William Shakespeare
König Heinrich IV., Teil 2
Reclam, 2013
Sobre o que é?
Was für eine Karriere: Der Saufkumpan einer Ganovenbande vertauscht das Wirtshaus mit dem Königspalast und wird ein geläuterter Thronfolger.
- Drama
- Elisabethanische Ära
Worum es geht
Vom Saufbruder zum Thronfolger
König Heinrich IV., Teil 2 zeigt den Weg des Prinzen Hal vom Zechkumpan einer Ganovenbande zum König von England. Die Läuterung des Thronfolgers steht im Zentrum des Stücks. Währenddessen saufen und raufen Hals ehemalige Kumpane, vor allem der Lebemann Falstaff, weiter, gewinnt sein Bruder eine Schlacht durch Betrug und stirbt sein schuldbeladener Vater, der zwar die Titel-, nicht aber die Hauptfigur ist. Das sprachliche Zentrum des Stücks liegt im Spannungsfeld nobler Phrasen und anzüglicher Bemerkungen. Falstaffs Welt ist unverhohlen körperlich, sexuell aufgeladen und einzig dem eigenen Vorteil gewidmet. Sie dient als Vergleich für die Welt des Adels, der trotz seinem Ehrenkodex als genauso egozentrisch und opportunistisch erkennbar wird. Der sprachliche Kontrast scheint die Gegensätzlichkeit der sozialen Ebenen anzuzeigen. Betrachtet man aber die Handlungen der Figuren, sieht man, dass Oben und Unten, Edelmann und Bürger nach den gleichen Prinzipien handeln. Das Stück ist höchst unterhaltsam: Über Falstaffs Dreistigkeit kann man heute noch genauso lachen wie zu Shakespeares Zeit.
Take-aways
- König Heinrich IV., Teil 2 ist der dritte Teil von Shakespeares Lancaster-Tetralogie.
- König Richard II., König Heinrich IV., Teil 1 und König Heinrich V. sind die anderen Stücke der Tetralogie.
- Inhalt: Nach der Schlacht von Shrewsbury, in der Prinz Hal die Feinde seines Vaters Heinrich IV. besiegt hat, steht er vor der Entscheidung, entweder zu seinem ausschweifenden Leben an der Seite des Säufers Falstaff zurückzukehren oder sich auf seine Rolle als Thronfolger vorzubereiten. Falstaff, ein ehrloser Opportunist, erhofft sich die Gunst des künftigen Königs, doch nach dem Tod des Vaters sagt sich Hal vom einstigen Saufkumpan los.
- Standesunterschiede verdeutlicht Shakespeare anhand unterschiedlicher Sprechweisen: Der Adel spricht in Versen, das Volk in Prosa.
- Das Stück ist voller Sprachspiele, Wortneuschöpfungen, schlüpfriger Mehrdeutigkeiten sowie mythologischer und biblischer Zitate.
- Shakespeare entlarvt den Ehrbegriff des Adels als leere Phrase. Als Kontrast dient der ehrlose, aber sich selbst treu bleibende Ritter Falstaff.
- Das Stück thematisiert das Problem der Thronfolge. Elisabeth I. hatte keine Nachkommen, und die Debatte um ihre Nachfolge war zu Shakespeares Zeit höchst akut.
- Das Stück wird in der Regel zusammen mit dem ersten Teil aufgeführt.
- Besonders die komischen Szenen um Falstaff inspirierten zahlreiche Künstler.
- Zitat: „Denn glücklich, wer da arm sich niederlegt, unruhig liegt das Haupt, das eine Krone trägt.“
Zusammenfassung
Nach der Schlacht ist vor der Schlacht
In der Schlacht von Shrewsbury kämpften die Heere des Königs gegen Rebellen. König Heinrich IV. siegte, doch gibt es auch anders lautende Gerüchte: Lord Bardolph bringt dem Grafen Northumberland die Nachricht, dass dessen Sohn Hotspur die königliche Armee geschlagen habe. Kurz darauf zerstören zwei Vertraute Northumberlands alle Hoffnung: Sein Sohn ist erschlagen, sein Bruder und seine Verbündeten sind gefangen. Es ist schon bald mit einem Angriff der königlichen Truppen auf Northumberland zu rechnen. Der Graf will sich sofort wappnen und den Kampf aufnehmen, doch Lord Bardolph und ein Bote hindern ihn daran, im Affekt zu handeln: Mit einem neuen Alliierten, dem Erzbischof von York, könne man die Rebellion auch religiös legitimieren und auf diese Weise stärken.
