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Nana

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Nana

Insel Verlag,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Eine Dirne, die hoch hinaus will, aber alle in den Abgrund reißt: Zolas deftiger Unterhaltungsroman ist auch ein akkurates Gesellschaftsporträt.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Naturalismus

Worum es geht

Die Lust am Naturalismus

Selten hatte trockene Kunsttheorie derart unterhaltsame Folgen. Als führender Vertreter des literarischen Naturalismus forderte Émile Zola den mit wissenschaftlicher Strenge geschriebenen Roman: Die Figuren sollten als Verkörperungen ihrer Erbanlagen erscheinen und das soziale Milieu mit analytischer Genauigkeit dargestellt werden. Zum Glück besaß Zola selbst zu viel schriftstellerisches Temperament, um sich in ein derart starres Konzept zu zwängen. Seine Nana ist ein außerordentlich lebendiges und fesselndes Buch. Mit der Geschichte einer einfachen Straßendirne, die als Schauspielerin am Varieté landet und mit ihrer Freizügigkeit die ganze Pariser Oberschicht um den Verstand bringt, kommentiert der Autor die Dekadenz im Frankreich des Zweiten Kaiserreichs. Nana lässt sich aushalten und verschlingt genau jene Gelder, die skrupellose Bankiers und Politiker der ärmeren Bevölkerung abzwingen. Die verschiedenen sozialen Schichten werden in opulenter Ausführlichkeit und anhand eindrucksvoller Massenszenen beschrieben. Ein packendes Gesellschaftsporträt, ebenso erhellend wie erschreckend.

Take-aways

  • Émile Zolas Nana ist einer der erfolgreichsten Romane des Naturalismus.
  • Das Buch zählt zu dem 20-bändigen Zyklus Die Rougon-Macquart, in dem Zola die Geschichte einer französischen Familie mit wissenschaftlicher Sorgfalt darstellt.
  • Inhalt: Nana kann weder singen, noch hat sie Talent zur Schauspielerin, und trotzdem ist sie der Star am Pariser Theater: Kein Mann kann ihrer erotischen Ausstrahlung widerstehen. Sie lässt sich aushalten, verfällt der Verschwendungssucht, treibt etliche Politiker und Adlige in den Ruin – doch der erhoffte gesellschaftliche Aufstieg bleibt aus. Völlig vereinsamt, stirbt sie einen qualvollen Tod.
  • Historisch und soziologisch präzise schildert Zola detailliert die Dekadenz der französischen Oberschicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
  • Seinen Romanzyklus bezeichnete er selbst als „Natur- und Gesellschaftsgeschichte“.
  • Trotz der wissenschaftlichen Ambitionen ist der Roman überaus lebendig und packend geschrieben.
  • Nanas Verderben steht symbolhaft für den Untergang des Zweiten Kaiserreichs unter Napoleon III.
  • Stilistische Besonderheiten sind die unverblümt derbe Sprache und die Massenszenen, in denen oft mehr als zehn Hauptfiguren gleichzeitig auftreten.
  • Wegen des freizügigen Inhalts war Nana bei der Buchveröffentlichung 1880 ein Skandal – und gleich am ersten Verkaufstag vergriffen.
  • Zitat: „Sie wurde zu einer Naturkraft, einem Bazillus der Vernichtung, ohne es selbst zu wollen, indem sie ganz Paris zwischen ihren weißen Schenkeln zerrüttete und verderben ließ (...)“

