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Wunschloses Unglück
Buch

Wunschloses Unglück

Salzburg, 1972
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2001 more...

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Literatur­klassiker

  • Kurzprosa
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Annäherung an die tote Mutter

Wie geht man mit dem Tod der eigenen Mutter um, der noch dazu ein Selbstmord war? Der Schriftsteller Peter Handke wird im Alter von 30 Jahren mit dieser Herausforderung konfrontiert. Er nähert sich der schwierigen persönlichen Aufgabe, indem er wenige Wochen nach dem Tod der Mutter eine Erzählung über sie schreibt. Er hält fest, was er von ihr und ihrem Leben weiß. Einerseits distanziert, andererseits so nah wie möglich rekonstruiert der Autor das Leben seiner Mutter, die unter dem Zwang ihrer Frauenrolle und der schwierigen wirtschaftlichen Umstände nie zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit kommt. Von den äußeren Verhältnissen zunehmend entindividualisiert und zutiefst einsam, setzt sie ihrem Leben schließlich im Alter von 51 Jahren ein Ende. Handke reflektiert in der Erzählung ständig die Voraussetzungen seines eigenen Erzählens, gibt Einblick in den Schaffensprozess, macht diesen für den Leser transparent. Wunschloses Unglück ist keine leichte Unterhaltungs- oder Erbauungsliteratur und schon gar nicht komisch. Auch wenn Handke in klarer Sprache und nahezu nüchtern die Lebensgeschichte seiner Mutter erzählt, löst die Lektüre eine beklemmende Stimmung aus, der sich der Leser nur schwer entziehen kann.

Zusammenfassung

Jugendjahre der Mutter

Handkes Mutter wird in ländliche Verhältnisse hineingeboren. Zu dieser Zeit gehört der Grundbesitz der Kirche oder dem Adel, die Bevölkerung verdient sich als Bauern auf gepachtetem Boden oder als Handwerker ihren kargen Lebensunterhalt. Handkes Großvater ist slowenischer Abstammung und bewirtschaftet neben seiner Tätigkeit als Zimmermann ein paar Äcker und Wiesen. Dieses kleine Anwesen hat er von seiner Mutter, der Tochter eines wohlhabenden Bauern, geerbt. Anders als noch seinen Vorfahren erlaubt es ihm einen bescheidenen Wohlstand. Das Bewusstsein des Besitzes weckt bei ihm den Wunsch, noch freier zu werden, indem er sein Eigentum vergrößert. Obwohl er sein Vermögen in der Inflation der 1920er Jahre verliert, spart er weiter. Ziel dieser Bemühungen ist die materielle Ausstattung seiner Kinder. Das Geld in ihre Ausbildung zu investieren, kommt nicht in Frage.

Der Lebensweg einer Frau ist in dieser Gesellschaft mit ihrer Geburt vorherbestimmt. Den jungen Männern wird von Wahrsagerinnen die Zukunft vorausgesagt, für die Frauen steht sie ohnehin fest: Angefüllt mit Hausarbeit vergeht ihr Leben, ohne dass ihnen...

Über den Autor

Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Seine Mutter stammt aus einer slowenisch-kärntnerischen Familie, sein Vater ist ein im Zweiten Weltkrieg in Österreich stationierter deutscher Soldat. Nach dem Abitur beginnt Handke ein Jurastudium in Graz. Aufgrund des Erfolgs seiner ersten literarischen Werke gibt er das Studium auf und arbeitet fortan als freier Schriftsteller. Nach zahlreichen Stationen in Paris, Österreich und Deutschland lebt er seit 1991 in Chaville bei Paris. Seine ersten Werke zeigen ihn als Vertreter einer sprachkritischen Literatur. Im Lauf der Zeit wendet er sich mehr dem traditionellen Erzählen zu. Im Zentrum seines Schaffens steht die Bemühung, subjektive Erfahrungen mitteilbar zu machen. Handke schreibt Essays, Gedichte, Hörspiele, Theaterstücke (z. B. Publikumsbeschimpfung, 1966) und zahlreiche Prosatexte: Sein erster ist der Roman Die Hornissen (1966). Daneben übersetzt er Werke von Shakespeare, Julien Green u. a. Gemeinsam mit Wim Wenders realisiert er mehrere Filme: 1971 entsteht Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, 1987 schreiben die beiden zusammen das Drehbuch für Der Himmel über Berlin. Handke wird mit etlichen bedeutenden Preisen für deutschsprachige Literatur ausgezeichnet, darunter 1973 mit dem Georg-Büchner-Preis. Seit den 90er Jahren erregt Handke weniger mit seinen literarischen Texten Aufsehen als mit seinem Engagement für Serbien, das in einem Besuch beim ehemaligen Präsidenten Slobodan Miloševic während dessen Haft in Den Haag und in einer Rede auf dessen Beerdigung im März 2006 gipfelt. Ein Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit ist Handke mit jeder Äußerung sicher. Im Frühjahr 2006 wird eine geplante Aufführung eines Handke-Stücks an der Pariser Comédie-Française wegen Handkes proserbischer Position abgesetzt. Der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf wird ihm im Mai 2006 zunächst von der Jury zuerkannt, vom Stadtparlament aber verweigert, woraufhin Handke seinerseits auf den Preis verzichtet.


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