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Monadologie und andere metaphysische Schriften

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Monadologie und andere metaphysische Schriften

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Was ist drin?

Die geballte Ladung Leibniz – seine Metaphysik in 90 Thesen.


Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Aufklärung

Worum es geht

Über Gott, die Seele und die Welt

Mozartkugel, Schillerlocke, Leibniz-Keks – nach wem ein Lebensmittel benannt ist, könnte man sagen, der hat es in den Olymp der Geistesgrößen geschafft. Für Philosophen ist Leibniz aber weit mehr als der Namensgeber für ein Gebäck. Sie verbinden den Namen des großen Denkers mit Schlagworten wie Theodizee, Leib-Seele-Problem und dem Satz vom zureichenden Grund. Leibniz’ Metaphysik erstreckt sich über viele Themen, die oft erst lange nach ihm in voller Tiefe diskutiert wurden. Sein Werk ist riesig und unübersichtlich, da er viele seine Thesen wieder und wieder neu entwickelt und formuliert hat. Einen Einstieg zu finden, ist also nicht leicht. Die Monadologie bietet auf rund 200 Seiten einen Überblick über Leibniz’ Metaphysik und macht mit dem Denken des Universalgenies bekannt: Wenn unsere Seele unsterblich ist, wie ist sie dann mit dem Körper verbunden? Wenn Gott gütig ist, warum gibt es dann das Böse? Wenn unser Verstand begrenzt ist, wie können wir dann ewige Wahrheiten erkennen? Die Antworten der Monadologie sind heute weitgehend überholt. Aber wer sich darauf einlässt, Leibniz’ Argumenten zu folgen, taucht ein in ein wegweisendes Stück europäischer Geistesgeschichte.

Take-aways

  • Die Monadologie zählt zu den berühmtesten Schriften des deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz.
  • Inhalt: Die Seele des Menschen ist eine Monade, also eine einfache, unsterbliche Substanz, die durch die prästabilierte Harmonie alles Seienden eine vorübergehende Einheit mit dem Körper bildet. Ursache und Garant dieser Harmonie ist Gott.
  • Leibniz gilt als letzter Universalgelehrter: Er war Historiker, Sprachwissenschaftler, Mathematiker, Erfinder, Physiker und Philosoph.
  • Er schrieb die Monadologie 1714, zwei Jahre vor seinem Tod, weswegen sie als sein Vermächtnis gilt.
  • In seiner Metaphysik versucht er, antike und scholastische Positionen in sein neues, rationales System zu integrieren.
  • Das Werk, im Original auf Französisch, wurde 1720 posthum in deutscher Übersetzung veröffentlicht.
  • Nur ein kleiner Teil von Leibniz’ Schriften wurde zu dessen Lebzeiten veröffentlicht. Die Auswertung seines Nachlasses dauert noch an.
  • Leibniz’ Thesen beeinflussten Generationen von Denkern – von Lessing bis Bertrand Russell.
  • Er gilt als Wegbereiter der Aufklärung, die Jahrzehnte später Philosophie und Wissenschaft revolutionierte.
  • Zitat: „Die Erkenntnis der notwendigen und ewigen Wahrheiten aber unterscheidet uns von den einfachen Lebewesen und läßt uns Vernunft und Wissenschaft haben, indem sie uns zur Erkenntnis unserer selbst und Gottes erhebt.“ (S. 123)

Zusammenfassung

Was sind Monaden?

Monaden sind „einfache Substanzen“. Einfache Substanzen sind Teile von Zusammengesetztem und haben selbst keine Teile. Zusammengesetztes ist also immer ein Aggregat von Einfachem. Monaden haben weder Ausdehnung noch Gestalt. Sie sind Atome oder Elemente, die nicht auf natürliche Weise zerstört werden können. Monaden haben auch keinen natürlichen Ursprung, denn dann müssten sie aus Teilen zusammengesetzt worden sein. Sie können nur durch die Schöpfung auf einmal hergestellt und durch völlige Vernichtung auf einmal zerstört werden.