Zusammenfassung

Die Männerwelt steht Kopf

Der Journalist Fauchery besucht eine Premierenfeier im Pariser Théâtre des Variétés. Begleitet wird er von seinem jungen Vetter Hector de la Faloise. Der Andrang ist groß, eine neue Schauspielerin soll dem Publikum vorgestellt werden, ihr Name ist seit Tagen in aller Munde: Nana. Wie sich herausstellt, kann sie weder singen, noch bewegt sie sich sonderlich graziös auf der Bühne. Trotzdem ist das Pariser Publikum gebannt. Nanas Lebenslust wirkt ansteckend, und ihre körperlichen Vorzüge tun ein Übriges: Im dritten Akt tritt sie fast nackt, nur mit einem durchsichtigen Schleier bekleidet auf die Bühne. Nana bewohnt eine Etage am Boulevard Haussmann. Sie lässt sich von verschiedenen Männern aushalten und hat nebenher eine Affäre mit dem jungen Daguenet. Als einfache Straßenhure hat sie im Alter von 16 Jahren ihren Sohn Louis bekommen, der bei ihrer Tante Lerat wohnt und für dessen Unterhalt sie aufkommen muss. Seit drei Monaten ist zudem die Miete fällig, weshalb sie auf der Stelle 300 Francs besorgen muss. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als sich am Nachmittag mit einem Freier zu treffen. Das Geld behält sie jedoch nicht, sondern spendet es später für wohltätige Zwecke, indem sie es dem Grafen Muffat de Beuville und dessen Schwiegervater, dem Marquis de Chouard, gibt. Am Abend füllt sich Nanas Wohnung mit ihren männlichen Verehrern. Nana ist jedoch bald genervt, setzt alle vor die Tür und verspricht lediglich dem 17-jährigen Georges Hugon, dass er sie wiedersehen darf. Sie ist müde und träumt davon, einmal eine Nacht allein durchschlafen zu können.

Sehnsucht nach feiner Gesellschaft

Fauchery und Hector sind zu einer Gesellschaft beim Grafen Muffat und dessen Frau Sabine geladen. Muffat ist ein frommer, etwas prüder Mann, der als Kammerherr im Palast des Kaisers dient. Die Gräfin Sabine wirkt verschlossen und traurig. Die Gesellschaft langweilt sich an diesem Abend; alle sind in Gedanken bei Nana, die am kommenden Tag ein großes Souper veranstaltet. Fauchery versucht in ihrem Auftrag auch den Grafen Muffat einzuladen. Dieser findet jedoch, dass ein Mann in seiner Position am Tisch einer solchen Frau nichts zu suchen habe. Zusammen mit dem Grafen Xavier de Vandeuvres bestaunt Fauchery die Schönheit der Gräfin Sabine. Beide Männer würden gern mit ihr schlafen, gehen aber davon aus, dass die Gräfin für derlei Dinge zu anständig ist.

„Ein Schauer durchrieselte den Saal. Nana war nackt, nackt mit einer gelassenen Frechheit, der Allgewalt ihres Fleisches sicher. Nichts als ein Gazeschleier umhüllte sie; ihre vollen Schultern, ihr Amazonenbusen, dessen rosige Spitzen aufgerichtet und steif wie Lanzen standen, ihre breiten Hüften, die sich wollüstig hin und her wiegten, ihre strammen blonden Schenkel, kurz ihr ganzer Leib zeichnete sich ab und schimmerte durch das dünne Gewebe wie weißer Schaum.“ (S. 36)

Nana kann am nächsten Tag die vielen Gäste kaum in ihrer Wohnung unterbringen. Am Tisch sitzt eine wilde Mischung aus Theaterleuten, Huren und vergnügungssüchtigen Bürgern. Trotzdem kommt zunächst keine Stimmung auf. Nanas Schauspielkollegin Rose Mignon ist neidisch wegen eines Artikels, den Fauchery über die erfolgreiche Premiere im Varieté geschrieben hat. Der Bankier Steiner will sich Nanas Liebesdienste kaufen und flüstert ihr hohe Angebote ins Ohr. Dann kommt die Gesellschaft doch noch in Schwung, die Gäste sind betrunken und werden laut, was Nana persönlich nimmt: Im Haus einer wirklich feinen Dame würde sich niemand so benehmen. Auch ist sie enttäuscht darüber, dass der Graf Muffat nicht erschienen ist. Als die Gäste aufbrechen, nimmt sie mit dem Bankier vorlieb und lässt sich in den Bois de Boulogne führen, um dort Milch zum Frühstück zu trinken.

Romantische Liebe oder Karriere?