„(…) ich bin nicht nur selbst geistreich, sondern auch der Grund dafür, dass andere Menschen geistreich sind.“ (Falstaff zum Pagen, S. 35)
Auf einer Straße in London unterhält sich der Ritter Falstaff mit seinem Pagen. Falstaff macht sich über ihn lustig und verspottet Prinz Hal, der ihm den kleinen Pagen zur Seite gestellt hat. Zugleich muss er zur Kenntnis nehmen, dass man sich in London auch über ihn lustig macht und dass er nicht kreditwürdig ist. Als ihm auf der Straße der Höchstrichter begegnet, stellt dieser ihn wegen eines Raubüberfalls zur Rede, den Falstaff vor dem Feldzug begangen hat. Falstaff lenkt ab und brüstet sich mit seinen Verdiensten für das königliche Heer auf dem Schlachtfeld. Der Höchstrichter beanstandet Falstaffs Lebenswandel und seine Aufschneiderei sowie seinen schlechten Einfluss auf den Prinzen. Falstaff redet sich heraus: Nicht er, sondern der Prinz sei der schlechte Einfluss. Der Höchstrichter weiß, dass der König Prinz Hal und Falstaff getrennt und Letzteren dem Bruder des Prinzen, John von Lancaster, für den Feldzug gegen den Erzbischof zugeteilt hat. Falstaff will den Krieg trotzdem weiter für seinen persönlichen Vorteil nutzen.
„Oh Schlaf, oh süßer Schlaf, sanfter Pfleger der Natur, wie hab ich dich geschreckt, dass du meine Augenlider nicht mehr schwer werden lässt und meine Sinne in Vergessen tauchst?“ (König Heinrich IV., S. 143)
Der Erzbischof bespricht in York mit den Verbündeten Mowbray, Hastings und Lord Bardolph den Fortgang der Rebellion. Lord Bardolph will nicht weiterkämpfen, solange Northumberlands Truppen nicht zu ihnen gestoßen sind. Hastings hingegen glaubt, dass man Heinrich auch ohne den Grafen schlagen könne, da die königlichen Truppen an drei Fronten zugleich kämpfen müssen: gegen die Waliser Rebellen, gegen die Franzosen und gegen die gemeinsame Streitmacht um den Erzbischof. Man einigt sich darauf, auch ohne Northumberland in den Krieg zu ziehen.
Geprellte Zechen in Londons Halbwelt
Im Londoner Stadtteil Eastcheap, unweit der Taverne The Boar’s Head, hat sich die Wirtin Frau Quickly zwei Männer zur Verstärkung geholt, um Falstaff zu verhaften. Grund ihrer Klage ist Falstaffs Zechprellerei. Die zwei Beamten, Fang und Snare, stellen Falstaff, der mit seinem Kumpan Bardolph und seinem Pagen auf der Straße unterwegs ist, und wollen ihn verhaften. Falstaff hetzt Bardolph auf Fang, während der Page die hysterische Quickly attackiert. Mitten ins Handgemenge tritt der Höchstrichter mit Gefolge. Er fordert Aufklärung und tadelt Falstaff für den würdelosen Auftritt in der Öffentlichkeit. Frau Quickly bittet den Höchstrichter um Unterstützung gegen Falstaff. Dieser habe sie mit seiner Sauflust und Völlerei um Haus und Hof gebracht und ihr außerdem die Ehe versprochen.
