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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Die Urfassung

Artemis & Winkler,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Wunderbar gruselig, beängstigend aktuell und mörderisch erfolgreich: Mary Shelley schuf das berühmteste Monster der Weltliteratur.

Literatur­klassiker

  • Schauerliteratur
  • Romantik

Worum es geht

Das menschliche Monster

Wer kennt sie nicht, die berühmteste Szene aus Frankenstein: ein dunkles Labor, ein riesenhaftes Wesen auf einer Bahre, daneben der Wissenschaftler, der das Geschöpf mit einem Stromstoß zum Leben erweckt. Das Monster aus Mary Shelleys Roman wurde zu einer Ikone des Horrorfilms und der Popkultur überhaupt. Dabei besticht die Urfassung des Romans von 1818 weniger durch ihre Schockeffekte als durch ihr Einfühlungsvermögen in die Seele des Monsters. Das eigentlich gutmütige Wesen, dessen Anblick nicht einmal sein Schöpfer ertragen kann, verbreitet zu seinem eigenen Leidwesen Angst und Schrecken in der Welt. Es ist zur Einsamkeit verdammt und wird nur aus Verzweiflung zum Mörder. Seine Berühmtheit als Mordmaschine verdankt es vor allem den zahlreichen Theater- und Filmversionen, nicht zuletzt der weltberühmten Schwarz-Weiß-Verfilmung mit dem großartigen Boris Karloff in der Rolle der furchterregenden Kreatur. An dem etwas schwülstigen, schauerromantischen Originaltext beeindruckt heute – im Hinblick auf Gentechnik und Klonversuche – insbesondere der visionäre Scharfsinn Mary Shelleys. Wer ihren Roman liest, weiß: Das wissenschaftlich Mögliche führt nicht immer zu wünschenswerten Ergebnissen.

Take-aways

  • Frankenstein ist der erfolgreichste Schauerroman der Weltliteratur.
  • Die Engländerin Mary Shelley schrieb das Buch 1816 im Alter von 19 Jahren.
  • Der Roman entstand in einem Wettstreit zwischen fünf Autoren, darunter Shelleys Mann Percy und der exzentrische Dichter Lord Byron.
  • Erzählt wird die Geschichte des Wissenschaftlers Victor Frankenstein, der während seines Studiums die Formel allen Lebens entdeckt.
  • Aus Leichenteilen näht er ein künstliches Wesen zusammen, dem er mit einem Stromstoß Leben einhaucht.
  • Aus Schreck über die Hässlichkeit des Monsters überlässt er es sich selbst.
  • Da es von allen Menschen wegen seines Aussehens vertrieben wird, ist das Monster zur Einsamkeit verdammt.
  • Im Alleinsein wandelt sich das ursprünglich gutmütige Wesen zum Bösen und begeht einen ersten Mord.
  • Es verlangt von Frankenstein, ihm ein zweites Geschöpf als Frau zu schaffen.
  • Als Frankenstein sich weigert, erwürgt das Monster dessen Frau Elisabeth und seinen besten Freund Henry.
  • Nach einer dramatischen Jagd bis zum Nordpol stirbt Frankenstein an Erschöpfung, und das Monster verschwindet in der eisigen Nacht.
  • Der Roman wurde mehrmals verfilmt, die Version mit Boris Karloff als Monster ist ein Klassiker des Horrorfilms.

