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Die Verschwörung des Fiesko zu Genua

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Die Verschwörung des Fiesko zu Genua

Ein republikanisches Trauerspiel

Suhrkamp,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Die Geschichte eines gescheiterten Staatsstreichs: Schillers Mahnung an die Herrschsüchtigen dieser Welt.

Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Sturm und Drang

Worum es geht

Fiesko – ein moderner Held

„Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.“ Selten hat ein Gauner den anderen so scharfsinnig durchschaut wie der verschlagene Hassan seinen Chef in Schillers Drama Die Verschwörung des Fiesko zu Genua. Denn Fiesko hat sich zum Master of the Universe aufgeschwungen, der seine Mitmenschen wie Puppen für sich tanzen lässt und sie nach Gebrauch wie ein schmutziges Taschentuch fallen lässt – bis er selbst fallen gelassen wird, im wörtlichen Sinn. Das Stück durchdringt ein solches Pathos, dass sich schon Schillers Zeitgenossen die Fußnägel aufrollten. Ein Regisseur, der bei der ersten Vorlesung des Stücks zugegen war, bezeichnete es gar als das „Allerschlechteste“, was er in seinem Leben gehört habe – nach der Lektüre des Textes revidierte er jedoch sein Urteil und machte Schillers schwäbisch geprägtes Deklamieren für die ungünstige Wirkung verantwortlich. Mit der Titelfigur erschuf Schiller in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen faszinierenden und erstaunlich modernen Helden, wie er uns in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft bis heute begegnet.

Take-aways

  • Die Verschwörung des Fiesko zu Genua ist eine Tragödie aus Schillers Sturm-und-Drang-Zeit.
  • Inhalt: Genua im Jahr 1547. Noch regiert der greise Andreas Doria, aber sein tyrannischer Neffe schickt sich an, die Macht an sich zu reißen. Graf Fiesko plant mit einer Gruppe von Verschwörern, die Dorias zu stürzen. Insgeheim strebt er aber selbst nach der Herzogskrone. Am Ende tötet er aus Versehen seine geliebte Frau und wird von einem überzeugten Republikaner im Meer ertränkt.//
  • //Schiller verarbeitet im Stück historische Begebenheiten, jedoch ohne Rücksicht auf historische Wahrhaftigkeit.
  • Die Geschichte dient ihm als Kulisse für aufrüttelnde, emotionale Charakterstudien.
  • Fiesko ist ein typischer gemischter Charakter: Er ist grausam und liebenswürdig, faszinierend und verwirrend und trägt Züge des zu Schillers Zeit so verehrten Genies.
  • Der Autor kritisiert den Vernunftbegriff der Aufklärung, die den modernen Menschen zur Maßlosigkeit verführt.
  • Zur Entstehungszeit war Schiller auf der Flucht vor seinem eigenen Despoten, Herzog Karl Eugen.
  • Die erste Vorlesung des Fiesko geriet zum Fiasko: Unstimmige Handlung, schwülstiger Stil, so das Urteil seiner Freunde.
  • Bis heute steht das Stück unter Theatermachern im Ruf, ein harter Brocken zu sein.
  • Zitat: „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.“

Zusammenfassung

Dolce Vita und bittere Tränen

Gräfin Leonore reißt sich verzweifelt die Maske vom Gesicht. Ihr Mann Fiesko, der Graf von Lavagna, hat auf dem Ball vor ihren Augen mit der verführerischen Witwe Julia Imperiali geflirtet, die in ganz Genua als Kokotte verschrien ist. Und Leonore trauert nicht nur um ihren Gemahl, sondern auch um ihre Stadt. Denn wie so viele hatte sie sich von Fiesko die Befreiung Genuas erhofft. Der regierende Doge Andreas Doria ist zwar ein hochgeschätzter Mann. Doch der 80-jährige Greis hat seinen grobschlächtigen Neffen Gianettino, Julias Bruder, als Nachfolger auserkoren. Was aber soll aus Genua werden, wenn Fiesko die Schwester eines Tyrannen anbetet?

