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Biedermann und die Brandstifter

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Biedermann und die Brandstifter

Ein LehrstĂŒck ohne Lehre

Suhrkamp,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Max Frischs berĂŒhmte Parabel ĂŒber die Feigheit der Opportunisten: Herr Biedermann holt sich die Brandstifter ins Haus und tut so, als seien sie seine besten Freunde.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

BrandgefĂ€hrliches LehrstĂŒck

Was tun, wenn’s brennt? Diese Frage stellt sich auch fĂŒr Herrn Biedermann, der in der Zeitung von immer neuen, immer dreisteren Brandstiftungen liest. Dass er schließlich selbst Opfer von Brandstiftern wird, will er so lange nicht wahrhaben, bis es zu spĂ€t ist. Die beiden Hausierer Schmitz und Eisenring mĂŒssen sich gar nicht besonders verstellen, denn allein ihre unverhohlen zur Schau gestellte Bedrohlichkeit, mit der sie ihr zĂŒndelndes GeschĂ€ft betreiben, verschafft ihnen bei Biedermann so viel Respekt, dass er nur eine Möglichkeit sieht: alle Warnungen in den Wind schlagen und sich „anbiedern“. Er lĂ€sst die Brandstifter in sein Haus, lĂ€dt sie zu einem ĂŒppigen Gastmahl ein und stellt sich taub und blind, wenn er mit der bevorstehenden Katastrophe konfrontiert wird. Biedermann ist Opfer und Helfershelfer zugleich, ein Opportunist bar jeder Zivilcourage, dem es nur darum geht, seine eigene Haut zu retten. Das ironische StĂŒck wurde 1958 uraufgefĂŒhrt und bedeutete fĂŒr den als Romanschriftsteller bereits erfolgreichen Max Frisch den Durchbruch als BĂŒhnenautor. Der einfache Aufbau, der bitterböse Humor, die Zeitlosigkeit des Sujets und nicht zuletzt der Titel, der zum geflĂŒgelten Wort wurde, verhalfen dem „LehrstĂŒck ohne Lehre“ zu großer PopularitĂ€t.

Take-aways

  • Biedermann und die Brandstifter bedeutete fĂŒr Max Frisch den Durchbruch als BĂŒhnenautor; der Titel des StĂŒcks wurde zum geflĂŒgelten Wort.
  • Gottlieb Biedermann ist ein Haarwasserfabrikant, der in geordneten VerhĂ€ltnissen lebt und am liebsten seine Ruhe hat.
  • Eine Serie von Brandstiftungen beunruhigt den Fabrikanten: Er fordert, mit den TĂ€tern kurzen Prozess zu machen.
  • Plötzlich steht der Hausierer Schmitz vor seiner TĂŒr und fordert eine Bleibe auf dem Dachboden – genau wie es die Brandstifter jeweils tun.
  • Biedermann fĂŒhlt sich halb geschmeichelt, halb bedroht und lĂ€sst Schmitz auf dem Dachboden nĂ€chtigen.
  • Obwohl ihn seine Ehefrau Babette warnt, will Biedermann nicht wahrhaben, dass Schmitz und sein Komplize Eisenring Brandstifter sind.
  • Als die beiden auch noch BenzinfĂ€sser mit ZĂŒndladungen versehen, weiß Biedermann: Er muss sich mit den „GĂ€sten“ gut stellen.
  • WĂ€hrend eines eigens organisierten GĂ€nseessens sprechen die beiden ganz offen ĂŒber ihre PlĂ€ne, aber Biedermann hĂ€lt alles fĂŒr einen großen Scherz.
  • Schließlich jagen die Brandstifter das Haus und das halbe Viertel in die Luft.
  • Frisch notierte den Text bereits 1948 als Prosaskizze und arbeitete ihn 1953 zu einem Hörspiel um. 1958 wurde er dann als TheaterstĂŒck in ZĂŒrich uraufgefĂŒhrt.
  • Das Drama kam beim Publikum und der Kritik sehr gut an und wurde vor allem als Gleichnis fĂŒr die nationalsozialistische MachtĂŒbernahme 1933 interpretiert.
  • Der Untertitel „LehrstĂŒck ohne Lehre“ weist auf Frischs Pessimismus und die Wiederholbarkeit der gezeigten VorgĂ€nge hin.