„Dort, wo es keine Teile gibt, gibt es weder Ausdehnung noch Gestalt, noch mögliche Teilbarkeit. Es sind diese Monaden die wahrhaften Atome der Natur und, kurz gesagt, die Elemente der Dinge.“ (S. 111)

Monaden können nicht von außen verändert werden. Sie haben ja keine Teile, zwischen denen eine Veränderung stattfinden könnte. Auch kann nichts zu einer Monade hinzukommen oder aus ihr heraustreten. Trotzdem müssen Monaden Eigenschaften haben, denn ohne spezifische Eigenschaften wäre jede Monade gleich. Das kann nicht sein, da ja die Dinge aus einfachen Substanzen zusammengesetzt sind, und sie, wenn alle diese einfachen Substanzen gleich wären, ebenfalls alle gleich wären und alle genau den gleichen Zustand hätten. Es gibt nichts in der Natur, was ganz und gar identisch ist, also müssen auch die Monaden unterschiedlich sein. Alles, was geschaffen wurde, verändert sich. Also verändern sich auch Monaden – allerdings aus einem inneren Prinzip heraus. So lässt sich die Vielfalt der einfachen Substanzen erklären. Die Veränderungen erfolgen schrittweise, woraus folgt, dass in jeder Monade mehrere unterschiedliche Zustände und Beziehungen bestehen.

Perzeption und Appetition

Man könnte sagen: Die Monade enthält temporär eine Vielheit. Dieser Zustand ist einer der Vorstellung an sich, der Perzeption, und muss von der bewussten Vorstellung, der Apperzeption, unterschieden werden. Die Cartesianer haben behauptet, dass nur die bewussten Vorstellungen wirklich seien, und daraus geschlossen, dass Tiere keine Seelen haben. Aber das ist falsch, denn dann gäbe es keinen Unterschied zwischen dem Tod und einer langen Bewusstlosigkeit. Der Übergang von einer Perzeption zur anderen wird Begehren oder Appetition genannt. Diese Vielheit der einfachen Substanz lässt sich erfahren, und zwar immer dann, wenn man an sich selbst beobachtet, dass selbst der einfachste Gedanke komplex ist. Wenn die Monade eine einfache Substanz ist, muss in ihr also eine Vielheit liegen.

„Die Handlung des inneren Prinzips, das die Veränderung oder den Übergang einer Perzeption zu einer anderen vollzieht, kann Appetition genannt werden.“ (S. 117)

Vorstellungen können nicht auf mechanische Ursachen zurückgeführt werden. Nichts in einer Maschine ist imstande, Vorstellungen hervorzubringen. Das kann allein die Monade, die quasi nur aus Vorstellungen und deren Veränderungen besteht. Monaden können auch als Entelechien bezeichnet werden, da sie ausschließliche und selbstständige Urheber ihrer eigenen inneren Veränderungen sind.

Was macht die Seele besonders?

Alle Seelen sind Monaden – und damit Entelechien – und haben gleich diesen einfache Perzeptionen und Appetitionen. Doch sie heben sich von anderen, einfachen Monaden ab, indem sie zudem deutliche Perzeptionen und ein Gedächtnis haben. Wenn Menschen bewusstlos sind oder traumlos und tief schlafen, erleben sie den Zustand der einfachen Monaden. Selbst in diesem Zustand gibt es Vorstellungen, doch die sind undeutlich. Nach dem Erwachen treten sofort wieder Vorstellungen vor die Seele, was beweist, dass sie schon während der Bewusstlosigkeit da gewesen sein müssen.

„(…) wir sind Empiriker in drei Vierteln unserer Handlungen.“ (S. 123)

Von Natur aus sind manche unserer Perzeptionen hervorgehoben, sodass wir sie klarer wahrnehmen. Das liegt an den Sinnesorganen, die bestimmte Eindrücke besser verarbeiten. Dank unseres Gedächtnisses können wir die Perzeptionen in eine Reihenfolge bringen, aus vorausgegangenen Perzeptionen lernen und sie mit bestimmten Empfindungen verknüpfen. Ein geschlagener Hund etwa reagiert ängstlich, wenn er einen Stock sieht. Starke Perzeptionen können solche Reaktionen schon nach einem einzigen Erlebnis hervorrufen, während schwächere Perzeptionen häufig wiederholt werden müssen, um ähnlich zu wirken.