Graf Muffat besucht das Théâtre des Variétés. Er ist in Begleitung des Prinzen von Frankreich, der der Hauptdarstellerin zum Erfolg gratulieren möchte. Als die Männer die Garderobe betreten, ist Nana nackt. Dem Grafen wird schwindlig. Er will den unchristlichen Verlockungen Nanas unbedingt widerstehen, fühlt sich aber zugleich angezogen. Er berührt ihr Haar, sieht ihr beim Schminken zu. Als sie später von der Bühne kommt, kann er nicht mehr an sich halten und drückt ihr einen Kuss auf. Nana lädt ihn auf ihr Landgut La Mignotte ein, das sie vom Bankier Steiner geschenkt bekommen hat.

„Nanas Geschlecht schlug die Männer mit Wahnsinn und riss unbekannte Abgründe der Gier vor ihnen auf. Sie lächelte immerzu, jetzt aber mit dem geilen Lächeln des männerfressenden Weibes.“ (S. 37)

In der Nachbarschaft von La Mignotte befindet sich der Landsitz von Frau Hugon, der Mutter von Nanas 17-jährigem Verehrer Georges. An den Abenden täuscht der Junge eine Migräne vor, um sich aus dem Haus zu stehlen und zu Nana zu laufen. Gemeinsam verbringen die beiden romantische Mondscheinnächte und sind kindlich verliebt. Graf Muffat muss derweil warten. Nana wimmelt ihn jeden Abend unter einem anderen Vorwand ab. Das Techtelmechtel mit Georges findet ein jähes Ende, als die beiden eine Kutschfahrt unternehmen, auf der Georges von seiner Mutter auf dem Sitz neben Nana gesehen wird. Frau Hugon sperrt ihren Sohn nun ein. Nana sieht noch am selben Nachmittag die adlige Madame d’Anglars auf ihrem Schloss und beschließt, selbst eine große Dame der Gesellschaft zu werden. Als erste Maßnahme schläft sie ohne jedes Vergnügen mit Muffat.

Auf den Strich geprügelt

In Paris ist Muffat zu Nanas Hauptliebhaber aufgestiegen. Er weiß, dass sie ihn belügt und betrügt, trotzdem kann er nicht von ihr lassen. Manchmal steht sie nackt und selbstverliebt vor dem Spiegel, während er ihr zuschaut und sich zugleich für seine Lüsternheit verachtet. Nana erfährt, dass Muffats Frau Sabine ein Verhältnis mit dem Journalisten Fauchery begonnen hat. Sie macht entsprechende Andeutungen, woraufhin Muffat außer sich gerät. Obwohl selbst nicht besser, schockiert ihn die Vorstellung vom Ehebruch seiner Frau. Er läuft zum Haus des Journalisten, sieht zwei Silhouetten im Schlafzimmer und irrt dann lange durch das nächtliche Paris. Er sucht Zuflucht in einer Kirche, fühlt sich jedoch von Gott verlassen. Am frühen Morgen kehrt er zu Nanas Wohnung zurück und trifft dort auf den Bankier Steiner, der die Dirne mit einem Scheck für sich gewinnen will. Sie reagiert zornig und setzt beide vor die Tür. Sie will nicht länger käuflich sein und ihr Leben nach den Männern ausrichten müssen. In ihrem Bett liegt der mittellose Schauspieler Fontan.

„Als Muffat sah, dass Nana jetzt allein war, konnte er dem Drang von Wut und Gier nicht widerstehen und lief hinter ihr her; und in dem Moment, als sie in ihre Garderobe treten wollte, drückte er ihr einen kräftigen Kuss in den Nacken (...)“ (S. 169)

Nana zieht mit Fontan zusammen und lebt in deutlich bescheideneren Verhältnissen. Ihr Engagement am Theater läuft aus. Zunächst sind die beiden verliebt, doch dann offenbart Fontan seinen wirklichen Charakter: Er prügelt Nana täglich und lässt sich von ihr aushalten. Sie muss wieder auf den Strich gehen. Mit der befreundeten Hure Satin quält sie sich durch die schmierigsten Winkel der Großstadt. Sie erträgt das Martyrium mehrere Monate, weil sie Fontan immer noch liebt. Erst als sie eines Nachts fast von der Sittenpolizei verhaftet wird und er sich derweil mit anderen Frauen vergnügt, verlässt sie ihn und sucht Unterschlupf bei Tante Lerat.