Zusammenfassung

Jagdszenen am Nordpol

Der junge Forscher Robert Walton berichtet in Briefen an seine Schwester Margaret von seiner Expedition an den Nordpol. Eines Tages bleibt das Schiff im Eis stecken, und die Mannschaft beobachtet eine seltsame Szene: In nördlicher Richtung rast ein Hundeschlitten über das gefrorene Meer, der von einer übermenschlich großen Gestalt gelenkt wird. Als Waltons Schiff am nächsten Tag freikommt, treibt auf einer Eisscholle ein zweiter Schlitten heran, dessen Führer halb erfroren ist. Es dauert zwei Tage, bis der Fremde wieder zu sich kommt, und auch dann ist er zunächst sehr schweigsam. Sein einziges Interesse gilt der Gestalt auf dem ersten Schlitten, die er durch ganz Europa verfolgt zu haben scheint. Täglich steht er an Deck und sucht die Eislandschaft nach seinem „Dämon“ ab. Allmählich gelingt es Robert, die Freundschaft des tieftraurigen, aber höflichen Mannes zu gewinnen. Die atemberaubende Lebensgeschichte, die er von ihm zu hören bekommt, hält er schriftlich fest und legt sie den Briefen an seine Schwester bei.

Kindheit und Studentenjahre

Victor Frankenstein, so der Name des Erzählers, verbringt eine glückliche Kindheit als Sohn eines wohlhabenden Anwalts und einer liebenden Mutter in Genf. Seine bezaubernde Cousine Elisabeth Lavenza, eine Halbwaise, und sein Schulkamerad Henry Clerval, ein Einzelkind, werden großzügig ins Familienidyll eingeschlossen. Die Eltern führen die drei Kinder spielerisch an Bildung und Wissenschaft heran, wobei Victors Hauptinteresse der Naturwissenschaft gilt. Er gerät an die Bücher des mittelalterlichen Alchemisten Cornelius Agrippa und träumt davon, zum Wohle aller ein Lebenselixier zu entdecken, das den Menschen unverwundbar oder gar unsterblich macht.

„Ein Wesen von menschlicher Gestalt, aber offensichtlich von riesenhafter Statur saß in dem Schlitten und lenkte die Hunde.“ (Walton über das Monster, S. 19)

Als Victors Mutter unvermittelt an Scharlach stirbt, trifft das den inzwischen 17-Jährigen hart. Er flüchtet sich zum Studium nach Ingolstadt und begegnet dem Chemieprofessor Waldmann, der Verständnis für seine alchemistischen Vorlieben hat. Victor stürzt sich in die Arbeit, bleibt oft bis zum frühen Morgen im Labor und macht rasche Fortschritte. Er beschäftigt sich mit der Zusammensetzung des menschlichen Körpers und führt diverse Experimente durch: Er untersucht Leichen, beobachtet den Verwesungsprozess – und macht schließlich tatsächlich die große Entdeckung, von der er geträumt hat: die Formel allen Lebens! Sie versetzt ihn in die Lage, toten Körpern Leben einzuhauchen. Und da er im Auftrag der Wissenschaft und für das Allgemeinwohl zu handeln glaubt, hat er keinerlei moralische Bedenken, sich an die Erschaffung eines Menschen zu wagen.

Die Kreatur lebt!

Aus Leichenteilen setzt Frankenstein ein zweieinhalb Meter großes Wesen zusammen – ein Monster. In einer kalten Novembernacht versetzt er ihm einen Stromstoß – und erweckt es damit zum Leben. Doch der Erfolg macht Victor nicht glücklich: Verstört von der monströsen Hässlichkeit seiner Kreatur, flüchtet er aus der Wohnung und lässt das Ungetüm zurück. Er ist vollkommen erschöpft von der Arbeit der letzten Monate und irrt orientierungslos durch die Straßen. Zufällig trifft er auf seinen Freund Henry Clerval, der ebenfalls ein Studium aufnehmen will und gerade in Ingolstadt angekommen ist. Frankenstein wagt nicht, Henry von seinem Experiment zu berichten, führt ihn aber dennoch in seine Wohnung. Das Monster ist spurlos verschwunden. Frankenstein ist am Ende seiner Kräfte und bricht zusammen.

