, manchmal beginnt er jedoch, sich in ihrer Anwesenheit zu langweilen. Sie schreibt jetzt gehässige Varianten einer Absage an einen gewissen Herrn Ganz, die sie mit "Eine Unbekannte" unterzeichnet. Die Briefe landen alle zerrissen in ihrem Papierkorb.

„Ein Tag wird kommen, an dem die Menschen die Savannen und die Steppen wiederentdecken, hinausströmen werden sie und ihrer Sklaverei ein Ende machen, die Tiere werden unter der hohen Sonne zu den Menschen treten, die frei sind, und sie werden in Eintracht leben (...)“ (S. 124)

Malina ist ein sehr großzügiger Versorger, er toleriert alle Macken seiner Partnerin und gibt ihr Taschengeld. Nur wenn sie bulgarischen Bettlern ganze Vermögen schenken will, sagt er nein. Sie hütet die zwei Katzen von Ivans Kindern, bis sich Malina und die Haushälterin über den Geruch beschweren. Sie malt sich ein Leben in Eintracht aus, in der Wildnis, ein Leben, in dem kein Mensch je von einem anderen abhängig ist. Ivan stellt seine Freundin seinen Kindern vor, sie gehen zusammen in den Zoo. Je mehr sich die Kinder mit der Erzählerin anfreunden, desto mehr entfremdet sie sich von Ivan selbst.

„Was gehen mich diese Geschichten an. Dir träumt ja.“ (Malina, S. 218)

Auf eine Gratulationskarte antwortet die Autorin mit einer hysterischen Streitschrift gegen Geburtstage. In verschiedenen Briefen kündigt sie ihrer Schwester Lily die Freundschaft, weil diese sich jahrelang nicht gemeldet habe. Ivan beginnt, seine beiden Kinder bei der Erzählerin zu deponieren. Überraschend kündigt er dann an, allein mit den Kindern an den Mondsee zu fahren. Sie dagegen fährt zum Trotz allein zu Freunden an den Wolfgangsee. Dort hält sie den Klatsch der fröhlichen Teerunde jedoch nicht aus und hetzt stattdessen durch den Ort. Deprimiert besucht sie verschiedene Feriengäste, die sie von früher kennt. Sie weiß nichts mehr mit ihnen anzufangen. Ein Brief von Ivan richtet sie auf, obwohl sie ihn gar nicht liest. Immer weniger kann sie den Ferienaufenthalt genießen, sie vergisst Namen und es fällt ihr nichts mehr ein zu den Menschen. Schließlich wird ihr die Situation unerträglich. Sie hat Angst und will sofort nach Hause, per Telegramm wird Malina kontaktiert. Sie leidet unter Platzangst und Geistesabwesenheit.

Grauenhafte Vaterträume

Die Erzählerin beschließt, Malina alles über ihre traumatische Kindheit zu erzählen. Sie beschreibt unzählige Schrecken einer ganzen Albtraumserie, in der ihr Vater stets präsent ist. In immer grausigeren Höllenfahrten quält und foltert der Vater seine Tochter, er führt sie auf den Friedhof der ermordeten Töchter und sperrt sie in eine Gaskammer. Der Vater vergewaltigt sie, verhöhnt sie, zerstört ihre Bücher und bringt sie Dutzende Male um. Sie schreit ohnmächtig um Hilfe, weder Mutter noch Schwester können ihr helfen. Die Fieberträume werden immer schlimmer. Malina hegt und pflegt die Verwirrte. Er reißt die Erzählerin immer wieder aus ihrem Delirium, tröstet und beruhigt sie. Doch sie zweifelt daran, je ihren Frieden zu finden. Während Malina sie umsorgt, sehnt sie sich nach Ivan. Endlos gibt die Erzählerin immer neue Albträume wieder: Sie wird vergiftet, in Eis gefroren und geopfert; sie wünscht sich den eigenen Tod. Eine Vision wiederholt sich in mehreren Varianten: Ihr sadistischer Vater will sie von einem Hochhaus stoßen. Als Malina sie im Traum davor retten will, lehnt sie ab und schickt die Polizei wieder weg. Malina macht sich Sorgen um sie. Immer wenn sie zu Bewusstsein kommt, fragt er sie gezielt über die Hintergründe der Träume aus. Er will wissen, warum sie ihren Vater geschützt hat, warum sie ihn immer noch deckt. Darauf hat sie keine Antwort.