Endlich am Ziel

Fauchery hat ein Theaterstück geschrieben, in dem Nana wieder einmal die Rolle der Kokotte übernehmen soll. Rose Mignon dagegen darf als feine Herzogin auf der Bühne stehen. Da ihre Konkurrentin zudem eine Affäre mit dem Grafen Muffat begonnen hat, muss Nana handeln. Sie trifft sich mit Muffat in der Theatergarderobe und verspricht ihm, sie werde ganz ihm gehören, wenn er ihr ein Haus und ein Bankkonto einrichte und ihr zudem die Rolle der Herzogin verschaffe. Muffat zahlt 10 000 Francs, damit Rose das Ensemble verlässt. Alles läuft nach Nanas Wünschen, die Uraufführung jedoch wird zum Debakel. Nana wirkt bemüht in der Rolle der Herzogin und wird vom Publikum ausgelacht. Sie nimmt sich vor, es ganz Paris zu beweisen: Mit Muffats Unterstützung will sie eine Grande Dame werden. Tatsächlich lebt sie von jetzt an im Luxus. Sie wird bewundert, die Damen der Gesellschaft ahmen sogar ihren Stil nach. Das Haus, das Muffat ihr gekauft hat, ist ein Palast. Treu ist sie ihm deswegen allerdings nicht: Sie hat ein Verhältnis mit dem Grafen Vandeuvres, schmust wieder mit dem kleinen Georges und beginnt eine Liebschaft mit dessen großem Bruder Philippe, der eigentlich gekommen ist, um für Ordnung zu sorgen. Nanas ehemaliger Liebhaber Daguenet möchte Muffats Tochter Estelle heiraten, weshalb sie sich beim Grafen für ihren alten Freund einsetzt. Im Gegenzug soll Daguenet am Hochzeitstag zuerst mit ihr und erst dann mit der Braut schlafen.

Gefangen im Luxus

In all ihrem Luxus langweilt sich Nana fast zu Tode. Sie beginnt eine lesbische Affäre mit ihrer alten Freundin Satin, die neben Nana allerdings noch eine zweite Geliebte hat. Die Rivalin wird eifersüchtig und schreibt einen Brief an den Grafen Muffat, in dem sie Nanas zahlreiche Affären aufdeckt. Es kommt zum Streit. Nana leugnet dem Grafen gegenüber ihre Männergeschichten, gibt ihre Affäre mit Satin jedoch dreist zu. Sie verstößt sogar gegen die Regel, dass Muffat jede Nacht bei ihr verbringen darf: Weil Satin es von ihr verlangt, schickt sie ihn ausgerechnet an dem Abend nach Hause, an dem er ihr einen Saphirschmuck schenkt; für diesen hat er seinen ersten Kredit aufnehmen müssen.

„Sie wurde zu einer Naturkraft, einem Bazillus der Vernichtung, ohne es selbst zu wollen, indem sie ganz Paris zwischen ihren weißen Schenkeln zerrüttete und verderben ließ wie Milch, die in Frauenhand allmonatlich sauer wird.“ (über Nana, S. 226)

Nana besucht ein Pferderennen, den Großen Preis von Paris. Ihr Liebhaber Vandeuvres besitzt einen Reitstall, von dem gleich zwei Pferde an dem Rennen teilnehmen. Ein Pferd namens Lusignan ist der haushohe Favorit; ein zweites, das Nanas Namen trägt, ist eher unbekannt. Hector de la Faloise ist ebenfalls zugegen. Er hat eine große Erbschaft gemacht und setzt gut gelaunt auf „Nana“. Er findet Nachahmer, „Nanas“ Quote steigt auf geheimnisvolle Weise immer weiter. Und das Pferd gewinnt tatsächlich. Das Volk jubelt begeistert Nanas Namen, sie ist die Königin der Rennbahn. Vandeuvres allerdings wird des Betrugs überführt. Er hat die Quoten für seine Pferde manipuliert und verliert deshalb seinen gesamten Einsatz. Bankrott und verzweifelt verbrennt er sich mitsamt seinen Pferden im Stall. Nana, deren maßlose Unterhaltsforderungen den Mann ins Verderben gestürzt haben, findet, dass das ein außerordentlich stilvolles Ende ist.