„Sie suchen nach Wissen und Weisheit, so wie ich es tat, und ich hoffe von ganzem Herzen, dass sich die Erfüllung Ihrer Wünsche nicht wie bei mir als giftige Natter erweist.“ (Frankenstein zu Walton, S. 25)

Während seiner langen Krankheit wird Frankenstein von Henry gepflegt und erhält einen aufmunternden Brief von Cousine Elisabeth. Seine Nerven beruhigen sich, die Kreatur und ihr spurloses Verschwinden geraten in Vergessenheit. Dann aber erfährt Frankenstein vom Tod seines Bruders William – der Junge ist ermordet worden! Augenblicklich reist er nach Genf. Noch in derselben Nacht besichtigt er den Tatort und beobachtet aus der Ferne – das Monster. Er muss erkennen, dass seine eigene Schöpfung der Mörder seines Bruders ist. Derweil wird die Magd Justine für die Tat verantwortlich gemacht und zum Tod verurteilt. Frankenstein weiß, dass sie unschuldig ist, schweigt aber und frisst seine Verzweiflung in sich hinein.

Das einsame Monster

Frankenstein versucht, sich auf Ausflügen in die Natur zu zerstreuen. Die eindrucksvolle Gebirgslandschaft der Schweiz spendet ihm ein wenig Trost, ganz abschütteln kann er seine quälenden Gewissensbisse aber nicht. Dann, auf einer Wanderung zum Mont Blanc hoch im Gebirge, begegnet er seiner Kreatur wieder. Erst will er sie vor Wut am liebsten umbringen, muss dann jedoch feststellen, dass das Monster über übermenschliche Kräfte verfügt. Frankenstein kann mit bloßen Händen nichts ausrichten. Er hat die Wahl: Entweder er lässt sich die traurige Geschichte vom bisherigen Leben des Monsters erzählen oder – so die Drohung des Geschöpfs – es wird noch weitere Familienmitglieder umbringen. Die beiden ziehen sich in eine verlassene Berghütte zurück, und das Wesen beginnt zu erzählen.

„Zudem verachtete ich die Forschungsziele moderner Wissenschaft. Etwas ganz anderes war es, wenn die Meister der Wissenschaften nach Unsterblichkeit und Macht strebten.“ (Frankenstein, S. 41)

Nach seiner Schöpfung lebte das Monster zunächst in einem Wald bei Ingolstadt. Es fror in der Nacht und ängstigte sich in der Dunkelheit. Der Hunger trieb es in eines der umliegenden Dörfer, aus dem es wegen seines furchterregenden Aussehens von den Bewohnern mit Steinwürfen verjagt wurde. So verkroch es sich in einen ungenutzten Schuppen an der Rückseite einer einsamen Bauernkate und beobachtete deren Bewohner: das Geschwisterpaar Felix und Agatha mit ihrem blinden Vater, dem ehemaligen Kaufmann de Lacey. Ursprünglich hatte die Familie in Paris im Wohlstand gelebt. Dann hatte sich Felix jedoch in die schöne Türkin Safie verliebt und deren Vater, einem zu Unrecht inhaftierten Kaufmann, zur Flucht verholfen. Die französische Regierung hatte keine Gnade gekannt und die gesamte Familie de Lacey enteignet und des Landes verwiesen.

„Und der Mond schien auf mein mitternächtliches Werk, während ich mit angespanntem und atemlosem Eifer der Natur in ihre geheimsten Winkel folgte. Wer kann sich das Grauen meines verborgenen Wirkens vorstellen, wenn ich im unheiligen Schlamm des Grabes wühlte oder lebendige Wesen quälte, um leblosen Ton zu beleben?“ (Frankenstein, S. 50)

Den Winter verbrachte das Monster unentdeckt im Schuppen. Es ernährte sich von Eicheln aus dem Wald und schloss die Bewohner der Kate allmählich in sein Herz. Heimlich hackte es ihnen nachts das Brennholz und lauschte tagsüber ihren Gesprächen, wodurch es auch selbst sprechen lernte. Es fand eine Tasche mit Büchern und bildete sich anhand der Werke von Goethe und Plutarch. In einem Mantel, den es bei seiner Flucht aus dem Labor an sich genommen hatte, entdeckte es das Tagebuch Frankensteins und konnte nun auch seine eigene Entstehung nachvollziehen. Und es verfluchte seinen Schöpfer: Warum war es als hässliches, zur Einsamkeit verdammtes Monster und nicht als Schönheit geschaffen worden?