„Leben heißt Träumen; Weise sein (...) heißt angenehm träumen. (...) Gianettino Doria mag über Genua herrschen. Fiesko wird lieben.“ (Fiesko, S. 24)

Fiesko kümmert das offenbar wenig. Als Zeichen seiner Verehrung überreicht er Julia eine Halskette mit dem Scherenschnitt seiner Frau, worauf sie ihm triumphierend ihr eigenes Bild zusteckt. Zur Feier ihrer Liebe ruft er ein rauschendes Fest aus. Gianettino betrinkt sich bei dieser Gelegenheit und wird von einer heftigen Lust auf Bertha gepackt, die einzige Tochter des Republikaners Verrina. Der Hofmann Lomellin verspricht Gianettino, ihn im Austausch für den angesehenen Posten des Prokurators mit ihr bekannt zu machen, warnt ihn aber zugleich davor, sich an dem Mädchen zu vergreifen. Dem Wüstling ist das egal. Er möchte den Republikanern seine Macht beweisen. Inzwischen redet Verrina Fiesko ins Gewissen und erinnert ihn an seine staatspolitischen Pflichten. Der Graf interessiert sich aber nur für Wein, Weib und Gesang. Gedanken an die Politik schüttelt er ab. Als der Jüngling Bourgognino ihn zum Duell auffordert, um Leonores beschmutzte Ehre zu rächen, zeigt Fiesko sich plötzlich von einer anderen Seite: Er verweigert sich dem Kampf und legt Bourgognino beim Abschied nahe, die tieferen Beweggründe seines Verhaltens zu erforschen.

Ein Fluch soll Rettung bringen

Gianettino misstraut dem charismatischen Fiesko und beauftragt Muley Hassan, einen Mohren, ihn zu töten. Doch Fiesko entreißt dem gedungenen Mörder die Waffe und spannt den Gauner nun für seine Sache ein. Er schickt ihn mit einem Sack voll Geld los, damit er die Genueser ausspioniere und ihm das Gerede über die Dorias und die Gerüchte über sein eigenes Lotterleben zutrage.

„Bei Gott! (...) ich hab einen Eid getan, und werde mich meines Kindes nicht erbarmen, bis ein Doria am Boden zuckt (...)“ (Verrina, S. 40)

Verrina erwartet zu Hause eine Schreckensnachricht: Gianettino hat Bertha überfallen und vergewaltigt. Der Vater ist außer sich und schwört blutige Rache. Als dann auch noch Bourgognino fröhlich hereinplatzt und um Berthas Hand anhält, fragt Verrina diesen kalt, ob er sich wirklich mit den schmutzigen Überresten seiner Tochter zufrieden geben wolle. Um Berthas Schicksal und das seiner Heimatstadt miteinander zu verknüpfen, spricht er einen fürchterlichen Fluch aus: Bertha solle so lange im Kerker bleiben, bis Gianettino getötet, ihre Ehre wiederhergestellt und Genua befreit sei. Sogleich schwören drei junge Genueser, unter ihnen auch Bourgognino, den Tyrannen umzubringen.

„Hänge dich an die Töchter der Freude. Die Geheimnisse des Kabinets stecken sich gern in die Falten eines Weiberrocks.“ (Fiesko zum Mohr, S. 68)

Julia besucht Leonore, um deren Eifersucht nach allen Regeln der Kunst anzustacheln. Sie verspottet die Gräfin als farblose, langweilige und frigide Person, die ihrem feurigen, weltläufigen Ehemann in keiner Weise gewachsen sei. Leonore pariert ruhig und schlagfertig – bis Julia ihr mit boshaftem Lachen den Schattenriss überreicht, den sie von Fiesko erhalten hat. Leonore ist tief gekränkt. Der Schürzenjäger Kalkagno wittert nun seine Chance, sich an die enttäuschte junge Frau heranzumachen. Doch er hat nicht mit Leonores Tugendhaftigkeit gerechnet. Empört weist sie ihn zurück.

