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Das Schloss Otranto

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Das Schloss Otranto

C. H. Beck,

15 Minuten Lesezeit
9 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Das unheimliche Comeback des Mittelalters – Horace Walpole erfindet den Schauerroman.


Literatur­klassiker

  • Schauerliteratur
  • Aufklärung

Worum es geht

Das schauerliche Comeback des Mittelalters

Ein Politiker schreibt mit 47 Jahren seinen ersten und einzigen Roman, der ein Beststeller wird und nebenbei auch noch eine neue Literaturgattung begründet – in der Literaturgeschichte ein ziemlich einmaliger Vorgang. Horace Walpole ist genau das mit dem Schloss von Otranto, der ersten „gothic novel“, gelungen. Die Geschichte um den tyrannischen Fürsten Manfred, der gegen die himmlische Vorsehung alles in Bewegung setzt, um die Herrschaft seiner Familie zu erhalten, kommt einem zwar heute ziemlich klischeebeladen vor: Da wimmelt es von Gespenstern, da klappern Rüstungen in Kellergewölben und edelmütige Jünglinge retten bei jeder Gelegenheit tugendhafte Prinzessinnen vor dem Verderben. Aber was uns heute vielleicht vorhersehbar erscheint, erregte 1764 einiges Aufsehen. Denn das abergläubische Mittelalter, das Walpole als Kulisse aufrief, wollten die Aufklärer ja gerade überwinden. Walpole plädierte mit seinem Werk dafür, dem Übernatürlichen und dem Schaudern einen Platz in der Literatur einzuräumen. Der Erfolg seines Plädoyers zeigt sich an den vielen Dichtern, die ihm auf diesem Weg gefolgt sind.

Take-aways

  • Horace Walpoles Das Schloss von Otranto gilt als der erste Schauerroman in der Literaturgeschichte.
  • Inhalt: Manfred, der Fürst von Otranto, verliert seinen einzigen Sohn an dessen Hochzeitstag durch einen rätselhaften Unfall. Um die Herrschaft seines Geschlechts zu sichern, beschließt Manfred, selbst die Braut zu heiraten und Nachkommen zu zeugen. Doch sowohl die Braut als auch der himmlische Wille scheinen sich Manfreds Vorhaben zu widersetzen. Mit aller Gewalt versucht er, sein Ziel zu erreichen, doch das rächt sich am Schluss bitter für ihn.
  • Walpole griff mit seinem Werk einerseits die Tradition der italienischen Novellistik des Mittelalters auf, andererseits strukturierte er es wie eine klassische Tragödie.
  • Dass Walpole ein neues literarisches Genre, den Schauerroman, begründete, war kein Zufall; Walpole hatte einen programmatischen Vorsatz.
  • Das wichtigste Element, das den Schauerroman ausmacht, ist die von der Aufklärung verdrängte Erfahrung des Übernatürlichen und Mysteriösen.
  • Um von dieser Erfahrung zu erzählen, erschien Walpole das Mittelalter als geeignete Kulisse für sein Werk.
  • Eine der großen Leidenschaften Walpoles, der hauptberuflich Politiker war, war die Gotik, also die Kunst und Architektur des Mittelalters.
  • Sein Anwesen nahe London hatte er sich in ein kleines Schloss im gotischen Stil umbauen lassen. Es wurde das Vorbild für Das Schloss von Otranto.
  • Zitat: „So soll denn meine Beichte Sühne sein – aber, ach, womit lässt sich Thronraub und ein gemordet Kind sühnen?“

Zusammenfassung

Tod am Hochzeitstag

Diesen Tag hat Manfred, der Fürst von Otranto, mit Ungeduld erwartet: Es ist der Hochzeitstag seines Sohnes Conrad. Conrad soll heute mit Isabella verheiratet werden, der Tochter des Marquis von Vicenza. Manfred hat die Vermählung Conrads trotz dessen jungen Alters mit großer Eile vorangetrieben. In Manfreds Hofstaat munkelt man, die Eile des Fürsten hänge mit einer alten Weissagung zusammen, nach der das Schloss von Otranto dem jetzigen Geschlecht abhandenkommen solle, sobald der wirkliche Inhaber zu groß geworden sei, um darin zu hausen. Auch wenn niemand den Sinn dieser Weissagung entschlüsseln kann, hält sich das Gerücht.

