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Odyssee

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Odyssee

Artemis & Winkler,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Die Irrfahrten des Odysseus sind mehr als eine spannende Abenteuergeschichte: Das homerische Epos ist eine der Wurzeln der europäischen Kultur und Literatur.


Literatur­klassiker

  • Epos
  • Griechische Antike

Worum es geht

Die Irrfahrten des Odysseus

Mancher Literaturliebhaber behauptet, die Schrift sei nur deswegen erfunden worden, um die epischen Erzählungen Homers niederzuschreiben. Das ist vielleicht ein wenig zu viel der Schmeichelei, aber Fakt ist: Homers Odyssee gehört zu den ältesten, wichtigsten und größten Erzählungen der Weltliteratur. Ein angeblich blinder Dichter, von dem wir heute fast nichts wissen, schenkte uns diese gewaltige Abenteuererzählung: Nach zehn Jahren im Trojanischen Krieg will der Held Odysseus endlich in die geliebte Heimat zurückkehren. Doch er erzürnt den Meergott Poseidon, was ihm manches Ungemach beschert. Mann für Mann verliert er seine Gefährten, er begegnet den menschenfressenden Laistrygonen, dem einäugigen Kyklopen, dem sechsköpfigen Seeungeheuer Skylla, den verlockenden Sirenen, der Zauberin Kirke und landet schließlich auf einem Eiland bei der Nymphe Kalypso. Nur durch den Ratschluss der Götter darf er nach zehnjähriger Irrfahrt in die Heimat zurückkehren, Frau und Thron wieder in Besitz nehmen und Ordnung schaffen im verwahrlosten Königreich. Der französische Schriftsteller George Duhamel empfahl einmal, dass "ein kultivierter Europäer alle zehn Jahre die Homer'schen Epen wiederlesen" soll. Es lohnt sich, denn mit Homer beginnt tatsächlich die europäische Literatur.

Take-aways

  • Homers Odyssee markiert - zusammen mit der Ilias - den Anfang der europäischen Literatur. Das Versepos ist vermutlich um 750 v. Chr. entstanden.
  • Über die Entstehung und den Autor ist nicht viel bekannt. Einige Forscher bestreiten sogar, dass die Odyssee das Werk eines einzigen Autors ist.
  • Das Epos umfasst 24 Gesänge (= Kapitel), bestehend aus 12 200 reimlosen Hexametern (sechsfüßigen Versen).
  • Die Odyssee fängt dort an, wo die Ilias endet: Nach dem Trojanischen Krieg wünscht sich der Held Odysseus nichts sehnlicher, als zu seiner Frau und seinem Königreich Ithaka zurückzukehren.
  • In der Heimat nehmen derweil räuberische Freier sein Haus in Besitz und buhlen um die Hand seiner Frau Penelope - und damit um den Königsthron.
  • Die Göttin Athene ruft Odysseus' Sohn Telemachos dazu auf, seinen Vater zu suchen.
  • Odysseus zieht den Groll des Meergottes Poseidon auf sich, weil er dessen Sohn, den riesenhaften Kyklopen Polyphem, blendet. Fortan verfolgt ihn Poseidon und treibt das Schiff auf den Wellen des Mittelmeeres umher.
  • Zusammen mit seiner Mannschaft muss sich Odysseus vielen Gefahren stellen: u. a. dem Gesang der Sirenen, der Zauberin Kirke, den Seeungeheuern Skylla und Charybdis.
  • In die Unterwelt hinabgestiegen, darf Odysseus einen Blick in seine Zukunft werfen.
  • Seine Gefährten schlachten trotz der Warnungen des blinden Sehers Teiresias die Rinder des Sonnengottes Helios - und kommen alle ums Leben.
  • Nach langen Jahren bei der Nymphe Kalypso darf Odysseus seine Heimreise antreten, vereinigt sich mit Frau und Sohn und nimmt an den Freiern erbarmungslos Rache.
  • Die Wirkungsgeschichte dieses Werkes ist überaus umfassend: Von der Antike bis zum modernen Fantasy-Roman folgen Autoren dem Muster der Heldenreise.