„Denn glücklich, wer da arm sich niederlegt, unruhig liegt das Haupt, das eine Krone trägt.“ (König Heinrich IV., S. 145)
Falstaff versucht sich herauszureden und verleumdet seinerseits die Wirtin. Doch der Höchstrichter zeigt sich unbeeindruckt von der Mischung aus Unverschämtheit, Lüge und Ignoranz, die Falstaff den Forderungen und Anklagen entgegenhält. Er verfügt, dass Falstaff seine Schulden begleichen und für das falsche Eheversprechen Abbitte leisten soll. Falstaff erhält eine willkommene Pause im Streit, als Gower, ein Kurier des Königs, mit Nachrichten für den Höchstrichter erscheint. König Heinrich IV., so die Nachricht, befindet sich auf dem Rückweg von der Schlacht gegen die Waliser Rebellen und steht bereits vor den Toren Londons. Als Gower einen Brief überreicht, nutzt Falstaff die Ablenkung des Richters, um die Wirtin zu beschwichtigen. Er redet ihr nicht nur die Anklage aus, sondern beschwatzt sie zudem, ihr eigenes Mobiliar zu verkaufen, um Falstaff weiteres Geld leihen zu können.
Der Prinz erwacht
Prinz Hal ist zurück vom Schlachtfeld in Shrewsbury. Mit seinem Vertrauten Poins sinniert er in einer Londoner Schenke über sein bisheriges, ausschweifendes Leben. Er zeigt Besorgnis über die Krankheit seines Vaters. Doch Poins, der den Prinzen als liederlichen Saufkumpan von Falstaff erlebt hat, nimmt Hals Sorge nicht für bare Münze. Bardolph und Falstaffs Page erscheinen mit einem Brief von Falstaff für Hal. Darin wirbt Falstaff dreist um die Gunst des Prinzen und warnt ihn vor Poins. Hal beschließt, Falstaff zu testen. Am Abend will er ihn inkognito belauschen.
„(…) warum bildet Ihr Eure Sprache des Friedens, die solche Gnade birgt, um in die raue und gewaltsame Sprache des Kriegs und verwandelt Eure Bücher in Gräber, Eure Tinte in Blut, Eure Schreibfedern in Lanzen und Eure Zunge des Göttlichen in eine lärmende Trompete und ein Kriegssignal?“ (Westmoreland zum Erzbischof, S. 185)
Unterdessen bereitet sich der Graf von Northumberland auf den Krieg gegen Heinrich vor. Seine Frau, Lady Northumberland, und seine Schwiegertochter, Lady Percy, die Witwe des in Shrewsbury getöteten Hotspur, versuchen ihm den Waffengang auszureden. Besonders Lady Percy lässt ihrem Zorn auf den Schwiegervater freien Lauf. Er sei seinem Sohn in Shrewsbury nicht zu Hilfe gekommen. Wenn er nun mit dem Erzbischof und dessen Verbündeten in den Krieg ziehe, entehre er den eigenen Sohn, den er allein in die Schlacht habe ziehen lassen. Auf den Rat seiner Frau beschließt Northumberland, nach Schottland zu fliehen.
„Hätt ich tausend Söhne, so wär der erste menschliche Grundsatz, den ich ihnen beibringen würde, allen dünnen Getränken abzuschwören und sich ganz dem Sherry hinzugeben.“ (Falstaff, S. 219)
In der Taverne The Boar’s Head in London isst Falstaff mit Bardolph, Frau Quickly und der Hure Doll Tearsheet zu Abend. Falstaff gerät in einen Streit mit Doll Tearsheet, der eskaliert, als Fähnrich Pistol angetrunken zur Abendgesellschaft stößt. Der als Randalierer bekannte Pistol beleidigt und bedroht Doll Tearsheet, die ihrerseits den Neuankömmling furios beschimpft. Falstaff sieht sich genötigt, den Fähnrich hinauszuwerfen. Der aber widersetzt sich und es kommt zum Kampf. Pistol flieht, worauf Doll Tearsheet und ihr Held Falstaff wieder ein Herz und eine Seele sind. Sie fragt ihn nach seiner Meinung über den Prinzen und Poins. Diese sind als Kellner verkleidet im Raum. Falstaff äußert sich herablassend. Als Hal sich zu erkennen gibt, streitet Falstaff alles ab, doch der Prinz weiß nun, was er von ihm zu halten hat. Ein Bote des Königs kommt und verkündet, Heinrich sei zurück in London und man suche in allen Kneipen nach Falstaff. Der Prinz eilt mit Poins an den königlichen Hof. Doll und Frau Quickly verabschieden Falstaff.