Der Löwe auf dem Weg zum Monarchen

Die ganze Stadt sei im Hass auf die Dorias vereint, berichtet der Mohr seinem Auftraggeber, doch ihren ehemaligen Hoffnungsträger Fiesko verspotteten die Genueser als genusssüchtigen Narren. Der Graf ist entzückt. Als dann vom Rathaus her Geschrei zu hören ist, befiehlt er seinem Gehilfen, sich unter die Menge zu mischen und den Menschenstrom zu ihm zu lenken. Schon stürmen die ersten aufgebrachten Adligen herein und berichten, was geschehen ist: Gianettino hat Lomellin rechtswidrig zum Prokurator ernannt, indem er einen Wahlzettel mit dem Schwert durchstieß und für nichtig erklärte. Zwölf Handwerker, Vertreter des aufgebrachten Volkes, kommen zu Fiesko und fordern ihn auf, Gianettino zu beseitigen. Anstatt darauf einzugehen, erzählt der Graf eine Fabel: Einst stürzte die Gemeinschaft der Tiere einen tyrannischen Fleischerhund und suchte nach der idealen Regierungsform. Die Volksdemokratie wurde als Herrschaft der Feigen und Dummen verworfen, ebenso das von Korruption und Misswirtschaft durchsetzte Abgeordnetensystem. Am Ende – und bei diesen Worten tritt Fiesko hoheitlich unter die Menge – ernannten die Tiere einen genuesischen Löwen zum Monarchen. Alle jubeln ihm zu. Fiesko fordert die Menschen auf, über den Löwen nachzudenken, und schickt sie nach Hause. Nachdem sie weg sind, täuscht er einen Anschlag auf sein Leben vor, indem er sich von Hassan den Arm aufritzen lässt. Die allgemeine Empörung, so kalkuliert er, werde ihm ganz Genua in die Arme treiben.

Vom Schein zur Tat

Der alte Doria ist außer sich. Er schimpft seinen Neffen Gianettino wegen des Vorfalls im Rathaus einen Gesetzesbrecher und Hochverräter und lässt durchblicken, dass nur die Familienbande ihn vor der gerechten Strafe bewahre. Der Alte geht ab und der Jüngere kocht vor Wut. Dann erscheint Lomellin mit der Nachricht, dass Gianettinos gescheiterter Mordanschlag auf Fiesko publik geworden sei. Das Opfer habe den Mohren begnadigt und lasse sich nun von der Masse als großmütiger Held feiern. Gianettino bleibt gelassen. Er plant mit der Unterstützung des Kaisers seinen eigenen Coup und diktiert nun Lomellin die Namen der zwölf genuesischen Fürsten, die er bei der Dogenwahl in zwei Tagen umbringen lassen will, um sich anschließend zum Monarchen ausrufen zu lassen.

„Geh! – Deine Arbeit ist Gaukelwerk – der Schein weiche der Tat – Ich habe getan, was du – nur maltest.“ (Fiesko zu Romano, S. 72)

Auch Fiesko hat sich heimlich um Verstärkung bemüht. 2000 Mann werden sich, als Pilger oder Musikanten verkleidet, in die Stadt schleichen und in seinem Palast versammeln. Unter dem Vorwand, gegen die Türken in den Kampf ziehen zu wollen, hat er vier Galeeren im Hafen stationiert. Dem Mohren trägt er auf, in den Freudenhäusern der Stadt zu spionieren, um die Geheimnisse seines Feindes abzufangen. Verrina weiß von alldem nichts und möchte Fiesko mithilfe eines Gemäldes zur Besinnung bringen. Thema des Bildes ist die Legende eines römischen Vaters, der seine jungfräuliche Tochter lieber erstach, als sie einem Tyrannen auszuliefern. Fiesko gibt sich zunächst beeindruckt, doch dann liegt Verachtung in seiner Stimme. Den Maler Romano bezeichnet er als Gaukler und Leinwandhelden. Sich selbst gibt er als Mann der Tat zu erkennen, der nur zum Schein die Maske des Hedonisten trug. Ein feierlicher Schwur besiegelt den Bund der Verschwörer, dann bleibt Fiesko mit seinen Gedanken allein. Er fühlt sich hin- und hergerissen zwischen freiheitlichen Idealen und dem brennenden Ehrgeiz, nach der absoluten Macht zu greifen. Schließlich behält der Republikaner in ihm die Oberhand.