„Es hielt nicht leicht, dieser Weissage einen Sinn abzumerken; und noch minder leicht war zu begreifen, was sie mit der gedachten Heirat zu tun hatte.“ (S. 24)

Die Hochzeitsgesellschaft hat sich bereits in der Schlosskapelle versammelt, als bemerkt wird, dass Conrad fehlt. Ein Diener, der losgeschickt wird, den Bräutigam zu suchen, kehrt sogleich mit entsetztem Blick zurück. Stumm deutet er auf den Hof. Was sich dort gerade ereignet hat, ist so grauenhaft, dass es auch Manfred die Sprache verschlägt, als er sich hinausbegibt: Von einem riesigen Helm zerschmettert, liegt Conrad tot da. Woher der Helm kam, weiß niemand. Aus der gaffenden Menge heraus bemerkt ein Jüngling die Ähnlichkeit des Helms mit dem Helm auf der Statue von Alfonso dem Guten, dem einstigen Fürsten von Otranto. Manfred, der bisher merkwürdig schweigend den Helm untersucht hat, gerät über diese Bemerkung außer sich vor Zorn. Wütend beschuldigt er den Jüngling, ein Hexenmeister zu sein und den Tod Conrads zu verantworten. Er lässt ihn festnehmen und unter den riesigen Helm einsperren. Dann zieht er sich allein in sein Gemach zurück.

Isabellas Flucht

Unterdessen ist Manfreds Gemahlin, die Fürstin Hippolita, nach einem Ohnmachtsanfall wieder zu sich gekommen. Voller Sorge um ihren Gatten beauftragt sie ihre Tochter Matilda, nach Manfred zu sehen und den Vater zu trösten. Manfred jedoch weist Matilda unwirsch ab und verlangt stattdessen Isabella in der Galerie zu treffen, die sogleich von einem Diener dorthin geführt wird. Er eröffnet der jungen Frau seinen Plan: Statt seines Sohnes, der ohnehin ein Schwächling gewesen sei, solle Isabella ihn selbst, Manfred, heiraten. Von Hippolita, die er als unfruchtbar bezeichnet, wolle er sich scheiden lassen. Nur so könne die Herrschaft seines Stammes gesichert werden. Als Isabella diesen Vorschlag verschreckt und zutiefst verstört ablehnt, versucht Manfred, sie mit Gewalt festzuhalten. In diesem Augenblick erklingt ein Seufzen, das von einem Porträt von Manfreds Großvater Ricardo an der Wand zu kommen scheint. Isabella nutzt den Augenblick der Verwirrung und flieht.

„Denselben Augenblick stieß das Porträt seines Großvaters über der Bank, auf der die beiden gesessen, einen tiefen Seufzer aus und hob die Brust.“ (S. 33)

Isabella sieht ihre einzige Chance, Manfred zu entkommen, in der Flucht zur St.-Nicholas-Kirche, die durch einen geheimen unterirdischen Gang mit dem Schloss Otranto verbunden ist. In den finsteren Kellergewölben, in die sie sich hierzu begibt, begegnet ihr der Jüngling, den Manfred vorher unter den Helm hat einsperren lassen. Die Kellerdecke ist unter dem Gewicht des Helms teilweise eingestürzt und hat den Jüngling so aus seinem Gefängnis befreit. Gemeinsam wollen sie entkommen, doch nur Isabella gelingt die Flucht durch die Falltür, die in den geheimen Gang zur St.-Nicholas-Kirche führt. Der Jüngling wird von Manfred und seinen Schergen gefasst.