Ein schlafloser König
Heinrich IV. schickt mitten in der Nacht nach dem Grafen von Surrey und dem Grafen von Warwick, seinen Vertrauten. Allein gelassen klagt er über sein schweres Los, das ihm den Schlaf raubt, und beneidet die Armen, die ruhig schlafen können. Die Grafen treffen ein und diskutieren über die Lage, in die der Krieg sie gebracht hat. Als die Rede auf den Grafen Northumberland kommt, hadert Heinrich mit den Brüchen, die die Zeit mit sich bringt: Northumberland war erst Vertrauter von Heinrichs Amtsvorgänger Richard II., dann dessen Feind und Heinrichs Verbündeter, nun auch sein Feind. Warwick indes glaubt, dass Northumberland kein starker Gegner ist. Zudem hat er eine gute Nachricht für Heinrich: Owen Glendower, der Führer des Aufstands in Wales, ist tot. Der König will nun den Bürgerkrieg rasch beenden und hofft überdies auf einen baldigen Kreuzzug.
„,Ich dachte nicht, Euch jemals wieder sprechen zu hören.‘ – ,Dein Wunsch war Vater dieses Gedanken, Harry.‘“ (Prinz Hal und König Heinrich, S. 239)
Unterdessen hebt Falstaff Rekruten in Gloucestershire aus. Sein alter Schulfreund Shallow ist hier Friedensrichter. Falstaff und Bardolph lassen sich Kandidaten für den Krieg gegen die Rebellen vorführen. Von den fünf Kandidaten eignen sich auf den ersten Blick nur zwei. Diese beiden aber bestechen Falstaff. Er lässt sie gehen und wählt stattdessen die drei schwächlichen Männer aus. Shallow ist irritiert. Falstaff schwadroniert über den Nutzen der scheinbar wenig geeigneten Soldaten und macht sich danach auf nach Norden. Bei seinem Aufbruch nimmt er sich vor, zurückzukehren und Shallow auszunehmen.
Vermiedene Schlacht und trickreicher Verrat
Im Wald von Gaultree erreicht den Erzbischof von York die Kunde, dass Northumberland nicht zu den Rebellen stoßen wird. Gleich darauf tritt der Graf von Westmoreland als Verhandlungsführer der königlichen Truppen auf. Er verlangt vom Erzbischof eine Erklärung für dessen Unterstützung der Rebellion. Der Erzbischof beklagt, dass der König berechtigte Beschwerden der Rebellen ignoriere und das Land zugrunde richte. Er überreicht Westmoreland eine Liste mit Beschwerden, die dieser John von Lancaster, dem Führer des königlichen Heers, übergeben soll. Sollten alle Bedingungen erfüllt und alle Rebellen begnadigt werden, wolle man sich zurückziehen. Mowbray zweifelt am Erfolg der anstehenden Verhandlungen, Hastings und der Erzbischof dagegen sind optimistisch. Westmoreland kehrt zurück und holt die Rebellenführer zum Gespräch mit Lancaster. Dieser verspricht, alle Bedingungen der Rebellen zu erfüllen, wenn diese ihr Heer abziehen. Der Friedensschluss wird mit Wein besiegelt, und die Rebellen zerstreuen sich. Kaum ist das geschehen, lässt Westmoreland den Erzbischof und seine Verbündeten wegen Hochverrats verhaften. Lancaster bestreitet einen Wortbruch: Er werde sich um die Anliegen der Rebellen kümmern, doch die Rebellenführer werde er hinrichten und deren Truppen verfolgen lassen.