Zusammenfassung

Ein göttlicher Auftrag

Nach der Zerstörung Trojas sind fast alle heldenhaften Kriegsherren in ihre griechische Heimat zurückgekehrt. Alle, außer Odysseus. Dieser befindet sich, nach einer langen Irrfahrt, auf der Insel Ogygia bei der Nymphe Kalypso, die sich unsterblich in ihn verliebt hat und ihn nun schon im siebten Jahr bei sich festhält. Das muss ein Ende haben, meint die Göttin Athene, die beim Rat der Götter auf dem Olymp ein gutes Wort für den Helden einlegt. Athene eilt daraufhin nach Ithaka, um Telemachos, dem Sohn des Odysseus, beizustehen. Dieser hat die Hoffnung auf die Rückkehr seines Vaters längst aufgegeben - anders als die treue Gattin Penelope, die sich in Sehnsucht nach ihrem verschollenen Ehemann und König der Insel verzehrt. Dreiste Freier werben derweil um Penelope und verprassen dabei Odysseus' Besitz. Bei einem ihrer opulenten Mahle tritt Athene auf Telemachos zu: Sie erklärt ihm, dass sein Vater Odysseus noch lebt. Er, Telemachos, solle eine Versammlung einberufen und die Freier vom Hof jagen, ein Schiff samt Besatzung besorgen und nach Pylos und Sparta segeln, um Neuigkeiten über Odysseus in Erfahrung zu bringen.

In Pylos

Odysseus' Sohn hegt neue Hoffnung und tut alles so, wie ihm Athene geraten hat. Die Volksversammlung am nächsten Morgen ist jedoch ein Desaster: Die Freier denken gar nicht daran, abzuziehen. In seiner Verzweiflung fleht Telemachos um Athenes Hilfe. Diese sammelt für ihn eine Mannschaft und leiht sich das schnellste Schiff im Hafen. Mitten in der Nacht legt das Schiff mit Telemachos, Athene und zwanzig Reisebegleitern ab und erreicht schon am nächsten Morgen die Gestade von Pylos. Von König Nestor werden die Reisenden gastfreundlich empfangen. Er erzählt Telemachos, was er von dem Verbleib seines Vaters weiß: Odysseus habe den Hafen von Troja nicht mit den anderen Griechen verlassen, weil er bei Agamemnon, dem griechischen Heerführer, bleiben wollte. Danach habe er nichts mehr von ihm gehört. Agamemnon sei nach seiner Rückkehr einem feigen Mordanschlag zum Opfer gefallen. Etwas Ähnliches könnte auch Telemachos geschehen: Die Freier, die seine heimliche Abreise inzwischen bemerkt haben, schmieden bereits ein Mordkomplott gegen ihn.

In Sparta

Nestor rät Telemachos, nach Sparta zu reisen und sich bei Menelaos, Agamemnons Bruder, über den Verbleib des Odysseus zu erkundigen. Nach einem Opferfest zu Ehren von Athene gibt Nestor Telemachos einen Streitwagen und seinen Sohn Peisistratos mit, um zu Menelaos zu gelangen. Nach zwei Tagen erreichen sie Sparta. Auch hier werden sie zuvorkommend behandelt. Menelaos kann etwas berichten, das Telemachos neuen Mut gibt: Auf seiner Heimreise von Troja habe er vom Tod des Agamemnon erfahren, aber auch vom Verbleib des Odysseus. Er sei Gefangener der Nymphe Kalypso. Telemachos macht sich auf den Rückweg nach Ithaka, wo Penelope um das Leben ihres Sohnes zittert und die Freier in ihren Schiffen bereits auf ihn warten.

