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Bahnwärter Thiel
Buch

Bahnwärter Thiel

Zürich, 1888
Diese Ausgabe: Reclam, 2017 more...

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Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Naturalismus

Worum es geht

Ein Mann verliert den Verstand

Was treibt einen Mann dazu, Frau und Kind umzubringen? Wann ist der Täter schuld- oder zurechnungsfähig? Inwieweit ist er Opfer der Verhältnisse? Diesen Fragen geht Gerhart Hauptmann in seiner Erzählung Bahnwärter Thiel nach – ein damals ungewöhnliches Projekt. Am Ende der Blütezeit des bürgerlichen Romans, der die kleinen Konflikte in den geregelten Verhältnissen des Bürgertums thematisierte, bricht Hauptmann alle Regeln: Seine Geschichte des kleinen Mannes, der langsam in den Wahnsinn abgleitet, hält der Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts mit all ihren Missständen den Spiegel vor. Auch stilistisch geht die Novelle mit ihrer überbordenden Symbolik eigene Wege. Mit dem Geschlechterkonflikt, dem Gegensatz von Natur und Technik sowie Bezügen zu Religion und Literatur bietet das Werk trotz seiner Kürze reiche Interpretationsmöglichkeiten. Bahnwärter Thiel markiert in der deutschen Literatur den Übergang zur Moderne und gehört noch heute zum Schulkanon.

Zusammenfassung

Der Bahnwärter und seine Frauen

Bahnwärter Thiel versieht gewissenhaft seinen Dienst an einer kleinen Bahnstation im märkischen Wald. Sonntags geht er in die Kirche. Eines Tages lernt er ein Mädchen kennen, das er später heiratet. Die schmächtige, kränkliche Minna stirbt jedoch zwei Jahre später im Kindbett. Thiel wirkt nicht, als gehe ihm der frühe Tod seiner Frau nahe, und kaum ist das Trauerjahr zu Ende, heiratet er erneut.

Seine Auserwählte, die Kuhmagd Lene, ist das Gegenteil von Minna: stark und widerstandsfähig. Thiel braucht jemanden, der sich um seinen Sohn Tobias kümmert und einen Teil der täglichen Arbeiten übernimmt. Das erklärt er auch dem Pastor, der Thiels Entscheidung, früh wieder zu heiraten, hinterfragt. Tatsächlich erweist sich die Entscheidung als Fehlgriff. Wenn Thiel und Lene auch äußerlich ein passendes Paar abgeben, ähnelt Lene ihrem Mann charakterlich in nichts: Sie ist herrschsüchtig und aufbrausend, und nach Meinung seiner Nachbarn sollte Thiel ihr mit Gewalt zeigen, wer im Haus das Sagen hat. Er lässt ihre Tiraden jedoch still über sich ergehen.

Stilles Leid

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Über den Autor

Gerhart Hauptmann wird am 15. November 1862 im schlesischen Obersalzbrunn (heute Szczawno Zdrój, Polen) geboren. Nach dem Schulabschluss beginnt er eine landwirtschaftliche Ausbildung, die er jedoch nach anderthalb Jahren aus gesundheitlichen Gründen abbrechen muss. Er bereitet sich auf den Militärdienst vor, wird aber für untauglich erklärt. Daraufhin nimmt Hauptmann im Oktober 1880 ein Studium als Bildhauer in Angriff und wird wenig später wegen schlechten Betragens von der Schule geworfen, aber auf Fürsprache eines Lehrers bald wieder aufgenommen. Doch schon 1882 bricht er das Studium ab. Inzwischen hat er die Kaufmannstochter Marie Thienemann kennengelernt, mit der er sich verlobt und die ihn fortan finanziell unterstützt. So kann er 1882 ein Studium der Geschichte und Literatur aufnehmen. Doch auch das hält er nicht lange durch; bereits ein Jahr später bricht er auch dieses Studium ab und lebt als freier Bildhauer in Rom. Mit bescheidenem Erfolg: Eine Statue, an der er arbeitet, fällt in sich zusammen. Hauptmann kehrt frustriert nach Deutschland zurück und beginnt ein Zeichenstudium in Dresden, das er bereits nach einigen Wochen wieder beendet. 1885 heiratet er Marie Thienemann. In den 1880er-Jahren entstehen seine ersten literarischen Werke, unter anderem die Dramen Vor Sonnenaufgang (1889), Die Weber (1892) und Der Biberpelz (1893). 1893 geht er eine Beziehung zu Margarete Marschalk ein, doch von Marie lässt er sich erst 1904 scheiden. Noch im selben Jahr heiratet er Margarete – um schon 1905 eine Beziehung zu einer Schauspielerin zu beginnen, die jedoch bald beendet ist. Hauptmann werden zahlreiche Ehrungen zuteil, 1912 erhält er den Nobelpreis für Literatur. Im Ausland gilt der Dichter als der Repräsentant der deutschen Literatur. Mit zunehmendem Alter distanziert sich Hauptmann immer mehr von den sozialkritischen Tendenzen seiner früheren Werke. Als die Nationalsozialisten an die Macht kommen, tritt er zwar nicht aktiv für das Regime ein, distanziert sich aber auch nicht. Er stirbt am 6. Juni 1946 im schlesischen Agnetendorf.


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