„Die Erkenntnis der notwendigen und ewigen Wahrheiten aber unterscheidet uns von den einfachen Lebewesen und läßt uns Vernunft und Wissenschaften haben, indem sie uns zur Erkenntnis unserer selbst und Gottes erhebt.“ (S. 123)

Was das Gedächtnis angeht, unterscheidet sich der Mensch kaum vom Tier: Der Großteil seiner Handlungen wird durch die erinnerte Summe seiner Erfahrungen gelenkt. Daraus, dass in unserer Erinnerung auf jeden Tag ein weiterer Tag gefolgt ist, schließen wir, dass auch morgen ein weiterer Tag folgen wird. Was uns von den einfachen Lebewesen unterscheidet, ist die Fähigkeit zur Erkenntnis notwendiger und ewiger Wahrheiten. Sie führt zu Vernunft und Wissen, zu Selbst- und Gotteserkenntnis. Statt einer einfachen Seele haben wir einen Geist.

Wie erkennen wir Wahrheiten?

Unsere Erkenntnisse gewinnen wir durch reflexive Akte: Wir denken über unser Ich und unsere Eigenschaften nach und erkennen unsere Beschränkungen im Vergleich zu Gott, dem keine Grenzen gesetzt sind. Unsere Folgerungen beruhen auf zwei Prinzipien: Das erste ist das des Widerspruchs. Es lässt uns das als falsch erkennen, was einen Widerspruch enthält, und das als wahr, was dem Falschen widerspricht. Das zweite Prinzip ist das vom zureichenden Grund, dass uns nur das als wahr anerkennen lässt, was einen zureichenden Grund hat, auch wenn wir den Grund nicht genau kennen.

„Falls eine Wahrheit notwendig ist, kann man den Grund dafür durch Analyse finden, indem man sie in einfachere Ideen und Wahrheiten auflöst, bis man zu den anfänglichen gelangt.“ (S. 125)

Dementsprechend gibt es auch zwei Arten von Wahrheiten: Notwendige Wahrheiten und Tatsachen. Erstere sind solche, die wir durch Überlegung erkennen und deren Gegenteil unmöglich ist. Wir finden sie durch Rückführung auf die ihr zugrunde liegenden Ideen und Wahrheiten. Ein Beispiel sind die Theoreme der Mathematik. Analysiert man sie immer weiter, gelangt man zu einfachen Ideen und anfänglichen Prinzipien, die man nicht weiter auflösen kann. Tatsachen hingegen sind kontingent, ihr Gegenteil ist also möglich. Alles, was geschieht, lässt sich auf unzählige andere Ereignisse zurückführen und wird durch unendliche viele Ursachen bedingt. Es muss deshalb einen letzten zureichenden Grund geben, der außerhalb dieser unendlichen Reihe liegt. Dieser letzte Grund muss eine notwendige Substanz sein: Gott. Es gibt nur diese eine höchste Substanz, sie ist universal und notwendig und es gibt nichts, was nicht von ihr abhängig ist. Gott ist absolut vollkommen und absolut unendlich.

Gott als Ursprung und Ursache

Gott ist der Ursprung allen Wesens und Seins, ohne ihn gibt es nichts Existierendes, aber auch nichts Mögliches, denn alle Wirklichkeit, ob des Existierenden oder des Möglichen, gründet auf der Existenz eines notwendigen Wesens, das allein schon dadurch existiert, dass es möglich ist. Nichts spricht außerdem gegen die Möglichkeit, dass etwas existiert, das unendlich und vollkommen ist – also muss es auch tatsächlich existieren. So kann man Gottes Existenz durch Analyse der ewigen Wahrheiten – a priori – erkennen. Doch auch a posteriori lässt sich seine Existenz beweisen: durch das Prinzip vom zureichenden Grund. 

