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Die Enden der Parabel

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Die Enden der Parabel

Rowohlt,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Alternative Fakten über das deutsche V-Waffenprogramm, ein NS-Herero-Kommando und eine seltsame Erektion.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Postmoderne

Worum es geht

Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Thomas Pynchons Hauptwerk Die Enden der Parabel beschreibt eine ausufernde und verstörende Reise durch Europa gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, in einem literarischen Kosmos, in dem Wahn und Wirklichkeit ständig ineinander übergehen. Ein britischer Agent begibt sich auf die Spuren des Raketenwaffenprogramms der Nazis. Dabei wird er selbst von Kriegspsychologen beschattet, die aufklären wollen, warum alle V-Raketen der Deutschen genau an jenen Orten einschlagen, an denen er zuvor eine Erektion hatte. Pynchon verwebt historische Orte, Personen und Tatsachen mit literarischen Erfindungen. Der ständige Wechsel zwischen Stilen, die Auflösung einer verlässlichen Erzählzeit und die Ununterscheidbarkeit von Realität und Fiktion machen den Roman zu einem Paradebeispiel der postmodernen Literatur. Er gilt als eines der größten Werke der US-amerikanischen Literatur.

Take-aways

  • Die Enden der Parabel gilt als Meisterwerk der postmodernen Literatur.
  • Inhalt: Während der letzten zwei Jahre des Zweiten Weltkriegs untersucht der britische Agent Tyrone Slothrop das Geheimwaffenprogramm der Nazis und gerät auf die Spur des Schwarzkommandos, einer Einheit afrikanischer Soldaten. Dabei wird er selbst beschattet, denn die deutschen V-Raketen schlagen nur an Orten ein, an denen Slothrop zuvor eine Erektion gehabt hat.
  • Der Roman erschien 1973 unter dem Titel Gravitys Rainbow.
  • In dem Buch verschwimmen die Grenzen zwischen historischen Fakten und literarischer Erfindung.
  • Es war Thomas Pynchons zweiter Roman und gilt als sein Hauptwerk.
  • Ab 1963 zog sich Thomas Pynchon vollständig aus der Öffentlichkeit zurück.
  • Aufgrund der als obszön empfundenen Sex- und Drogenszenen des Romans blieb ihm der Pulitzerpreis 1974 verwehrt.
  • Heute sind Pynchon und Die Enden der Parabel Ikonen der Popkultur.
  • Die deutsche Übersetzung besorgte Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.
  • Zitat: „Und es ist hier (…), dass die Spitze der Rakete, stürzend mit mehr als einem Kilometer pro Sekunde, absolut und für immer ohne Schall, ihren letzten, unmessbaren Spalt über dem Dach dieses alten Kinos erreicht, das letzte delta-t.“

Zusammenfassung

Raketen auf London

Capt. Geoffrey Prentice, genannt Pirat, und sein Untergebener, Teddy Bloat, hausen in einem vom Krieg komplett zerstörten London. Die Stadt ist 1940 geräumt worden. Nun, vier Jahre später, huschen nur noch zwielichtige Typen, Agenten und Übriggebliebene durch die Ruinen der Stadt. Ständig gehen Bomben der Nazis über der Stadt nieder; seit Kurzem auch ihre neuen V2-Raketen. Prentice und seine Männer arbeiten für die Special Operations Executive in einem Gewimmel aus alliierten Spionageeinheiten, bei dem oft unklar ist, wer zusammen- und wer gegeneinander arbeitet.

Pirat Prentice hat die deutsche „Operation Schwarzer Flügel“ – auch „Schwarzkommando“ genannt – aufgedeckt: Demnach gibt es in Deutschland Afrikaner aus der Kolonie Deutsch-Südwest, die Teil des Geheimwaffenprogramms der Nazis sind. Einer ihrer Anführer ist Oberst Enzian. Er wurde vom deutschen Hauptmann Blicero aus Afrika mitgebracht, der eine sexuelle Beziehung mit ihm unterhalten hatte. In Deutschland taufte Blicero den Afrikaner um, von „Omuhona“ zu „Enzian“.

Prentice und Bloat überwachen den Briten Tyrone Slothrop, der für die Organisation „ACHTUNG“ eingeschlagene V2-Raketen untersucht – und eine äußerst interessante Form von Erektion aufweist.