Wenn ich Herzog von Genua wär

Verrina teilt Bourgognino in derselben Nacht seinen einsamen Entschluss mit, Fiesko unmittelbar nach Dorias Sturz zu töten, um die Stadt vor einem noch furchtbareren Tyrannen zu bewahren. Tatsächlich hat Fiesko sich die Sache schon beim Morgengrauen anders überlegt: Er berauscht sich an der Aussicht, aus luftiger Höhe über die Schicksale der Menschen bestimmen zu können, und beschließt, Herzog von Genua zu werden.

„Ein Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen ist göttlich. Geh unter Tyrann! Sei frei Genua, und ich dein glücklichster Bürger!“ (Fiesko, S. 75)

Der Mohr hat als Spion ganze Arbeit geleistet und überbringt seinem Herrn die Liste mit den zwölf Todeskandidaten Gianettinos. Darauf ist auch Fiesko aufgeführt. Dieser muss nun dem Feind zuvorkommen. Mit seinen Mitverschwörern bespricht er die Details. Beide Dorias, der gute Alte ebenso wie sein böser Neffe, sollen im offenen Kampf fallen. Fiesko verteilt die Rollen und verlangt absoluten Gehorsam. Dann befiehlt er dem Mohren, alle zwölf Todeskandidaten zu einer Theatervorstellung in seinen Palast einzuladen und sich von nun an nicht mehr blicken zu lassen. Hassan ahnt, dass seine Tage unter Fiesko, dem Herzog, gezählt sein dürften. Und überlegt, wie es wohl wäre, wenn er abermals die Seiten wechseln und den alten Doria vor dem drohenden Unheil warnen würde ...

Macht oder Liebe

Fiesko holt Julia persönlich zur Abendveranstaltung ab. Ihrem Bruder Gianettino teilt er bei dieser Gelegenheit mit, dass er gegen die Türken segeln werde. Beide glauben, ihr Gegenüber erfolgreich getäuscht zu haben. Als die ersten Gäste zur angekündigten Komödie in Fieskos Palast eintreffen, müssen sie zu ihrer Verwunderung feststellen, dass sie selbst im Stück mitspielen sollen. Fiesko ruft die genuesischen Adligen mit flammenden Worten zum Tyrannensturz auf und zeigt ihnen Gianettinos Todesliste. Doch als Kalkagno mit der Nachricht vom Verrat des Mohren hereinplatzt, verlässt die stolzen Männer der Mut. Fiesko bewahrt als Einziger die Fassung – bis sich herausstellt, dass Andreas Doria dem Wort des Gauners keinen Glauben geschenkt hat und lieber auf seine Freundschaft zu Fiesko vertraut. Fiesko fühlt sich von der Gutmütigkeit des Alten entwaffnet und möchte aufgeben. Verrina droht ihm daraufhin mit seiner Verhaftung, sollte er die Verschwörung nicht wie geplant durchführen. Fiesko willigt ein.

„Den Tyrannen wird Fiesko stürzen, das ist gewiß! Fiesko wird Genuas gefährlichster Tyrann werden, das ist gewisser!“ (Verrina, S. 77 f.)

