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Alice hinter den Spiegeln

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Alice hinter den Spiegeln

Insel Verlag,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Ein einfühlsames Kinderbuch – und zugleich eine hochintellektuelle sprachphilosophische Spielerei.

Literatur­klassiker

  • Kunstmärchen
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Eine Reise an die Grenzen der Logik

Sieben Jahre nach dem überraschenden Erfolg von Alice im Wunderland ließ Lewis Caroll seine Heldin erneut in das Reich der Fantasie reisen. Und dieses Reich ist ganz anders als die Zauberwelten von J. R. R. Tolkien oder Joanne K. Rowling: Bei Lewis Carroll wird vor allem die Logik auf den Kopf gestellt, seine Geschichte ist ein hochintellektuelles Spiel mit der Sprache, mit Raum und Zeit, mit Verwandlung und Wahrnehmung. In Alice hinter den Spiegeln werden Fragen aufgeworfen, die das Buch deutlich von gemütvoller oder abenteuerlicher Kinderliteratur abheben. Einige Elemente des Werks sind im angelsächsischen Sprachraum sprichwörtlich geworden und so berühmt wie im Deutschen die Figuren und Sprüche aus Max und Moritz oder aus Struwwelpeter. Neben der Bibel und Shakespeare gehört das Buch zu den meistzitierten Werken der englischen Literatur.

Take-aways

  • Die Erzählung Alice hinter den Spiegeln gehört zu den meistzitierten Werken der englischen Literatur.
  • Inhalt: Beim Spielen gerät die kleine Alice in eine geträumte Spiegelwelt, in der kaum etwas logischen Abläufen folgt. Denkgewohnheiten und Begriffe werden ad absurdum geführt. Alice bewegt sich durch eine eigentümliche Schachbrettlandschaft, begegnet allerlei merkwürdigen Gestalten, darunter etlichen lebendig gewordenen Schachfiguren, und fragt sich schließlich, was Traum und was Wirklichkeit ist.
  • Obwohl die Hauptfigur ein siebenjähriges Mädchen ist, handelt es sich keineswegs um sentimentale oder abenteuerliche Kinderliteratur.
  • Auf spielerische Weise lotet Carroll die Grenzen von Wahrnehmung und Bewusstsein aus.
  • Sein besonderes Augenmerk gilt der Vieldeutigkeit von Sprache.
  • Carroll knüpft an vielen Stellen an bestehende Kinderreime an.
  • Alice hinter den Spiegeln ist einerseits die Fortsetzung von Alice im Wunderland, andererseits aber ein völlig eigenständiges Werk.
  • Es beeinflusste viele Autoren und Künstler des Surrealismus.
  • Lewis Carroll, ein künstlerisch begabter Mathematiker, war im Umgang mit Erwachsenen gehemmt, aber unbefangen und einfühlsam mit Kindern.
  • Zitat: „Er kam in meinem Traum vor, gewiss – aber ich doch auch in seinem! Hat mich der schwarze König wirklich geträumt, Mieze?“

Zusammenfassung

Die Welt hinter dem Spiegel

Am Silvestertag kuschelt sich die siebeneinhalbjährige Alice schläfrig in einen Lehnstuhl. Sie spielt mit einem schwarzen Kätzchen; ein zweites, schneeweißes wird von der Katzenmutter Suse abgeleckt. Die schwarze Mieze hat ein Wollknäuel entrollt. Deswegen wie auch wegen anderer Missetaten erhält sie eine Lektion von Alice. Schließlich schlägt Alice Mieze mit ihrer Lieblingsformel „Tun wir doch so, als ob“ ein Schachspiel vor: Sie möchte, dass sich Mieze wie die schwarze Schachkönigin mit verschränkten Armen aufrecht hinsetzt. Weil das nicht gelingt, hebt sie das Kätzchen vor den Spiegel über dem Kamin und droht ihm, es in das Haus hinter dem Spiegel zu stecken. Im Selbstgespräch entwickelt Alice ihre Vorstellung vom Haus hinter dem Spiegel. Dort sieht es genauso aus wie in dem Haus, in dem Alice wohnt, nur ist alles spiegelverkehrt. Beispielsweise laufen dort die Wörter in den Büchern nach der falschen Seite.