„Ich bin an der Raserei meines Vaters verglüht und gestorben.“ (S. 229)

Die Aussagen der Erzählerin werden immer wirrer. Sie versucht zu lesen, doch Malina nimmt ihr das Buch weg. Als sie einmal aufwacht, konfrontiert Malina sie mit dem Vorwurf, dass sie den Wunsch in sich trage, ermordet zu werden. Weinend beteuert sie, ihren Vater zu hassen. Die einzige Waffe, die selbst im schlimmsten Traum zu funktionieren scheint, ist die Erinnerung an ihre Sätze. Da sich die Sätze in ihrem Kopf vermehren, behält sie ein wenig Hoffnung auf Befreiung.

„Die Männer sind nämlich verschieden voneinander, und eigentlich müsste man in jedem einzelnen einen unheilbaren klinischen Fall sehen (...). Von den Frauen könnte man höchstens sagen, dass sie mehr oder weniger gezeichnet sind durch die Ansteckungen, die sie sich zuziehen, durch ein Mitleiden an dem Leiden.“ (S. 282 f.)

In einem weiteren Fiebertraum beginnt sie, ihren Vater, der manchmal das Gesicht der Mutter annimmt, bei Tisch mit Essen zu bewerfen. Malina rät ihr, ihre Widersacher zu vernichten. Daraufhin bewirft sie den Vater erneut, sucht dann zwar das Gespräch mit ihm, lässt sich aber mit Floskeln abwimmeln. Malina sitzt tapfer weiter an ihrem Bettrand, seine Ruhe geht schließlich auf sie über. Sie hat aber den Glauben an den Frieden verloren, sieht nur noch Gewalt, Kampf, ewigen Krieg.

Briefgeheimnis

Die Erzählerin gesteht eine Schwäche für Briefträger ein, denen sie auch für nicht zugestellte und verlorene Post dankbar ist. Sie bewundert den empfindsamen Briefträger von Klagenfurt, der während des Krieges einfach keine Post mehr ausgetragen hat. Seither kennt und wahrt sie das Briefgeheimnis: Sie verbrennt alte Post, schreibt Briefe nur für sich allein und öffnet oft empfangene Briefe überhaupt nicht. Sie stellt sich vor, einen brennenden Brief mit einem flammenden Plädoyer für das Briefgeheimnis an den Postminister zu schicken.

„Für mich ist nie jemand gestorben und selten lebt jemand, außer auf meiner Gedankenbühne.“ (S. 301)

Ivan kommt nicht mehr oft vorbei, die Erzählerin sitzt allein vor dem Schachbrett. Sie berichtet Malina, dass einst eine Astrologin zwei getrennte Menschen in ihr diagnostiziert habe: eine nicht lebbare Kombination eines männlichen und eines weiblichen Teils. Mit Malina lacht sie darüber, dass sie beide oft für ein Ehepaar gehalten werden. Ihr Vertrauen zu ihm ist jedoch gestört, sie will ihm nichts mehr erzählen. Trotzdem soll er ihr dabei helfen, den Grund für ihr Hiersein zu suchen. Sie reibt sich an der trügerischen Hoffnung einer Erfüllung im Konsum, verhöhnt den Inhalt der Nachrichten in den Zeitungen. Sie macht zweimal einen Psychotest in einer Illustrierten, für jeden ihrer Männer einmal, und Ivan und Malina erreichen dieselbe Punktzahl.