Aber zuvor hat er noch eine Rechnung offen: Hinter einem Vorhang versteckt darf Leonore zusehen, wie er Julia in einem meisterhaften Katz-und-Maus-Spiel dazu bringt, ihm auf Knien ihre Liebe zu gestehen. Dann nimmt er seine Frau triumphierend in die Arme. Julia schreit zetermordio, und selbst Leonore bittet ihren Mann um Nachsicht. Das hält Fiesko nicht davon ab, Julia den übrigen Verschworenen vorzuführen und damit seine befleckte Ehre reinzuwaschen. Leonore aber schwant Böses. Sie weiß, wie dünn die Luft in monarchischer Höhe ist und dass dort für Liebe und Erbarmen kein Platz ist. Sie fleht ihn an, mit ihr zu fliehen, alles wegzuwerfen und nur noch für die Liebe zu leben. Fast scheint es, als hätte sie ihren Fiesko überzeugt. Da ertönt der Kanonenschuss als Zeichen zum Beginn des Aufstands. Die Verschworenen treten ein und Leonore fällt in Ohnmacht.

Hoch geflogen, tief gefallen

Fiesko versucht im letzten Moment, Andreas Doria zu retten: Er zieht vor dessen Palast und warnt den Alten mit verstellter Stimme vor der Gefahr, die ihm von Fiesko drohe. Vergeblich: Doria ist so sehr vom Edelmut des Freundes und seiner eigenen Beliebtheit unter den Genuesern überzeugt, dass er sich beruhigt schlafen legt. In der Stadt wird derweil bereits heftig gekämpft. Bourgognino tötet Gianettino und schickt Bertha das blutige Schwert als Zeichen ihrer Befreiung. Nun begreift der alte Doge Andreas, dass er sich getäuscht hat, und entschließt sich zur Flucht. Auch Leonore lässt sich vom revolutionären Eifer anstecken. Sie glaubt, den aufrichtigen Republikaner in Fiesko verkannt zu haben, und stürzt sich als Mann verkleidet in die Schlacht. Mitten im Getümmel stößt sie auf Gianettinos Leichnam, wirft sich dessen Mantel um und nimmt sein Schwert in die Hand, erfüllt von dem Gedanken, dass der revolutionäre Held am Ende eine römische Heldin umarmen soll.

„Gehorchen und Herrschen! – Sein und Nichtsein!“ (Fiesko, S. 79)

Fiesko aber ist sich seiner Sache alles andere als sicher: Jemand will Gianettino lebend gesehen haben. Außerdem hat der Mohr mit einer Gaunerbande die Stadt in Brand gesetzt. Als man Fiesko den Brandstifter vorführt, überliefert er diesen unverzüglich dem Galgen. Dann taucht plötzlich eine Person in Gianettinos rotem Mantel auf. Wütend stürzt Fiesko sich auf sie und sticht sie nieder. Ohne sein Opfer näher zu betrachten, lässt er sich von der Menge als Tyrannenmörder und Herzog von Genua hochleben. Dann erkennt er, dass er seine Frau getötet hat. Verzweifelt schreit er sein Leid heraus. Er fühlt sich vom Schicksal betrogen: Erst hebe es ihn in den Himmel hinauf, um ihn dann so tief fallen zu lassen. Weinend presst er sein Gesicht an die Leiche. Dann aber steht er gefasst auf und verkündet, dass er die Herausforderung des Schicksals annehme und Genua ein Fürst sein werde, wie man in Europa noch keinen gesehen habe.

Ein Schlag ins Wasser

Der flüchtige Andreas Doria kehrt nach kurzer Zeit wieder um. Der Jubel, der aus der Stadt hallt, stört ihn nicht. Er ist überzeugt davon, dass seine Kinder, die Genueser, einen 80-Jährigen schon nicht zum Teufel jagen werden. Verrina bereitet sich inzwischen auf seine letzte Tat vor. Der frischgebackene Herzog wird von ihm frostig empfangen. Fiesko zieht alle Register, um den Republikaner für sich zu gewinnen: Er schmeichelt, verspricht Freundschaft, fürstliche Geldgeschenke und herzogliche Großmut – alles ohne Erfolg. Schließlich lockt Verrina ihn unter einem Vorwand zu den Galeeren ans Meer und bittet ihn auf Knien, den Purpurmantel wegzuwerfen. Fiesko denkt überhaupt nicht daran. Daraufhin stößt Verrina ihn ins Wasser. Dann macht er sich auf, Andreas zu treffen, dem sich das Volk bereits wieder zuwendet.