Bei den Phaiaken

Auf dem Olymp setzt sich Athene erneut für die Freilassung des Odysseus ein. Göttervater Zeus schickt daraufhin den Götterboten Hermes zur Nymphe Kalypso, der ihr befiehlt, den Griechen ziehen zu lassen. Kalypso gehorcht und lässt Odysseus ein Floß bauen, mit dem er nach einigen Tagen auf das Meer hinausfährt. Nach 17 Tagen entdeckt ihn der Meergott Poseidon. Dieser grollt Odysseus und entfesselt einen Sturm, der das Floß zerschellen lässt. Mit viel Glück erreicht Odysseus die Insel der Phaiaken. Am Hof des Königs Alkinoos wird er freundlich aufgenommen. Odysseus ersucht den Herrscher um ein Schiff, das ihn zurück nach Ithaka bringen kann. Beim gemeinsamen Festmahl mit den Fürsten des Landes tritt ein Sänger auf. Er singt vom Trojanischen Krieg und den Heldentaten von Achilles und Odysseus. Überwältigt von seinem Kummer, beginnt Odysseus zu schluchzen. Auf die verwunderten Fragen seiner Gastgeber muss er sich zu erkennen geben: Er selbst ist es, von dem der Sänger berichtet. Nun beginnt er damit, den gespannten Zuhörern seine Abenteuer zu erzählen.

Die Erzählung des Odysseus

Nach der zehnjährigen Belagerung Trojas und dem Sieg der Griechen trieb ein Sturm die Schiffe zur Insel der Lotophagen: friedliebende Menschen, die Odysseus' Kundschaftern sogleich von den süßen Lotosfrüchten zu essen gaben. Als ihr Führer das herausbekam, ahnte er Schlimmes: Der Lotos lullt jeden, der seine Früchte genießt, in Vergessen ein. So auch hier: Die Kundschafter vergaßen ihren Auftrag und hatten kein Interesse mehr, nach Ithaka zurückzukehren. Odysseus holte sie mit Gewalt zurück auf die Schiffe.

Bei den Kyklopen

Einige Tage später erreichten sie die Insel der Kyklopen: furchtbare Riesen mit nur einem grässlichen Auge auf der Stirn. Nachdem sie einige der herumlaufenden Ziegen geschlachtet und verzehrt hatten, brach Odysseus mit zwölf Männern zu einer Expedition ins Landesinnere auf. In einer Höhle fanden sie nicht nur Ziegen und Widder, sondern auch schmackhaften Käse und Milch. Da erschien der Bewohner der Höhle: ein ungeschlachter Riese namens Polyphem, ein Sohn des Meergottes Poseidon. Er entdeckte die Eindringlinge und verspeiste gleich zwei von ihnen als Zwischenmahlzeit. Mit einem riesigen Felsbrocken verschloss er den Höhlenausgang und legte sich schlafen. Flucht war aussichtslos. Odysseus überlegte fieberhaft, wie er und seine Gefährten diesem Ort des Grauens entfliehen könnten. Am nächsten Morgen bot Odysseus dem Riesen einen Schluck aus seinem Weinschlauch an. Polyphem fragte nach dem Namen des Fremden. Odysseus sagte, dass man ihn "Niemand" nenne. Dann kredenzte er dem Riesen einen weiteren Becher Wein. Betrunken sank Polyphem in einen tiefen Schlaf. Jetzt ergriffen Odysseus und seine Männer einen glühenden Speer und stachen dem Riesen sein einziges Auge aus. Die anderen Kyklopen hörten dessen Jammergeschrei, aber weil er immerzu brüllte: "Niemand hat mich angegriffen!", hielten sie ihn für verrückt und zogen sich wieder zurück. Nachdem der Riese den Stein vom Eingang gerollt hatte, gelang Odysseus und seinen Gefährten die Flucht. Wieder an Bord der Schiffe verspottete Odysseus Polyphem und rief ihm seinen wahren Namen zu. Der vor Wut rasende Riese beschwor Poseidon, ihn zu rächen, Odysseus die Rückkehr nach Ithaka zu verwehren und alle seine Gefährten zu töten.

