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Das Ding auf der Schwelle

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Das Ding auf der Schwelle

Unheimliche Geschichten

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Schrecklich! Blasphemisch! Zyklopisch! Storys vom Pionier des literarischen Horrors.


Literatur­klassiker

  • Horror
  • Postmoderne

Worum es geht

Wir sind verloren

H. P. Lovecraft hat die Horrorliteratur revolutioniert – und zwar mit den Bordmitteln des Genres. Mit inflationär gebrauchten Adjektiven wie „schrecklich“, „böse“ oder „ungeheuer“ bewegt er sich auf dem vertrauten Terrain der Schauerromantik. Doch mit seiner Schilderung des völlig Fremden, vor allem in den Storys Die Farbe aus dem All und Der Schatten aus der Zeit, gewinnt der Schrecken eine neue Dimension. Der Mensch als unbedeutende Erscheinung im Verlauf der Jahrmillionen und in der Unendlichkeit des Alls: Das macht Angst – und soll es auch. Lovecraft geht es weniger um effektvoll inszenierte Pointen als vielmehr um die Bestätigung dessen, was wir immer schon ahnen: Das Schrecklichste wird passieren, und wir können nichts dagegen tun. Widerstand und Kampf, Ausweichen oder Flucht – alles sinnlos. Der Albtraum wird wahr, ob wir wollen oder nicht. Wenn man Lovecraft einmal für sich entdeckt hat, wundert man sich nicht mehr über den großen Einfluss, den sein Werk auf andere Künstler ausgeübt hat.

Take-aways

  • Das Ding auf der Schwelle versammelt einige spannende Geschichten des amerikanischen Horrorautors H. P. Lovecraft.
  • Inhalt: Ein Mann erschießt seinen besten Freund, weil dieser nur noch die Hülle für ein Monstrum ist. Eine mysteriöse Farbe aus einem Meteoriten zerstört eine Familie und einen Landstrich. Die Albträume eines fiebernden Studenten werden wahr und töten ihn. Ein Professor muss erkennen, dass seine schrecklichen Träume von Jahrmillionen alten Wesen vielleicht wahr sind.
  • Einige der Geschichten verbinden die bis dahin getrennten Genres Weird Fiction und Science-Fiction.
  • Geschickt kontrastiert Lovecraft Alltägliches mit Einblicken in kosmische Dimensionen und weist so auf die Nichtigkeit der menschlichen Existenz hin.
  • Auffällig ist sein inflationärer Gebrauch von Adjektiven wie „schrecklich“, „entsetzlich“, „furchtbar“, „blasphemisch“, „zyklopisch“.
  • Lovecraft veröffentlichte die Storys – wie auch seine übrigen Werke – in Groschenheften.
  • Der Autor lebte äußerst zurückgezogen, ging meist nur im Dunkeln aus dem Haus und hatte lediglich über sein weites Netz von Brieffreundschaften Kontakt mit der Außenwelt.
  • Lovecrafts Werke wurden erst postum erfolgreich. Der Autor starb als armer Mann.
  • Die Horrorstorys fanden ein breites Echo in Hoch- und Popkultur – von Comics und Heavy Metal bis Avantgarde-Musik und Michel Houellebecq.
  • Zitat: „Es gibt Schrecknisse jenseits unseres Lebens, von denen wir uns nicht träumen lassen, doch manchmal bringt böse, menschliche Neugier sie in unsere Nähe.“

Zusammenfassung

Das Ding auf der Schwelle

Daniel Upton gesteht, dass er seinen Freund Edward Derby erschossen hat. Die Tat sei notwendig gewesen, um die Welt von einem „Scheusal“ zu befreien. Edward Derby war ein Wunderkind, das bereits mit sieben Jahren düstere Gedichte verfasste. Upton war acht Jahre älter und von ihm fasziniert. Beide lebten in der düsteren Stadt Arkham und teilten eine Vorliebe für das Skurrile. Edward war zwar gelehrsam, aber wenig lebenstüchtig, seine Eltern behandelten ihn übervorsichtig. In seiner behüteten Welt lebte Edward nur in Büchern. Währenddessen studierte Upton und heiratete. Edward kam oft zu Besuch und kündigte sich immer mit einer bestimmten Art, zu klopfen oder zu klingeln, an.

„Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und doch hoffe ich, mit dieser Erklärung beweisen zu können, dass ich nicht sein Mörder bin.“ (Das Ding auf der Schwelle, S. 7)

Edward verschrieb sich den Geheimwissenschaften und schloss sich magischen Zirkeln an. Eines Tages – Edward war bereits 34 – lernte er die deutlich jüngere Asenath Waite kennen. Sie stammte aus Innsmouth, einem düsteren Fischerdorf, und war die Tochter von Ephraim Waite, der als Hexenmeister gegolten hatte und im Wahnsinn gestorben war. Bereits als Kind schien Asenath übernatürliche Kräfte zu haben. Edward heiratete Asenath und zog mit ihr aufs Land. In den zwei folgenden Jahren zog sich Edward immer mehr zurück und veränderte sich. Immer tiefer geriet er in den Bann seiner Frau. Er machte sich Sorgen, redete von unheimlichen Orten oder Seelenwanderung und zeigte Upton rätselhafte Objekte. Eines Tages erreichte Upton ein Telegramm der Polizei aus Chesuncook in Maine. Edward war dort verwildert aufgefunden worden und hatte nach ihm verlangt. Upton fuhr hin und fand einen verwirrten Edward vor, der von finsteren Höhlen und Gestalten fantasierte – „sie“ sei mit seinem Körper dorthin gegangen.

„Eine Minute vorher war ich in der Bibliothek eingesperrt, und dann war ich dort, wohin sie mit meinem Körper gegangen war – am Ort der schrecklichsten Blasphemie, die gottlose Höhle, wo das Schattenreich beginnt und der Wächter das Tor bewacht (…)“ (Das Ding auf der Schwelle, S. 19)

Auf der Rückfahrt nach Arkham murmelte Edward Wahnsinniges vor sich hin: Asenath übernehme für immer längere Phasen seinen Körper und werde ihn schließlich ganz besitzen. In ihr stecke der Geist des alten Ephraim, der sich einen neuen Wirt suche. Upton schauderte, hielt seinen Freund aber für irr. Kurz bevor Edward mehr offenbaren konnte, änderte sich sein Wesen schlagartig. Plötzlich ähnelte er Asenath. Er forderte Upton auf, alles zu vergessen. In den Folgemonaten sah Upton Edward nur selten, aber immer in jenem Zustand, der ihm Grauen einflößte. Dann kam Edward eines Tages zu ihm und berichtete, Asenath sei verreist. Er war aufgebracht, aber er selbst. Er sagte, er wolle in den alten Familiensitz zurückziehen. Als er diesen Schritt schließlich vollzog und sich in Sicherheit glaubte, brach er zusammen.

„Es gibt Schrecknisse jenseits unseres Lebens, von denen wir uns nicht träumen lassen, doch manchmal bringt böse, menschliche Neugier sie in unsere Nähe.“ (Das Ding auf der Schwelle, S. 35)

Upton ließ Edward in eine Heilanstalt bringen. Dort blieb dieser, bis die Ärzte ihn für genesen erklärten; in acht Tagen könne er entlassen werden. Upton fuhr hin. Ihm trat dort jener Edward entgegen, aus dem Asenath zu sprechen schien. In der Nacht vor der Entlassung ereignete sich dann etwas, das ihn überzeugte, Edward töten zu müssen. Es klopfte auf die vertraute Art an der Tür. Upton öffnete. Auf der Schwelle stand ein zwergenhaftes, stinkendes Wesen in Edwards Mantel und überreichte ihm einen Brief. Darin forderte Edward Upton auf, das Wesen in der Heilanstalt zu töten. Es sei Asenath, die seinen Körper jetzt ganz übernommen habe. Er habe Asenath vor drei Monaten erschlagen und im Keller verscharrt. Dennoch habe Asenath die Übernahme vollzogen. Sein eigener Geist sei in Asenaths verwestem Leichnam erwacht, habe sich befreit und den Brief verfasst. Upton wurde ohnmächtig, das Ding auf der Schwelle zerfloss zu einer stinkenden Masse. Darin waren, wie sich zeigte, auch Knochen und ein Schädel enthalten, die Zähne erwiesen sich als die von Asenath. Upton tat wie befohlen und erschoss Edwards Körper in der Heilanstalt.