Der verlorene Sohn

Am nächsten Morgen erscheint Jerome im Schloss, ein Mönch aus der St.-Nicholas-Kirche, in der Isabella Schutz gefunden hat. Er stellt Manfred zur Rede und konfrontiert ihn mit der Sündhaftigkeit seines Plans, Isabella zu ehelichen. Manfred rechtfertigt sein Handeln mit Gründen der Staatsräson und verlangt von Jerome, Isabella umgehend zurück ins Schloss zu bringen. Jerome erkennt, dass er Manfred von seinen verbrecherischen Plänen nicht wird abbringen können, und gibt schließlich vor, zu gehorchen, um Zeit zu gewinnen.

„Durch mich wird dir Ermahnung zuteil, von deinem blutschändigen Trachten nach deiner ehelich anverlobten Schnur abzustehn.“ (Jerome zu Manfred, S. 67)

Hierauf verhört Manfred den Jüngling, da er den Verdacht hegt, dass dieser heimlich eine Beziehung zu Isabella hat und ihr bei der Flucht behilflich war. Der Jüngling antwortet wahrheitsgetreu, dass er Isabella am Vorabend das erste Mal gesehen hat. Unerschrocken von Manfreds Zorn verheimlicht er auch nicht, dass er ihr bei der Flucht geholfen hat. Matilda, die das Geschehen von der Galerie aus beobachtet, erkennt die Ähnlichkeit des Jünglings mit dem Porträt Alfonsos, zu dem sie sich seit Langem auf unerklärliche Weise hingezogen fühlt. Als Manfred den Jüngling zum Tode verurteilt, sinkt sie ohnmächtig zu Boden.

Der Jüngling nimmt das Urteil unerschrocken an und erbittet lediglich, vorher beichten zu dürfen. Hierfür wird erneut Jerome gerufen. Als der Jüngling sich zum Beten beugt, verrutscht sein Hemd und ein Muttermal wird sichtbar. An diesem erkennt Jerome schlagartig seinen verschollenen Sohn wieder, Theodore. Er erbittet Gnade für ihn und bietet Manfred sein eigenes Leben als Opfer für das seines Sohnes an. Manfred will Theodore jedoch nur begnadigen, wenn Jerome ihm Isabella überbringt. Dagegen erhebt Theodore Einspruch: Lieber wolle er tausend Tode sterben, als dass Prinzessin Isabella in die Hände des Tyrannen gelange.

Der Ritter vom Gewaltigen Säbel

In diesem Moment ertönt von draußen eine Trompete, die einen Herold ankündigt. Dieser überbringt Manfred die Nachricht, der Ritter vom Gewaltigen Säbel verlange im Auftrag des Marquis von Vicenza die Herausgabe seiner Tochter Isabella. Zudem soll Manfred seinen Thron aufgeben, auf den der Marquis als nächster Verwandter des einstigen Fürsten Alfonso Anspruch erhebe. Sollte Manfred sich weigern, müsse die Entscheidung in einem Duell gefunden werden.

Manfred hatte Isabella zu sich geholt, nachdem der Marquis von Vicenza auf einem Kreuzzug ins Heilige Land gefahren war. Er hatte die Vormunde Isabellas bestochen, um sie als Braut für seinen Sohn zu gewinnen. Nun sieht er seine einzige Chance darin, den Ritter durch Diplomatie und Überredung für sich zu gewinnen. Er schickt den Herold mit einem Gesprächsangebot zurück: Erst solle man es auf diplomatischen Wegen versuchen; wenn das zu nichts führe, sei er zum Duell bereit. Der Ritter vom Gewaltigen Säbel zieht hierauf mit einem imposanten Tross ins Schloss Otranto ein. Darunter sind hundert Diener, die ein riesiges Schwert tragen, das plötzlich wie von Zauberhand neben den Riesenhelm springt und dort liegen bleibt.

„Einhundert Standesmannen, welche ein gewaltiges Schwert schleppten, unter dessen Last sie schier zu verzagen schienen.“ (S. 85 f.)