Die Zauberin

Die Schiffe des Odysseus landeten auf der Insel des Windgottes Aiolos, der sie einen ganzen Monat lang freundlich beherbergte. Beim Abschied schenkte er Odysseus einen Schlauch, der, wenn man ihn öffnete, einen gewaltigen Sturm entfesseln konnte. Nach zehn Tagen auf See konnten die Gefährten bereits die Heimat sehen. Doch die neugierigen Tölpel öffneten den Schlauch des Aiolos: Ein gewaltiger Wind trieb das Schiff zurück an seinen Ausgangspunkt. Nach einem Abenteuer bei den menschenfressenden Laistrygonen landeten die Griechen auf der Insel der Kirke, einer mächtigen Zauberin. Nach einem opulenten Mahl schickte Odysseus einige seiner Krieger ins Innere der Insel. Dort wurden sie von Kirke wohlwollend empfangen. Die Speise, die sie ihnen darbot, war jedoch verzaubert - und flugs waren die starken Männer in grunzende Schweine verwandelt. Nur einer der Mannen, der nicht ins Haus der Kirke eingekehrt war, konnte Odysseus berichten. Dieser marschierte sofort auf das Haus der Zauberin los. Unterwegs fing ihn der Götterbote Hermes ab und reichte ihm ein Kraut, mit dem er sich vor Kirkes Zauberkräften schützen konnte. Und siehe da: Die Zauberin zeigte sich entzückt, den todesmutigen Odysseus zu Gast zu haben, vergnügte sich sogar mit ihm in ihrem Bett und hob den Zauber an seinen Männern wieder auf.

Hadesfahrt

Ein volles Jahr blieben Odysseus und seine Gefährten bei Kirke. Sie riet ihnen, den blinden Seher Teiresias über ihre Zukunft zu befragen. Doch dazu müssten sie in den Hades reisen, das Land der Toten. Dies geschah: Odysseus bereitete ein Opfer für die Toten und tatsächlich gesellten sich die Schatten der Verstorbenen zu den Männern. Unter ihnen war Teiresias, der das Opfer annahm und Odysseus mehrere Weissagungen machte: Poseidon grolle ihm und werde ihn für die Blendung seines Sohnes bestrafen. Auf der Insel Thrinakia würden Odysseus und seine Gefährten einer Prüfung unterzogen: Sie dürften auf keinen Fall die Rinder des Sonnengottes Helios anrühren. Die Männer verließen die Unterwelt und kehrten zu Kirkes Insel zurück.

Die Rinder des Helios

Die Zauberin gab ihnen abermals gute Ratschläge für die Weiterfahrt: Sie sollten sich vor den Sirenen in Acht nehmen: Zwitterwesen aus Frauen und Greifvögeln, die Vorbeifahrende mit ihrem lieblichen Gesang auf die Felsen lockten, um sie dort zu zerfleischen. Odysseus verschloss daraufhin seiner Mannschaft die Ohren mit Wachs. Er selbst ließ sich an den Mast des Schiffes binden: So konnte er dem Gesang der Sirenen zuhören, ohne sein Schiff oder die Mannschaft in Gefahr zu bringen.

„Muse! Erzähl mir vom wendigen Mann, der die heilige Feste / Trojas zerstörte!“ (S. 7)

Bei zwei auffälligen Klippen musste die Besatzung an einem gefährlichen Strudel vorbeinavigieren: Hier hauste Charybdis, ein Monster, das mehrmals täglich das Wasser einsaugte und wieder ausspie. Unterwegs griff die Griechen außerdem das sechsköpfige Seeungeheuer Skylla an und verschlang sechs der Gefährten. Die größte Prüfung ereilte die Männer jedoch auf der Insel Thrinakia, wo die Herden des Sonnengottes weideten. Trotz aller Warnungen schlachteten die hungrigen Griechen einige Tiere und bereiteten sich ein Festmahl. Die Strafe folgte sofort: Wie in der Prophezeiung des Teiresias und der Kirke gesagt, geriet das Schiff in einen gewaltigen Sturm und alle Gefährten kamen ums Leben. Einzig Odysseus konnte sich an einigen Planken über Wasser halten und auf eine Insel retten. Die Nymphe Kalypso gewährte ihm Asyl und verliebte sich in ihn.