Der tiefe Fall des Grafen Muffat

Nana wird schwanger. Sie erleidet eine Fehlgeburt und kommt dabei fast ums Leben. Muffat besucht sie am nächsten Morgen, und obwohl unzählige Liebhaber infrage kommen, tut sie so, als hätte allein er der Vater sein können. Er ist einerseits gerührt, andererseits verwirrt, da er selbst eine schwere Nacht hinter sich hat: Er hat einen Brief seiner Frau Sabine an Fauchery gelesen. Nun besteht kein Zweifel mehr: Muffat wird betrogen und will sich darum scheiden lassen. Nana weist ihn jedoch darauf hin, dass er selbst nicht der treueste Ehemann ist und dass ihn die Scheidung finanziell und gesellschaftlich ruinieren könnte. Trotz alledem findet die Hochzeit zwischen Estelle und Daguenet tatsächlich statt. Da die Gräfin Sabine inzwischen eifersüchtig auf Nanas Luxus ist, hat auch sie ihr Haus in einen Palast verwandeln lassen und ein maßloses Fest organisiert. Die Gesellschaft tuschelt. Der bevorstehende Bankrott des Grafen ist absehbar. Auch Fauchery ist anwesend, und Muffat, der als gehörnter Ehemann sein letztes bisschen Würde verloren hat, reicht ihm die Hand. Bevor Daguenet am nächsten Morgen zur Trauung geht, dankt er Nana wie abgemacht für die Vermittlung. Die beiden gehen vergnügt miteinander ins Bett.

Alles verschlingende Gier

Nanas Gier nimmt zerstörerische Formen an. Sie schläft mit unzähligen Männern, lässt sich dabei sogar vom Grafen erwischen und gibt offen zu, dass sie nur wegen des Geldes mit ihm zusammen ist. Sie lässt ihn als Hund auf allen Vieren durchs Zimmer kriechen und schlägt ihn mit sadistischer Lust. Der gebrochene Mann genießt die Erniedrigung. Ihre anderen Liebhaber treibt Nana der Reihe nach in den Ruin. Georges versucht sich umzubringen, allerdings mit einer kleinen Kosmetikschere, mit der er sich nur verletzt. Philippe wird verhaftet, als er Geld aus der Regimentskasse stiehlt, um Nana zu bezahlen. Der Bankier Steiner lässt sich von ihr ausbeuten, Hector de la Faloise verprasst für sie seine Erbschaft. Nana ist die Hure von ganz Paris, sie verschlingt das Geld der gesamten Stadt und befindet sich im Kauf- und Zerstörungsrausch. In ihrem Wahn lässt sie sich ein Bett aus purem Gold bauen. Das Ende kommt, als Muffat sie mit seinem greisen Schwiegervater Chouard erwischt. Die Kräfte des Grafen sind aufgebraucht, er fällt auf die Knie und betet zu Gott. Schließlich verlässt er Nana und findet zu seinem strengen Glauben zurück. Finanziell ist er vollkommen am Ende, als Kammerherr wird er entlassen, seine Ehe ist gescheitert.

„Und wenn du einverstanden wärst, nur mir zu gehören, oh, ich würde dich zur schönsten, zur reichsten Frau machen, alles solltest du haben, Wagen, Diamanten, Toiletten ...“ (Muffat zu Nana, S. 306)