„Und so muß der letzte Grund der Dinge in einer notwendigen Substanz liegen, worin einzelne Veränderungen allein eminent sind, wie in ihrer Quelle, und dies nennen wir Gott.“ (S. 127)

Gott ist die ursprüngliche einfache Substanz und aus ihm gehen alle Monaden hervor wie Strahlen. Gottes Macht, seine Erkenntnis und sein Wille sind unendlich und vollkommen. In den anderen Wesen sind diese, in Form von Vorstellungs- und Begehrensfähigkeit, je nach Grad der Vollkommenheit unterschiedlich stark ausgeprägt und jedenfalls Nachbildungen der göttlichen Eigenschaften.

„So kommt allein Gott oder dem notwendigen Sein das Privileg zu, daß es existieren muß, wenn es möglich ist.“ (S. 129)

Geschöpfe handeln nach außen, wo sie vollkommen sind; wo nicht, leiden sie, sprich: Andere Geschöpfe wirken auf sie ein. Da aber einfache Substanzen nicht selbst auf andere einfache Substanzen einwirken können, muss diese Einwirkung durch Gott vermittelt sein. Sie erfolgt jedenfalls wechselseitig: Gott sorgt dafür, dass alle einfachen Substanzen einander je nach ihren Unvollkommenheiten oder Vollkommenheiten beeinflussen.

Das Beste der Universen und die Universalharmonie

Es gibt unendlich viele mögliche Universen. Gott muss einen guten Grund gehabt haben, genau dieses zu verwirklichen. Dieser Grund liegt darin, dass sich die möglichen Welten hinsichtlich ihrer Vollkommenheit unterscheiden und Gott die vollkommenste unter ihnen ausgewählt hat. Das bestehende Universum ist also das beste aller möglichen Universen. Jede einfache Substanz hat Beziehungen zu allen anderen einfachen Substanzen und spiegelt so das ganze Universum wider. Auch hat jede Substanz eine ganz eigene Perspektive auf das Ganze, das doch in sich harmonisch ist. Pierre Bayle behauptet, dass diese These Gott überfordere, doch er nennt keinen Grund, warum eine Universalharmonie unmöglich sein soll.

„So ist Gott allein die anfängliche Einheit oder die ursprüngliche einfache Substanz, von der alle geschaffenen oder abgeleiteten Monaden Hervorbringungen sind, die sozusagen aus den kontinuierlichen Zuckungen der Göttlichkeit in jedem Moment geboren werden (…)“ (S. 131)

Gott gibt den Monaden die Fähigkeit, sich alle Einzelheiten des Universums vorzustellen. Doch da sie eben unvollkommen sind, ist nur ein kleiner Teil dieser Vorstellungen deutlich. Dennoch streben alle Monaden nach Erkenntnis des Ganzen.

Da jeder Körper auf viele andere Körper wirkt und sich diese Wirkung bis in den letzten Winkel der Welt fortsetzt, fühlt jeder Körper alles, was im Universum geschieht. Entsprechend lässt sich prinzipiell an einer Monade der Zustand aller anderen Monaden ablesen. Körper und Seele arbeiten zusammen, um zu deutlichen Vorstellungen zu kommen. Eine Monade mit einem Körper ist ein Lebendiges, ein Körper mit einer Seele ist ein Lebewesen. Den organischen Körper kann man sich wie eine Maschine vorstellen, jedoch unendlich viel besser konstruiert als die künstlichen Automaten. Sie funktionieren bis ins kleinste Teil – ein Beweis für Gottes Allmacht.

Ein ewiger Kreislauf

Man kann sich jeden Teil der Materie wie einen Teich vorstellen, in dem jeder Fisch und jede Pflanze wieder ein ganzer Teich voll kleinerer Teile ist. Auch alles, was zwischen Fisch und Pflanze liegt, also Luft, Wasser usw., enthält diese wiederum in feinstofflicher Form.