„Wie nur könnt ich des hehren Odysseus jemals vergessen? / Sterblichen ist er voraus an Verstand, den unsterblichen Göttern / Brachte er Opfer in Fülle, den Herren im breiten Himmel.“ (S. 9)

Hier schließt sich der Kreis von Odysseus' Erzählung: Sieben Jahre blieb er bei der Nymphe, die ihn nicht gehen lassen, ja sogar heiraten wollte. Erst der Befehl des obersten aller Götter veranlasste sie, Odysseus ziehen zu lassen.

Rückkehr nach Ithaka

Auf den schnellen Schiffen der Phaiaken gelangt nun der schlafende Odysseus in seine geliebte Heimat Ithaka. Athene verwandelt ihn zur Tarnung in einen alten Bettler, damit er sich heimlich Penelopes Treue versichern kann, und weist ihn an, den Schweinehirten Eumaios aufzusuchen, der ihn freundlich aufnimmt. Hier begegnet er seinem Sohn Telemachos wieder. Dieser ist durch Athenes Warnung den Fallen der Freier entgangen. Vater und Sohn schmieden einen Plan, wie sie an den Freiern fürchterliche Rache nehmen können. Penelope hat inzwischen eine Entscheidung getroffen: Sie will ein Wettschießen mit Odysseus' Bogen veranstalten. Wem es gelingt, einen Pfeil durch die Ösen von zwölf hintereinander aufgestellten Äxten zu schießen, darf sie heiraten. Die Freier sind über diese Aussicht natürlich erfreut. Dabei fällt ihnen gar nicht auf, dass der Bettler sich ebenfalls im Saal befindet und Telemachos heimlich sämtliche Waffen von den Wänden entfernt hat. Es kommt, wie es kommen muss: Keinem der Freier gelingt es auch nur, den Bogen des Odysseus zu spannen.

Das Ende der Reise

Da meldet sich der Bettler, um es auch einmal zu versuchen. Mit Leichtigkeit spannt er den Bogen und schießt den Pfeil durch die zwölf Ösen. Sofort folgt ein zweiter Pfeil, der den Anführer der Freier ins Herz trifft. Jetzt werden die Türen geschlossen und Vater und Sohn halten unter den Freiern und abtrünnigen Mägden ein grausames Gericht. Penelope indes glaubt dem Bettler nicht, dass er ihr lange vermisster Mann sein soll. Erst als Athene ihn zurückverwandelt und er ihr berichtet, wie er einst das eheliche Bett um einen Ölbaum herum gebaut hat, erkennt sie ihren Mann und fällt ihm überglücklich um den Hals. Sie erzählen einander von der Ereignissen der vergangenen 20 Jahre. Es wird klar, dass Penelope Odysseus über all die Jahre treu geblieben ist. Der Freier hat sie sich mit einer List erwehrt: Sie hat ihnen erklärt, sie werde sich für einen von ihnen entscheiden, sobald sie ein Tuch zu Ende gewebt hätte - doch heimlich trennte sie nachts wieder auf, was sie tagsüber gewebt hatte. Athene greift nun neuerlich ein, um den Liebling der Götter vor der Rache der Bauern zu bewahren, die den Freiermord nicht ungesühnt lassen wollen. Durch ihr energisches Auftreten und einen von Zeus geschleuderten Blitz schafft sie auf Ithaka dauerhaften Frieden.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Odyssee ist ein Epos, eine Großform der erzählenden Dichtung. Epen zeichnen sich durch einen besonders hohen, erhabenen Stil und Inhalt aus. Obwohl die Odyssee das zehnjährige Martyrium des Odysseus beschreibt, gelingt dem Autor die Verknappung der eigentlichen Erzählzeit auf etwa 40 Tage. Homer teilt die Handlung in drei Etappen: Zunächst werden die Erlebnisse des Telemachos erzählt (in der so genannten "Telemachie" der ersten vier Gesänge), um dann erst auf Odysseus überzuschwenken, der seine Reise in der Rückschau berichtet (neunter bis zwölfter Gesang). In den letzten zwölf Gesängen werden diese beiden Handlungsebenen dann zusammengeführt. Homer verwendet eine Kunstsprache, die zahlreiche stereotype Wendungen enthält: Ob die Helden nun in ihr Schiff steigen oder sich die Morgenröte am Horizont abzeichnet, die Odyssee berichtet von solchen wiederkehrenden Elementen stets mit exakt den gleichen Worten. Auffallend sind auch die immer gleichen Epitheta: schmückende Beiwörter, die vielen Figuren in einer fast schon mechanischen Art und Weise zugewiesen werden (z. B. die Göttin Athene "mit den Augen der Eule"). Die Versform ist der Hexameter, ein Vers mit sechs Hebungen ohne Reim.