Aber auch mit Nana geht es bergab. Ihre Freundin Satin stirbt. Georges begeht noch einen zweiten, diesmal erfolgreichen Selbstmordversuch oder stirbt an den Folgen des ersten, man weiß es nicht. Nana ist wütend und gibt sich keine Schuld: Die Männer sind schließlich stets freiwillig zu ihr gekommen. Sie verkauft ihren Palast und reist nach Russland. Als sie nach mehreren Monaten zurückkommt, steckt sie sich bei ihrem Sohn Louis mit den Pocken an. Von ihrer ehemaligen Widersacherin Rose Mignon wird sie in ein feines Hotel gebracht und gepflegt. Nur die Frauen trauen sich zu ihr ins Zimmer, all die Männer ihres Lebens haben Angst, sich anzustecken, und lassen sie allein. Während Nana einen qualvollen Tod stirbt, versammelt sich unter dem Hotelfenster das kriegsbegeisterte Volk: Frankreich ist nach Provokationen Bismarcks gewillt, gegen Deutschland zu kämpfen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Nana gehört zu einem 20-teiligen Romanzyklus, den Zola selbst als „Natur- und Gesellschaftsgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich“ bezeichnete. Seinem Konzept des literarischen Naturalismus folgend, wollte er die sozialen Zusammenhänge der Zeit möglichst realistisch dokumentieren. Entsprechend detailversessen sind die beschreibenden Passagen des Romans: Ob die Möbel in den Salons der feinen Gesellschaft oder der Dreck in den Gossen von Paris, ob Nanas Kleider und Frisuren oder der Geruch ihrer Garderobe im Theater – alles wird mit größter Sorgfalt geschildert. Trotzdem wirkt der Roman nicht langatmig. Der Erzählstil ist sinnlich und den auftretenden Charakteren angepasst, d. h. mal derb, mal feinfühlig und ästhetisch. Der Roman besteht aus 14 umfangreichen Kapiteln, die sich oftmals durch ihre brillant choreografierten Massenszenen auszeichnen. Allein in den ersten zwei Kapiteln werden nahezu 30 Figuren namentlich eingeführt, ohne dass der Leser Mühe hätte, dem Geschehen zu folgen. Zola hat den dramatischen Aufbau seiner Geschichte jederzeit fest im Griff. Trotz der strengen Naturalismustheorie des Autors ist Nana ein Unterhaltungsroman, der kunstvoll auf Spannung setzt.

Interpretationsansätze

  • Zola dokumentiert die krassen Gegensätze der französischen Gesellschaft und gibt seinem Roman damit einen deutlich sozialkritischen Ton. Der verschwenderische Reichtum des Adels wird ebenso beschrieben wie die lebensbedrohliche Armut der Unterschicht. Darüber hinaus weist der Autor auf die Zusammenhänge dieser Verhältnisse hin: Das Geld, das die vermögenden Bankiers und Politiker gedankenlos verprassen, muss von den Arbeitern in den Fabriken mühsam erwirtschaftet werden.
  • Der Roman entlarvt die Bigotterie sowohl einzelner Charaktere wie auch der Gesellschaft als Ganzes. Die Vorbildfunktion der Oberschicht entpuppt sich ebenso wie Nanas Klassenbewusstsein als pure Heuchelei. Der Unterschicht entstammend, gesteht Nana sich von jeher alle Laster und Freiheiten zu. Gleichzeitig träumt sie davon, eine Dame der feinen Gesellschaft zu werden, die sich dann moralisch vorbildlich verhalten würde. Je weiter ihr Aufstieg aber voranschreitet, desto rücksichtsloser wird sie.
  • Nanas Verderben spiegelt den Untergang des Zweiten Kaiserreichs unter Napoleon III. Im Moment ihres Todes bricht der Krieg gegen Deutschland aus, der für Frankreich das Ende einer Epoche bedeuten wird. Nanas unersättliche Gier hat sich zuvor durch ihre zahlenden Liebhaber ungebremst über das ganze Land ausgebreitet. Ursache für den allgemeinen Zusammenbruch ist also das Fehlen jeglicher moralischer Bedenken und zwischenmenschlicher Rücksichtnahme.
  • Die Figur des Grafen Muffat ist typisch für den von Zola vertretenen literarischen Naturalismus. Menschen werden für Zola lediglich von „ihren Nerven und von ihrem Blut beherrscht“. Einen freien Willen haben sie nicht. Deshalb kann sich der Graf nicht von Nana lösen, obwohl er weiß, dass die Affäre mit seinem religiösen Weltbild unvereinbar ist und ihn ins Verderben stürzen wird.
  • Muffats Verhalten lässt sich psychologisch erklären: Er hat sich ein Leben lang den Regeln der Kirche unterworfen und seinen eigenen Bedürfnissen entsagt. Dieser Hang zur Unterwürfigkeit überträgt sich auf seine Beziehung zu Nana. Auch wenn sie ihn behandelt wie eine grausame Göttin, betet er sie weiterhin an.