„Trostlos prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben, und meine Kerze war beinahe heruntergebrannt, als ich im Schimmer des gerade erlöschenden Lichts sah, wie sich das trübe gelbe Auge der Kreatur öffnete.“ (Frankenstein, S. 53)

Als de Lacey eines Tages allein in der Stube saß, fasste das Monster sich ein Herz und klopfte an die Tür. Der blinde alte Mann war zunächst freundlich. Er hörte sich die Klage des Monsters an und munterte es auf: Wenn es ein gutes Herz habe, werde es unabhängig von seinem Aussehen Freunde und Familie finden. Als jedoch Felix, Agatha und die zur Familie gestoßene Safie von ihrem Spaziergang zurückkamen und das Monster erblickten, prügelten sie es entsetzt aus dem Haus. Und noch schlimmer: Die verängstigte Familie gab ihre Kate auf, nur um dem Wesen niemals wieder zu begegnen. Erniedrigt und außer sich vor Zorn schwor das Monster Rache an seinem Schöpfer und der gesamten Menschheit. Es eilte nach Genf, begegnete auf einem Feld vor der Stadt Frankensteins kleinem Bruder William und erwürgte das Kind im Blutrausch.

„Ach! Kein Sterblicher könnte das Grauen dieses Anblicks ertragen. Eine erneut zum Leben erwachte Mumie könnte nicht so entsetzlich sein wie dieser Teufel.“ (Frankenstein, S. 54 f.)

Inzwischen hat das Monster jede Hoffnung aufgegeben. Mit seinem grauenhaften Aussehen wird es niemals ein menschliches Wesen für sich gewinnen, es wird nie aus seiner Einsamkeit erlöst werden! Von Frankenstein fordert es daher, ihm eine Gefährtin zu erschaffen, die – ebenfalls monströs und hässlich – das Schicksal mit ihm teilen müsste. Gemeinsam würden sie den Kontinent verlassen, beteuert das Monster, sie würden in Südamerika im Urwald leben und der Menschheit nie wieder zur Last fallen. Nach anfänglichem Zögern empfindet Frankenstein Mitleid mit seiner Schöpfung und lässt sich zu einem Versprechen hinreißen: Er wird ein weibliches Wesen erschaffen.

Auf den Orkneyinseln

Zurück in Genf verzweifelt Frankenstein schon allein bei der Vorstellung, noch einmal an sein grauenvolles Werk zu gehen. Zur Aufmunterung wird ihm die baldige Hochzeit mit Elisabeth angetragen. Frankenstein stimmt der Ehe aus tiefstem Herzen zu, weiß jedoch, dass er zunächst sein Versprechen einlösen muss, da sich das Monster sonst an seiner Familie vergehen wird. Er beschließt, mit seinem Freund Henry nach England zu fahren, und hofft, dass sein Dämon ihm ins Ausland folgen wird, sodass er dort das weibliche Wesen schaffen und beide zurücklassen kann. Die Reise führt über London nach Schottland, wo Frankenstein sich von Henry trennt, um sich auf einer entlegenen Klippe der Orkneyinseln an die Arbeit zu machen.

„Alle Menschen hassen das Scheußliche. Wie sehr muss man mich dann hassen, der ich scheußlicher bin als alle lebenden Kreaturen!“ (das Monster, S. 102)

Nachdem er die ersten Leichenteile zusammengenäht hat, kommen ihm jedoch Bedenken. Was, wenn das weibliche Wesen noch boshafter ist als das erste Monster? Was, wenn die beiden sich nicht von den Menschen zurückziehen, sondern zukünftig gemeinsam Mord und Schrecken verbreiten? Was, wenn sie sich vermehren? Frankenstein wird sich seiner Verantwortung bewusst und vernichtet sein eben erst begonnenes Werk. Da tritt das Monster, das ihm tatsächlich nach Schottland gefolgt ist, wütend zu ihm und droht: In Frankensteins Hochzeitsnacht werde es bei ihm sein und sich rächen. Victor bleibt hart. In der Nacht rudert er aufs Meer hinaus und versenkt die Leichenteile seiner abgebrochenen Arbeit. Doch dann hat er Pech: Er gerät in einen Sturm und wird bis an die Küste Irlands verschlagen. Gleichzeitig mit ihm wird die Leiche eines jungen Mannes angeschwemmt – Frankenstein wird des Mordes verdächtigt und vor Gericht gestellt.