Zusammenfassung

Vorsicht vor den Brandstiftern

Haarwasserfabrikant Gottlieb Biedermann zĂŒndet sich eine Zigarre an – und sofort wird er von FeuerwehrmĂ€nnern umringt. Diese kommentieren fortan das Geschehen in der Art eines Chores im antiken griechischen Theater. Biedermann liest in der Zeitung von einer Bande von Brandstiftern, die in der nĂ€heren Umgebung schon mehrere Feuer gelegt haben. EntrĂŒstet vertritt er die Meinung, man sollte kurzen Prozess mit ihnen machen. Zumal die Masche der Brandstifter doch allzu durchsichtig ist: Es sind immer Hausierer, die sich erst einen Unterschlupf auf dem Dachboden ahnungsloser BĂŒrger erschleichen und dann ihr Vernichtungswerk vollenden.

Ein gewitzter Obdachloser

Just in diesem Augenblick berichtet das HausmĂ€dchen Anna von eben einem solchen Hausierer, der sich seit einer geschlagenen Stunde nicht abwimmeln lĂ€sst. Biedermann ist verĂ€rgert, will den Fremden aber doch empfangen. Da steht der freche Kerl – in einem seltsamen Anzug, der an ein ZirkuskostĂŒm erinnert – schon in der Stube. Schmitz, so stellt er sich vor, sucht eine Bleibe. FreimĂŒtig gibt er zu, dass alle Leute Angst vor ihm hĂ€tten, nur weil er eine stattliche Statur habe und einmal Ringer gewesen sei. Biedermann fĂŒhlt sich an seine Menschenfreundlichkeit appelliert und bietet dem Gast ein Glas Wein, etwas Brot und eine Zigarre an. Das komplettiert Schmitz Anna gegenĂŒber rasch zu einer vollstĂ€ndigen Mahlzeit mit KĂ€se, Senf und Gurke – ein bisschen kaltes Fleisch wĂ€re ihm auch sehr recht, doch Anna kehrt zurĂŒck mit der Nachricht, dass leider kein Fleisch mehr da sei. Mit Komplimenten schmeichelt Schmitz seinem Gastgeber, dass dieser das Herz am rechten Fleck habe, kein Angsthase sei wie all die anderen und auch noch Zivilcourage besitze. Geschickt verpackt er in seine Schmeicheleien die Bitte um eine Bleibe fĂŒr die Nacht – vielleicht auf dem Dachboden?

„Nimmer verdient / Schicksal zu heißen, bloß weil er geschehen: / Der Blödsinn, / Der nimmerzulöschende einst!“ (Chor, S. 9)

Mitten in diese Situation platzt Anna: Herr Knechtling stehe vor der TĂŒr und wolle mit Herrn Biedermann sprechen. Knechtling ist kurz zuvor von Biedermann entlassen worden: Er wollte an einer Erfindung beteiligt werden, die er fĂŒr Biedermann entwickelt hatte. Dieser explodiert förmlich und lĂ€sst den ehemaligen Mitarbeiter, der um die Existenz seiner Familie fĂŒrchtet, hinauswerfen. Damit Biedermanns Frau Babette nichts von dem Hausierer Schmitz mitbekommt, schickt Biedermann ihn heimlich auf den Dachboden, nicht ohne Schmitz zuvor eindringlich zu fragen, ob er denn wirklich kein Brandstifter sei. Dieser quittiert die Frage lediglich mit einem Lachen.

„AufhĂ€ngen sollte man sie! Hab ich’s nicht immer gesagt? Schon wieder eine Brandstiftung.“ (Biedermann, S. 10)

Babette wundert sich ĂŒber das rostige Fahrrad im Hauseingang, und sie vernimmt ein Husten auf dem Dachboden, aber ihr Mann, der schließlich jede Nacht persönlich schaut, dass sich dort keine Brandstifter einnisten, schlummert selig in seinen Kissen. Am nĂ€chsten Morgen, als Babette Schmitz’ Anwesenheit bemerkt, kommt es zum Ehekrach: Sie argwöhnt, dass es sich um einen Brandstifter handle, aber Biedermann will davon nichts wissen. Schließlich habe ihm Schmitz doch in die Hand versprochen, dass er kein Brandstifter sei.