Historischer Hintergrund

Aufstieg und Fall des Zweiten Kaiserreichs

Nachdem Napoleon III. im Dezember 1851 mit einem Staatsstreich an die Macht gekommen war, änderte er die französische Verfassung dahin gehend, dass er den Staat mit den Befugnissen eines Diktators regieren konnte. Gesetzesänderungen wurden ausschließlich mit kaiserlichem Einverständnis verabschiedet, Oppositionelle landeten in der Verbannung oder im Gefängnis. Um die Industrialisierung voranzutreiben, förderte der Kaiser die Fabrikanten und Spekulanten. Frankreich stieg zu einer internationalen Wirtschaftsmacht auf. In der Folge zogen zahlreiche Arbeiter vom Land in die Stadt, blieben dort jedoch vom Wohlstand der Oberschicht ausgeschlossen. Die wachsende Armut führte in den 1860er Jahren zu ersten Revolten: In Lyon streikten die Seidenweber, in Paris die Drucker, in den Provinzen die Bergleute. Der Kaiser reagierte. Die Arbeiter bekamen das Recht zur Bildung von Gewerkschaften, die Pressefreiheit wurde erweitert, die Opposition nicht mehr ganz so kategorisch unterdrückt. Nach Jahren der inneren Spannung schien Frankreich gefestigt – und wurde genau in diesem Moment von Otto von Bismarck in den Krieg mit Deutschland gezogen.

Bei der Suche nach einem Thronfolger für die 1868 gestürzte spanische Königin Isabella II. war es zu diplomatischen Spannungen zwischen Frankreich und Preußen gekommen. Ursprünglich war Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen als Nachfolger gehandelt worden. Da das Haus Hohenzollern jedoch der Regierung Preußens nahestand, zwang der französische Außenminister Herzog von Gramont den Kandidaten mit einer kaum verhohlenen Kriegsdrohung zum Verzicht. Um den diplomatischen Triumph voll auszukosten, entsandte Gramont eine Nachricht an den preußischen König Wilhelm I., der sich zur Kur in Bad Ems aufhielt. Preußen sollte seinen Anspruch auf den spanischen Thron auf ewig zurückziehen. Der König lehnte dies ab. Sein Ministerpräsident Bismarck wurde per Telegramm über die Vorgänge informiert, er kürzte und änderte die Nachricht und ließ den neuen Text veröffentlichen. Die französischen Forderungen waren in dieser so genannten Emser Depesche nun so überzogen formuliert, dass Frankreich blamiert dastand. Um sein Gesicht zu wahren, erklärte Napoleon Deutschland den Krieg.

Entstehung

Etwa ein Jahr bevor Zola mit der Arbeit an Nana begann, wurde er von dem Theaterautor Ludovic Halévy ins Varieté geführt. Bei diesem Besuch warf Zola einen Blick hinter die Kulissen und lauschte den Geschichten über das Privatleben großer Schauspielerinnen seiner Zeit. Einige der Damen dienten später den Frauenfiguren im Roman als Vorlage. Die Schauspielerin Anna Judic etwa war ab Mitte der 1860er für 20 Jahre der Star am Pariser Theater. Sie lebte mit zwei Männern gleichzeitig in einer Beziehung und stand damit Modell für die Figur der Rose Mignon, die verheiratet ist und trotzdem öffentliche Affären eingeht. Den Lebenslauf seiner Hauptfigur übernahm Zola von der heute in Vergessenheit geratenen Schauspielerin Blanche d’Antigny. Wie Nana wuchs Blanche in ärmsten Verhältnissen auf. Sie wurde über Nacht erfolgreich und von ihren Liebhabern mit Geld überschüttet, bis sie nach einem Skandal ins Ausland flüchten musste und bei ihrer Rückkehr an einer Infektionskrankheit starb.