„Und ich wollte, ich könnte euch nur die Hälfte von dem erzählen, was bei Alice alles mit den Worten anfing ‚Tun wir doch so, als ob‘.“ (S. 20)

Sogleich verwandelt sich das Glas des Spiegels in eine Art Nebel. Alice schlüpft hindurch und befindet sich in der Spiegelwelt. Das Zimmer ist auf den ersten Blick in der Tat sehr ähnlich wie das auf der anderen Seite, doch Alice entdeckt, dass die Schachfiguren auf dieser Seite lebendig sind und miteinander sprechen. Alice bleibt für die Figuren allerdings eine unsichtbare Zuhörerin, obwohl sie einige von ihnen ergreift oder dem weißen König den Bleistift führt, als er sich eine Notiz machen will. Dann entdeckt Alice ein Buch, das in Spiegelschrift gedruckt ist. Als sie es vor den Spiegel hält, kann sie ein Gedicht mit dem Titel „Der Zipferlake“ entziffern. Der Inhalt bleibt ihr aber unverständlich. Die ersten beiden Verse lauten: „Verdaustig wars, und glasse Wieben / Rotterten gorkicht im Gemank.“ Alice beschließt, sich weiter umzusehen, und läuft nicht, sondern schwebt als Erstes in den Garten hinaus.

In der Schachbrettlandschaft

Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, versucht Alice auf einem korkenzieherhaft gewundenen Weg einen Hügel zu erklimmen, landet aber immer wieder am Ausgangspunkt. Nach einigen vergeblichen Versuchen kommt sie überraschenderweise mit den Blumen in einem Beet ins Gespräch. Sie halten Alice ebenfalls für eine Blume – allerdings eine, die laufen kann – und berichten ihr von einer anderen, die ebenfalls umhergeht. Sie meinen die mittlerweile zu Menschengröße herangewachsene schwarze Königin. Um zu ihr zu gelangen, muss Alice in der Spiegelwelt vor ihr davonlaufen. Die majestätische schwarze Königin ermahnt Alice, sich manierlich zu betragen, und führt sie auf den Hügel. Von dort aus entdeckt Alice eine Landschaft, die durch Hecken und parallel verlaufende Bäche exakt wie ein Schachbrett aufgeteilt ist.

Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“ (die schwarze Königin, S. 39)

Alice erkennt nun auch überdimensionale Schachfiguren in der Spielbrettlandschaft und wünscht sich, Teil des Spiels zu sein. Die schwarze Königin setzt Alice als weißen Damenbauer auf dem zweiten Feld ein und verspricht ihr, sie könne weiße Königin werden, wenn sie auf das achte Feld gelange. Dann rennen beide los, immer schneller, bis zur Erschöpfung, doch sie gelangen nirgendwohin. Als sie rasten, reicht die schwarze Königin der durstigen Alice zur Erquickung einen staubtrockenen Keks. Dann macht sie sich daran, Alice’ weiteren Weg über die einzelnen Spielfelder zu vermessen, erklärt ihr, wer und was sie auf jedem Feld erwartet, und überlässt sie schließlich sich selbst.

Eine Zugfahrt und sonderbare Insekten

Auf dem Weg den Hügel hinab entdeckt Alice als Erstes Wesen, die Honig sammeln. Doch sind sie so weit entfernt, dass es keine Bienen sein können, denn diese würde Alice nicht sehen. Es handelt sich tatsächlich um Elefanten, die ihre Rüssel in hausgroße Blumen stecken. Alice geht nicht näher heran, sie springt stattdessen über einen der Bäche und landet im nächsten Feld direkt in einem Eisenbahnabteil. Dem Schaffner kann sie keine Fahrkarte zeigen, worüber sich die anderen Mitreisenden in dem Abteil empören. Es handelt sich um einen Herrn in weißem Papieranzug, eine Ziege, einen Käfer, ein Maultier und eine Schnake, von der Alice zunächst nur die Stimme hört. Sie verweisen Alice darauf, wie teuer hier alles sei: eine Minute Schaffnerzeit, ein Zentimeter Land, ein Kringel Lokomotivenrauch – alles kostet 1000 Mark.