Es war Mord

Sie erzählt Malina von ihrer Zeit in einer Nachrichtenredaktion, als sie die betrügerische Entstehung der Nachrichtenmeldungen miterlebte. Auch damals litt sie unter Ängsten. Malina sagt ihr, sie erzähle die Geschichten anders als früher. Die beiden debattieren über Männer und Frauen. Sie behauptet, dass das Unglück der Frauen unvermeidlich und ganz und gar unnütz sei. Sie bedauert, dass nie ein normaler Mann auf die Idee gekommen sei, dass eine normale Frau ganz normal vergewaltigt werden wolle. Unter einem Vorwand besucht sie Ivan und erzählt ihm von drei Mördern, denen sie im Leben begegnet ist. Sie ahnt, dass ihr bald ein vierter Mörder gegenübertreten wird, von dem sie allerdings nicht sprechen kann.

„In der Wohnung lege ich mich auf den Boden, ich denke an mein Buch, es ist mir abhanden gekommen, es gibt kein schönes Buch, ich kann das schöne Buch nicht mehr schreiben, ich habe vor langem aufgehört, an das Buch zu denken, grundlos, mir fällt kein Satz mehr ein.“ (S. 320)

Malina rät ihr, ihre große Unordnung unbedingt einmal aufzuräumen. Sie zeigt ihm alte Blätter, auf denen der Titel "Todesarten" steht. Sie erzählt Malina Visionen von tödlichen Unfällen, in die sie ihn verwickelt sah. Daraufhin wird er wütend und schlägt sie. Die beiden streiten, einigen sich dann aber darauf, noch auszugehen. Kurz bevor sie aufbrechen, ruft sie Ivan an, nur um zu sagen, sie rufe ihn später noch an.

„Ich verstehe Malina nicht, der jetzt seelenruhig frühstückt, bevor er aus dem Haus geht. Wir werden einander nie verstehen, wir sind wie Tag und Nacht, er ist unmenschlich mit seinen Einflüsterungen, seinem Schweigen und mit seinen gelassenen Fragen.“ (S. 336)

Malina versucht, mehr über die Erzählerin zu erfahren, während sie versucht, Malina zu begreifen. Eines Tages weigert sie sich wegen einer Vorahnung, mit Malina im Café Sacher an einem bestimmten Tisch zu sitzen. Sie spürt, dass am selben Platz Ivan bald mit einer anderen Frau sitzen wird. Zu Hause legt sie sich hin und hat nicht nur Ivan, sondern auch jegliche Lebenskraft und Inspiration verloren. Malina richtet sie noch einmal auf, wobei sie ihn sagen hört: "Töte ihn". Sie denkt daran, sich selbst zu beseitigen. Mit Malina streitet sie über den Zweck des Lebens. Sie kann ihm nicht sagen, was sie froh macht. Ihr Buchprojekt gibt sie auf.

„Ich habe in Ivan gelebt und ich sterbe in Malina.“ (S. 354)