Aus eins mach zwei

WĂ€hrend sich Biedermann zum Anwalt begibt, um Knechtlings Klagen abzuschmettern, macht Schmitz es sich am FrĂŒhstĂŒckstisch bequem. Babette hat den festen Vorsatz gefasst, Schmitz aus dem Haus zu komplimentieren. Der aber hat schon Lunte gerochen und unterstellt ihr genau diese Absicht. Sie kann gar nicht anders, als ihn einzuladen, lĂ€nger zu bleiben. Noch dazu tischt er ihr die rĂŒhrende Geschichte seiner harten Kindheit auf: Er sei in Ă€rmlichen VerhĂ€ltnissen aufgewachsen, immer hungrig, immer frierend, ohne Zugang zu Kultur und Manieren. Plötzlich klopft es an der TĂŒr und Schmitz’ alter Bekannter Willy Eisenring taucht in der Stube auf. Dieser sei frĂŒher Oberkellner im Metropol-Hotel gewesen – bevor es abgebrannt sei, wie Schmitz sĂŒffisant bemerkt.

Benzin

Nachts rollen Schmitz und Eisenring FĂ€sser ĂŒber den Dachboden, die ganz offensichtlich mit Benzin gefĂŒllt sind. Am nĂ€chsten Morgen poltert Biedermann gegen die TĂŒr des Dachbodens und verlangt von Schmitz Rechenschaft ĂŒber das Rumoren in der Nacht. Als er sieht, dass nun sogar noch ein zweiter Fremder unter seinem Dach wohnt, ist er wie vom Donner gerĂŒhrt. Auf der Stelle sollen die beiden sein Haus verlassen. Eisenring ergreift zum Schein fĂŒr Biedermann Partei, indem er Schmitz dafĂŒr rĂŒgt, nicht um Erlaubnis gefragt zu haben. Als Biedermann die FĂ€sser bemerkt, die sich inzwischen auf dem Dachboden gestapelt haben, antworten Schmitz und Eisenring ausweichend. Biedermann liest die Aufschrift „Benzin“, aber er kann gar nicht glauben, dass es sich tatsĂ€chlich um solches handelt. Er verlangt von den beiden, dass sie die FĂ€sser sofort vom Dachboden schaffen.

„Sie sind der erste Mensch in dieser Stadt, der unsereinen nicht einfach wie einen Brandstifter behandelt.“ (Schmitz, S. 16)

In diesem Augenblick erscheint ein Polizist auf der TĂŒrschwelle, der Biedermann in einer traurigen Angelegenheit sprechen will: Knechtling hat in der Nacht Selbstmord begangen. Auf die Frage des GesetzeshĂŒters, was sich denn in den vielen FĂ€ssern befinde, macht sich Biedermann zum Komplizen der beiden Hausierer: Er gibt an, es handle sich um Haarwasser, worauf Schmitz und Eisenring eine ganze Salve von Haarwasser-Werbeslogans auf den verdutzten Polizisten loslassen. Kaum sind Biedermann und der Polizist verschwunden, loben die beiden Hausierer ihren Gastgeber als „Seele von Mensch“ und beginnen in aller Ruhe damit, die FĂ€sser mit ZĂŒndkapseln zu versehen.

Ein großer Scherz

Auf dem Weg zu seinem Rechtsanwalt wird Biedermann vom Chor der FeuerwehrmĂ€nner aufgehalten: Noch sei ja nichts passiert, aber wie könne Herr Biedermann nur diese beiden offensichtlichen Brandstifter unter seinem Dach dulden? Biedermann gibt zu, dass ihm die „Halunken“ missfallen, aber dennoch: In seinem eigenen Haus könne er Unterschlupf gewĂ€hren, wem er wolle. Man mĂŒsse nicht immer nur das Schlimmste annehmen, sondern auch einmal Vertrauen haben.

„Soll er sich unter den Gasherd legen oder einen Anwalt nehmen - bitte! -, wenn Herr Knechtling es sich leisten kann, einen Prozess zu verlieren oder zu gewinnen. Bitte! Bitte!“ (Biedermann, S. 19)

WĂ€hrend Eisenring auf dem Dachboden weiter an den ZĂŒndkapseln herumbastelt, fasst Biedermann einen folgenschweren Entschluss: Er weist seine Frau an, fĂŒr die beiden Hausierer eine Gans zu braten. Babette ist entgeistert, aber Biedermann macht ihr klar, dass sie sich die beiden Kerle zu Freunden machen mĂŒssten – weil sonst vielleicht ihr Haus in die Luft fliege. Auf dem Dachboden trifft er Eisenring alleine an. Schmitz ist unterwegs, um Holzwolle aufzutreiben. Biedermann bietet dem Exkellner Eisenring an, sein Badezimmer zu benutzen, was dieser aber ablehnt: Im GefĂ€ngnis habe er auch kein Badezimmer gehabt. Nachdem Biedermann den Schock ĂŒber diese Offenbarung ĂŒberwunden hat, fragt er direkt, ob in den FĂ€ssern wirklich Benzin sei, denn er betrachtet das nach wie vor als Scherz. Eisenring belehrt Biedermann: Scherz sei die drittbeste Tarnung, die Mitleidsmasche die zweitbeste und die beste Tarnung sei die Wahrheit – denn die nehme einem sowieso niemand ab.