„(...) diesmal schien sich die Schnake ganz und gar zerseufzt zu haben (...)“ (S. 50)

Nach einem Sprung des Zuges über einen weiteren Bach findet sich Alice unter einem Baum in Gesellschaft der nunmehr hennengroßen Schnake. Diese weist Alice, die sich vor stechenden Insekten fürchtet, auf weitere Tierchen in den Zweigen hin, etwa die Schaukelpferdfliege, die nur aus Holz besteht, oder den Weihnachtsfalter aus Plumpudding mit Stechpalmenflügeln und einer brennenden Weinbrandrosine als Kopf. Wegen eines Scherzes, den Alice nicht versteht, löst sich die Schnake vor Kummer in den eigenen Tränen auf. Alice begibt sich daraufhin über ein weites Feld in den dahinterliegenden Wald, in dem nichts einen Namen hat, sodass auch Alice nicht mehr weiß, wie sie heißt. Dort begegnet ihr ein zutrauliches Reh, das sich nicht erinnern kann, ein Reh zu sein, und dementsprechend auch nicht erkennt, dass Alice ein Mensch ist, bis der Wald durchquert ist. Auf einem weiteren Feld finden sich zwei Wegweiser, die in dieselbe Richtung zeigen und auf denen die Namen der Häuser zweier Besitzer angezeigt sind. Doch wie sich herausstellt, wohnen sie im selben Haus. Alice will ihnen einen kurzen Besuch abstatten.

In Gesellschaft zweier Brüder

Alice findet die beiden dicken Männlein namens Zwiddeldum und Zwiddeldei einträchtig unter einem Baum stehend. Sie begrüßen Alice, indem sie mit ihr Ringelreihen tanzen, wozu Musik aus den Zweigen ertönt. Als sie außer Atem sind, fragt Alice, ob sie ihr sagen können, welcher Weg aus dem Wald herausführt, worauf Zwiddeldei als Antwort das lange Gedicht „Vom Walross und dem Zimmermann“ aufsagt. Anschließend führen die beiden Alice zu dem sehr laut schnarchenden schwarzen König und erklären ihr, dass sie nur existiere, weil sie in seinem Traum vorkomme. Die Brüder streiten eine Weile, dann wird es dunkel, weil eine Riesenkrähe angeflogen kommt, und sie verschwinden. Alice versteckt sich im Wald und fängt einen aufgewirbelten Schal aus der Luft.

Zurück in der Zeit

Der Schal gehört der weißen Königin, die mehr angeflogen als angerannt kommt und einen zerzausten Eindruck macht: In den Haaren steckt noch die Bürste und die Kleidung sitzt schief. Für sie läuft die Zeit rückwärts: Sie wehklagt schon, bevor ihr Finger blutet und bevor sie sich an einer Broschennadel gestochen hat. Zudem erinnert sie sich an Ereignisse der übernächsten Woche. Die Königin kennt nur Zukunft und Vergangenheit, kein Heute. Alice hilft ihr, sich zurechtzumachen. Ein erneuter Windstoß fegt den Schal wieder davon und beide springen über einen Bach und laufen aus dem Wald heraus.

„‚Woran könnt Ihr Euch denn am besten erinnern?‘, fragte Alice vorsichtig. – ‚Ach, an Verschiedenes, was übernächste Woche geschah‘, versetzte die Königin leichthin.“ (S. 72)

Sie landen in einem Laden. Die Königin hat sich in ein Schaf verwandelt, das mit sehr vielen Nadeln einen Wollstrumpf strickt. Alice sieht sich im Laden um und entdeckt in den Regalfächern die merkwürdigsten Dinge. Doch jedes Mal, wenn sie genauer hinschaut, ist das Fach leer. Alles scheint zu verschwimmen, sie kann nie genau sagen, was sie sieht. Nun drückt ihr das Schaf ein Paar Stricknadeln in die Hand, die sich in Ruder verwandeln, und sogleich sitzen die beiden in einem Boot. Das Schaf weist Alice mehrmals barsch an, das Blatt flach zu halten, worauf Alice erwidert, sie sei doch keine Pflanze, und das Schaf antwortet: Doch, sie sei junges Gemüse. Zurückversetzt in den Laden möchte Alice nun ein Ei kaufen, das ihr das Schaf jedoch nicht aushändigt, sondern stattdessen in ein Fach stellt. Je weiter Alice geht, um das Ei zu holen, desto mehr weicht es zurück, und die Ladeneinrichtung verwandelt sich zunehmend in Bäume. Wieder wird ein Bach überquert und nun wird das Ei größer.