Manfred lässt ein prunkvolles Abendmahl für den Ritter und sein Gefolge anrichten. Seine Versuche, den Ritter von seinem Plan mit Isabella zu überzeugen, schlagen jedoch fehl. Dann kehrt auch noch Jerome mit der Nachricht zurück, Isabella sei aus dem Kloster verschwunden. Der Ritter, der ein Täuschungsmanöver vermutet und glaubt, Manfred halte Isabella versteckt, kündigt an, mit seinem Gefolge nach Isabella zu suchen. Auch Manfred befiehlt seinen Dienern, Isabella ausfindig zu machen.

Theodores Befreiung

Matilda nutzt die Chance, die sich durch die Abwesenheit von Manfreds Dienern im Schloss ergeben hat, um Theodore zu befreien. Sie stattet ihn mit Waffen aus und weist ihm den Weg in die Wälder, von wo aus er die Küste und damit Schiffe erreichen kann, die ihn in Sicherheit bringen können. Bei dieser Befreiung verliebt Theodore sich in sie.

In den Wäldern trifft Theodore Isabella wieder. Kaum, dass sie sich wiedererkannt haben, stößt der Ritter hinzu. Theodore wirft sich als Isabellas Verteidiger in den Kampf und verwundet den Ritter schwer. In dem Glauben, tödlich verwundet worden zu sein, gibt sich der Ritter als Marquis von Vicenza, Isabellas Vater, zu erkennen. Da nur im Schloss schnelle Hilfe für den Verwundeten zu erwarten ist, kehren sie – Isabella eingeschlossen – schweren Herzens dorthin zurück.

Manfreds neuer Plan

Die Verletzungen des Marquis stellen sich als nicht lebensbedrohlich heraus. Auf seinem Krankenlager erzählt er, wie er aus der Gefangenschaft bei den Ungläubigen befreit worden und über geheimnisvolle Wege in den Besitz des riesigen Schwertes gekommen sei. Als Manfred hinzustößt, verliert er beim Anblick des gewappneten Theodores vor Schreck die Fassung: Theodore erscheint ihm als Gespenst Alfonsos. Nachdem die Anwesenden ihn beruhigt haben, erklärt Manfred, dass er Theodore nicht mehr nach dem Leben trachtet.

Manfred fasst einen neuen Plan: Er will dem Marquis seine Tochter Matilda anbieten und im Gegenzug von diesem Isabella als Braut erhalten. Am nächsten Tag zeigt sich der allmählich genesende Marquis von diesem Angebot angetan, denn er hat inzwischen Gefallen an Matilda gefunden. Jetzt gilt es für Manfred nur noch, Hippolita zur Einwilligung in die Scheidung zu bewegen. Er findet sie im Gespräch mit Jerome vor, dessen christlichen Rat sie in der Sache gesucht hat. Als Manfred den beiden mitteilt, der Marquis habe sich mit dem Vorschlag bereits einverstanden gezeigt, fallen der Statue von Alfonso, an dessen Grab sich die drei aufhalten, drei Blutstropfen aus der Nase. Dennoch – und auch trotz der vehement vorgebrachten Einwände Jeromes – beugt sich Hippolita schließlich dem Willen ihres Mannes.

Tödliche Verwechslung

Jeromes heftige Abneigung gegen Manfreds Heiratspläne lässt in Manfred abermals den Verdacht einer heimlichen Liebesbeziehung zwischen Isabella und Theodore aufkommen, die Jerome deckt. Er lässt darum einen Diener das Kloster bewachen, der melden soll, falls jemand vom Schloss sich dorthin begibt. Verstärkt wird Manfreds Verdacht noch durch ein Verhör Biancas, einer Zofe Matildas, in dem diese nach einigem Hin und Her preisgibt, im Grunde seien alle Bewohner des Schlosses in Theodore verliebt. Als Manfred danach den Marquis aufsucht, um die Heiratspläne zu besprechen, stürzt die gerade erst verabschiedete Bianca ins Zimmer: Auf dem Weg zu Fräulein Isabella habe sie, auf dem obersten Absatz der Treppe, eine bewaffnete Hand erblickt, deren Größe und Schrecklichkeit ihr furchtbares Entsetzen bereitet haben. Manfred versucht den Bericht der Zofe als Hirngespinst abzutun, doch der Marquis ist verschreckt und ahnt einen Zusammenhang zwischen der bewaffneten Hand, dem riesigen Schwert und dem Helm.