Wie man Freunde gewinnt

Unterdessen trifft im Erdgeschoss die Witwe Knechtling ein und wird vom HausmĂ€dchen Anna vertröstet. Biedermann sieht zu, wie Eisenring seelenruhig die Lunte verlegt, hĂ€lt ihm sogar die ZĂŒndschnur, damit er die richtigen Maße festlegen kann. Eisenring berichtet, dass sie die Zutaten fĂŒr ihre Bomben immer im Zeughaus stehlen wĂŒrden, und deswegen befĂŒrchte er, Schmitz sei festgenommen worden. Das veranlasst Biedermann dazu, ĂŒber Klassenunterschiede zu palavern, die doch heutzutage nicht mehr zeitgemĂ€ĂŸ seien. Eisenring macht ihn darauf aufmerksam, dass es keine gute Idee sei, neben den FĂ€ssern zu rauchen. Wieder hĂ€lt Biedermann eine derart plakative Bemerkung fĂŒr einen großen Witz. Im Hinausgehen lĂ€dt er die beiden GĂ€ste fĂŒr den Abend zum GĂ€nseessen ein, was Eisenring erfreut akzeptiert – denn morgen seien sie nicht mehr da. Kaum ist Biedermann verschwunden, lĂ€sst Eisenring einen dritten Dachbodenbewohner aus einem Versteck, den er „Doktor“ nennt. Ihm gibt er den Auftrag, Schmiere zu stehen, wĂ€hrend er und Schmitz zu Abend essen werden.

Eine Gans fĂŒr die Halunken

Babette, die Gans in den HĂ€nden, hat eine böse Vorahnung, denn ihr Mann sei einfach zu gutmĂŒtig. Auch die Feuerwehrleute erwarten Schlimmes fĂŒr die Nacht und nehmen bereits ihre Positionen an den Pumpen und SchlĂ€uchen ein.

„Sie versprechen es mir aber: Sie sind aber wirklich kein Brandstifter?“ (Biedermann, S. 21)

In der Biedermann’schen Stube beginnen die Vorbereitungen fĂŒr das abendliche Festmahl. Die Witwe Knechtling, die immer noch nicht Gehör gefunden hat, wird von Biedermann einfach hinausgeworfen. Der gedeckte Tisch gefĂ€llt dem Hausherrn ĂŒberhaupt nicht: Er will seine GĂ€ste nicht mit vornehmem Schnickschnack wie MesserbĂ€nkchen, Servietten und Kandelaber vergrellen. Darum wird das HausmĂ€dchen angewiesen, alles vom Tisch zu entfernen, was die Besucher an den Klassenunterschied erinnern könnte. Kein Tischtuch, kein Serviergeschirr, kein Damast – die HaushĂ€lterin soll die Gans einfach in der Pfanne auf den Tisch stellen. Da erscheint ein Bote mit dem Kranz fĂŒr das Grab von Knechtling. Offensichtlich ist etwas schiefgelaufen, denn die Schleife ziert der Spruch „UNSEREM UNVERGESSLICHEN GOTTLIEB BIEDERMANN“, und die Rechnung fĂŒr den Kranz ging an die Witwe. WĂ€hrend Biedermann im Keller die Weine fĂŒr den Abend aussucht, betreten Eisenring und Schmitz die Stube. Schmitz hat leider keine Holzwolle bekommen, weil die Polizei diese komplett eingezogen hat; die Gefahr der Brandstiftung sei einfach zu groß. Auch Streichhölzer fehlen den beiden noch, um ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Das Abendessen