„Es war genau 6 Uhr, 43 Minuten, 16 Sekunden Doppelte Britische Sommerzeit: Der Himmel, geschlagen wie die Trommel des Todes, dröhnte noch immer, und Slothrops Schwanz – was sagt man dazu? Ja, schaut nur rein in seine GI-Unterhose, da zuckt ein Ständer – (…) woher kommt das?“

George Mexico arbeitet für die „Weiße Visitation“. Sie hat ihren Sitz in einer vormaligen Irrenanstalt, und oft ist es schwer zu unterscheiden, wer hier Militärexperte und wer übrig gebliebener Patient ist. Offiziell ist der 80-jährige Brigadier Pudding der Chef, doch hinter den Kulissen gibt der Mediziner Pointsman den Ton an. Die Organisation heißt offiziell „PISCES“ und ist für psychologische Kriegführung zuständig. Doch die führenden Köpfe im Projekt sind inzwischen mehr daran interessiert, das Fortbestehen von PISCES zu sichern. Schließlich sind die Alliierten eben in der Normandie gelandet und ein Ende des Krieges ist absehbar. Der Fall, der das Überleben von PISCES zu sichern scheint, ist Slothrop. Als Slothrop nämlich noch ein Säugling war und in den USA lebte, war er von Dr. Laszlo Jamf an der Harvard-Universität darauf konditioniert worden, auf einen geheimen Reiz hin eine Erektion zu erhalten.

„Es ist diese Karte, die in ihren Köpfen herumspukt, die Karte, auf der Slothrop seine Eroberungen markiert hat. Die Sterne fallen in einer Poisson-Verteilung, genau wie die Raketeneinschläge auf Roger Mexicos Karte des robot blitz.“

Nun hat Agent Bloat heimlich eine Karte fotografiert, auf der der erwachsene Slothrop seine zahlreichen Affären in London festhält – und interessanterweise schlugen an all diesen Orten wenige Tage später V2-Raketen ein. Die Psychologen sind sich zwar nicht ganz einig, aber vor allem Pointsman glaubt, dass irgendetwas an den Raketen jener geheime Reiz ist, auf den Slothrop in seiner Kindheit konditioniert wurde. Andere Kollegen fürchten sogar, dass die Raketen durch Slothrop angezogen werden könnten. Der Statistiker Mexico hält gar nichts von diesen Theorien. Für ihn ist das Zusammentreffen der Raketeneinschläge und der sexuellen Kontakte Slothrops bloßer statistischer Zufall – und Pointsman ein durchgeknallter Größenwahnsinniger. Dennoch beginnt die „Weiße Visitation“, Slothrop zu beschatten und Experimente mit ihm durchzuführen. Sie setzen ihn etwa unter Drogen, ohne dass er es mitbekommt, um so an Informationen aus seiner Kindheit im Süden der USA zu gelangen.

Im Casino „Hermann Göring“

Slothrop ist an der französischen Riviera, im Casino „Hermann Göring“. Die Kriegsfront ist weit entfernt. Für Slothrop und die anderen Gäste des Casinos ist es ungewohnt, plötzlich nicht mehr inmitten des Krieges zu leben. Sie haben Schwierigkeiten, sich in dem Frieden zurechtzufinden. So überkommt das Casino eine aufgereizte, übermütige Feierlaune. Slothrop wird von seinem Freund Tantivy begleitet – und von Bloat, der sich als alter Uni-Kollege von Tantivy ausgibt und den Auftrag hat, Slothrop zu überwachen.

Als eine Menge gut gelaunter Casinogäste entlang des Meeres spazieren gehen, entdecken sie am Strand eine Frau, die von einer Krake angegriffen wird. Slothrop rettet die Frau, indem er die Krake mit einer Krabbe von ihr weglockt. Unmittelbar nach dieser Aufregung dämmert Slothrop, dass irgendetwas faul ist am Verhalten seiner Begleiter und am Zwischenfall mit der Krake. Alles wirkt so künstlich und gestellt. Tatsächlich ist die Krake von Pointsmans Männern abgerichtet worden. Und die Frau, die Slothrop vermeintlich gerettet hat, ist eine Agentin namens Katje Borgesius. Trotz seiner dunklen Ahnungen beginnt Slothrop eine Affäre mit Katje.