„Weil es nun eine Unendlichkeit an möglichen Universen in den Ideen Gottes gibt und weil davon nur eines existieren kann, muß es einen zureichenden Grund der Wahl Gottes geben, welche ihn eher zum einen als zum anderen bestimmt.“ (S. 133)

Es gibt im Universum nichts Totes oder Undeutliches, obwohl es oft so scheint. Jeder Körper wird beherrscht durch eine Entelechie und all seine Teile sind voller Lebewesen – jedes beherrscht von seiner eigenen Entelechie. Alle Körper verändern sich stetig und verlieren bzw. erhalten neue Teile, sodass die Seele den Körper nach und nach wechselt. Ganz ohne Körper ist sie jedoch nie. Was als Neuentstehung erscheint, ist nur eine Vergrößerung, und was wie ein Tod wirkt, nur eine Verminderung.

„Der Körper, der einer Monade, die seine Entelechie oder Seele ist, zugehörig ist, konstituiert zusammen mit dieser Entelechie das, was man ein Lebendiges nennen kann und mit der Seele das, was man ein Lebewesen nennt.“ (S. 137)

Die Philosophen haben lange gerätselt, wie das möglich ist, bis die Wissenschaft erkannte, dass Lebewesen aus Samen entstehen, in denen ihr Körper und ihre Seele schon vorgeformt sind. Doch erst durch die Empfängnis wird deren Verwandlung initiiert. In der Natur kann man das bei Raupen beobachten, aus denen Schmetterlinge werden. Die höheren Lebewesen, die durch Empfängnis entstehen, werden spermatisch genannt: Sie werden geboren, pflanzen sich fort und vergehen dann wieder. Genau genommen entstehen diese Lebewesen aber nicht auf natürliche Weise und sterben auch nicht im strengsten Sinne. Nicht nur die Seele ist unzerstörbar, auch die Lebewesen selbst sind es, selbst wenn sich die organische Hülle ändert. So kann auch die Verbindung zwischen Seele und Körper erklärt werden: Obwohl beide eigenen Gesetzen unterliegen, finden sie durch die prästabilierte Harmonie des Universums zusammen.

„So ist jeder organische Körper eines Lebendigen eine Art göttlicher Maschine oder natürlicher Automat, der alle künstlichen Automaten unendlich übersteigt.“ (S. 139)

Die Gesetze der Zweckursachen bestimmen das Handeln der Seelen, die Gesetze der Wirkursachen die der Körper. Beide Gesetze wirken im Einklang miteinander. Schon Descartes hat erkannt, dass Körper keine Kraft von der Seele bekommen können, weil in der Materie immer die gleiche Menge an Kraft vorhanden ist. Die Seele kann Descartes zufolge lediglich die Richtung bestimmen, in die der Körper sich bewegt. Doch auch das hat sich als falsch erwiesen, da die Bewegungsrichtung der Materie erhalten bleiben muss. Diese Erkenntnis führt wieder zur Theorie der prästabilierten Harmonie, nach der die Körper sich bewegen, als ob sie keine Seelen hätten, und die Seelen handeln, als ob sie keine Körper hätten.

Der Gottesstaat

Die Geister oder vernünftigen Seelen bilden hiervon eine Ausnahme: Solange sie sich im Stadium des Samens befinden, haben sie noch einfache Seelen, doch später können sie sich zum Grad der Vernunft entwickeln. Sie sind mehr als nur Spiegel des Universums, sie sind Bilder der Gottheit und damit in der Lage, das Universum zu erkennen und Gottes Schöpfung sogar nachzuahmen. Diese Geister bilden eine Art Gesellschaft mit Gott, der für sie mehr ist als ihr Schöpfer, nämlich ein Fürst oder Vater. Das ist der Gottesstaat. Es ist eine moralische Welt innerhalb der natürlichen und zählt zu Gottes größten Werken.