„Der Strom meines Blutes floss bisher überschäumend in Nichtigkeit; nun wendet er sich und ebbt zurück zum Meer, wo er sich mit der Herrlichkeit der Fluten vermengt und künftig in würdiger Majestät fließen soll.“ (Prinz Hal, S. 271)
Falstaff ist in letzter Minute beim Heer eingetroffen und begegnet einem Rebellen, der sich ihm ergibt. Als Lancaster erscheint, brüstet sich Falstaff mit der Gefangennahme und erbittet Fürsprache beim König. Lancaster jedoch durchschaut und rügt den Aufschneider und macht sich auf den Weg nach London, wo sein schwer kranker Vater Nachricht erwartet. Falstaff erkennt, dass Lancaster ihm nicht wohlgesinnt ist. Er führt dies darauf zurück, dass er keinen Wein trinkt. Falstaff lobt die Mut spendenden Eigenschaften des Sherrys, verdammt den kühlen Lancaster und hofft auf den tapferen – weil trinkenden – Prinzen Hal als Fürsprecher.
Der König ist tot, es lebe der König
Im königlichen Palast erfährt Heinrich IV. von der Hinrichtung des Erzbischofs und dessen Verbündeten. Northumberland wurde ebenfalls besiegt. Der König fühlt sich trotz den Siegen und dem Ende des Bürgerkriegs schwach und krank. Man bringt ihn in ein Nebenzimmer, wo er sich erholen soll. Hal erscheint und setzt sich ans Lager des schlafenden Vaters. Er sinniert über die schwere Bürde, die die Krone bedeutet. Als er glaubt, sein Vater sei gestorben, nimmt er sie an sich und verlässt den Raum. Heinrich erwacht allerdings und bemerkt das Fehlen seiner Krone. Er lässt Hal zu sich kommen und macht seinem Ärger Luft. Er fürchtet um England, wenn der liederliche Thronfolger es nicht erwarten kann, die Krone des noch lebenden Königs an sich zu reißen. Hal versichert ihm, dass nicht Machtgier, sondern die widerwillige, aber notwendige Übernahme der schweren Verantwortung ihn getrieben hat, als er glaubte, der König sei tot. Heinrich ist nun von Hals guten Absichten und seinen Qualitäten als künftiger Herrscher überzeugt. Er gibt seinem Sohn einen letzten Rat: Zur Vermeidung von Bürgerkriegen soll er den Krieg nach außen tragen.
„Ich weiß, der junge König sehnt sich krank nach mir. Lasst uns irgendjemandes Pferde nehmen, die Gesetze Englands stehen mir zu Befehl. Glücklich jene, die meine Freunde waren, und Weh über den Lord Höchstrichter.“ (Falstaff, S. 285)
Der Höchstrichter erfährt vom Tod des Königs. Ihm und den anderen Prinzen, Hals jüngeren Brüdern, bereitet es Sorgen, dass Hal seinem Vater auf den Thron folgt. Doch die Ängste sind unbegründet. Hal, jetzt König Heinrich V., zeigt sich geläutert. Selbst seine einstige Einkerkerung durch den Höchstrichter macht er diesem nicht mehr zum Vorwurf. Im Gegenteil: Er bestätigt den Richter in seinem Amt und bittet ihn um Rat.
Falstaff fällt in Ungnade
Falstaff feiert unterdessen mit Shallow und dessen Freunden ein Gelage. Mitten in das Fest platzt Pistol mit der Nachricht vom Tod des alten Königs – und jener von der Einsetzung eines neuen. Falstaff sieht seine Stunde gekommen. Sofort macht er sich auf nach London, um seine Lorbeeren einzufordern. In London werden derweil Frau Quickly und Doll Tearsheet wegen Totschlags verhaftet. Auch Pistol ist in den Fall verwickelt.
„,Mein König, mein Jupiter, ich sprech zu dir, mein Herz!‘ – ,Ich kenne dich nicht, alter Mann.‘“ (Falstaff und Prinz Hal, S. 295)
Vor den Toren Londons erwartet Falstaff den frisch gekrönten Heinrich V. Er hofft auf eine goldene Zukunft, doch vergeblich: Als er dem neuen König jovial zuruft, verleugnet dieser ihn zunächst, um ihn schließlich zu maßregeln und ihm zu drohen. Er, Heinrich V., sei nicht mehr der törichte Prinz, der Ausschweifungen suche. Der König gewährt Falstaff ein Einkommen, das ihm ein Leben ohne Verbrechen ermöglicht, doch verbannt er ihn und sein Gefolge auf zehn Meilen Abstand von seiner Person. Bis zu seiner Abschiebung aus London kommt Falstaff in Haft. Lancaster und der Höchstrichter befürworten die Entscheidung des Königs und rechnen mit einem baldigen Feldzug gegen Frankreich.