Interpretationsansätze

  • Der "listenreiche Odysseus" ist kein typischer Abenteurer: Er ist der "Alleserdulder", den ein zorniger Gott auf dem Meer herumtreibt und der nichts weiter möchte, als sicher in die Heimat zurückzukehren. Homer verleiht ihm psychologische Tiefe und zeigt ihn als Krieger und Seefahrer, aber auch als eloquenten Gesprächspartner und gewinnende Persönlichkeit.
  • Es ist immer wieder versucht worden, die Reiseroute des Odysseus an realen Orten festzumachen. Thrinakia kann z. B. mit Sizilien identifiziert werden. Andere Stationen der Irrfahrt sind jedoch rein phantastisch und nicht eindeutig in der Mittelmeerwelt festzumachen.
  • Die Odyssee kann man nicht verstehen, ohne zumindest die Grundzüge der griechischen Mythologie und die Götterwelt zu kennen. Mythen prägten das Leben der alten Griechen: Die Götter bekamen Menschengestalt und hatten klar zugewiesene Einflusssphären, was auch in der Odyssee sehr deutlich wird.
  • In der Odyssee ist der Mensch ein Spielball der Götter. Odysseus ist vor allem in der Hand des Göttervaters Zeus. So sehr Poseidon dem Reisenden zusetzt und so sehr Athene ihm beisteht: Letztlich entscheidet Zeus mit seinem Verdikt, ob er gerettet wird.
  • Die Odyssee ist die Fortsetzung der Ilias, des anderen homerischen Epos. In der Ilias werden jedoch die Götter ganz anders dargestellt als in der Odyssee. Beim Kampf um Troja (geschildert in der Ilias) mischen sich die Götter in den Krieg ein und sind über alle Maßen gesteigerte Menschen mit entfesselten Leidenschaften und vorwiegend negativen menschlichen Eigenschaften. Anders in der Odyssee: Hier stehen die Götter für Moralität, und Zeus erhält die Rolle eines weisen, ordnenden Herrschers.
  • Die Odyssee ist eine Metapher für das Leben des Menschen und sein Schicksal in der Welt. "Das Leben ist eine Odyssee": In der Alltagssprache ist Odyssee sprichwörtlich geworden für eine beschwerliche Reise.