„So gibt es nichts Unkultiviertes, Unfruchtbares oder Totes im Universum, kein Chaos und keine Undeutlichkeit außer dem Anschein nach (…)“ (S. 141)

Im Gottesstaat kann Gott neben seiner Macht und seiner Weisheit auch seine Güte zeigen. Hier findet sich eine weitere Harmonie: Im Gottesstaat stehen das physische Reich der Natur und das moralische Reich der Gnade im Einklang. Ereignisse führen hier auf natürliche Weise zur Gnade. Gott tritt zugleich als Architekt und Gesetzgeber auf: In dieser vollkommenen Harmonie gibt es keine gute Tat ohne Belohnung und keine schlechte ohne Strafe, auch wenn zwischen Tat und Konsequenz einige Zeit vergehen kann.

„Von daher fällt es leicht zu schließen, daß die Ansammlung aller Geister den Gottesstaat bilden muß, d. h. den vollkommensten Zustand, der unter dem vollkommensten Monarchen möglich ist.“ (S. 147)

Wer sich auf die Vorsehung verlässt, seine Pflicht tut, Gott liebt und der wahren, reinen Liebe folgt, dem wird es gut gehen. Würden wir das Universum besser verstehen, würden wir sehen, dass es nicht besser hätte geordnet werden können. Deswegen müssen wir Gott nicht nur als Wirkursache unseres Seins anerkennen, sondern auch als Zweckursache, die unser Leben bis ins Kleinste bestimmt.

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Aufbau und Stil

90 Thesen umfasst die Monadologie, die grob in die Themenkomplexe Substanzenlehre, Gott sowie die Welt und ihre Geschöpfe gegliedert werden können. Leibniz versucht, neue Denkansätze seiner Zeit mit älteren Ideen der Antike und des Mittelalters in Einklang zu bringen. Dazu verzichtet er auf allzu rigorose Definitionen und nutzt lieber Metaphern und Vergleiche, um seine Thesen zu vermitteln. Er greift auf Begriffe aus unterschiedlichen Wissensbereichen zurück, die oft nur im Kontext der Zeit verstanden werden können. Da trifft religiöses Vokabular auf mathematische Theoreme, und ethische Fragen werden direkt neben physikalischen behandelt. Das führt dazu, dass eine klare Terminologie bisweilen nur schwer auszumachen ist, aber eben auch dazu, dass er mit seiner bildreichen Sprache auch komplexe Inhalte anschaulich darstellt. Der Leser braucht erhebliches Vorwissen, um Leibniz’ Gedankengängen folgen zu können – auch deshalb, weil Leibniz seine Veröffentlichungen nicht als Einführungen oder abgeschlossene Manuskripte verfasste, sondern sie als Gesprächsbeiträge in einem fortwährenden Diskurs verstand.

Interpretationsansätze

  • In der Monadologie zeigt sich Leibniz als Wegbereiter der Aufklärung. Wie die späteren Aufklärer glaubte er an die Macht der Vernunft und den Fortschritt durch ein rationales Weltbild. Anders als seine Nachfolger betrieb er jedoch keinen radikalen Umsturz traditioneller Weltbilder, sondern versuchte, sie in sein System zu integrieren.
  • Sein System der prästabilierten Harmonie und die Lehre von den Monaden ist eine Antwort auf das Leib-Seele-Problem, also auf die Frage, in welchem Verhältnis Körper und Geist zueinander stehen. Diese Frage hatte schon etliche Denker vor Leibniz umgetrieben, allen voran René Descartes, auf den Leibniz’ Thesen eine Replik darstellen.
  • Die These von der Einzigartigkeit der Monaden trägt den Grundgedanken der Individualität in sich, der für spätere Generationen von Philosophen prägend wurde.
  • Auch Leibniz’ zentrales theologisches Thema, die Theodizee (Wie kann ein allguter und allmächtiger Gott das Böse zulassen?) wird in der Monadologie beantwortet. Leibniz entwirft die These von der besten aller möglichen Welten. Damit gesteht er ein, dass die Welt nicht perfekt ist, postuliert aber, sie sei unter allen gegebenen Umständen die beste mögliche Welt.
  • Die Monadologie enthält zudem zwei berühmte Gottesbeweise, die von Anselm von Canterbury und Thomas von Aquin vorgedacht wurden. Der kosmologische Gottesbeweis ist ein Beweis a posteriori: Alles hat eine Ursache, also muss es eine erste Ursache geben und diese Ursache ist Gott. Der ontologische Gottesbeweis (a priori) dagegen analysiert den Gottesbegriff und schließt darauf auf die Notwendigkeit von Gottes Existenz.
  • Untrennbar verknüpft mit dem Namen Leibniz ist der Satz vom zureichenden Grund, den der Philosoph auch in der Monadologie darlegt. Das Prinzip lässt sich bis in die Antike zu Parmenides, Platon und Aristoteles zurückverfolgen, doch Leibniz machte es, zusammen mit dem Satz vom Widerspruch, zum Dreh- und Angelpunkt seiner Philosophie.