Die Farbe aus dem All

Ein Geologe soll die Gegend westlich von Arkham für den Bau eines Stausees vermessen. Er hört in der Stadt, das Gebiet sei verwunschen – man nennt es „verfluchte Heide“ – und einzig der verrückte Ammi Pierce lebe noch in der Nähe. Der Landvermesser besucht Ammi und erfährt von ihm von den „seltsamen Tagen“: Alles habe mit dem Absturz eines Meteoriten auf dem Grundstück von Nahum Gardner nahe dem Brunnen begonnen. Professoren aus Arkham stellten fest, dass der weiche und magnetische Stein schrumpfte. Eine Probe zeigte im Spektroskop unbekannte Farben und reagierte mit keinem anderen Stoff. In einer weiteren Probe fanden Wissenschaftler eine Kugel von eigenartiger Farbe. Als sie mit dem Hammer darauf schlugen, zerplatzte sie und verschwand spurlos. Unterdessen ging über Nahums Land ein Gewitter nieder. Der Meteorit zog Blitze an. Am nächsten Morgen war er verschwunden.

„Dumpfe Resignation lag über ihnen allen, als gingen sie halb in einer anderen Welt durch ein Spalier namenloser Wächter einem sicheren und schon erahnten Verderben entgegen.“ (Die Farbe aus dem All, S. 62)

Die folgende Ernte brachte prachtvolle Früchte hervor – doch alles war ungenießbar. Tiere verhielten sich merkwürdig, abnorme Pflanzen schossen aus dem Boden, die Milch der Kühe wurde schlecht, die Vegetation begann zu phosphoreszieren. Die Forscher zogen sich angesichts der Schauermärchen der Bauern verächtlich zurück und überließen die Gardners ihrem Schicksal. Nur Ammi hielt Kontakt und half ihnen. Am Jahrestag des Meteoriten-Absturzes wurde Nahums Frau Nabby wahnsinnig. Sie schrie, irgendetwas sauge sie aus. Als die Söhne Angst bekamen, sperrte Nahum seine Frau in eine Dachkammer. Auch sie hatte zu phosphoreszieren begonnen. Die Vegetation zerfiel nun zu Staub, das Brunnenwasser wurde schlecht. Schließlich wurde Nahums Sohn Thaddeus verrückt und musste eingesperrt werden. Die Haustiere entwickelten furchtbare Missbildungen und starben, kurz darauf auch Thaddeus. Ein weiterer Sohn, Zenas, verschwand spurlos.

„Es war eine Farbe von außerhalb allen Raumes – ein fürchterlicher Sendbote aus formlosen Bereichen der Unendlichkeit jenseits aller uns bekannten Natur.“ (Die Farbe aus dem All, S. 80)

Nachdem er zwei Wochen lang nichts von Nahum gehört hatte, brach Ammi auf und fand die Farm und ihren Besitzer in schrecklichem Zustand. Nahum lag in der Küche und behauptete, sein dritter Sohn, Merwin, lebe im Brunnen. Ammi ging auf den Dachboden und sah dort, wie sich die Überreste der tot geglaubten Frau bewegten. Ein Hauch strich an Ammis Gesicht vorüber. Aus dem Erdgeschoss hörte er Schleifen und Schmatzen, dann ein Platschen am Brunnen, während das Holz des Hauses zu schimmern begann. Ammi kehrte in die Küche zurück und fand dort die zerfallenden Reste von Nahum. Noch im Zerfall warnte Nahum Ammi vor der Farbe im Brunnen – und starb. Ammi floh nach Arkham.

„Zwischen den Phantasmagorien der Alpträume und den Realitäten der sichtbaren Welt bahnte sich ein ungeheuerlicher, unfassbarer Zusammenhang an, und nur äußerste Wachsamkeit konnte noch Schlimmeres verhüten.“ (Träume im Hexenhaus, S. 112)

Mit fünf Männern kehrte er zurück auf die Farm. Sie untersuchten den Brunnen und fanden dort Überreste der Gardner-Söhne. Als es dunkel wurde, bemerkten die Männer ein Licht, das aus dem Brunnen schien. Die Bäume bewegten sich bei vollkommener Windstille und begannen in der Farbe jener Kugel zu leuchten. Das Licht im Brunnen wurde zum Strahl, und alles Organische im Haus wurde von der Farbe erfasst. Die Männer flohen und beobachteten aus sicherer Entfernung, wie ein formloses Leuchtobjekt, gefolgt von glimmenden Splittern, in den Himmel schoss. Was zurückblieb, war ein lebloser, staubig-grauer Wüstenstrich. Noch heute, 24 Jahre später, meiden die Leute die Gegend. Auch Ammi hat die „verfluchte Heide“ nie wieder betreten. Der Landvermesser ist froh, dass das Tal bald unter Wasser liegen wird, und will den Bauleiter bitten, auf Ammi zu achten.