„Aber ich bezweifle, dass sie fähig sind, ein fremdes Innenleben zu begreifen … deins oder das der Rakete … nein. Nicht mehr als du selbst. Wenn du das jetzt noch nicht verstehst, so vergiss es wenigstens nicht. Mehr kann ich nicht für dich tun.“ (Katje zu Slothrop)

Doch die Anzeichen, dass etwas mit seinen Gefährten im Casino nicht stimmt, häufen sich. So werden etwa seine Sachen gestohlen, während er mit Katje im Bett ist. Eines Abends macht Slothrop einen seiner Bewacher betrunken, um an Informationen zu kommen. Er ist aber selbst zu betrunken, um viel zu erfahren. Dann entlockt er Katje das Geständnis, dass seine Verfolger seine Psyche untersuchen wollen.

Die Suche nach dem S-Gerät

Slothrop erfährt außerdem von einem Kunststoff namens Imipolex G, der von Laszlo Jamf 1939 in der Schweiz für die IG Farben entwickelt worden ist. Dieser Kunststoff soll für die Sonderanfertigung einer Rakete mit der einmaligen Seriennummer „S-Gerät, 11/00000“ gebraucht worden sein. Zurück im Casino liest Slothrop in einer herumliegenden Zeitung die Todesanzeige seines Freundes Tantivy. Er ist überzeugt, dass Tantivy von denjenigen, die ihn überwachen, in eine Falle gelockt und getötet wurde. Panisch flieht er aus dem Casino, zuerst nach Nizza und dann weiter nach Zürich. Dort trifft er zufällig einen Mitarbeiter der Firma Sandoz, die vor dem Krieg mit IG Farben zusammen an der Entwicklung von Imipolex G gearbeitet hat. Slothrop bezahlt den Mann, Mario Schweitar, damit er ihm Informationen über Laszlo Jamf aus den Geheimarchiven von Sandoz besorgt. Außerdem erfährt er, dass Jamf tot ist und in Zürich begraben liegt. Slothrop ist pleite und kampiert in der Gruft von Jamf.

Unterdessen dreht Pointsman durch, weil ihm Slothrop entwischt ist. Er fürchtet, dass die Sowjets oder Amis Slothrop geschnappt haben könnten, hört Stimmen und halluziniert. Das Projekt, PISCES über das Kriegsende hinaus zu erhalten, ist gescheitert.

In der Zone

Unter falschem Namen reist Slothrop in die deutsche Zone ein. Er gibt sich als britischer Kriegsreporter aus und ist auf dem Weg nach Nordhausen. Hierhin führen ihn die Spuren aus den Geheimpapieren von Schweitar. Slothrop will die unterirdischen Mittelwerke besuchen, in denen unter SS-Kontrolle und unter Anleitung von Franz Pökler die V-Raketen gebaut wurden. In den Akten stößt Slothrop auch auf den Namen seines Onkels, Lyle Bland, der offenbar mit Laszlo Jamf zusammengearbeitet hat. In Nordhausen angekommen, lernt er schnell Geli Tripping kennen. Sie gibt sich als Hexe aus, scheint aber auch Geheiminformationen über das S-Gerät zu besitzen. Rund um Nordhausen leben, in Erdhöhlen verschanzt, Mitglieder des Schwarzkommandos. Es sind Überlebende des Völkermords der Deutschen an den Hereros Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie kamen während des Krieges nach Deutschland, weil sie die Nazis zu zukünftigen Führern der alliierten Kolonien machen wollten. Slothrop interviewt Oberst Enzian, der ein alliiertes Komplott gegen das Schwarzkommando vermutet. Insbesondere der sowjetische Geheimdienstoffizier Wjatscheslaw Tschitscherin, sein Halbbruder, habe es auf ihn abgesehen.

„In den Bergen um Nordhausen und Bleicherode, tief unten in verlassenen Bergwerkschächten, leben Mitglieder des Schwarzkommandos. Dieser Tage ist das keine militärische Bezeichnung mehr: Jetzt sind sie ein Volk, die Zonen-Hereros, seit zwei Generationen aus Südwestafrika im Exil.“

In Berlin verstrickt sich Slothrop in Schwarzmarktaktivitäten, vor allem weil er sich von der Bergung von sechs Kilo Haschisch aus der russischen Besatzungszone eine Million Mark Gewinn erhofft. Seine Suche nach dem S-Gerät rückt langsam in den Hintergrund.