Aufklärung und noch mehr Verwirrung

Bei dem Ei handelt es sich um Goggelmoggel, eine rundliche Gestalt mit einem menschlichen Gesicht. Zwischen ihm und Alice kommt nur mühsam eine Unterhaltung in Gang, weil Goggelmoggel bestimmten Begriffen seine eigene, ganz persönliche Bedeutung beilegt. So sagt er „Glocke“, meint aber „schlagender Beweis“. Da er sich mit Worterklärungen beschäftigt, bittet Alice ihn, das Gedicht „Der Zipferlake“ für sie zu entschlüsseln. „Verdaustig“ bedeutet laut Goggelmoggel „vier Uhr nachmittags“, die Zeit, wenn man noch verdaut, aber schon wieder durstig ist, „glass“ ist eine Verbindung aus glatt und nass, „gorkicht“ ist „alles, was sich in Kork einbohrt“, und der freie Platz rund um eine Sonnenuhr in einem Park ist ein „Gemank“.

Kampf um die Krone

Nun erzittert der Wald unter dem Getrappel von Tausenden von Soldaten und Reitern. Der weiße König hat sie alle bestellt. Es fehlen nur zwei Springer und zwei Läufer. Die Läufer, Hasa und Hutmar, haben noch in der Stadt zu tun; der König benötigt immer zwei: einen für den Hin- und einen für den Rückweg, für Kommen und Gehen. Dann kommt Hasa an, er nimmt sich vor zu flüstern, berichtet aber mit trompetenlauter Stimme, der Löwe und das Einhorn kämpften um die Krone. Während alle drei hinlaufen, um zuzuschauen, singt Alice ein Lied, das genau mit dieser Szene beginnt: „Der Löwe und das Einhorn, die kämpften um die Kron’“. In einer Verschnaufpause reichen die Läufer Weißbrot und Schwarzbrot herum, laut dem Lied der Lohn des Kampfs.

„Der Laden schien voll der merkwürdigsten Dinge zu sein – aber das Allerseltsamste war, dass jedes Fach, sobald sie es genauer ansah und herausfinden wollte, was eigentlich daraufstand, allemal vollständig leer war; und doch waren die Fächer daneben jeweils bis oben hin vollgepackt.“ (S. 77)

Dann kommt das Einhorn mit den Händen in den Hosentaschen herbeigeschlendert, bemerkt Alice und hält sie für ein Fabelwesen, obwohl Hasa ihm erklärt, Alice sei ein echtes, natürliches Kind. Alice ihrerseits meint, sie habe Einhörner stets für Fabelwesen gehalten. Gemäß der Aussage in der letzten Zeile des Kampfliedes muss es nun Mandelkuchen geben. Alice hantiert vergeblich mit dem Messer, weil in der Spiegelwelt der Kuchen zuerst herumgereicht werden muss, wobei er sich selbst teilt; erst dann kann sie ihn schneiden. Nun erhebt sich ein ohrenbetäubendes Getrommel, was ebenfalls der letzten Liedzeile entspricht, Alice macht einen Satz über einen Bach und ist davon.

Zweikampf der Ritter

Während Alice noch darüber nachdenkt, ob sie die vorangegangene Episode erlebt oder nur geträumt hat, taucht plötzlich ein schwarzer Ritter auf, ruft „Schach!“ und will sie zu seiner Gefangenen machen. Doch da sprengt ein weißer Ritter heran und bewahrt sie davor. Die beiden fechten einen kurzen Zweikampf um Alice aus, danach reitet der schwarze Ritter weg, während der weiße Alice Geleit bis zum nächsten Waldrand anbietet. Unterwegs erzählt er ihr von all den unnützen Dingen, mit denen sein Pferd beladen ist. Außerdem will er ihr seine Reitkünste vorführen, fällt aber immer wieder vom Pferd. Zu seinen Erfindungen, von denen er ihr berichtet, gehören die Überquerung einer Zaunpforte per Kopfstand – die er allerdings nie ausprobiert hat –, ein Helm in Form eines Zuckerhuts, dessen Spitze beim Herunterfallen gleich abbricht, sowie eine Nachspeise aus Löschpapier, Schießpulver und Siegellack, die nie gekocht wurde. Zum Abschied, bevor Alice über den letzten Bach springt, trägt der weiße Ritter ein langes Gedicht vor.