Zum Text
Aufbau und Stil
König Heinrich IV., Teil 2 ist ein historisches Drama in fünf Akten. In dem Stück gibt es rund 40 Sprechrollen. Zudem wird es durch einen Prologsprecher („das Gerücht“) eingeleitet und durch einen Epilogsprecher geschlossen, der einen Ausblick auf die Fortsetzung gibt. Dass die Figuren unterschiedlichen sozialen Schichten und Ständen angehören, wird sprachlich hörbar gemacht: Während die adligen Herren weitgehend in Versen sprechen, ist die mitunter derbe und zotige Sprache der einfachen Leute durchweg in Prosa gehalten. Die fünf Akte sind überwiegend so gestaltet, dass eine niedersprachliche einer hochsprachlichen Szene folgt, wodurch starke Kontraste, mitunter sogar Brüche entstehen. Der Text enthält zahlreiche Wortneuschöpfungen, komische Versprecher, Mehrdeutigkeiten, sexuelle Anspielungen sowie Verweise auf die klassische Mythologie und die Bibel – zum Teil bewusst falsch wiedergegeben, um einzelne Charaktere zu entlarven. An mehreren Stellen wird auf die Handlung der Vorgängerstücke Heinrich IV., Teil 1 und Richard II. verwiesen.
Interpretationsansätze
- In König Heinrich IV., Teil 2 schmäht Shakespeare das feine Getue der Aristokratie – etwa wenn Falstaff und Pistol sich mit hehrem Kriegsvokabular um die Gunst einer Prostituierten streiten oder wenn John von Lancaster die Schlacht gegen die Rebellen, wie er sagt, „mit Gottes Hilfe“, in Wirklichkeit aber durch Betrug und Wortbruch, gewinnt.
- Egoismus ist das treibende Motiv vieler Figuren: Ob im Königspalast, auf dem Schlachtfeld oder im Wirtshaus – jeder sucht zunächst seinen Vorteil. Die Unterschiede zwischen den Ständen liegen in der Sprache und im Ergebnis ihrer egoistischen Bestrebungen. Heinrich IV. wurde durch Usurpation und Mord König, während Doll Tearsheet und Frau Quickly für vergleichbare Vergehen im Gefängnis landen.
- Das Motiv der Reue spielt eine wichtige Rolle: Sowohl Heinrich IV., der den von ihm herbeigeführten Sturz Richards II. bereut, als auch sein Sohn Hal, der seine ausschweifende Jugend hinter sich lässt, erwerben sich so das Recht auf die Macht. Falstaff hingegen, der nichts bereut, sich selbst aber treu bleibt, wird verbannt. Inwieweit Reue und Umkehr ehrlich empfunden oder nur der Notwendigkeit geschuldet sind, spielt dabei keine entscheidenden Rolle.
- Ein guter Herrscher braucht die richtige Vaterfigur: Hal findet vom falschen Vorbild Falstaff zu seinem leiblichen Vater zurück und nach dessen Tod zur Vaterfigur des Höchstrichters, der einzigen durchweg ehrenhaft handelnden Figur des Stücks.
- Die Thronfolge ist mehr als nur die Fortführung einer Dynastie. Sie erfordert die aktive Entscheidung zur Verantwortung. Während Heinrich glaubt, mit der Übergabe der Krone an seinen Sohn die Sünde ihrer unrechtmäßigen Aneignung zu tilgen, legitimiert Hal seine Herrschaft erst mit der Entscheidung, die Königsrolle bewusst anzunehmen und mit seiner Vergangenheit zu brechen.
