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Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft
Buch

Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft

San Francisco, 1976
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 1978 more...

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Literatur­klassiker

  • Sachtext
  • Moderne

Worum es geht

Kritischer Umgang mit der Technik

„In diesem Buch geht es nur vordergründig um Computer“ – das ist der erste Satz eines Werks, dessen Titel das Gegenteil suggeriert. In der Tat hat Joseph Weizenbaum Grundsätzliches im Visier: die Autonomie des Menschen gegenüber der Technik, den gesunden Menschenverstand und nicht zuletzt den politischen Willen, den es braucht, um die Sachzwänge und Verselbstständigungstendenzen der Rechenmaschinen im Zaum zu halten. „Ich bin kein Computerkritiker“, entgegnete Weizenbaum stets, wenn er als solcher tituliert wurde, „Computer kann man nicht kritisieren. Ich bin Gesellschaftskritiker.“ Weizenbaum, der seine Autorität und sein Wissen aus der Tatsache zog, dass er als Computerexperte zu den Pionieren der Branche gehörte, stellt die Arbeitsweise des Rechners der menschlichen Vernunft gegenüber und skizziert die Entwicklung von „judgement“ zu „calculation“, also von einem komplexen, intuitiven Urteilen zum reinen Berechnen. Was auf dem Weg von der analogen zur digitalen Wahrnehmung an Wahrheit verloren geht, versucht dieses Buch festzuhalten. Eine eindringliche Warnung an die Adresse einer technokratischen Gesellschaft.

Zusammenfassung

Der Mensch und seine Werkzeuge

Die Geschichte des Menschen ist untrennbar mit der Geschichte seiner Werkzeuge verbunden. Mit ihrer Hilfe hat er seine natürliche Umwelt tief greifend verändert und seine Möglichkeiten potenziert. Sie sind Ausdruck des planvollen menschlichen Denkens. Denn bevor ein Werkzeug zum ersten Mal benutzt wird, wird sein Gebrauch geistig vorweggenommen. In dem Augenblick, in dem es existiert und benutzt wird, geschieht eine Verwandlung: Das Werkzeug wird zur Summe aller Dinge, die mit seiner Hilfe verwirklicht werden können. Es beginnt einen Raum aufzuspannen, der auf den Benutzer zurückwirkt. Die Art und Weise, wie jemand eine Geige betrachtet, der selbst noch nie auf dem Instrument gespielt hat, unterscheidet sich deutlich von der Wahrnehmung eines Geigers. Für diesen besteht ein Teil der Identität des Instruments in den Möglichkeiten, die es ihm bietet.

Ein Werkzeug (ein Instrument, eine Maschine usw.) ist aber noch mehr: Es beeinflusst die Alltagswahrnehmung und die Lebenswelt derjenigen, die es benutzen, und kann dadurch ganze Kulturen prägen. So umfasst z. B. die Alltagswahrnehmung der Seefahrer eine ganze Welt, die nicht nur aus den Schiffen...

Über den Autor

Joseph Weizenbaum wird am 8. Januar 1923 in Berlin als Sohn eines Kürschnermeisters in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Nach der Machtergreifung der Nazis muss die Familie Deutschland verlassen und emigriert in die USA, wo sie zunächst bei Verwandten in Detroit unterkommt. Die Erfahrung dieses Bruchs, der neuen Sprache und des Fremdseins in der neuen Umgebung schildert Weizenbaum später als prägend für seinen weiteren Weg. Hinzu kommt, dass er sich weniger zum Sport und zu den Vergnügungen der anderen Jungen hingezogen fühlt als zur Mathematik. Sein Studium, unterbrochen vom Militärdienst, absolviert er an der Wayne State University in Detroit. 1950 macht er seinen Abschluss als Master. Von 1955 bis 1963 arbeitet er bei General Electric an der Entwicklung des ersten computergestützten Banksystems. 1963 wird er als Assistenzprofessor für Computerwissenschaften an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) berufen, 1970 zum Professor ernannt. Am MIT entwickelt er 1966 das Programm ELIZA, das der Erforschung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine dient. Das Programm macht Weizenbaum in der Szene berühmt; die teilweise völlig unkritischen Reaktionen der Menschen gegenüber dem Computer aber entsetzen ihn regelrecht und bewegen ihn zu mehreren Veröffentlichungen, die 1976 in sein Buch Computer Power and Human Reason (Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft) münden. Von da an ist seine Rolle endgültig die des Warners und des Außenseiters im wissenschaftlichen Establishment. Nach seiner Emeritierung nimmt er verschiedene Gastprofessuren an und wird mit mehreren Ehrendoktorwürden ausgezeichnet. Ab 1996 lebt er wieder in Berlin, wo er am 5. März 2008 an den Folgen eines Schlaganfalls stirbt.


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