Träume im Hexenhaus

Walter Gilman wohnt in der Dachstube eines düsteren Hauses in Arkham, in der im 17. Jahrhundert die Hexe Keziah Mason gelebt hat. Gilman studiert Physik und geheime Schriften. Sein Gehör ist übersensibel, er hat Fieber und träumt oft von merkwürdigen Objekten. Dann beginnt er von Keziahs rattenähnlichem Gehilfen Brown Jenkin, von dem er in alten Aufzeichnungen gelesen hat, zu träumen. Bald darauf mischen sich in diese Träume auch Visionen von einer alten Frau – umgeben von einem violetten Licht. Gilman erklärt sich die Träume mit seinem Fieber und fährt mit seinem Studium fort. Er verblüfft seine Kommilitonen mit Theorien über die Möglichkeit, „außergewöhnliche Krümmungen des Raumes“ für interplanetare Reisen auszunutzen. Gilman beginnt, zu schlafwandeln. Ein Nachbar erzählt ihm, er habe violettes Licht aus der Dachstube scheinen sehen. In einem Traum findet sich Gilman in einer gigantischen Stadt unter entsetzlichen Wesen wieder und bricht von einer Balustrade eine Figur ab, die diesen Wesen ähnelt. Am Morgen liegt diese Figur in seinem Bett.

„Sie alle schrien auf, als ein großes, rattenähnliches Tier unter den blutdurchtränkten Betttüchern hervorsprang und über den Fußboden in ein frisches Rattenloch neben dem Bett rannte. Als der Arzt eintraf und die Betttücher zurückzog, war Walter Gilman tot.“ (Träume im Hexenhaus, S. 119)

Ein weiterer Traum versetzt ihn in den Hohlraum über seiner Kammer. Keziah zerrt ihn dort an einen Tisch, hinter dem ein schwarzer Mann mit einem Buch wartet. Die alte Hexe gibt ihm einen Federkiel und Brown Jenkin beißt ihn ins Handgelenk. Als Gilman erwacht, bemerkt er Blut an seinem Ärmel. Noch immer versucht er, dies alles mit dem Fieber zu erklären, doch um seiner Lage womöglich zu entkommen, zieht er bei seinem Nachbarn Frank Elwood ein. Jene Figur bringt er zur Untersuchung ins Labor. Eine chemische Analyse ergibt, dass sie völlig unbekannte Elemente enthält. Die Einquartierung bei Elwood bringt vorerst Ruhe in Gilmans Nächte. Eines Abends aber sind die Träume zurück. In violettem Licht erscheint Keziah und zerrt Gilman in eine dunkle Gasse, wo der schwarze Mann wartet. Keziah raubt ein Kind. Gilman flieht, wird vom schwarzen Mann gefasst – und erwacht. Er weiß: Auch in der wachen Welt muss derweil Schreckliches geschehen sein. Tatsächlich: Die Zeitung berichtet von einem Fall von Kindesraub, der sich mit seinem Traum deckt.

„Urzeitliche Mythen und moderne Wahnvorstellungen stimmten überein in der Annahme, dass die Menschheit nur ein – und vielleicht die geringste – der hoch entwickelten, dominanten Rassen in der langen und weitgehend unerforschten Geschichte dieses Planeten sei.“ (Der Schatten aus der Zeit, S. 144)

In einem letzten Traum wohnt Gilman einem Opferritus bei. Als Keziah das geraubte Kind töten will, erwürgt er die Alte mit einem Kruzifix. Doch Brown Jenkin beißt das Kind, dessen Blut fließt in eine Schale. Die Szene versinkt im Lärm, und Gilman wird taub auf dem Boden seiner Dachstube gefunden. In der folgenden Nacht werden die Nachbarn Zeugen einer albtraumhaften Szene: Von Gilmans Schreien angelockt, sehen sie, wie ein Rattenwesen sich aus dessen Brust herausnagt und in ein Loch in der Wand flieht. Das Haus wird geräumt und nie mehr vermietet. Jahre später findet man darin alte Schriften, Kinderknochen, ein Kruzifix und das Skelett einer Ratte mit menschlichen Zügen.