Der Tod der Freunde

Es kommt noch schlimmer: Bei der angeschwemmten Leiche handelt es sich um Frankensteins Freund Henry Clerval. Der Tote trägt dieselben tiefen Würgemale wie der kleine William – ein weiteres Opfer des Monsters. Frankenstein fällt in einen langen Fieberwahn, in dem er sich mehrmals selbst des Mordes an seinem Freund bezichtigt. Erst Monate später wird er entlassen, weil sich herausstellt, dass er zum Todeszeitpunkt Clervals noch auf den Orkneyinseln weilte.

„Keine Eva linderte meinen Kummer oder teilte meine Gedanken. Ich war allein. Ich erinnerte mich an Adams Bitte an seinen Schöpfer, aber wo war der meine? Er hatte mich im Stich gelassen, und in der Verbitterung meines Herzens verfluchte ich ihn.“ (das Monster, S. 141)

Wieder in Genf stimmt Frankenstein trotz finsterer Vorahnungen der Vermählung mit Elisabeth zu. Das Paar erlebt einen glücklichen Hochzeitstag. In der Nacht jedoch wird Frankenstein von seinem Schicksal ereilt: Er geht irrtümlich davon aus, das Monster wolle sich in der Hochzeitsnacht an ihm selbst vergehen, weshalb er Elisabeth allein im Schlafzimmer zurücklässt und in der unteren Etage des Hauses auf seinen Gegner wartet. Erst als er ihre Schreie hört, wird er sich seines Fehlers bewusst. Er kann nichts mehr ausrichten, das Monster hat die geliebte Frau bereits erwürgt. Frankensteins Vater stirbt an einem Schlaganfall, als er vom Tod Elisabeths erfährt; er selbst wird für einige Monate halb wahnsinnig in eine Zelle gesperrt.

Reue auf dem Sterbebett

Von nun an widmet Frankenstein sein Leben ausschließlich der Rache. Bis zur Erschöpfung jagt er das Monster durch ganz Europa und bis an den Nordpol, wo er am Ende seiner Kräfte von Robert Walton entdeckt und an Bord genommen wird.

„Meine Gefährtin muss von derselben Art sein wie ich, mit denselben Gebrechen. Dieses Wesen musst du erschaffen.“ (das Monster zu Frankenstein, S. 156)

Walton schreibt weiter an seine Schwester: Das Schiff ist erneut von Eisbergen eingeschlossen, zahlreiche Matrosen sind bereits erfroren. Auch Frankensteins Lebensgeister schwinden, nachdem er seine Geschichte erzählt hat. Er erinnert sich an die Träume seiner Jugend, seinen Plan, als Wissenschaftler die Menschheit zu erlösen; er beklagt seinen tiefen Fall und verflucht seinen teuflischen Ehrgeiz. Dann beauftragt er Walton, für ihn die Rache an dem Monster zu vollenden – und stirbt.

„Du bist mein Schöpfer, doch ich bin dein Herr – gehorche!“ (das Monster zu Frankenstein, S. 185)

Während Walton diese Ereignisse aufschreibt, wird er von Lärm gestört. Er unterbricht seine Arbeit, um nach dem Rechten zu sehen. In der Kabine nebenan trifft er auf das Monster, das voller Trauer über die Leiche seines Schöpfers gebeugt ist. Walton will den letzten Wunsch Frankensteins erfüllen und zum Säbel greifen, doch dann übermannen ihn Mitleid und Neugierde. Tatsächlich empfindet das Monster Reue für seine Taten. Doch die Ungerechtigkeit der Welt habe es in den Hass getrieben; es habe nicht anders handeln können. Dann springt es aus dem Kajütenfenster und treibt auf einer Eisscholle in die Nacht davon.

