Der britische Historiker Ian Kershaw hat 2015 eine zweibändige Geschichte Europas im 20. Jahrhundert begonnen. Der erste Teil, Höllensturz, widmet sich der turbulenten Ära vom Beginn des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. In fesselnder Sprache betrachtet er mit dem analytischen Blick des Historikers, welche sozialen und politischen Kräfte das Schicksal des Kontinents prägten. Eine unverzichtbare Lektüre für alle politisch und geschichtlich Interessierten.
Europa hätte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beinahe selbst vernichtet. Die Ursachen dafür lagen in Nationalismus, Klassenkampf und einer globalen Krise des Kapitalismus.
Die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert – besonders in dessen erster Hälfte – kann als riesiges Drama beschrieben werden. Nach über 100 Jahren des Friedens erlebte Europa den Absturz in die Barbarei und wäre dabei beinahe zugrunde gegangen. Den Höhepunkt der Schrecken bildet der Zweite Weltkrieg mit seinem Massenmord.
Für den beispiellosen Zivilisationsbruch gab es etliche Ursachen: zunächst das Aufkommen eines aggressiven ethnisch-rassistischen Nationalismus. Dieser knüpfte an ein weit verbreitetes Bedürfnis nach territorialem Revisionismus an. Denn nach dem Ersten Weltkrieg waren viele Nationalstaaten der Ansicht, zu Unrecht Gebiete verloren zu haben. Und viele von ihnen, wie Deutschland und Italien, gelangten im Laufe der 1930er-Jahre zur Ansicht, sich diese Gebiete gewaltsam einverleiben zu können.
Eine weitere Hauptursache der Krise war die Klassenfrage. Zwar hatte sich die Arbeiterschaft großteils parlamentarisch organisiert; Parteien wie die SPD in Deutschland...
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