Dass die Romanfiguren ihren Vorlagen aus der Realität so unmittelbar nachempfunden sind, überrascht im Zusammenhang mit der von Zola geprägten Theorie des Naturalismus nicht: Der Autor hatte es sich zum Ziel gesetzt, die Wirklichkeit in seinen Romanen mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu dokumentieren.

Wirkungsgeschichte

Nana ist der neunte Roman in Zolas 20 Bände umfassendem Zyklus über die Familie Rougon-Macquart. Eingeführt wurde die Figur der Nana bereits im siebten Band, Der Totschläger, an dessen Ende sie sich vor ihrem alkoholkranken Vater in die Prostitution flüchtet. Die Zeitung Le Voltaire, in der Nana ab Oktober 1879 als Fortsetzungsgeschichte veröffentlicht wurde, heizte das öffentliche Interesse an dem Roman mit einer umfassenden Werbekampagne an. Als Nana dann im Februar 1880 in Buchform erschien, war die Erstauflage von 55 000 Exemplaren innerhalb von einem Tag vergriffen. Schriftstellerkollegen wie Gustave Flaubert waren voll des Lobes („Nana ist Mythos und Wirklichkeit zugleich“). Zolas unverblümte Darstellung erotischer Eskapaden der besseren Pariser Gesellschaft sorgte für einen Skandal, der Erfolg des Buches ließ sich dadurch aber nicht bremsen. Bis heute ist Nana neben Der Totschläger und Germinal der meistgelesene Romane aus dem Zyklus Die Rougon-Macquart.

Édouard Manet benannte sein Porträt der Schauspielerin Henriette Hauser nach der Hauptfigur des Romans und löste mit seiner Darstellung der leicht bekleideten Frau einen ähnlichen Skandal aus wie Zola mit seinem Buch. Es gibt zahlreiche Verfilmungen des Romans, u. a. von Jean-Luc Godard, der den Stoff 1962 mit seinem Film Die Geschichte der Nana S. modernisierte.

Über den Autor

Émile Zola wird am 2. April 1840 in Paris geboren, verbringt seine Kindheit aber in Aix-en-Provence. Dort gehört der spätere Maler Paul Cézanne zu seinen Freunden. Zolas Vater, ein italienisch-österreichischer Ingenieur, stirbt 1847. Die Mutter zieht daraufhin wieder nach Paris, wo sie sich als Putzfrau und Schneiderin durchschlägt. Zola fällt in Paris gleich zweimal durchs Abitur. Er arbeitet bei der Zollbehörde als Schreiber, später im Verlag Hachette als Lagerist, dann als Werbeleiter. 1867 gelingt ihm mit seinem Roman Thérèse Raquin der Durchbruch. Im Rahmen des Romanzyklus Les Rougon-Macquart (Die Rougon-Macquart) schreibt er binnen 24 Jahren 20 Romane. Seine größten Erfolge erzielt er mit L’Assommoir (Der Totschläger, 1877) und La débâcle (Der Zusammenbruch, 1892). Nach Germinal (1885) erscheint 1886 L’Œuvre (Das Werk), nach dessen Lektüre Cézanne empört die Freundschaft abbricht, da er sich in dem Text auf unvorteilhafte Weise porträtiert sieht. Zola mischt sich auch ins politische Zeitgeschehen ein. Berühmt wird er 1898 für seinen offenen Brief an den Staatspräsidenten Félix Faure mit dem Titel J’accuse („Ich klage an“). Darin bezieht er kritisch Stellung zur Affäre um den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus, der aufgrund gefälschter Beweise als Hochverräter verurteilt wurde. Der Brief beschert Zola eine einjährige Gefängnisstrafe, der er sich jedoch durch die Flucht nach England entzieht, wo er eine deprimierende Exilzeit verlebt. Am 29. September 1902 stirbt Zola in seiner Pariser Wohnung. Als Todesursache gilt eine Rauchvergiftung. Ob es ein Mord oder ein Unfall gewesen ist, bleibt ungeklärt. 1908 werden Zolas sterbliche Überreste ins Pariser Pantheon überführt.

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