Alice als Königin

Im letzten Feld angelangt, trägt Alice sogleich eine goldene Krone. Nun gesellen sich die schwarze und die weiße Königin zu ihr. Die Unterhaltung zu dritt ist hauptsächlich ein Streit um die Bedeutung von Wörtern. Schließlich werden die Königinnen müde und schlafen von Alice behütet ein – ein in der Geschichte Englands einmaliges Ereignis, denkt sie. Plötzlich steht sie vor einem gewölbten Portal mit der Aufschrift „Königin Alice“.

„Es scheint, dass das Ei umso weiter zurückweicht, je länger ich darauf zugehe.“ (Alice, S. 82)

Dahinter findet ein Festschmaus mit etwa 50 Tieren, Vögeln und Blumen statt. Am Kopfende der Tafel sitzen die beiden Schachköniginnen. Seltsame Sitten und Rituale verhindern, dass etwas gegessen wird, und als Alice zu einer Ansprache ansetzt, erheben sich alle im Saal, einschließlich der Flaschen und Teller; Besteck und Braten werden lebendig. Schließlich wird Alice das ganze Durcheinander zu viel. Mit einem kräftigen Ruck am Tischtuch bereitet sie dem Treiben ein Ende. Sie packt die schwarze Königin, die sie für die Verantwortliche hält und schüttelt sie – so lange, bis sie nur noch ein Kätzchen ist.

„ (...) mein Name zum Beispiel bedeutet meine Leibesform – eine sehr ansehnliche Form übrigens.“ (Goggelmoggel, S. 84 f.)

Leicht verwundert unterhält sich Alice mit dem weißen und dem schwarzen Kätzchen. Sie sitzt wieder vor dem Spiegel in ihrem Zimmer und fragt sich, ob die Katzenmutter wohl der Goggelmoggel gewesen ist.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Werk beginnt mit einem Gedicht, einer Aufstellung der handelnden Figuren und einem Inhaltsverzeichnis, das wie der Abriss einer Schachpartie aufgebaut ist. Dieses versteht man erst richtig, wenn man den Inhalt der Erzählung kennt. Es folgen neun aneinandergereihte Episoden über Alice’ Aufenthalt im Spiegelland. Ein zehntes Kapitel aus wenigen Zeilen sowie ein elftes, das lediglich eine Zeile lang ist, schildern die Rückkehr in die Realität. Im zwölften und letzten Kapitel wundert sich Alice beim Spiel mit den Kätzchen ganz nach Kinderart und ohne analytisches Denkvermögen, was denn nun Traum und was Wirklichkeit war. Diese Schlussszene enthält eine indirekte Angabe zur realen Handlungszeit: Alice’ Träumerei dauerte so lange, wie die Katzenmutter ihr weißes Kätzchen sauber leckte. Die Geschichte ist in der dritten Person und aus Alice’ Perspektive erzählt. Carroll bedient sich einer eingängigen, aber nicht simplen Literatursprache. Er vermeidet es, in einen kindlichen Ton oder eine künstlich vereinfachte Kinderbuchsprache zu verfallen. Dialog wird reichlich verwendet; Alice unterhält sich häufig mit den absurden Traumgestalten. Die Szenenwechsel finden meist völlig abrupt statt, eine kontinuierliche Raum-Zeit-Gestaltung, wie man sie sonst in Romanen findet, gibt es nicht.