Zum Text

Aufbau und Stil// Der Fünfakter Die Verschwörung des Fiesko zu Genua //folgt äußerlich den Vorgaben der klassischen Dramentheorie: Erst werden die Charaktere eingeführt, dann steigert sich die Spannung bis zum Höhepunkt, es kommt zum Umschwung und schließlich zur Katastrophe. Sprachstil und Handlungsführung sind hingegen ein einziger Angriff auf die damaligen Konventionen: Nicht nur eine Verschwörung, sondern drei parallele sowie weitere sich überkreuzende Intrigen treiben das Geschehen in 75 temporeichen Einzelszenen voran. Schillers Prosa erscheint wie ein buntes Gemälde, auf dem sämtliche Schattierungen der menschlichen Psyche zur Geltung kommen: Egal ob dumpfe Gewaltlust, naive Unschuld, erhabener Edelmut, rasende Leidenschaft, reine Liebe, tückische List oder kompromisslose Ideentreue – von allem ist etwas dabei und wird mit viel Pathos, großen Metaphern und rhetorischen Fragen in Szene gesetzt. In dieser komplizierten emotionalen Gemengelage wirkt vieles übertrieben und manches unglaubwürdig, darunter vor allem die karikaturhaft überzeichneten Frauenfiguren.

Interpretationsansätze

  • Fiesko ist ein typischer gemischter Charakter: Er wirkt grausam und liebenswürdig, faszinierend und verwirrend. Er trägt Züge eines Genies, einer Figur also, die Schillers Epoche des Sturm und Drang – auch Geniezeit genannt – stark geprägt hat. In diesem Kontext ist ein Genie ein Mensch, der sich über die gemeinen Sterblichen erhebt, aus schwindelnden Höhen das dröge Durchschnittsdasein verhöhnt und letztlich am eigenen Egoismus scheitert.
  • Ansonsten wird das Stück von eindimensionalen Figuren bevölkert: Gianettino als gewalttätiger Tyrann, Leonore als reine Tugend, Julia als verschlagenes Weibsstück. Fiesko instrumentalisiert sie alle für seine Zwecke. Nur der opportunistische Mohr und der prinzipientreue Republikaner Verrina durchschauen sein Spiel.
  • Macht und Moral, Politik und Privates, Herrschen und Lieben erscheinen als sich ausschließende Gegensätze. Leonore stellt Fiesko vor die Wahl: unglücklicher Tyrann oder glücklicher Geliebter, Herzogskrone oder Weltflucht? Er entscheidet sich für den Verstand und gegen die Liebe.
  • Im Scheitern Fieskos kann man eine Kritik am einseitigen Vernunftbegriff der Aufklärung sehen und damit an einer Welt, in der sich die Klügsten und Besten zu Puppenspielern aufschwingen und meinen, über der Moral, dem Gemeinwohl und den Gefühlen zu stehen.
  • Schiller entlarvt die optimistische Geschichtsauffassung der Aufklärer als naiv. Sinnbildlich hierfür steht die Fabel, mit deren Hilfe Fiesko die Handwerker von den Vorzügen der Monarchie überzeugt: Was nützen die fortschrittlichsten Modelle des Staatswesens und der Gewaltenteilung, wenn das ungebildete Volk bei der nächstbesten Gelegenheit einem Despoten auf den Leim geht?
  • Die Sprache formt das Denken und Handeln des Menschen durch den sinnlichen Akt des Sprechens permanent neu: Fiesko durchlebt diese Wandlung in den pathetischen Monologen, die ihn vom „glücklichsten Bürger“ Genuas zum donnernden Monarchen werden lassen.
  • Geschichtliche Wahrhaftigkeit interessiert Schiller kaum: Sein Stück weicht in vielen Details von der historischen Wahrheit ab. Eine „einzige große Aufwallung“, so Schiller in seiner Nachrede zur Bühnenfassung, wiege beim Zuschauer die historische Genauigkeit auf.