Der Schatten aus der Zeit

Nathaniel Peaslee, Professor für Nationalökonomie an der Universität von Arkham, befindet sich auf der Heimfahrt von Australien. Er hat Schlimmes erlebt, will seinem Sohn Wingate davon schriftlich berichten und schickt seine Lebensgeschichte voraus. Eines Tages ist Peaslee mitten in einer Vorlesung zusammengebrochen. Als er wieder aufwachte, war sein Wesen völlig verändert, er hatte alles vergessen und wirkte entrückt. Er zeigte Wissen über unbekannte Zeiten, sodass sich seine Mitmenschen entsetzt von ihm abwandten. Auch seine Frau und zwei seiner Kinder verließen ihn. Einzig Wingate, Professor für Psychologie, hielt zu ihm. Sein Vater eignete sich nach dem Zusammenbruch Wissen in unglaublicher Geschwindigkeit an und baute einen seltsamen Apparat. Eines Tages erwachte er nach einem erneuten Zusammenbruch und wähnte sich in jener Vorlesung, in der seine Amnesie begann. Er war wieder er selbst, doch es fehlten ihm fünf Jahre. Der Apparat war verschwunden.

„Endgültig und absolut war der jahrtausendealte, seit Äonen verborgene Korridor, in dem ich stand, derselbe Raum, den ich im Schlaf genauso gut kannte wie mein eigenes Haus in der Crane Street in Arkham.“ (Der Schatten aus der Zeit, S. 182 f.)

Peaslee ging der Amnesie und den verlorenen Jahren nach. Er fürchtete, dass er zwischenzeitlich aus seinem Körper verdrängt worden sei. In Träumen sah er verschwommene Bilder einer gigantischen fremden Stadt auf der südlichen Halbkugel vor etlichen Millionen Jahren. Bei Nachforschungen in okkulten Texten stieß er auf ähnliche Fälle von Menschen mit Amnesie. Er las von einer „Großen Rasse“ mit der Fähigkeit, durch Geistesprojektion die Zeit zu überwinden und fremde Körper zu übernehmen, während die verdrängten Geister in die kegelförmigen, zehn Fuß großen Körper der Großen Rasse transferiert werden. Peaslees Träume wurden nun immer konkreter, bis er sich darin selbst als Mitglied der Großen Rasse erkannte. In den Träumen schrieb er seine Kenntnisse der Menschheitsgeschichte für das Archiv dieser Rasse auf. Er sprach mit Geistern vieler Welten und Epochen und lernte die Große Rasse und ihre Einrichtungen gut kennen. Diese hatte vor Urzeiten eine andere Spezies in alte Bauten eingeschlossen und fürchtete deren Rache.

„Wenn dieser Abgrund und das, was er barg, Wirklichkeit ist, dann gibt es keine Hoffnung. Dann liegt wahrhaftig über dieser Welt der Menschen ein beunruhigender, unfassbarer Schatten der Vergangenheit.“ (Der Schatten aus der Zeit, S. 201)