Historischer Hintergrund

Trojanischer Krieg und Großgriechenland

Homers Odyssee berichtet zwar in erster Linie von den Irrfahrten und der Heimkehr des Odysseus, dennoch wird die Erinnerung an das Ereignis, das ihn aus der Heimat in die Fremde verschlagen hat, stets wach gehalten: der Krieg mit Troja. Dieser wird in dem anderen homerischen Epos, der Ilias, ausführlich erzählt. Paris, der Sohn des trojanischen Königs, hatte die schöne Helena, die Gattin des Griechen Menelaos, nach Troja entführt. Daraufhin zogen die griechischen Könige und Krieger mit tausend Schiffen nach Troja, um Menelaos zu rächen. Mit von der Partie war auch Odysseus, der in der Ilias neben dem Hauptheld Achilles jedoch nur eine Nebenrolle spielt. War Troja nur eine Fiktion, genau wie die griechische Mythologie? Lange Zeit hat man das angenommen, bis der Archäologe Heinrich Schliemann im Jahre 1870 die Überreste der sagenumwobenen Stadt Troja in der Türkei entdeckte. Damit war der historische Kern der homerischen Epen aufgedeckt.

Die Odyssee entstand in der ersten großen Kunstepoche der Griechen, die sich selbst in Abgrenzung zu den Barbaren als "Hellenen" bezeichneten. Das so genannte archaische Zeitalter (800-500 v. Chr.) ging mit dem Übergang zur Polis, dem griechischen Stadtstaat einher, an dessen Spitze zunächst ein König und später eine Oligarchie (Herrschaft einer kleinen Gruppe) stand. Griechenland löste die Phönizier als große Seefahrernation ab. Mit der griechischen Kolonisation breitete sich die Polis in die Mittelmeergebiete aus. Fast ganz Süditalien inklusive Sizilien wurde zu Kolonien gemacht: "Magna Graecia", Großgriechenland. Die Kolonien bildeten eigene Gemeinschaften, die nur hinsichtlich der Verfassung und der Religion an die Ursprungsstadt gekoppelt waren. Von Stadtstaat zu Stadtstaat unterschied sich das Gesellschaftssystem sehr stark: In Sparta beispielsweise herrschte die sehr aggressive Kriegerkaste über die Bevölkerung, während in Athen jedes adlige Mitglied der Gesellschaft die vollen Bürgerrechte erhielt. Von hier breitete sich die antike Form der Demokratie aus.

Entstehung der Odyssee

Wer etwas Verlässliches über die Entstehung der Odyssee schreiben könnte, dem wäre wohl der ewige Dank der Literaturwissenschaftler und Historiker sicher. Ebenso wie über den Dichter der Odyssee weiß man so gut wie nichts über ihre Entstehung. Vermutlich ist das Werk jedoch spätestens im siebten Jahrhundert v. Chr. entstanden. Das Epos wurde ursprünglich mündlich vorgetragen. Ein Mensch, der die Odyssee mit straffer Zeiteinteilung durchliest, benötigt hierfür etwa zwölf Stunden. Die Rhapsoden im antiken Griechenland werden dafür aber gut und gerne doppelt so lange gebraucht haben, mit zahlreichen Phrasierungen und Ausschmückungen des sich immer weiter verändernden Stoffes. Rhapsoden waren berufsmäßige fahrende Sänger, die neben der Odyssee auch andere Helden-, Hochzeits- oder Begräbnislieder sammelten und zum Besten gaben. Die Forschung bezeichnet eine bestimmte Untergruppe der Rhapsoden als "Homeriden", die das Erbe Homers verbreiteten. Die Griechen entwickelten aus der phönizischen Schrift im achten Jahrhundert v. Chr. die erste vollständige Alphabetschrift. Das bevorzugte Schreibmaterial war die Papyrusrolle. Vermutlich wurde die Odyssee auf diese Weise zum ersten Mal niedergeschrieben und immer wieder kopiert. Dennoch trat sie stets in Konkurrenz zu anderen Schriften, denn darüber, ob ein Werk abgeschrieben wurde oder nicht, entschied letztlich der Zeitgeschmack. In dieser Hinsicht wurde die Odyssee ein wahrer "Bestseller".