Ivan ist nicht mehr Ivan. Sie merkt, wie er ihr nicht mehr zuhört, er lässt sich von ihr ungeniert ansehen und sagt ihr offen, er finde sie sehr langweilig. Zu Hause kann sie nicht schlafen und hört Malina wieder sagen: "Töte ihn! Töte ihn!" Ivan ruft sie zu einem letzten Rendezvous zu sich. Er findet, er müsse ihr etwas sagen, doch sie will die letzte Gewissheit nicht haben und lässt Ivan ohne das Gesagte gehen. Zu Hause nimmt sie Schlaftabletten, bis Malina sie ihr abnimmt. Sie setzt mehrere Briefe an ihren Anwalt auf, in denen sie ihren letzten Willen bekundet. Sie spürt etwas Feindliches zwischen ihr und Malina. Sie räumt auf, versteckt ihre Briefe und ist bereit zu sterben. Das Telefon klingelt, Malina hebt ab und verleugnet sie. Er zerreißt ihr Vermächtnis und ihre Briefe. Als das Telefon erneut läutet, sagt er, es habe nie jemand anders als Malina hier gewohnt. Die letzten Worte lauten: Es war Mord.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman Malina erweckt den Anschein eines fieberhaften Tagebuchs einer Sterbenden. Ingeborg Bachmann hat die Geschichte in der Ich-Perspektive aufgezeichnet und in drei Kapitel strukturiert. Im ersten beschreibt die Erzählerin den Verlauf ihrer Liebe zu Ivan, dem schönen Ungarn von nebenan. Das zweite Kapitel ist eine Sammlung von Albtraumerzählungen, im dritten erlebt die Lebensmüde eine Steigerung ihres Fiebers. Bachmann verwendet eine Vielzahl eigenwilliger formaler Spielereien. So ist der Einstieg in den Roman recht unkonventionell: Der Text beginnt mit einer steckbriefartigen Personenbeschreibung der Hauptfiguren. Briefe, Dialoge, Telefonprotokolle in Gedichtform und sogar ein Märchen fügen sich zu einer bunten Collage zusammen. Beeindruckend ist Bachmanns poetische Sprache in den Traumsequenzen, wo die Erzählerin ebenso fürchterliche wie faszinierende Welten konstruiert. Dabei ist nie ganz klar, wo die Realität aufhört und wo sie wieder beginnt. Dieses Verwirrspiel mit den verschiedenen Ebenen erreicht im letzten Kapitel seinen Höhepunkt. Die Handlung spitzt sich dort, wie in der Oper, zu einem fulminanten Schluss zu. Der Vergleich mit der Oper liegt schon deshalb auf der Hand, weil Bachmann in die letzten Dialoge Interpretationsanweisungen aus der klassischen Musiktheorie einflicht, wie "crescendo" oder "tempo giusto". Die Erzählerin bleibt im ganzen Roman namenlos, und bis zum Schluss ist es rätselhaft, welche der handelnden Personen existieren und welche vielleicht allein der Fantasie der Erzählerin entsprungen sind.

Interpretationsansätze

  • Der Roman ist die Geschichte der Zerstörung eines weiblichen Ichs - so die feministische Lesart. Diese Zerstörung rührt einerseits von der patriarchalischen Gesellschaft her, kommt andererseits aber auch aus dem Innern der Erzählerin.
  • Der Roman schildert den Kampf des weiblichen Prinzips gegen das männliche: Das weibliche Ich mit seinen Gefühlen, Wünschen und Träumen wird durch das männliche Prinzip - Vernunft, Verpflichtungen und Realismus - ermordet.
  • Malina verkörpert den männlichen, selbstzerstörerischen Teil der Persönlichkeit der Erzählerin. Im Verlauf der Geschichte entwickelt sich Malina von einer realen Männerfigur zu einem spaltenden Element im Kopf der Erzählerin.
  • Die Zerstörung durch die patriarchalische Gesellschaft wird besonders im zweiten Kapitel beschrieben. Der Vater ist dabei das Sinnbild für alles Mörderische der bürgerlichen Ordnung, die jede Kreativität im Keim erstickt.
  • Im historischen Zusammenhang betrachtet, stellen die Traumsequenzen eine Abrechnung mit der faschistischen Vergangenheit Deutschlands und Österreichs dar. Das Entsetzen der "Vaterwelt" - Vernichtung und Folterung von Menschen - wird in packenden Albtraumbildern dargestellt.
  • Die reine Liebe scheint für die Erzählerin die einzige Hoffnung auf ein Überleben in der modernen Welt zu sein. Doch die Hoffnung ist trügerisch und funktioniert nur im Märchen: Am Ende der Liebe ist die Existenz der Erzählerin ohne Zukunft.
  • Im letzten Teil des Buches wird in Dialogen zwischen der Ich-Erzählerin und Malina der Sinn des Schreibens erörtert. Die Bilanz ist pessimistisch: Schreiben kann niemanden heilen und führt letztlich gar zum Tod.
  • Das Buch weist zahlreiche autobiografische Anklänge auf und kann als Psychogramm einer desillusionierten Künstlerin gelesen werden, die ihr eigenes Ende erschreckend genau vorzeichnet.