„Ich schau die Haupttreppe empor, und, wenn Euer Herrlichkeit mir wollen glauben, was muss ich da auf dem oberst Geländer erblicken: eine gewappnet Hand, größer als groß.“ (S. 138)

In der Nacht erreicht Manfred die Meldung, Theodore sei mit einer Frau am Grab Alfonsos gesichtet worden. Rasend vor Eifersucht begibt er sich dorthin und ersticht im fahlen Licht des Mondscheins die vermeintliche Isabella. Als die Person niedersinkt, erkennt er seinen Irrtum: Er hat Matilda, seine eigene Tochter erstochen. Die von den Schreien alarmierten Mönche eilen herbei und halten Manfred davon ab, sich aus Verzweiflung über seine Tat selbst umzubringen. Auf einer Bahre wird die sterbende Matilda, die ihrem Vater sogleich vergibt, ins Schloss gebracht. An ihrem Sterbebett versammeln sich Hippolita, Isabella, Jerome, der Marquis und Theodore – allesamt in höchster Verzweiflung. Auf Hippolitas Anordnung ist Manfred von Dienern in sein Gemach gebracht worden, da sie fürchtete, seine heftigen Gefühlsausbrüche könnten Matildas Kräfte in ihren letzten Minuten überfordern. Theodore versucht noch, durch Jerome mit Matilda getraut zu werden. Doch sie stirbt, bevor es dazu kommt.

Die Einlösung der Prophezeiung

Genau in dem Augenblick, in dem Manfred von Matildas Tod erfährt, wird das Schloss von einem mächtigen Donnerschlag erschüttert. Alle stürzen in den Hof hinaus. Dort werden die Schlossmauern von einer unsichtbaren Kraft niedergerissen. Aus ihren Trümmern erhebt sich die riesige Gestalt Alfonsos. Der Riese verkündet, dass Theodore sein rechtmäßiger Erbe ist, und steigt dann von Donnergrollen begleitet zum Himmel empor.

Manfred, der erkennt, dass all seine Versuche, das Schicksal abzuwenden, durch den himmlischen Willen vereitelt worden sind, hebt nun zur großen Beichte an: Sein Großvater Ricardo habe sich die Herrschaft über Otranto durch die Ermordung Alfonsos während der Kreuzzüge und durch ein gefälschtes Testament erschlichen. Von Schuld geplagt, gelobte Ricardo, dem heiligen Nikolaus eine Kirche und zwei Klöster zu stiften. Der Heilige sei ihm dann im Traum erschienen und habe prophezeit, Ricardos Erben würden so lange über Otranto regieren, bis der rechtmäßige Eigentümer zu groß sei, darin zu wohnen. Wie es kommt, dass Theodore der rechtmäßige Erbe Alfonsos ist, weiß zu guter Letzt Jerome zu berichten: Auf der Reise ins Heilige Land verbrachte Alfonso einige Zeit in Sizilien, verliebte sich dort in eine Frau und zeugte mit ihr eine Tochter. Diese Tochter wurde später Jeromes Frau – Theodore ist also der direkte Nachfahre Alfonsos.

„So soll denn meine Beichte Sühne sein – aber, ach, womit lässt sich Thronraub und ein gemordet Kind sühnen?“ (S. 149)