- Das Stück kann als Handlungshilfe für die sterbende Tudor-Dynastie gelesen werden: Elisabeth I. hatte keine Nachfahren. In der Spätphase ihrer Regentschaft war die Debatte um ihre Nachfolge längst entbrannt. Shakespeares Lancaster-Tetralogie, besonders Heinrich IV., Teil 2, kann als künstlerischer Fingerzeig zur Wahl eines passenden Erben gelten.
Historischer Hintergrund
Elisabethanisches Theater: Kunst und Unterhaltung für alle Stände
Das England des ausgehenden 16. Jahrhunderts war geprägt durch wirtschaftliches Wachstum – bedingt durch den beginnenden Kolonialismus und den langen Frieden mit dem Erzfeind Frankreich –, durch ein verstärktes Nationalbewusstsein und durch eine blühende Kultur. Das Theater des Elisabethanischen Zeitalters – Elisabeth I. regierte von 1558 bis zu ihrem Tod 1603 – erlebte eine Hochphase. Während im kontinentalen Europa Schauspielertruppen kaum mehr Ansehen genossen als Prostituierte, verbesserte sich der Ruf der Schauspieler in England durch die Vergabe von Patronaten. Dabei übernahm ein Adliger die Verantwortung für eine Schauspieltruppe und erhob sie so über das verrufene Wirtshausspiel.
Kennzeichen des Schauspiels im späten 16. Jahrhundert war die Zusammenführung von adligen und bürgerlichen Figuren auf der einen und von adligem und bürgerlichem Publikum auf der anderen Seite. Kaum ein Ort brachte in London um 1600 derart konsequent Adel und Volk zusammen wie das Theater. Hintergrund war unter anderem ein aufstrebendes Bürgertum, das sowohl wirtschaftlich als auch hinsichtlich Bildung dem Adel allmählich ebenbürtig war. Auch das Bestreben der Monarchin, das einfache Volk in unruhigen Zeiten – gegen Königin Elisabeth wurden mehrere religiös motivierte Komplotte geschmiedet – geeint hinter sich zu bringen, spielte eine Rolle. Die berühmtesten Häuser waren The Theatre, The Swan und The Globe – sie alle lagen unmittelbar vor den Toren von London. Um 1580 hatten diese Theater zusammen eine Kapazität von etwa 5000 Zuschauern. Um 1610 waren es bereits etwa 10 000.
Entstehung
König Heinrich IV., Teil 2 ist der dritte Teil der Lancaster-Tetralogie, einer Serie von historischen Stücken, zu der auch Richard II., König Heinrich IV., Teil 1 und Heinrich V. gehören. Der erste Teil von König Heinrich IV. entstand 1596, der zweite 1597; in diesem Jahr wurden beide Teile uraufgeführt. Erst in der Druckfassung von 1623 wird in den Titeln der Stücke auf die Zweiteilung hingewiesen; ursprünglich wurden sie also möglicherweise als ein einziges Stück betrachtet. Es gibt Hinweise, dass Shakespeare die Arbeit zum zweiten Teil unterbrach, um die Komödie Die lustigen Weiber von Windsor zu schreiben, in der der dicke Ritter Falstaff – angeblich auf Wunsch von Königin Elisabeth – einen weiteren Auftritt erhielt.
Die erste Druckversion war im Vergleich zur späteren Gesamtausgabe um einige Passagen kürzer; insbesondere fehlt die Szene mit dem schlaflosen König – womöglich fiel sie der Zensur zum Opfer. In dieser Szene geht es unter anderem um die unrechtmäßige Entthronung Richards II. durch Heinrich IV. Königin Elisabeth I. wurde immer wieder mit dem gestürzten Richard in Verbindung gebracht. Unliebsame historische Parallelen in Theaterstücken wurden damals oft per Zensur unterdrückt. Hauptquellen von Shakespeares Tetralogie waren Raphael Holinsheds The Chronicles of England, Scotland and Ireland von 1587, Samuel Daniels The First Four Books of the Civil Wars Between the Two Houses of Lancaster and York von 1595 sowie John Stows Chronicles of England (1580) und Annales of England (1592). Einzelne geschichtliche Fakten, zum Beispiel den Todeszeitpunkt des walisischen Rebellen Glendower oder die Rolle des Grafen Northumberland, hat Shakespeare verändert.