Tags darauf erfuhr Peaslee aus geheimnisvollen Büchern Details, die sich mit den Trauminhalten decken. Außerdem bemerkte er, dass er dieselben Bücher während seiner langen Amnesie bereits gelesen hatte. Seine Theorie: Er hatte das Gelesene im Unterbewussten gespeichert und reproduzierte es jetzt in seinen Träumen. So wurden seine Erlebnisse zum psychologischen Fall, den er in Fachzeitschriften dokumentierte. Die Befürchtung, die Träume könnten wahr sein, verblasste – bis ihn eines Tages der Brief eines Bauingenieurs aus Australien erreichte. Der Absender berichtete von gefundenen Steinen voller Hieroglyphen, die er aus Peaslees Artikeln kenne. Peaslee unternahm daraufhin eine Expedition nach Australien und fand dort Belege für die Echtheit seiner Träume. In einer Nacht kam er abgerissen und verwirrt ins Lager zurück. Er gab vor, eingeschlafen zu sein, in Wirklichkeit aber hatte er Unglaubliches, vielleicht Eingebildetes erlebt. Er hatte den Zugang in eine unterirdische Welt gefunden, die sich haargenau mit der Stadt aus seinen Träumen deckte, hatte das Archiv gefunden, ein Buch entnommen und war geflohen – immer in Angst vor jener Spezies, die nun entkommen war. Das Buch hatte er dabei verloren. Es war in seiner eigenen Handschrift verfasst.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Ding auf der Schwelle ist eine Sammlung von fünf unterschiedlich langen Erzählungen. Bis auf eine einzige sind die Erzählungen aus der Perspektive eines Ich-Erzählers verfasst. Dieser Erzähler berichtet typischerweise Ereignisse, die sich lange vor der eigentlichen Erzählzeit zugetragen haben. Zum Schluss hin münden die Geschichten wieder in die erzählte Gegenwart. Meist wird diese Konstruktion durch eine kleine Rahmenhandlung plausibel gemacht. Die Erzählungen enden meist wenig überraschend, sondern treiben vielmehr die Angst des Lesers auf die Spitze, indem dessen schlimmste Ahnungen sich schließlich bewahrheiten. Auffällig und für Lovecraft typisch ist sein inflationärer Gebrauch von Adjektiven wie „schrecklich“, „böse“, „furchtbar“, „entsetzlich“, „blasphemisch“, „ungeheuerlich“, „grässlich“, „widerlich“ und „zyklopisch“. Zeiten und Orte nennt Lovecraft häufig exakt, wodurch teils eine tagebuchartige Anmutung entsteht. Mehrfach baut er Namen und Ausrufe in fiktiven, mythisch klingenden Sprachen ein. Die Länge des Erzählzeitraums variiert von Story zu Story. In einigen Geschichten werden ganze Lebensgeschichten erzählt, in anderen wiederum kürzere Ausschnitte, teils nur wenige Stunden. Dann wieder erstreckt sich eine Geschichte über Jahrmillionen. Die Erzählgeschwindigkeit variiert ebenfalls stark. Die meisten Erzählungen sind durch den Ort des Geschehens, Arkham, miteinander verbunden.

Interpretationsansätze

  • Einige der Storys erregen Furcht, indem sie die Bedeutungslosigkeit des Menschen in Anbetracht kosmischer Dimensionen von Zeit und Raum aufscheinen lassen – sei es die in Jahrmillionen zählende Geschichte der „Großen Rasse“ oder die Stippvisite aus den Weiten des Alls in Form eines Meteoriten.
  • Der Wirklichkeit werdende Traum ist ein weiteres wiederkehrendes Motiv. Indem Lovecraft die Grenze zwischen träumend und wachend erlebter Welt verwischt, steht er in der Tradition der Romantik, wie sie etwa in den Erzählungen von E. T. A. Hoffmann oder auch Edgar Allan Poe repräsentiert ist.
  • In Lovecrafts Erzählungen gibt es keine Helden. Die Protagonisten sind den bedrohlichen Mächten schutzlos ausgeliefert. Selbst die Überlebenden sind am Ende der Geschichte keineswegs sicher. Geschickt verweist der Autor auf die Möglichkeit einer Wiederkehr des Bösen.
  • Ein Leitmotiv ist die Last der Vergangenheit. Besonders die düstere Stadt Arkham, erzählerisches Gravitationszentrum der Geschichten, verweist auf die Unmöglichkeit, seiner Herkunft zu entfliehen.
  • Das durchgängig auftretende Motiv des Verfalls, der Fäulnis und der Verwesung – mit ekelhaften Begleiterscheinungen wie dem häufig zitierten Gestank – zeigt den Autor als Pessimisten und als Kind seiner Zeit: Die 1920er- und 1930er-Jahre waren geprägt von Erlebnissen der Dekadenz, des Kriegsgrauens, der gesellschaftlichen Auflösung und der Hoffnungslosigkeit.
  • Viele der Geschichten nutzen die Rationalität der Wissenschaften als Kontrasthintergrund für das irrationale Grauen. So fingiert Lovecraft imaginäre Bücher und wissenschaftliche Abhandlungen, die die Authentizität des Geschehens innerhalb der Fiktion verbürgen und es umso entsetzlicher machen.