Historischer Hintergrund

Sturm und Drang: Gefühlstiefe statt Geschichtstreue

Das historische Vorbild für die Figur des Fiesko war Giovanni Luigi de Fieschi, der ebenso listige wie charismatische Graf, der 1547 einen Aufstand gegen die in Genua herrschende Doria-Familie anzettelte und kurz vor seinem großen Triumph als erst 23-Jähriger im Meer ertrank. Der historische Verrina war allem Anschein nach kein Widersacher Fieschis, sondern er unterstützte ihn bei dessen Vorhaben, die Herzogskrone zu erlangen. Schiller wich also in manchen Punkten von der historischen Wahrheit ab, es ging ihm viel mehr darum, die Zuschauer emotional zu packen.

Gründe dafür gab es aus seiner Sicht genug: In den feudalen Kleinstaaten Deutschlands herrschten zur Entstehungszeit 1782 absolutistische Despoten, Willkür und Unterdrückung waren allgegenwärtig. In den Augen der 20- bis 30-jährigen Stürmer und Dränger hatten auch die Aufklärer dem verhassten Status quo nichts entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Deren maßvoller Rationalismus legte ihnen neben den politischen auch noch emotionale Fesseln an. Die jungen Wilden wollten diese zerreißen und das Individuum in all seiner Herrlichkeit und Schäbigkeit aus der selbst verschuldeten Gefühllosigkeit befreien. Dazu waren ihnen alle Mittel recht: Sie brachen gesellschaftliche Tabus, zertrümmerten literarische Formen und versetzten ihr Publikum abwechselnd in Schrecken und Ekstase.

Entstehung

Schiller, als Regimentsarzt in Stuttgart angestellt, war im Mai 1782 zum zweiten Mal ohne Erlaubnis nach Mannheim gereist, um eine Aufführung seines Erstlings Die Räuber zu sehen – und wurde dafür vom Herzog Karl Eugen zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt. Während der Haft schrieb er intensiv am Fiesko. Den Charakter der Titelfigur hatte der von ihm verehrte Jean-Jacques Rousseau als einen der merkwürdigsten in der Geschichte bezeichnet. Nach dem Vorbild von Plutarchs Parallelbiografien und Sallusts Verschwörung des Catalina wollte Schiller die geschichtlichen Ereignisse als Kulisse für Charakterstudien nutzen. Er konzipierte Fiesko als zwiespältige Figur, zerrissen zwischen hohen Idealen und niedrigen Machtgelüsten. Das führte dazu, dass er bis kurz vor der Fertigstellung des Stücks selbst nicht wusste, ob der Held als Tyrann oder als Freiheitskämpfer enden würde.

Sein Schreibeifer hatte auch noch andere Gründe: Er hatte Schulden und erhoffte sich offenbar eine Festanstellung am Mannheimer Theater. Nach dem von Karl Eugen erlassenen Publikationsverbot flüchtete er Ende September mit dem unvollendeten Manuskript in der Tasche dorthin und las seinen Freunden voller Erwartung daraus vor. Die Reaktion war vernichtend. Der Regisseur Wilhelm Christian Meyer mochte nicht glauben, dass der Urheber dieses „erbärmlichen, schwülstigen Zeugs“ mit dem genialen Erschaffer der Räuber identisch war. Zwar räumte er nach der Lektüre ein, dass der negative erste Eindruck Schillers pathetischem und zudem schwäbelnden Vortrag geschuldet gewesen und es in Wahrheit ein Meisterwerk sei. Doch der Theaterintendant Wolfgang Heribert von Dalberg lehnte es schlichtweg als bühnenuntauglich ab. Im April 1783 erschien die Buchausgabe des Stücks, das im Juli in Bonn uraufgeführt wurde. Schiller aber hatte das Mannheimer Fiasko nicht vergessen. Anfang 1784 versuchte er dort mit einem geänderten Schluss erneut sein Glück. In dieser Bühnenfassung ließ er den zum Republikaner gewandelten Fiesko am Leben. Der Held schließt mit den Worten: „Den Monarchen hab’ ich euch geschenkt, umarmt euren glücklichsten Bürger!“