Historischer Hintergrund

Dichten angesichts der Unmenschlichkeit

Nach den zerstörerischen Jahren des Zweiten Weltkriegs lag in Deutschland auch die Literatur am Boden. Es entbrannte eine Debatte, wie Kunst und Literatur sich angesichts der menschlichen Tragödien des Kriegs und des Holocaust zu verhalten hatten. Der Philosoph Theodor W. Adorno postulierte: "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch." Unmittelbar nach dem Krieg beschäftigten sich viele Schriftsteller mit den traumatischen Erlebnissen der Vergangenheit. In dieser "Trümmerliteratur" war die Kritik an der zeitgenössischen Gesellschaft zweitrangig und wurde ausgeblendet. Weil eine junge Generation von Autoren und Autorinnen fehlte, bestand einige Jahre lang ein regelrechtes literarisches Vakuum. Bald wurde diese Lage jedoch als Chance für einen radikalen Neuanfang wahrgenommen, es schlug die "Stunde Null" der modernen deutschsprachigen Literatur. Vor diesem Hintergrund schlossen sich einige Autoren zur "Gruppe 47" zusammen und pflegten eine neue junge Literatur. Zu diesem losen Verbund gehörten neben vielen anderen Alfred Andersch, Heinrich Böll, Uwe Johnson, Martin Walser und Günter Grass; Ingeborg Bachmann erlebte bei einer Lesung der Gruppe 47 ihren literarischen Durchbruch. Die Gruppe hatte kein festes Programm, es ging ihr vor allem um die Förderung der jungen deutschen Literatur. In gegenseitiger Kritik, in Debatten, Lesungen und Tagungen wurde ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Ab Anfang der 60er Jahre wurde auch wieder vermehrt Kritik an der Gesellschaft gepflegt, und Adornos These vom Ende der Kunst wurde diejenige von der Literatur als Utopie entgegengehalten. Dieser These zufolge haben Schriftsteller die Pflicht, allen Rückschlägen zum Trotz am Entwurf einer besseren Gesellschaft mitzuarbeiten.

Entstehung

Ingeborg Bachmann führte von 1958 bis 1963 eine schwierige und wechselhafte Beziehung mit dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch, den sie in Paris kennengelernt hatte. Als das Paar definitiv auseinanderging, erlitt die Autorin einen psychischen Zusammenbruch. Sie zog zunächst nach Berlin und lebte später vor allem in Rom. 1961 veröffentlichte sie den Erzählband Das dreißigste Jahr und verabschiedete sich damit von der Lyrik, mit der sie in den 50er Jahren Furore gemacht hatte. In den 60ern widmete sie sich nun ganz der Prosa. Ihr Hauptthema, das schon in den ersten Erzählungen dominierte, war die Zerstörung der weiblichen Identität in der bürgerlichen Gesellschaft. Vermutlich bereits 1962 skizzierte Bachmann das Projekt einer Trilogie der Todesarten. Damit wollte sie die Zerstörung des Individuums in der Gesellschaft kritisieren und versuchen, eine Utopie des Glücks dagegenzusetzen. Trotz dieses Vorsatzes blieb es lange still um die Autorin. Ab 1964 widmete sie sich fast ausschließlich der Ausarbeitung ihres ersten Romans, ohne jedoch zu einem Abschluss zu kommen. Der Druck seitens ihres Verlags wurde größer. Bachmann fand schließlich mit Suhrkamp einen neuen Verlag, in dem 1971 schließlich Malina erschien, der erste Roman der geplanten Todesarten-Reihe. Nach der Veröffentlichung unternahm Bachmann eine Vortragsreise nach Polen, wo sie auch das Konzentrationslager in Auschwitz besuchte. Ihr Tod im Herbst 1973 verhinderte die Fertigstellung der Trilogie, Fragmente der weiteren Texte wurden posthum veröffentlicht.