Historischer Hintergrund

Aufschwung, Erschöpfung und Crash

In den 1920er-Jahren erlebten die USA einen starken Wirtschaftsaufschwung. Die Industrialisierung beschleunigte sich und die Massenproduktion von Konsumgütern wie Waschmaschinen, Telefonen, Möbeln und Autos nahm Fahrt auf. Die Preise sanken, die Leute kauften ein. Die technische Evolution bedingte weitere Trends. So sorgte der Aufschwung für eine starke Einwanderung aus allen Teilen der Welt und für zunehmende Landflucht. 1920 lebten erstmals mehr Amerikaner in den Städten als auf dem Land. Allein die Stadt New York verdoppelte ihre Bevölkerung zwischen 1900 und 1930 von etwa 3,4 Millionen auf 6,9 Millionen Einwohner. Auf der einen Seite wurden die Wohlhabenden freizügiger, und das künstlerisch interessierte Bürgertum verbrachte seine Zeit mit Lektürezirkeln, Kino, Theater und Jazzkonzerten, auf der anderen Seite wurde es für die Armen schwieriger, ein Auskommen zu finden. Die Folge: Gettobildung und Zweiklassengesellschaft.

Der Erste Weltkrieg zerschlug das alte Europa und mit ihm viele Gewissheiten, Amerika hingegen boomte – und verbot sich doch in einem Akt puritanischer Selbstbeschränkung das Feiern: 1919 trat das Prohibitionsgesetz in Kraft; Herstellung, Verkauf und Transport von Alkohol blieben bis 1933 verboten. Für die feierfreudige Bourgeoisie ein Affront. Ausweichmöglichkeiten boten neben illegalen Flüsterkneipen Ausflüge nach Europa. Die sogenannte Lost Generation wurde bestimmt durch ein Lebensgefühl, das F. Scott Fitzgerald so zusammenfasste: „Alle Götter tot, alle Kriege gekämpft, jeder Glaube an die Menschheit zerstört“. Ende 1929 kam es zum New Yorker Börsencrash, der eine Weltwirtschaftskrise in Gang setzte und die Ära der Goldenen Zwanziger beendete.

Entstehung

Im Jahr 1926 trennte sich H. P. Lovecraft nach nur zweijähriger Ehe von seiner sieben Jahre älteren Frau Sonia Greene und zog sich aus New York, mit dem ihn eine Art Hassliebe verband, in seine Heimat Providence zurück. Erst hier begann er mit der Niederschrift derjenigen seiner Geschichten, in denen er die zuvor getrennten Genres Weird Fiction und Science-Fiction zusammenführte. Nach der Rückkehr in seine Heimat waren es neben Einflüssen durch Edgar Allan Poe und den britischen Fantasyautor Lord Dunsany auch wissenschaftliche Texte wie etwa Modern Science and Materialism von Hugh Elliott, von denen sich Lovecraft für sein eigenes Schaffen inspirieren ließ.

Lovecraft veröffentlichte die meisten seiner Storys in dem Magazin Weird Tales. Die Farbe aus dem All erschien dagegen in dem mehr der Science-Fiction zugewandten Konkurrenzprodukt Amazing Stories. Für die folgenden Veröffentlichungen kehrte er aus finanziellen Gründen zum lukrativeren Weird Tales zurück. Der Schatten aus der Zeit erschien zuerst im Magazin Astounding Stories. Lovecraft lebte in Providence in äußerst bescheidenen Verhältnissen und sehr zurückgezogen bei zwei Tanten. Er ging selten und meist erst nach Anbruch der Dunkelheit aus dem Haus und schrieb bei Tag hinter abgedunkelten Fenstern. Einzig in seiner ausschweifenden Korrespondenz stand er im regen Austausch mit der Außenwelt.