Im Zeichen der eingelösten Prophezeiung gibt Manfred sein Fürstentum auf. Er und Hippolita wollen ihr restliches Leben im benachbarten Kloster zubringen. Der Marquis bietet Theodore, dem neuen Fürsten Otrantos, seine Tochter als Braut an. Doch der ist noch zu tief in Trauer über Matildas Tod versunken, als dass er an eine neue Liebe denken könnte. Es braucht viele Gespräche mit Isabella über die verstorbene Matilda, ehe sie sich – verbunden in Melancholie – schließlich doch näherkommen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Horace Walpole veröffentlichte Das Schloss von Otranto ursprünglich unter einem Pseudonym. Das Titelblatt der ersten Auflage führte einen italienischen Verfasser des Originalwerks sowie einen englischen Übersetzer an. Obwohl Walpole sich in der zweiten Auflage dann zu dem Werk bekannte, verrät die Erstausgabe mit ihrer fingierten Autorschaft, worauf Walpole stilistisch abzielte: Zum einen griff er mit seinem Werk die Tradition der italienischen Novellistik des Mittelalters auf; typisch dafür ist der Fokus auf das außerordentliche Ereignis, die unerhörte Begebenheit. Zum anderen gab er seinem Werk durch die fingierte Autorschaft eines italienischen Verfassers, der angeblich zeitnah an den berichteten Ereignissen gelebt hat, den Charakter einer Chronik. Dies macht sich auch darin bemerkbar, dass Walpole den einzelnen Augenblicken der Geschichte kaum Raum zur erzählerischen Entfaltung gibt. Vielmehr werden Ereignisse – und auch der Schrecken der Protagonisten über die wundersamen, Furcht einflößenden Ereignisse – oft nur benannt. Dass es Walpole dennoch gelingt, Spannung zu erzeugen, liegt an der konsequent geradlinigen Handlungsführung seiner Geschichte, die in hohem Tempo und ohne Umschweife auf die Katastrophe zusteuert. Damit ähnelt Das Schloss von Otranto strukturell der klassischen Tragödie. Eine Ähnlichkeit, die Walpole nicht zuletzt durch die fünf Kapitel der Geschichte betont, die den fünf Akten der klassischen Tragödie entsprechen.

Interpretationsansätze

  • Horace Walpole begründete mit Das Schloss von Otranto ein neues literarisches Genre, den Schauerroman. Dies war kein Zufall, Walpole hatte einen programmatischen Vorsatz, den er in der Vorrede zur zweiten Auflage ausführte: Die ältere Romantradition setze allein auf Fantasie und Einbildung, die neuere Tradition hingegen ziele auf die treue Nachahmung der Natur. Sein Versuch sei es nun, diese beiden Traditionen zu verbinden.
  • Das wichtigste Element, das den Schauerroman ausmacht, ist die von der Aufklärung verdrängte Erfahrung des Übernatürlichen, Irrationalen und Mysteriösen. Die Philosophen der Aufklärung waren bestrebt, dem Aberglauben und der Irrationalität entgegenzuwirken. Mit dem Schloss von Otranto plädierte Walpole dafür, dem Übernatürlichen und Irrationalen in der Dichtung wieder einen Platz einzuräumen.
  • Dafür erschien Walpole das Mittelalter als geeigneter Hintergrund für sein Werk: Den Menschen des Mittelalters konnte er einen naiveren Glauben an Geister und himmlische Wunderzeichen unterstellen, der in seiner Epoche als weitgehend überwunden galt.
  • Walpoles Beschäftigung mit dem Mittelalter war nicht nur auf die Literatur beschränkt. 1747 kaufte er eine Villa an der Themse, die er nach und nach zu einem Schloss im gotischen Stil umbauen ließ. Das Anwesen nannte er „Strawberry Hill“; es wurde nicht nur das architektonische Vorbild für Das Schloss von Otranto, sondern gab einen entscheidenden Anstoß für die Wiederbelebung der Gotik in England.

Historischer Hintergrund

Die Erfindung einer neuen Empfindung

Der irisch-britische Schriftsteller und Politiker Edmund Burke ist vor allem durch seine staatsphilosophischen Schriften als geistiger Vater des Konservatismus bekannt. Ähnlich wie andere Philosophen des Aufklärungszeitalters, etwa Voltaire und Denis Diderot, war sein Interessen- und Betätigungsfeld jedoch nicht auf eine einzige philosophische Disziplin beschränkt: Mit einer seiner ersten Schriften, der 1757 veröffentlichen Philosophischen Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen, lieferte er einen wichtigen und einflussreichen Beitrag zum ästhetischen Diskurs seiner Zeit. In dieser Schrift führte Burke das Erhabene erstmals als eigenständige und vom Schönen abgegrenzte ästhetische Kategorie ein.