Zum Text

Aufbau und Stil

Wolkenverhangene Vollmondnächte, Regen, der gegen die Fenster peitscht, ein halb verrückter Wissenschaftler, der nachts auf dem Friedhof nach Leichenteilen gräbt – mit solchen Elementen bediente Mary Shelley in ihrem literarischen Debüt die damals beliebte Gattung des Schauerromans in solcher Vollendung, dass ihr auf Anhieb ein Klassiker des Genres gelang. Typisch für die damalige Epoche der Romantik war nicht nur das Unheimliche, sondern auch die Entscheidung, dem Leser die Geschichte in Form eines Briefromans zu präsentieren. Shelleys Erzähler Robert Walton schreibt empfindsame und etwas schwärmerische Briefe an seine geliebte Schwester, womit die Autorin nicht nur die Authentizität des Textes simuliert, sondern ihm auch von Anfang an einen sehr gefühlvollen Ton verleiht. Nicht weniger emotional ist der Hauptteil des Romans, die den Briefen beigelegte Niederschrift von Victor Frankensteins Lebensbericht. Dabei wirken die selbstmitleidigen Klagepassagen des gescheiterten Wissenschaftlers aus heutiger Sicht leicht pathetisch und langatmig, während die Schockeffekte der berühmtesten Szene des Romans in der Urfassung zurückhaltend gestaltet sind: Die Geburt des Monsters wird ohne viel Blitz und Donner und vergleichsweise knapp beschrieben.

Interpretationsansätze

  • Shelley sieht die Entstehung des Bösen in einem Mangel an Zuneigung und familiären Bindungen begründet. Das Monster ist ursprünglich gutherzig und bescheiden und erhält durchaus die Sympathien des Lesers. Erst als es von seiner Umwelt abgewiesen und dauerhaft erniedrigt wird, entwickelt es Hassgefühle gegen die Menschen und wird zur mordlustigen Bestie.
  • Victor Frankenstein wird von der Autorin weniger sympathisch angelegt. Als Wissenschaftler zunächst über alle Maßen ambitioniert, sieht er später dem Morden seiner Kreatur tatenlos zu und bemitleidet sich vor allem selbst. Frankenstein ist ein Paradebeispiel menschlicher Hybris: In maßloser Selbstüberschätzung hält er sich für einen gottgleichen Schöpfer, ohne über die Konsequenzen seines Tuns nachzudenken.
  • Der Roman kann dementsprechend als Kritik an der Wissenschaft gelesen werden. Unter lieblosen Laborbedingungen lässt sich das menschliche Wesen nicht vervollkommnen. Wird der neue und leistungsfähigere Mensch vom Forscher allein aus wissenschaftlichem Ehrgeiz erdacht, endet er schnell als einsames Monster. Shelley betont die Unverzichtbarkeit aufrichtiger Anteilnahme und Zuneigung.
  • Mary Shelley entwirft ein erstaunlich modernes Familienbild. Die Autorin selbst war geprägt von ihrer Kindheit im offenen Haus ihres Vaters, des anarchistischen Philosophen William Godwin. Ihre Romanfiguren leben in einer Art Patchworkfamilie: Zum Haushalt der Frankensteins gehören nicht nur Vater, Mutter und Kind, auch die Cousine und der Schulfreund werden in den engsten Kreis mit aufgenommen.
  • Der Untertitel „Der moderne Prometheus“ bezieht sich auf die griechische Mythologie: Prometheus stiehlt die Flamme der Sonne und bringt den Menschen das Feuer. Wie der ambitionierte Wissenschaftler Frankenstein wird er für seinen Übermut hart bestraft.
  • Ungewöhnlich für ihre Zeit waren Mary Shelleys Verweise auf die aus wissenschaftlicher Sicht eines Tages mögliche Durchführbarkeit der Experimente Frankensteins. Hier geht der Text bereits weit über die reine Fantasiegeschichte hinaus und berührt ein später erfolgreiches Genre: den Science-Fiction-Roman.