Biedermann – offensichtlich schon zum wiederholten Mal im Weinkeller – rechtfertigt sich dafĂŒr, dass er die Brandstifter verköstigt: Solange sie trinken und lachen wĂŒrden, könnten sie schließlich keine BrĂ€nde legen. In der Stube ist das Essen in vollem Gange und die Luft ist von weinseligem GelĂ€chter erfĂŒllt. Nur Babette ist nicht zum Lachen zumute: Sie kann am jetzt ganz offen gefĂŒhrten GesprĂ€ch ĂŒber BrandsĂ€tze, ZĂŒndschnĂŒre und gut brennende PutzfĂ€den nichts Komisches finden. Ihr Mann hĂ€lt aber immer noch alles fĂŒr einen Riesenspaß und bezichtigt seine Frau der Humorlosigkeit. Das GesprĂ€ch wird auf das Essen gebracht: Eisenring vermisst all die Annehmlichkeiten guter Tischkultur, die Biedermann vorher hat wegrĂ€umen lassen. Wo sind Tischtuch, Fingerschalen und Servietten? Sofort kommandiert Biedermann derlei wieder herbei. Anna versteht die Welt nicht mehr und bricht in TrĂ€nen aus. Eisenring und Schmitz plaudern ĂŒber ihre harte Kindheit, ĂŒber die Zeit im GefĂ€ngnis und bedauern, Silberbesteck nicht gewöhnt zu sein. Babette fragt Eisenring, warum er eigentlich im GefĂ€ngnis gewesen sei. Biedermann hĂ€lt die Frage fĂŒr unpassend, aber Eisenring antwortet ohne Umschweife: Das Restaurant, in dem er gearbeitet habe, sei ĂŒber Nacht abgebrannt, und da hĂ€tten sie ihn, natĂŒrlich eine Verwechslung, als HauptverdĂ€chtigen verhaftet. Im GefĂ€ngnis habe er dann Schmitz’ Bekanntschaft gemacht.

Ein Ende mit Flammen

Anna meldet den Doktor an, der eine ErklĂ€rung abgeben möchte. Er wird nicht vorgelassen. Eisenring erzĂ€hlt, wie Schmitz vom Waisenhaus in den Zirkus und von dort ins Theater gekommen sei – das dann aber leider auch abgebrannt sei. Plötzlich wirft er Schmitz eine Serviette ĂŒber den Kopf, woraufhin dieser in die Rolle eines Gespensts schlĂŒpft. Er nennt Biedermann einen „Jedermann“, und Eisenring fordert Biedermann auf mitzuspielen. Der weiß nun gar nicht, was er sagen soll. Schmitz treibt das makabre Spiel auf die Spitze, als er verkĂŒndet, er sei der Geist von Knechtling. An dieser Stelle bricht Eisenring das Theater ab und rĂŒgt Schmitz fĂŒr eine solche Geschmacklosigkeit. Dann ertönen Feuerwehrsirenen. Schmitz und Eisenring geben jetzt ganz offen zu, dass sie Brandstifter sind. Doch Biedermann glaubt immer noch an einen Scherz. Der Doktor betritt die Stube und verliest eine ErklĂ€rung, die aber im Getöse der Sturmglocken und Sirenen untergeht. Einzig verstĂ€ndlich ist, dass er sich von Schmitz und Eisenring distanziert, weil diese keine Idealisten seien, sondern ihr Werk nur „aus purer Lust“ betrieben. Zu guter Letzt ĂŒberreicht Biedermann Schmitz und Eisenring noch Streichhölzer. FĂŒr ihn gilt als bewiesen, dass die beiden keine Brandstifter sind – denn echte Brandstifter hĂ€tten selbst Streichhölzer.

„Ein alter Mann, dessen Frau behauptet, er habe bei Ihnen gearbeitet - als Erfinder! -, hat sich heute Nacht unter den Gashahn gelegt.“ (Polizist, S. 41)