Wirkungsgeschichte

Die Kritiker hatten lange ungeduldig auf den ersten Bachmann-Roman gewartet. Als das Buch endlich erschien, wurde Malina vorerst als pointiert antimodisches Buch gelesen. Im Kontext der sehr politisierten 68er-Zeit erschien der Roman so manchem Kritiker als belangloser Rückzug ins Private, als unmotivierter Exhibitionismus der Seele. Das Buch wurde gar des Anachronismus bezichtigt und die Kritik sprach vom Scheitern der als Lyrikerin und Erzählerin bekannt gewordenen Autorin an der Gattung Roman. Nach ihrem aufsehenerregenden Tod zwei Jahre später veränderte sich die Lesart des Buches. Vor dem Hintergrund des vermuteten Freitods der Bachmann wurde der Roman nun immer häufiger als autobiografische, existenzielle Selbstergründung einer verzweifelten Autorin gedeutet, deren Schicksal als Frau sie in die Selbstzerstörung trieb. Die Kritik der späten 70er Jahre attestierte dem Roman auch feministische Züge, die seiner Zeit weit voraus gewesen seien. Nach und nach verlagerte sich der Schwerpunkt der Bachmann-Forschung von der Lyrik zur Prosa. Die schillernde Biografie der Autorin hat Malina zu einer nachhaltigen Aufmerksamkeit verholfen. Das Buch bietet für die Literaturwissenschaft noch heute ein ganzes Arsenal an Anlässen für kontroverse Diskussionen.

1990 wurde Malina von Werner Schroeter verfilmt. Das Drehbuch dazu schrieb Elfriede Jelinek, Bachmanns Landsfrau und literarische Schwester. Die weibliche Hauptrolle verkörperte eindringlich Isabelle Huppert, während Mathieu Carrière einen unterkühlten Malina gab. Der unkonventionelle Film mit einer hypernervösen, ständig rauchenden Hauptdarstellerin löste bei der Premiere in Cannes 1991 heftige Diskussionen unter den Kritikern aus.

Über die Autorin

Ingeborg Bachmann kommt am 22. Juni 1926 in Klagenfurt zur Welt. Den Einmarsch von Hitlers Truppen erlebt sie als Elfjährige. Die Todesangst bewirkt einen tiefen Einschnitt in ihre Kindheit und wird ihr gesamtes Leben und Werk beeinflussen. Mit dem Schreiben beginnt sie nach eigener Aussage „in einem Alter, in dem man Grimms Märchen liest“. Nach dem Krieg studiert sie in Wien Philosophie, Psychologie und Germanistik. Ab 1950 arbeitet Bachmann als Redakteurin beim Österreichischen Rundfunk. Sie publiziert erste Gedichte. 1952 verliebt sie sich in den gleichaltrigen Komponisten Hans Werner Henze, für den sie verschiedene Opernlibretti schreibt (unter anderem Der Prinz von Homburg und Der junge Lord). 1953 erhält sie für ihre Lyrik den Preis der Gruppe 47 und wird auf einen Schlag berühmt. Ihre bekanntesten Gedichtbände sind Die gestundete Zeit (1953) und Anrufung des Großen Bären (1956). Bachmann geht als freie Schriftstellerin nach Italien und lebt abwechselnd in Zürich und Rom. Zwischen 1958 und 1963 unterhält sie eine turbulente Liebesbeziehung mit Max Frisch, die schließlich an der verletzten Eitelkeit des Schriftstellers und an der radikalen Unbedingtheit von Bachmanns Liebe scheitert. In den 1960er-Jahren wendet sich die einstige Lyrikerin und Hörspielautorin ganz der Prosa zu. Sie wird mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis 1964 und dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur 1968. Drei Jahre später erscheint Malina, der erste Teil einer geplanten Romantrilogie, deren weitere Teile, die nur als Fragmente erhalten sind, Der Fall Franza (postum veröffentlicht 1976) und Requiem für Fanny Goldmann (1979) heißen. In der Nacht vom 25. auf den 26. September 1973 nimmt die Schriftstellerin Schlafmittel und legt sich ins Bett, das von einer brennenden Zigarette in Brand gesteckt wird. Bachmann stirbt am 17. Oktober an den schweren Verbrennungen. Der seit 1977 in Klagenfurt in einer mehrtägigen Live-Veranstaltung verliehene Ingeborg-Bachmann-Preis zählt zu den bedeutendsten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum.

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