Interpretationsansätze

  • Das Traumhafte der Erzählung zeigt sich darin, dass die Darstellung von Raum und Zeit nicht logischen Regeln folgt. Wie im Traum bleiben Handlungssprünge oder das unvermittelte Auftauchen neuer Figuren ungeklärt.
  • Der Hauptinhalt des Textes ist das Spiel mit Worten und Wahrnehmung. Carroll erörtert in mehreren Passagen explizit, was man sich eigentlich vorstellt, wenn man ein Wort benutzt. Dabei jongliert er mit vielen Möglichkeiten: klangliche Ähnlichkeiten, wortwörtlicher und übertragener Gebrauch, Doppelsinn, Missverständnisse, bewusste Anspielungen oder subjektive Deutungen. Die Sprachgebundenheit von Carrolls Text macht die Übersetzung extrem schwierig und teilweise sogar unmöglich. Der Nuancenreichtum lässt sich in einer anderen Sprache kaum nachvollziehen.
  • Carroll greift teilweise auf vertraute Figuren oder Kinderreime zurück. Er baut sie als eigenständige Gebilde in Alice’ Traum ein. Beispielsweise stammen Zwiddeldum und Zwiddeldei (im Original Tweedledum und Tweedledee) aus einem älteren englischen Kinderreim, ebenso Goggelmoggel (im Original Humpty Dumpty) sowie Löwe und Einhorn. Auch der weiße Ritter ist eine europaweit bekannte, in der Mythologie verwurzelte Gestalt und taucht vor allem als Retter bedrängter Jungfrauen auf. Viele Interpreten sehen in dem weißen Ritter zudem ein Selbstporträt Carrolls.
  • Indem Carroll die Kontextgebundenheit von Sprache bewusst macht und sie gleichzeitig infrage stellt, thematisiert er kindgerecht die philosophische Frage von Wahrnehmung und Erkenntnis.
  • Die Sozial- und Pädagogikkritik ist in Alice hinter den Spiegeln nicht so ausgeprägt wie in Alice im Wunderland. Im Vordergrund stehen die erkenntnistheoretischen Probleme.
  • Es wurden viele Versuche unternommen, in dem Text Allegorien und Botschaften zu erkennen, doch die meisten dieser Interpretationen sind wenig überzeugend. In erster Linie ist das Buch ein spielerischer Umgang mit der Sprache und einer kindlichen, intuitiv erfassten Fantasie.

Historischer Hintergrund

Die Literatur des Grotesken und die Kinderliteratur//

Was heutzutage in Buch, Fernsehen und Film oft unter dem verschwommenen Begriff „Satire“ rubriziert wird, hat eine lange literarische Tradition: Die Literatur des Grotesken reicht bis ins Spätmittelalter und in die Renaissance zurück. Im deutschsprachigen Bereich sind Sebastian Brants Narrenschiff (1494), die Eulenspiegel-Geschichten (ab 1510) und das Märchen vom Schlaraffenland am bekanntesten. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Narrendarstellungen in Shakespeare-Komödien sowie die Possenreißer der populären Commedia dell’Arte. Die Darstellungen des Unsinns wurden durch die Aufklärung eine Zeit lang in der Literatur verpönt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Nonsens in England aber wiederbelebt. Edward Lears Book of Nonsense (1846) und die beiden Alice-Erzählungen sind die bahnbrechenden Werke. Das Spiel mit dem Klang oder Doppelsinn von Begriffen, missverstandenen Wörtern, nicht logischen Zusammenhängen und fantastischen Figuren und überhaupt jede Art von Fantastik sind typische Merkmale dieser Literatur.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Kinder erstmals Hauptfiguren anspruchsvoller Romane, in England namentlich durch Charles Dickens (Oliver Twist, David Copperfield) sowie Robert Louis Stevenson (Die Schatzinsel) und in Amerika durch Mark Twain (Tom Sawyers Abenteuer, Huckleberry Finns Abenteuer). In Deutschland wurde mit Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter (1845) und Wilhelm Buschs Max und Moritz (1865) ein junges Publikum angesprochen. All diese Werke weisen weit über die rein kindliche oder jugendhafte Sphäre hinaus. Sie transportieren ein gerüttelt Maß an ernst zu nehmender Gesellschaftskritik, wozu auch Carrolls angedeutete negative Bewertung des viktorianischen Erziehungsdrills gehört. Johanna Spyris Heidi (1880) nähert sich dem Erziehungsthema auf ähnliche Weise.

In der englischsprachigen Literatur wurde die Tradition der Fantastik und des Grotesken nach Carroll in vielen weltbekannten Werken weitergeführt, von denen sich etliche auch an Kinder richteten. Hierzu zählen Das Dschungelbuch (1894/95) des Nobelpreisträgers Rudyard Kipling, ebenfalls mit sprechenden Tieren, Der Zauberer von Oz (1900) von L. F. Baum und Der Wind in den Weiden (1908) von Kenneth Grahame. Einen vorläufigen kommerziellen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung ab 1997 in den Harry-Potter-Romanen von Joanne K. Rowling.