Wirkungsgeschichte

Lovecrafts Wirkung ist eine fast vollständig postume. Die Geschichten, die in Das Ding auf der Schwelle zusammengestellt sind, waren – wie überhaupt sein gesamtes Werk – zu seinen Lebzeiten nur einer kleinen Leserschaft bekannt und blieben durchweg unterhalb des Radars der Literaturkritik. Das änderte sich erst mit der Veröffentlichung im von August Derleth und Donald Wandrei eigens für Lovecrafts Werke gegründeten Verlag Arkham House. Die Qualität von Lovecrafts Geschichten war umstritten, doch ihre Popularität wuchs – auch im Ausland: Seit der Gesamtausgabe im Insel Verlag von 1969 wächst die Fangemeinde in Deutschland kontinuierlich. Auch in den USA rühmten bekanntere Genreautoren wie Fritz Leiber Lovecraft („literarischer Kopernikus“). 1977 veröffentlichte der Schweizer Künstler H. R. Giger einen Bildband unter dem Titel Necronomicon – in Anlehnung an das gleichnamige mysteriöse Buch, das in etlichen von Lovecrafts Geschichten eine Rolle spielt (etwa in Das Ding auf der Schwelle). 1991 setzte sich Michel Houellebecq in Gegen die Welt, gegen das Leben literarisch mit Lovecraft auseinander.

Vor allem in der Popkultur lebt Lovecraft weiter. Quer über alle Genres wimmelt es von Referenzen – von Comics (Batman) über Zeichentrickserien (The Simpsons) bis zur Musik. Besonders Heavy-Metal-Bands beziehen sich immer wieder auf Lovecrafts Werke, aber auch der Avantgarde-Komponist John Zorn. Literarische Verweise finden sich unter anderem bei Stephen King, Alan Moore, Jorge Luis Borges oder Arno Schmidt. Nach diversen B-Movies verfilmte ein deutsches Independent-Filmteam 2010 Die Farbe aus dem All in Schwarzweiß – nur der außerirdische Schimmer ist farbig.

Über den Autor

Howard Phillips Lovecraft wird am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island in den USA geboren. Als er drei Jahre alt ist, wird sein Vater in die Psychiatrie eingeliefert, wo er fünf Jahre später stirbt. H. P. Lovecraft wächst bei seiner Mutter auf, die mit ihren zwei Schwestern und ihrem Vater zusammenlebt. Letzterer entdeckt das Talent des Jungen und begeistert ihn für Literatur. Mit sechs Jahren schreibt Lovecraft Gedichte, später erste Gruselgeschichten. Mit 13 gibt er ein eigenes kleines Astronomie-Magazin heraus. Er ist ein kränkliches Kind, übervorsichtig umsorgt von seiner neurotischen Mutter. 1908 erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Er verlässt die Highschool ohne Abschluss. 1913 kritisiert er Texte eines Groschenheftes und weckt die Aufmerksamkeit der Hobbyschriftsteller-Vereinigung United Amateur Press Association. Er tritt ihr bei und veröffentlicht erste Texte in der Amateurzeitschrift The Vagrant. Auch baut er ein großes Netz von Briefpartnern auf. Lovecraft hegt Sympathien für abstruse Herrenmensch-Theorien und entwickelt fremdenfeindliche Züge, die sich nach seiner Heirat und Übersiedlung nach New York noch verstärken, später jedoch wieder relativieren. Seine Frau, die Modemacherin Sonia Greene, finanziert ihren erfolglosen Gatten, gerät aber bald selbst in finanzielle Schwierigkeiten. Die Trennung erfolgt 1926 und Lovecraft zieht zurück nach Providence. Hier schreibt er Geschichten für das Gruselmagazin Weird Tales. Insgesamt verfasst er etwa 40 kurze und 12 längere Storys, die sich in zwei Phasen einteilen lassen: Von 1917 bis 1926 beherrschen Gruselgeschichten, beeinflusst von Edgar Allan Poe, sein Werk. 1927 beginnt mit Die Farbe aus dem All (The Colour Out of Space) eine Phase, in der Lovecraft Horror und Science-Fiction verschmilzt. Lovecraft stirbt am 15. März 1937 an Darmkrebs. 1939 verlegen August Derleth und Donald Wandrei im Verlag Arkham House Lovecrafts Werk in Buchform – der Beginn seines postumen Erfolgs.

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    A. O. vor 6 Jahren
    Mein Vorschlag wurde tatsächlich angenommen. Hoffe es wird nicht der einzige Klassiker von Lovecraft sein. Klasse Zusammenfassung, vor allem vom Schreibstil!