Nach Burke erfährt das Individuum das Erhabene in der Konfrontation mit Schmerz und Gefahr. Eine gewisse Distanz vorausgesetzt, kann der Schrecken, den diese Konfrontation im Individuum auslöst, als lustvoll erlebt werden. Burkes Ansicht nach ist es insbesondere die Natur in ihrer schieren Größe und Gewalt, wie sie uns etwa beim Anblick eines Bergmassivs oder des tobenden Meeres begegnet, die uns diese Art von Schrecken bereitet. Für den Aufstieg des Schauerromans gegen Ende des 18. Jahrhunderts war Burkes Schrift wegweisend, denn hier war der Schrecken erstmals als eine mögliche Quelle ästhetischer Erfahrung beschrieben worden.

Entstehung

Mitte der 1760er-Jahre, zur Zeit der Entstehung von Das Schloss von Otranto, konnte Horace Walpole bereits auf eine mehr als 20-jährige Tätigkeit als Abgeordneter im House of Commons, dem Unterhaus des britischen Parlaments, zurückblicken. Den Posten hatte ihm sein Vater, Robert Walpole, verschafft, der selbst eine außergewöhnlich erfolgreiche politische Karriere hingelegt hatte und als erster britischer Premierminister amtierte. Horace Walpole war politisch weniger ambitioniert als sein Vater, obwohl er für seine Fähigkeiten als Vermittler und Stratege von seinen Parteifreunden geschätzt wurde. Seine weitreichenden Interessen, sein wacher Intellekt und seine künstlerischen Neigungen führten ihn jedoch immer wieder zu Betätigungsfeldern außerhalb des politischen Geschäfts.

Eine der großen Leidenschaften Walpoles war die Gotik, also die Kunst und Architektur des Mittelalters. Diese Leidenschaft ging so weit, dass Walpole sich 1747 eine Villa an der Themse kaufte, die er dann über fast drei Jahrzehnte lang in eine Art gotisches Schloss umbauen ließ. Als Walpole sich 1764 an die Niederschrift von Das Schloss von Otranto machte und darin den Geist des Mittelalters wiederaufleben ließ, hatte er sich also nicht nur 17 Jahre lang intensiv mit mittelalterlicher Geschichte, Architektur und Kunst beschäftigt – er war in seinem kleinem gotischen Schloss an der Themse, ausgestattet mit jahrhundertealten Gegenständen und Kunstwerken, vom Mittelalter geradezu umgeben.

Die Erstausgabe von Das Schloss von Otranto erschien im Dezember 1764, jedoch noch unter der Behauptung, es handle sich um die wiederentdeckte Niederschrift eines mittelalterlichen italienischen Autors, die lediglich ins Englische übersetzt worden sei. Selbst für den Namen des angeblichen Übersetzers hatte Walpole sich ein Pseudonym ausgedacht. Sowohl Angst vor der negativen Resonanz – schließlich hatte er als Abgeordneter durchaus einen Ruf zu verlieren – als auch die Lust, durch den fingierten italienischen Chronisten den Eindruck größtmöglicher Authentizität zu erwecken, könnten Walpole zu diesem Schritt verleitet haben. Nachdem das Buch auf großes Interesse gestoßen und innerhalb von wenigen Wochen sogar vergriffen war, erschien die Zweitauflage im Frühjahr 1765 unter Walpoles eigenem Namen und mit einem neuen Untertitel versehen: „a gothic story“.

Wirkungsgeschichte

Es gibt wohl kaum eine Gattung in der Literaturgeschichte, deren erstes Erscheinen mit ähnlicher Genauigkeit datiert werden kann wie der Schauerroman. Das Schloss von Otranto hat die Gattung begründet und damit einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf zahllose Dichter in der Folgezeit – bis weit in die Romantik hinein – ausgeübt.