Historischer Hintergrund

Kritische Denker in England

Nach der Französischen Revolution 1789 fürchtete die englische Oberschicht, dass die freiheitlichen Ideale vom europäischen Festland auf das Vereinigte Königreich überspringen und auch dort für Aufruhr in der Bevölkerung sorgen könnten. Dementsprechend kritisch beäugt und entschlossen bekämpft wurden Frankreichs militärische Erfolge auf dem Kontinent. Während der Revolutionskriege und der Napoleonischen Kriege von 1792 bis 1815 war England durch seine Insellage im Vorteil und praktisch uneinnehmbar. Um sich zudem die Seehoheit zu bewahren, verbündete sich Großbritannien mit verschiedenen europäischen Ländern wie etwa Österreich, Preußen und Italien, in denen noch immer monarchistische Herrscher an der Macht waren.

Von liberal eingestellten englischen Intellektuellen wie Lord Byron oder Mary Shelleys Ehemann Percy Shelley wurde die englische Regierung für dieses Vorgehen scharf kritisiert. Beide Männer traten für soziale Reformen im eigenen Land ein und sahen die außenpolitischen Annäherungen an die Festland-Monarchien als gefährlichen Rückschritt. Obwohl der königliche Absolutismus in England abgeschafft worden war und längst das Parlament die Macht übernommen hatte, war für den Durchschnittsbürger von den demokratischen Errungenschaften noch nicht viel zu spüren. Fabrikbesitzer und Politiker waren in ihren Befugnissen kaum eingeschränkt; die nach der industriellen Revolution entstandene Arbeiterklasse sah sich zunehmend in Not und Armut gedrängt.

Entstehung

Als „Jahr ohne Sommer“ ist das Jahr 1816 in die Geschichte eingegangen. Nachdem 1815 in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen war, gerieten Unmengen von Staub und Asche in die Atmosphäre und legten sich wie ein Schleier um den Globus. Weltweit veränderte sich in der Folge kurzzeitig das Klima, in Amerika und Mitteleuropa fiel mitten im Sommer Schnee.

Mary Shelley hielt sich zu jener Zeit mit ihrem späteren Ehemann Percy am Genfer See auf und wurde am 16. Juni 1816 auf einem Ausflug von einem sintflutartigen Unwetter überrascht. Die beiden beschlossen, die Nacht bei ihrem Freund Lord Byron in der Villa Diodati zu verbringen, wo dieser sich mit seinem Leibarzt John Polidori und Marys Stiefschwester Claire Clairmont einquartiert hatte. Man saß zu fünft zusammen, las sich deutsche Schauergeschichten vor und diskutierte die Experimente des Erasmus Darwin, der geglaubt hatte, mittels Elektrizität tote Objekte ins Leben rufen zu können. Auch sprach man wohl dem Laudanum zu, einer damals verbreiteten Opiumtinktur.

Derartig in Stimmung gebracht, schlug Lord Byron einen Dichterwettstreit vor: Jeder der fünf sollte eine Schauergeschichte schreiben. Während Byron und Percy Shelley wenig zustande brachten, gelang John Polidori mit Der Vampyr eine der ersten Vampirgeschichten der Weltliteratur, in deren Tradition später auch Bram Stokers Dracula stand. Mary Shelley war zunächst unproduktiv, hatte dann eines Nachts aber einen Albtraum, in dem sie einen bleichen Wissenschaftler sah, „neben dem Ding knien, das er zusammengesetzt hatte“. Aus der Vision wurde eine erste Szene, die Lord Byron der Überlieferung zufolge derartig das Fürchten lehrte, dass er bleich aus dem Zimmer lief. Davon ermutigt arbeitete Mary Shelley die Szene im folgenden Jahr zu einem Roman aus.