Wirkungsgeschichte

Wirklich glücklich scheinen die Mannheimer Bürger damit nicht gewesen zu sein, wie Schiller einem Freund schrieb: „Den Fiesko verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hierzulande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name – in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches Blut.“ Doch nicht nur die Pfälzer taten sich schwer: Der Schauspieler August Wilhelm Iffland bemängelte etwa die Nachahmung von „Shakespeares Fehlern“, darunter die vielen verwirrenden Nebenschauplätze und die Überfrachtung der Sprache mit Bildern und Gleichnissen. Einige Zeitgenossen kritisierten das Werk als unstimmig und brüchig. Friedrich Hölderlin dagegen lobte 1799 in einem Brief an den Autor den „innern Bau, die ganze lebendige Gestalt“, die er mehr noch als die „glänzenden Situationen und magischen Farbenspiele der Sprache“ bewundert habe.

Seit der missglückten Aufführung in Mannheim gilt der Fiesko unter Schauspielern als Stück, mit dem man einen Regisseur ermorden könne. Und tatsächlich: Verglichen mit anderen Schiller-Dramen stellen sich heute nur wenige Theatermacher dieser Mordsaufgabe.

Über den Autor

Friedrich Schiller wird am 10. November 1759 in Marbach am Neckar als Sohn eines Offiziers geboren. Auf Befehl des württembergischen Landesherrn Karl Eugen wird er in dessen Eliteschule in Stuttgart aufgenommen. Schiller behagt der militärische Drill im Internat überhaupt nicht, wenngleich die Lehrkräfte und die Ausbildung hervorragend sind. Er studiert zunächst Jura und dann Medizin. Viel stärker lockt den jungen Mann aber die Schriftstellerei. Mehr oder weniger heimlich schreibt er sein erstes Drama Die Räuber, das 1782 in Mannheim uraufgeführt wird. Als er gegen den Willen Karl Eugens die Landesgrenzen überschreitet, wird er mit Haft und Schreibverbot bestraft. Schiller entzieht sich dem Zwang durch neuerliche Flucht und setzt seine schriftstellerische Arbeit fort. Die frühen Dramen erscheinen: Die Verschwörung des Fiesko zu Genua (1783) und Kabale und Liebe (1784). Unter ständiger Geldnot leidend, zieht er 1785 zu seinem Freund und Gönner Christian Gottfried Körner nach Sachsen, wo er unter anderem die durch Beethovens Vertonung bekannt gewordene Ode An die Freude sowie den Dom Karlos (1787) schreibt. Aufgrund seiner viel beachteten Studie Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande schlägt Goethe ihn 1788 für den Lehrstuhl für Geschichte in Jena vor. Hier verfasst Schiller seine ästhetischen und historischen Schriften und heiratet 1790 Charlotte von Lengefeld. Nach seinem Umzug nach Weimar im Jahr 1799 schließt Schiller Freundschaft mit Goethe. Daraus ergibt sich eine der fruchtbarsten Dichterbekanntschaften aller Zeiten: In der Nähe Goethes beendet Schiller sein erstes klassisches Geschichtsdrama, die Wallenstein-Trilogie. Es folgen Maria Stuart und Die Jungfrau von Orleans (beide 1801), Die Braut von Messina (1803) und Wilhelm Tell (1804), aber auch ein umfangreiches lyrisches Werk. 1802 erhält er den Adelstitel. Seine schlechte körperliche Konstitution zwingt ihn immer wieder aufs Krankenlager. Am 9. Mai 1805 stirbt Schiller in Weimar.

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