Die erste Autorin, die sich ausdrücklich auf Walpoles Das Schloss von Otranto bezog, war Clara Reeve. Im Vorwort ihrer 1777 veröffentlichen Erzählung The Champion of Virtue schrieb sie, ihre Erzählung sei nach demselben Muster wie Walpoles Roman verfasst. Damit war aber nur der Anfang gemacht: Ab den 1780er-Jahren wurde England von einer wahren Flut von Schauergeschichten überschwemmt. Eine der erfolgreichsten Autorinnen dieser Zeit war Anne Radcliffe, die mit Romanen wie Udolphos Geheimnisse für Schaudern und Schrecken sorgte – im Gegensatz zu Walpole bot sie aber für jeden Schrecken im Nachhinein eine rationale Erklärung an. Ein anderer Schüler Walpoles, Matthew Gregory Lewis, schrieb mit Der Mönch 1796 einen Schauerroman, der wegen seiner grausamen Anschaulichkeit und Vulgarität einen Sturm der öffentlichen Entrüstung auslöste. Eine riesige europäische Leserschaft war ihm dennoch – oder vielleicht auch gerade deshalb – sicher. Auch Melmoth der Wanderer von Charles Robert Maturin gehört in die Reihe der bekanntesten englischen Schauerromane.

Weiterhin standen Mary Shelleys Roman Frankenstein und Robert Louis Stevensons Roman Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde in der Tradition des Schauerromans. Aber Walpoles Einfluss blieb nicht auf England beschränkt: Auch bei den deutschen Romantikern, allen voran E. T. A. Hoffmann, setzte sich die Faszination für den Schrecken und das Schaudern fort. Und sogar einer der deutschen Klassiker – Friedrich Schiller versuchte sich an der Gattung: Dessen Novelle Der Geisterseher blieb allerdings unvollendet.

Die moderne Horrorliteratur von Autoren wie H. P. Lovecraft oder Stephen King ist ebenfalls als Weiterentwicklung der Schauerliteratur zu verstehen.

Über den Autor

Horace Walpole wird am 24. September 1717 in London als jüngster Sohn von Sir Robert Walpole, dem ersten Premierminister Englands, und dessen Frau Catherine geboren. Er besucht das Eton College und die Universität von Cambridge. Wie für Söhne des europäischen Adels und gehobenen Bürgertums üblich, begibt er sich 1739 gleich nach seinem Studium auf „Grand Tour“ – eine ausgedehnte Bildungsreise, die Walpole nach Frankreich und Italien führt. Begleitet wird er dabei von seinem Schulfreund Thomas Gray, der später ein angesehener Dichter wird. Nach seiner Rückkehr 1741 verschafft ihm sein Vater einen Sitz als Abgeordneter im House of Commons, den Walpole bis 1768 innehat. Seine Leidenschaften und Talente entwickeln sich jedoch abseits der Politik: 1747 erwirbt Walpole ein kleines Anwesen an der Themse, das er über drei Jahrzehnte lang in ein Schloss nach gotischem Vorbild umbaut und auf den Namen „Strawberry Hill“ tauft. Schon zu seinen Lebzeiten wird Strawberry Hill für seine Architektur und Inneneinrichtung berühmt und gibt den Anstoß für ein „gothic revival“ in ganz England. Neben der Architektur widmet sich Walpole zeitlebens dem Schreiben – und zwar in erster Linie als passionierter und begnadeter Briefschreiber. Seine etwa 3000 Briefe gelten bis heute als wichtiges Zeugnis für das Leben im 18. Jahrhundert in England. Walpoles einziges Prosawerk – Das Schloss von Otranto (The Castle of Otranto) begründet die Gattung des Schauerromans. Seinen zweiten großen schriftstellerischen Erfolg hat Walpole 1794 mit seinem Buch Über die englische Gartenkunst (On Modern Gardening). Walpole, möglicherweise homosexuell, bleibt zeit seines Lebens unverheiratet und stirbt am 2. März 1797 in London.

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