Wirkungsgeschichte

Das dramatische Potenzial der Frankenstein-Geschichte, das auch noch heute das Publikum zur jeweils neusten Adaption des Stoffs in die Kinos strömen lässt, wurde von Mary Shelleys Zeitgenossen umgehend erkannt. Doch auf die Bühne gestellt blieb das Monster nicht, wie Shelley/Frankenstein es geschaffen hatte, sondern machte manche Veränderungen durch: Bereits bei der Premiere der ersten Bühnenbearbeitung 1823 im English Opera House bekamen die Gäste nicht mehr das intelligente und traurige Wesen der Urfassung zu sehen, sondern ein schweigendes und auf seine Gruselwirkung reduziertes Monster. Mary Shelley selbst – inzwischen von Schicksalsschlägen gezeichnet und allein erziehende Mutter mit Finanzproblemen – legte 1831 eine zweite, kommerziell überarbeitete Fassung ihres Buches nach. // // Der Erfolg der Bühnenfassung führte schnell zu weiteren Theaterversionen sowie zu Fortsetzungen und Parodien der Geschichte. Die unzähligen Verfilmungen des Stoffs nutzten später meist diese effektreichen Bearbeitungen als Vorlage, nicht die ursprüngliche Romanfassung. Zu einem einfachen Trick griff James Whale, dem mit Boris Karloff in der Rolle des Monsters 1931 der bis heute berühmteste Frankenstein-Film gelang. In seiner Fassung bekam der Unhold irrtümlich das Gehirn eines Verbrechers eingepflanzt, womit seine Mordgier schnell erklärt war. Die letzte große Hollywood-Bearbeitung (Regie: Kenneth Branagh) stammt aus dem Jahr 1994 und zeigt niemand Geringeren als Robert de Niro in der Rolle des Monsters.

Über den Autor

Mary Shelley wird am 30. August 1797 unter dem Namen Mary Godwin in London geboren. Ihre Mutter ist Mary Wollstonecraft, eine der ersten Frauenrechtlerinnen, ihr Vater ist der erfolgreiche Philosoph und Freidenker William Godwin. Da Marys Mutter bei der Geburt stirbt und ihr Vater bald wieder heiratet, wächst sie zusammen mit vier Geschwistern verschiedener Eltern in einer für damalige Verhältnisse sehr offenen Familie auf. Der Zugang zu einer höheren Schule bleibt ihr verwehrt, der Einfluss der intellektuellen Gesellschaft im Haus ihres Vaters macht sich jedoch bemerkbar. Bereits als junges Mädchen ist Mary Shelley außergewöhnlich belesen. Mit 16 Jahren lernt sie 1814 den jungen Dichter Percy Bysshe Shelley kennen – und brennt mit ihm für einige Zeit nach Frankreich durch. Shelleys erste Frau begeht 1816 Selbstmord, woraufhin Mary und Percy heiraten. Die Ehe ist zunächst glücklich, die beiden gleichermaßen kunstinteressierten und radikalen Denker passen gut zueinander. Das Paar bekommt drei Kinder. Inspiriert von den heute sagenumwobenen Abenden mit Percy und Lord Byron in dessen Villa am Genfer See veröffentlicht Mary 1818 ihren ersten Roman Frankenstein und wird über Nacht berühmt. Dann aber verlässt sie das Glück: Das Ehepaar zieht nach Italien, wo Percy Shelley am 8. Juli 1822 bei einem Segelunfall vor La Spezia ertrinkt. Auch zwei ihrer Kinder sterben in jungen Jahren, und nur Percy Florence Shelley überlebt. Mary zieht zurück nach London. Sie verwaltet Werk und Nachlass ihres Mannes und veröffentlicht selbst weiterhin Romane, von denen insbesondere The Last Man (Verney, der letzte Mensch, 1826) erfolgreich ist. Mary Shelley stirbt am 1. Februar 1851 in London an den Folgen eines Hirntumors.

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