Historischer Hintergrund

Die Morgenröte der Aufklärung

Das 18. Jahrhundert brachte der Welt ein beispielloses Bevölkerungswachstum, eine zunehmend globalisierte Wirtschaft und den Beginn der Industrialisierung. Neue Produktionsformen und Agrarmethoden konnten die Versorgung der explosionsartig anwachsenden Bevölkerung sicherstellen, Durchbrüche in der Medizin erhöhten die Lebenserwartung enorm. Die Aufklärung trat ihren Siegeszug an: Allein durch die Vernunft sollte die Welt durchschaut und geformt und alte Weltbilder überwunden werden. An ihre Stelle traten neue Werte: Menschenrechte, Religionsfreiheit und Fortschrittsglaube. Die Aufklärer beeinflussten Kunst, Literatur und Politik. Ihr Wissensdrang schlug sich in Enzyklopädien und der Gründung von Akademien nieder.

Die Wissenschaft löste sich immer mehr von der Kirche und entwickelte neue Methoden. Der Fokus auf die Empirie führte zu zahllosen Forschungsreisen und zu Erfindungen wie der Dampfmaschine, die wiederum den Grundstein für die industrielle Revolution legten. Ein zunehmend gebildetes und handelsbeflissenes Bürgertum setzte mit neuem Selbstbewusstsein etliche Reformen durch. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war nach dem Westfälischen Frieden von 1648 vorerst Ruhe eingekehrt, die bis zum Österreichischen Erbfolgekrieg 1740 anhielt. In dieser Zeit blühten die Wissenschaften auf. Bildungsreformen ermöglichten breiten Schichten Zugang zu Schulbildung – Mitte des 18. Jahrhunderts konnten etwa 40 Prozent der Menschen im Reich lesen und schreiben.

Entstehung

Der fast 70-jährige Leibniz verfasste die Zusammenfassung seiner Metaphysik 1714. Bis 1720 blieb sie jedoch ohne Titel. Erst der Übersetzer ins Deutsche, Heinrich Köhler, betitelte sie mit Lehrsätze über die Monadologie. Später bürgerte sich der Titel Monadologie ein. Da Leibniz zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre tot war, wird das Werk oft auch als Vermächtnisschrift bezeichnet. Alle Themen finden sich auch in anderen seiner Schriften, die weniger als eigenständige Werke geplant waren, sondern dem andauernden Schlagabtausch mit anderen Gelehrten dienten. So feilte Leibniz viele seiner Thesen über mehrere Schriften und in Briefwechseln weiter aus. Beeinflusst wurde die Monadologie vor allem durch die Briefwechsel mit dem Jesuitenpater Bartholomäus des Bosses und dem französischen Rechtsgelehrten Nicolas François Rémond. Teile der Monadologie sind als Replik auf das Historische und Kritische Wörterbuch von Pierre Bayle zu lesen, der 1702 einige von Leibniz’ Thesen zu widerlegen versucht hatte, und dem Leibniz schon mit den Abhandlungen zur Theodizee von 1710 geantwortet hatte. Bayle hatte unter anderem Leibniz’ Begriff der Monade kritisiert. Auf seine Einwände reagierte Leibniz mit der Monadologie, obwohl Bayle zu diesem Zeitpunkt längst tot war. Auch die Thesen René Descartes’, die Leibniz zeitlebens beschäftigten, haben die Monadologie deutlich beeinflusst.