Dem Chor der Feuerwehrleute bleibt nichts, als die Sinnlosigkeit des Geschehens zu beklagen, wÀhrend das Haus in Flammen aufgeht und mehrere Gasometer der Reihe nach in die Luft fliegen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Max Frisch bezeichnete sein StĂŒck als Parabel, also als Gleichnis, das vom Leser bzw. Zuschauer einen Analogieschluss verlangt. Das auf der BĂŒhne Dargestellte ist lediglich ein Sinnbild fĂŒr etwas anderes, das man sich selbst denken muss. Die einzelnen Szenen folgen, wie fĂŒr moderne TheaterstĂŒcke typisch, sehr locker aufeinander. Der Aufbau orientiert sich nicht mehr an den klassischen Dramenkonventionen. Ein besonderer Kunstgriff Frischs ist die EinfĂŒgung des Chores der Feuerwehrleute. Dieser kommentiert wie im antiken griechischen Drama das Geschehen laufend, und das auch noch im antiken Versmaß („Der die Verwandlungen scheut / Mehr als das Unheil, / Was kann er tun / Wider das Unheil?“). Ähnlich wie die Zuschauer kann der Chor die Ereignisse besser ĂŒberschauen als die handelnden Personen. Vor allem die Sprache ist es, die die Unaufrichtigkeit der Biedermanns enthĂŒllt: In zahlreichen Beteuerungen und Wiederholungen widersprechen sie auch dann noch den Brandstiftern, als diese dem Ehepaar lĂ€ngst unverhohlen die Wahrheit ins Gesicht sagen. Verstellung, Verschleierung, Anbiederung und Hilflosigkeit werden so zur sprachlichen Falle, in die Biedermann immer wieder tappt.

InterpretationsansÀtze

  • Die gĂ€ngigste Interpretation des StĂŒckes ist, es als Gleichnis der Machterschleichung zu deuten: Unter Mitwirkung des braven BĂŒrgers kommen Verbrecher an die Macht und stĂŒrzen diejenigen ins Verderben, die ihnen nicht mutig entgegengetreten sind. Das StĂŒck wurde insbesondere als Parabel auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten verstanden.
  • Ein wichtiges Thema des StĂŒcks ist der Opportunismus, der sich – vor allem bei Biedermann – hinter zur Schau getragener GutglĂ€ubigkeit und heuchlerischer Menschlichkeit verbirgt.
  • Nomen est omen: Frisch verwendet fĂŒr seine Figuren sprechende Namen, die sie als Typen und FunktionstrĂ€ger – nicht als Charaktere – definieren. Schmitz ist ein verschmitzter LĂŒgner, Eisenring ein alter Knastbruder, der Erfinder Knechtling wird wie ein Knecht von Biedermann respektlos behandelt. Die Hauptperson selbst macht ihrem Namen alle Ehre: Herr Biedermann ist kleinbĂŒrgerlich, spießig, um seinen Vorteil bemĂŒht und biedert sich sogar bei den Brandstiftern an.//
  • Frisch nannte sein StĂŒck ein „LehrstĂŒck ohne Lehre“. Anders als sein Vorbild Bertolt Brecht, in dessen LehrstĂŒcken Darsteller und Zuschauer politisches Verhalten einĂŒben sollten, drĂŒckte Frisch mit dem pessimistischen Untertitel seine tiefen Zweifel an der Lehrwirkung des Theaters aus. Zwar werden gesellschaftliche MissstĂ€nde angeprangert, ein Ausweg aber wird nicht prĂ€sentiert.
  • Schmitz’ Mummenschanz wĂ€hrend des GĂ€nseessens, bei dem er den Gastgeber als „Jedermann – Biedermann“ bezeichnet, bezieht sich auf Hugo von Hofmannsthals StĂŒck Jedermann// (1911). Darin wird der reiche Jedermann in seinen besten Jahren von Gott „heimberufen“ und stellt fest, dass ihm sein Reichtum nichts nĂŒtzt und ihn die Freunde in seiner Not verlassen. Doch kraft seiner Umkehr und Reue und der göttlichen Gnade wird er, anders als Biedermann, am Schluss noch gerettet.

Historischer Hintergrund

Biedermeierei im Wechsel der Jahrzehnte

Gottlieb Biedermeier war eine Spottfigur der Satirezeitschrift Fliegende BlĂ€tter, die ab Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts erschien. Die Figur wurde zum Namenspatron nicht nur fĂŒr Frischs Biedermann, sondern fĂŒr eine ganze Kunst- und Literaturepoche: Als Biedermeierzeit wird die Zeit zwischen 1815 und 1848 bezeichnet, in der sich der „brave BĂŒrger“ (so die wörtliche Bedeutung von „Biedermeier“) in sein hĂ€usliches, bĂŒrgerliches Umfeld zurĂŒckzog und Politik Politik sein ließ. Frisch entlehnte den Namen seiner Titelfigur zwar aus dem 19. Jahrhundert, das StĂŒck selbst beschĂ€ftigt sich aber mit Problemen des 20. Jahrhunderts. Insbesondere in Deutschland wurde die Machterschleichung Adolf Hitlers im Jahr 1933 als historischer AnknĂŒpfungspunkt des Dramas gesehen. Auch Hitler kĂŒndigte seine PlĂ€ne an: in seinem Manifest Mein Kampf, erschienen Mitte der 20er Jahre. Er opponierte offen gegen die Weimarer Republik und wurde vor allem von Industriellen und Vertretern des BĂŒrgertums unterstĂŒtzt. Ähnlich wie der Haarwasserfabrikant Biedermann holten sie sich mit Hitler den Brandstifter des Weltbrandes, des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts, selbst ins Haus.