Entstehung

So wie ein sommerlicher Bootsausflug mit den Kindern einer befreundeten Familie, darunter die kleine Alice Liddell, den Anstoß für Alice im Wunderland gegeben hatte, so war sieben Jahre später die Bekanntschaft mit einem anderen Mädchen namens Alice Raikes der Auslöser für die Entstehung von Alice hinter den Spiegeln. Der Vorgänger war 1865 erschienen und Carroll hatte schon seit 1867 einzelne neue Kapitel und Textteile verfasst. Im Haus ihres Onkels spielte Carroll mit der kleinen Alice Raikes vor einem Spiegel, wobei es um die Vertauschung von Rechts und Links im Spiegelbild ging. Das war der Auslöser für die Eingangsepisode. Doch auch Alice Liddell diente wohl immer noch als Vorbild: Ihr widmete Carroll das abschließende Gedicht im Buch – die Anfangsbuchstaben aller Verse ergeben zusammen ihren vollen Namen.

Das Gedicht „Der Zipferlake“ (im Original „Jabberwocky“) verdankt sich der Anregung durch ein Nonsensgedicht, das in einer Familienzeitschrift erschienen war. Die einzelnen Textteile zu Alice hinter den Spiegeln blieben nur lose verbunden; auf eine durchgehende Handlung wie im ersten Teil verzichtete Carroll bewusst.

Wirkungsgeschichte

Bei Carrolls Tod war Alice im Wunderland bereits das beliebteste und bekannteste Kinderbuch Englands. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es weltberühmt. Davon profitierte auch das Nachfolgebuch: Alice hinter den Spiegeln beeinflusste die Nonsensliteratur im engeren Sinn, mehr noch aber die französische surrealistische Literatur und sogar die bildende Kunst des Surrealismus.

Alice im Wunderland wurde mehrfach verfilmt, oft in Kombination mit Motiven aus Alice hinter den Spiegeln. Am bekanntesten ist die Disney-Version aus dem Jahr 1951, die allerdings kein kommerzieller Erfolg war. Es gab auch Adaptionen für die Bühne, sogar als Operette oder Musical. Inspiriert von Carroll ist außerdem der Film Jabberwocky von Terry Gilliam aus dem Jahr 1977, eine Mittelalterfilm-Satire, die aber abgesehen vom Titel nicht auf den Alice-Büchern basiert.

Über den Autor

Lewis Carroll wird am 27. Januar 1832 als Sohn eines englischen Landpfarrers geboren. Sein richtiger Name ist Charles Lutwidge Dodgson. Er studiert in Oxford Mathematik und arbeitet später als Tutor am College, wo er sich den eher zweifelhaften Ruhm erwirbt, ein langweiliger Lehrer zu sein. Er gilt als schüchterner Mensch, doch aufgrund der Vielseitigkeit seiner Interessen ist er in Intellektuellenkreisen beliebt. Seine Verleger und Illustratoren hingegen treibt Carroll mit permanenten Änderungswünschen seiner Manuskripte zur Weißglut. Gleichzeitig lässt er keine Gelegenheit aus, die schlechten Manieren seiner Mitmenschen öffentlich zu kritisieren. Carroll ist sehr religiös, schon als junger Mann wird er zum Priester geweiht. Er übt das Amt allerdings nicht aus, da er sein Stottern als Behinderung empfindet. In der Gesellschaft von Kindern, insbesondere von kleinen Mädchen, fühlt sich Carroll sehr wohl. Ihnen schreibt er lange, ernsthafte Briefe oder erzählt ihnen Geschichten. Nicht selten ergänzt er diese Geschichten um logische Paradoxe und Rätsel. 1879 publiziert Carroll eine Abhandlung über die Bedeutung Euklids in der modernen Mathematik, 1887 und 1894 folgen Publikationen über die Logik. In der Technik eines zu seiner Zeit völlig neuen Mediums, der Fotografie, sieht er eines der interessantesten Phänomene der Naturwissenschaften. Carroll wird ein bedeutender Fotograf, der viele Persönlichkeiten seiner Zeit, aber auch zahlreiche kleine Mädchen ablichtet. Anfangs mit Gerüchten über Carrolls sexuelle Veranlagung behaftet, gelten diese Kinderporträts heute als Kunstwerke von besonderer Qualität. Carroll ist kein Vielschreiber. Neben den beiden Geschichten Alice in Wonderland (Alice im Wunderland, 1865) und Through the Looking-Glass, and What Alice Found There (Alice hinter den Spiegeln, 1872) verfasst er The Hunting of the Snark (Die Jagd nach dem Schnark, 1876), das als in seiner komischen Unsinnigkeit kaum zu übertreffendes Nonsensgedicht gilt. Er stirbt am 14. Januar 1898 in Guildford.

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