Wirkungsgeschichte

Die Monadologie erschien 1720 zunächst in deutscher Übersetzung. 1721 erschien eine lateinische Ausgabe. Das französische Original wurde erst 1840 in eine Werkausgabe aufgenommen. Da Leibniz zu Lebzeiten kaum Werke veröffentlichte, wurden seine Gedanken auf anderen Wegen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getragen. Dass sein Name solche Berühmtheit erlangte, ist vor allem dem schlesischen Aufklärer Christian Wolff zu verdanken. Wolff dachte Leibniz’ Thesen weiter und systematisierte sie zu dem, was später als die Leibniz-Wolffsche Philosophie bekannt werden sollte.

Aufgrund der Vielseitigkeit seiner Themen und seiner Arbeitsweise ist eine abschließende Einschätzung zu Leibniz’ Einfluss auf die europäische Geistesgeschichte kaum möglich. Mit seinen Werken nahm er zentrale Themen der Aufklärung vorweg – etwa das Theodizee-Problem. Viele Denker bezogen sich auf ihn – unter anderem Johann Gottfried Herder, Gotthold Ephraim Lessing, Immanuel Kant – doch kaum einer tat dies in voller Kenntnis seiner Schriften. Den Satz vom zureichenden Grund, von Leibniz auch in der Monadologie weiterentwickelt, identifizierte Martin Heidegger, durchaus kritisch, als den „Imperativ methodischer Wissenschaft“. Nachdem die akademische Auseinandersetzung mit Leibniz zwischenzeitlich abgeflacht war, gaben ihr moderne Philosophen wie Bertrand Russell, Edmund Husserl und Alfred North Whitehead, die den Monadenbegriff weiterdachten, zu Beginn des 20. Jahrhunderts neuen Auftrieb. Ein wiedererwachtes Interesse an Metaphysik und Neuausgaben seiner Schriften sorgten ab der Mitte des 20. Jahrhunderts für einen wahren Leibniz-Boom. Bis allein sein schriftliches Vermächtnis voll erschlossen ist, werden jedoch wohl noch Jahrzehnte vergehen.

Über den Autor

Gottfried Wilhelm Leibniz wird am 21. Juni 1646 als Sohn des Professors Friedrich Leibnütz und seiner Frau Catharina in Leipzig geboren. Der Familienname ist wohl slawischem Ursprungs und wird von Leibniz 1671 zur heute geläufigen Form geändert. Leibniz besucht ab 1655 die Nicolaischule und erhält als Professorensohn einen Freibrief für die Universität. Er beginnt früh mit dem Selbststudium in der väterlichen Bibliothek. 1661 immatrikuliert er sich für das Fach Philosophie, interessiert sich aber auch für Mathematik und alte Sprachen. 1663 beginnt er ein Jurastudium. Aufgrund seines jugendlichen Alters bleibt ihm die Promotion in Leipzig versagt. Er erhält in Nürnberg seinen Doktortitel und schlägt das Angebot für eine Professur aus. In den folgenden Jahren lebt er von ererbtem Vermögen und knüpft Kontakte zu Geistesgrößen seiner Zeit. Ab 1667 steht er in Diensten des Kurfürsten von Mainz. 1673 wird er für sein Modell einer Rechenmaschine in die britische Royal Society aufgenommen. Nach einigen Jahren in Paris tritt er 1676 als Bibliothekar und Hofrat in die Dienste des Herzogs Johann Friedrich von Hannover, für den er bis zu seinem Lebensende tätig bleibt. Ab 1685 schreibt er im Auftrag des Welfenhauses eine Geschichte des Königshauses. 1700 wird er Präsident der neu gegründeten Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. In den folgenden Jahren gründet er drei weitere Akademien. 1711 soll er den Freiherrentitel verliehen bekommen haben. Eine Urkunde ist nicht vorhanden. Leibniz setzt seinen Neffen als Universalerben ein. Er stirbt am 14. November 1716 vereinsamt in Hannover.

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