Wirkungsgeschichte

Kaum ein Werk hatte eine so umfassende Wirkung auf die Literatur und Geistesgeschichte des Abendlandes wie Homers Odyssee. Bereits in der Antike gehörte das Werk zum Kanon der Schullektüre. Aristoteles betrachtete in seiner Poetik die "kunstvoll verschlungene Komposition" des Werkes als Paradebeispiel für die epische Gattung. Die Aeneis des römischen Dichters Vergil beschreibt nach dem Vorbild Homers die Irrfahrten des Aeneas und die Gründung der Stadt Rom. Die höfische Dichtung des Mittelalters fand in den Abenteuern des Odysseus die Grundlage für ihre ritterlichen Epen. Der Klassizismus brachte zwei der herausragendsten Versübertragungen der Odyssee ins Deutsche hervor: von Johann Heinrich Voss (1781) und Johann Jacob Bodmer (1788). Diese wirkten u. a. auf Goethe, der seinen Werther in der Odyssee blättern ließ.

Jede europäische Nationalliteratur hat irgendwann einmal Bezug zu Homers Werk genommen. Ein prominentes Beispiel ist Miguel de Cervantes Saavedra, der seinen Don Quijote durch - humoristisch abgewandelte - Abenteuerepisoden führt und dabei die gleiche Ballung und Reihung der Episoden verwendet wie Homer. Der Roman Ulysses von James Joyce bedient sich der Grundstruktur der Odyssee und macht daraus einen innovativen, modernen Roman mit experimenteller Erzählweise. Die Philosophen Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ziehen in der Dialektik der Aufklärung die Sirenenepisode der Odyssee heran und erklären Odysseus zum ersten aufgeklärten Individuum, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt.

Die Reisen des Odysseus wurden zum Prototyp der Heldenreise, deren Muster sich bis ins moderne Hollywoodkino (Krieg der Sterne, 2001 - Odyssee im Weltraum, Gladiator, Der Herr der Ringe etc.) fortsetzt.

Über den Autor

Seltsam, aber wahr: Über Homer, den Schöpfer der Ilias und der Odyssee, der die Mythologie seiner Zeitgenossen bereicherte, wissen wir so gut wie nichts. Die beiden Werke entstanden vermutlich im achten Jahrhundert v. Chr. an der Westküste Kleinasiens, der heutigen Türkei. Die Griechen sahen in Homer ihren ersten und gleichzeitig größten Dichter. Der Legende nach soll er blind gewesen sein. Seine Schaffenszeit bildete den Übergang von einer rein mündlichen zu einer schriftlichen Sprachkultur. Einige Forscher meinen, dass Homer sich bereits der Schrift bediente, um sein gigantisches Werk zu strukturieren. Je intensiver sich die Forschung mit Homers Texten beschäftigte, desto häufiger fielen ihr Widersprüche innerhalb der Werke auf. Könnte es sein, dass Homer als Einzelperson überhaupt nicht der Autor dieser Epen war? Dass er sich einer langen Erzähltradition bediente und sicher auch einzelne Episoden von anderen Sängern übernommen hat, galt schon lange als wahrscheinlich. Die so genannte "homerische Frage" nach der wahren Identität des Dichters hat die Forschung in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite stehen die Analytiker, die davon ausgehen, dass Homer einzelne Teile seiner Epen nicht selbst verfasst hat. Das sei z. B. an unterschiedlichen Waffen zu erkennen, die aus verschiedenen Kulturstufen stammen, aber in ein und demselben Handlungsstrang vorkommen. Oder man hat Diskrepanzen in der Qualität einzelner Gesänge entdeckt und diese einem weniger talentierten, Homer nachgelagerten Bearbeiter zugeschrieben. Auf der anderen Seite betonen die Unitarier die einheitliche Gestaltung beider Epen, der Ilias und der Odyssee, was in ihren Augen auf einen einzigen Urheber hindeutet.

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