Wirkungsgeschichte
König Heinrich IV., Teil 2 wurde schon früh als Anhängsel des ersten Teils angesehen. Theaterkritiker monierten die mangelnde Kohärenz und die fehlende Spannung, da die zwei Hauptfiguren, Hal und Falstaff, sich nur zweimal kurz begegnen und kaum miteinander reden. Was frühe Kritiken allerdings positiv bewerteten, sind die komödiantischen Szenen rund um Falstaff, die die ernste Grundstimmung des Stücks effektvoll aufbrechen. Einzelaufführungen des zweiten Teils sind für das frühe 17. Jahrhundert nicht belegt. Meist wurden beide Teile zusammen aufgeführt. Das ist in der Aufführungspraxis bis heute so geblieben.
Die komischen Szenen inspirierten viele Künstler zur Auseinandersetzung mit der Figur Falstaff. 1760 und 1766 schrieb William Kenrick zwei Versionen von Falstaff’s Wedding, die nach der Handlung von Heinrich IV., Teil 2 einsetzen. 1796 schrieb James White die fiktionalen Original Letters, etc., of Sir John Falstaff and his friends. Mehrere musikalische Umsetzungen der Bühnenfigur Falstaff gab es ebenfalls. 1913 wurde Edward Elgars Orchesterwerk Falstaff – Symphonic Study uraufgeführt, 1925 die Kurzoper At the Boar’s Head von Gustav Holst, beide auf Basis von Shakespeares Dramen. Orson Welles verfilmte 1966 eine Mischung aus allen Teilen der Tetralogie und den Lustigen Weibern von Windsor unter dem Titel Falstaff. In der britischen Serie The Hollow Crown (2012) wurde das Stück, zusammen mit anderen Historienstücken Shakespeares, fürs Fernsehen verfilmt; Jeremy Irons spielte Heinrich IV.
Über den Autor
William Shakespeare kann ohne Übertreibung als der berühmteste und wichtigste Dramatiker der Weltliteratur bezeichnet werden. Er hat insgesamt 38 Theaterstücke und 154 Sonette verfasst. Shakespeare wird am 26. April 1564 in Stratford-upon-Avon getauft; sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Er ist der Sohn des Handschuhmachers und Bürgermeisters John Shakespeare. Seine Mutter Mary Arden entstammt einer wohlhabenden Familie aus dem römisch-katholischen Landadel. 1582 heiratet er die acht Jahre ältere Anne Hathaway, Tochter eines Gutsbesitzers, mit der er drei Kinder zeugt: Susanna sowie die Zwillinge Hamnet und Judith. Um 1590 übersiedelt Shakespeare nach London, wo er sich innerhalb kurzer Zeit als Schauspieler und Bühnenautor einen Namen macht. Ab 1594 ist er Mitglied der Theatertruppe Lord Chamberlain’s Men, den späteren King’s Men, ab 1597 Teilhaber des Globe Theatre, dessen runde Form einem griechischen Amphitheater nachempfunden ist, sowie ab 1608 des Blackfriars Theatre. 1597 erwirbt er ein Anwesen in Stratford und zieht sich vermutlich ab 1613 vom Theaterleben zurück. Er stirbt am 23. April 1616. Über Shakespeares Leben gibt es nur wenige Dokumente, weshalb sich seine Biografie lediglich bruchstückhaft nachzeichnen lässt. Immer wieder sind Vermutungen in die Welt gesetzt worden, wonach sein Werk oder Teile davon in Wahrheit aus anderer Feder stammen. Als Urheber wurden zum Beispiel der Philosoph und Staatsmann Francis Bacon, der Dramatiker Christopher Marlowe oder sogar Königin Elisabeth I. genannt. Einen schlagenden Beweis für solche Hypothesen vermochte allerdings niemand je zu erbringen. Heutige Forscher gehen mehrheitlich davon aus, dass Shakespeare der authentische und einzige Urheber seines literarischen Werkes ist.
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