Aber auch nach dem Krieg war es mit der Biedermeierei nicht vorbei: In Deutschland wollten große Teile der Bevölkerung nicht wahrhaben, was wĂ€hrend der NS-Zeit gewissermaßen vor ihren Augen geschehen war. Mit dem Wirtschaftswunder ging es fĂŒr die Deutschen ab 1948 wieder aufwĂ€rts, und spĂ€testens mit Beginn der 50er Jahre blickte man lieber nach vorn als zurĂŒck. In der Schweiz wurde erst 50 Jahre nach Kriegsende öffentlich zugegeben, dass das kleine Land ebenfalls Schuld auf sich geladen hatte, indem es FlĂŒchtlinge an der Grenze abgewiesen hatte. Der Skandal um die nachrichtenlosen Vermögen von Holocaustopfern und das Raubgold der Nazis erschĂŒtterte die Schweiz in den 90er Jahren. Max Frisch ging mit seinen Landsleuten stets hart ins Gericht, vermutete er doch gerade bei ihnen die Engstirnigkeit, die den rechten Biedermeier ausmacht. 1965 formulierte er provokativ seinen Protest darĂŒber, wie technokratisch die Schweizer mit ihren Fremdarbeitern umgingen: „Ein kleines Herrenvolk sieht sich in Gefahr: Man hat ArbeitskrĂ€fte gerufen, und es kommen Menschen.“

Entstehung

Wie viele TheaterstĂŒcke von Max Frisch geht auch Biedermann und die Brandstifter auf eine lĂ€ngere Entstehungsgeschichte und mehrere Vorformen zurĂŒck. Schon 1948 notierte Frisch in seinen TagebĂŒchern eine kurze Prosaskizze mit dem Titel Burleske (das Wort bezeichnet ein kurzes, satirisches Lustspiel mit meist derber Komik). Hier war bereits der grobe Handlungsablauf niedergeschrieben. Als in den 50er Jahren in Deutschland das Hörspiel einen wahren Boom erlebte und Frisch gebeten wurde, auch eines zu schreiben, beschloss er mangels neuer Ideen, die Burleske zu einem Hörspiel mit dem Namen Biedermann und die Brandstifter umzuarbeiten. 1953 wurde es erstmals gesendet. In dieser Version gab es noch keinen Chor, dafĂŒr trat der Verfasser selbst auf, um die Ereignisse zu kommentieren. Nach der Veröffentlichung seines zweiten Romans Homo faber (1957) formte Frisch das Hörspiel als „FingerĂŒbung“ zu einem BĂŒhnenstĂŒck um, das am 29. MĂ€rz 1958 in ZĂŒrich uraufgefĂŒhrt wurde. FĂŒr die deutsche UrauffĂŒhrung in Frankfurt am Main am 28. September 1958 ergĂ€nzte er das StĂŒck um ein Nachspiel in der Hölle, bei dem sich die Brandstifter als Teufel entpuppen. Allerdings traf dieser Epilog auf wenig Gegenliebe: Selbst Frischs Verleger bemĂ€ngelte, dass er doch ein missratenes „SchwĂ€nzchen am runden, geglĂŒckten Biedermann“ sei. Konsequenterweise wurde der Epilog kaum gespielt und in den Textausgaben nicht abgedruckt.

Wirkungsgeschichte

Das Besondere an Frischs BĂŒhnenwerk ist, dass es eine klar umrissene Geschichte erzĂ€hlt, aber im Grunde genommen sehr deutungsoffen ist. Entsprechend unterschiedlich waren die Reaktionen des Publikums auf die ErstauffĂŒhrung im Jahr 1958. Das Schweizer Publikum fĂŒhlte sich von Frisch vor einer drohenden kommunistischen Invasion gewarnt, deutete das StĂŒck also eher zukunftsorientiert. Ein Blick in Frischs TagebĂŒcher von 1946 bis 1949 belegt, dass die Schweizer damit gar nicht so falsch lagen, versah der Autor seine Burleske doch mit Bemerkungen zur politischen Situation in der Tschechoslowakei von 1948: Er sah seine Hoffnung auf die Verquickung von Sozialismus und Demokratie durch die gewaltsame kommunistische MachtĂŒbernahme enttĂ€uscht. Das deutsche Publikum hingegen interpretierte das StĂŒck eher im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit und betrachtete es als Gleichnis fĂŒr die MachtĂŒbernahme Hitlers. Auch diese Lesart ist gerechtfertigt, wollte der Autor doch vor allem vor der Wiederholbarkeit der im StĂŒck gezeigten Konstellation warnen. Frisch selbst sagte einmal, worum es gehe: „um die Darstellung eines durchschnittlichen BĂŒrgers, der ein etwas schlechtes Gewissen hat ... und der ein gutes haben möchte, ohne irgendetwas zu verĂ€ndern.“ Der Titel des StĂŒcks wurde zum geflĂŒgelten Wort und fand besonders im Zusammenhang mit den rechtsradikalen Ausschreitungen in der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung Verwendung, um diejenigen zu rĂŒgen, die ohne Zivilcourage wegsahen, wenn Asylantenwohnheime angezĂŒndet wurden. Frisch selbst prĂ€gte die Bezeichnung vom „BĂŒndnis des Lammes mit dem Wolf“: wegsehen, solange es einen selbst nicht betrifft, und danach verleugnen, dass man den Weltbrand mitverantworten muss.

Über den Autor

Max Frisch wird am 15. Mai 1911 als Sohn eines Architekten in ZĂŒrich geboren. Nach dem Gymnasium beginnt er ein Germanistikstudium, bricht es 1934 ab, arbeitet als freier Journalist, u. a. als Sportreporter in Prag, und verfasst Reiseberichte. Er ist vier Jahre mit einer jĂŒdischen Kommilitonin liiert, die er heiraten will, um sie vor Verfolgung zu schĂŒtzen, sie lehnt jedoch ab. Ab 1936 studiert er in ZĂŒrich Architektur, 1940 macht er sein Diplom. Ein Jahr spĂ€ter grĂŒndet er ein ArchitekturbĂŒro und arbeitet gleichzeitig als Schriftsteller. Er heiratet 1942 seine ehemalige Studienkollegin Gertrud (Trudy) Constance von Meyenburg, mit der er drei Kinder hat. 1951 hĂ€lt sich Frisch fĂŒr ein Jahr in den USA und in Mexiko auf. 1954 erscheint sein erster Roman: Stiller. Das Buch ist so erfolgreich, dass Frisch sich nun ganz der Schriftstellerei widmen kann. 1955 löst er sein ArchitekturbĂŒro auf und bereist die USA, Mexiko, Kuba und Arabien. 1958 erhĂ€lt er den Georg-BĂŒchner-Preis und den Literaturpreis der Stadt ZĂŒrich, ein Jahr spĂ€ter wird seine erste Ehe geschieden. 1960 zieht Frisch nach Rom, wo er fĂŒnf Jahre lang mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zusammenlebt – und die 23-jĂ€hrige Studentin Marianne Oellers kennen lernt. 1961 wird das TheaterstĂŒck Andorra uraufgefĂŒhrt, ein Gleichnis ĂŒber die fatale Wirkung von Vorurteilen. 1964 erscheint der Roman Mein Name sei Gantenbein. Im Folgejahr ĂŒbersiedelt Frisch zurĂŒck ins Tessin in die Schweiz. 1966 und 1968 unternimmt er grĂ¶ĂŸere Reisen in die UdSSR, 1970 folgt wieder ein lĂ€ngerer USA-Aufenthalt. Inzwischen hat er Marianne Oellers, mit der er jahrelang zusammengelebt hat, geheiratet. 1975 veröffentlicht Frisch die autobiografisch gefĂ€rbte ErzĂ€hlung Montauk. Schweizkritische Schriften wie Wilhelm Tell fĂŒr die Schule (1971) fĂŒhren in seiner Heimat zu Widerspruch, in Deutschland findet er mehr Anerkennung. 1976 erhĂ€lt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Max Frisch stirbt am 4. April 1991 in ZĂŒrich an Krebs.

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    F. B. vor 4 Jahren
    Very gut. Nice Buch. It’s really good lesbar. My Deutsch ist nicht very Gut. I cum von England. England is very schön.

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