Franz Pökler war Ingenieur und Idealist. Er wollte die mörderischen Absichten der Nazis nicht wahrhaben und lebte in der Illusion, die Menschheit würde seine Raketenforschung in Zukunft dafür nutzen, gemeinsam ins Weltall aufzubrechen. Seine Frau Leni verließ ihn, weil Pökler nicht einsehen wollte, dass er für den Krieg eingespannt wurde. Tatsächlich ließ sich Pökler vom Heereswaffenamt anwerben und bezahlen. 1937 kam Pökler nach Peenemünde, dem Testgelände für die V-Raketen. Seine Tochter Ilse wurde im KZ Dora, einem „Umerziehungslager“, von Hauptmann Blicero festgehalten. Nur einmal im Jahr durften sie sich für ein paar Tage treffen – wobei Pökler zu zweifeln begann, ob er wirklich immer Ilse sah oder ob ihm Blicero nicht stets ein anderes Mädchen vorführte. Erst wenige Tage vor Kriegsende ließ Blicero Pökler gehen.

Slothrop verlässt Berlin über den Spree-Oder-Kanal nordwärts, Richtung Swinemünde. An Bord der „Anubis“, einer Yacht, auf der sich dekadente Reiche einer Orgie hingeben, trifft er die verlebte Schauspielerin Margherita und ihren Mann Miklos Thanatz. Während des Krieges waren sie auf Theatertournee in den KZs und den Raketenabschussstellen. Slothrop findet Margheritas Tochter Bianca anziehend und schläft mit ihr. Später erfährt er, dass sie kurz darauf gestorben ist. Der betrunkene Thanatz berichtet Slothrop von den letzten Kriegstagen in Nordhausen, als Kommandant Blicero wahnsinnig wurde. Doch das Gespräch wird unterbrochen und Slothrop fällt über Bord. Es verschlägt ihn nach Cuxhaven, wo er in ein Volksfest gerät und in ein Schweinekostüm gesteckt wird. In dieser Kostümierung zieht er weiter und trifft im verlassenen Dorf Zwölfkinder auf Franz Pökler, der ihm von seiner Studienzeit bei Dr. Jamf erzählt. Später strandet Slothrop in einem Bordell, wo er mit Pöklers Frau Leni schläft. Unterdessen schlüpft ein amerikanischer Major in Slothrops Schweinekostüm und wird an Slothrops Stelle festgenommen und gefoltert.

Die Gegenmacht

Slothrop verliert zunehmend den Verstand. Er streift durch Wälder und bringt sich Instrumente bei, die er findet: Dudelsack, Mundharmonika und Kazoo. Vollkommen paranoid glaubt er in jedem Naturphänomen ein Omen, ein verstecktes Zeichen zu erkennen.

Die „Weiße Visitation“ ist am Ende und wird wieder zu einer Irrenanstalt. George Mexico ist in den Untergrund gegangen und hat sich der Gegenmacht angeschlossen. Am Ende des Krieges kam es zu großen Umwälzungen in den Nachrichtendiensten. Es wurde eine Stelle eingerichtet, nur um Slothrop zu beschatten. Katje Borgesius zieht mit dem Schwarzkommando umher. Sie verbringt viel Zeit mit Enzian und der Frage, was wohl aus Hauptmann Blicero geworden ist. Katje glaubt zu wissen, dass er irgendwo in Holland umgekommen ist. In der Zone wird eine komplett neue Infrastruktur aufgebaut, die größtenteils unterirdisch und streng geheim ist: die „Raketenstadt“. Die Gegenmacht versucht diesen Plan zu durchkreuzen, doch bald wird den Verschwörern klar, dass sie zum Scheitern verurteilt sind.

„Der Mensch hat eine Zweigstelle in jedem unserer Gehirne, (…) jede der lokalen Vertretungen besitzt eine Tarnung namens Ego und ihre Mission auf dieser Welt heißt schlicht Beschiss. Wir wissen, was läuft, und wir lassen’s geschehen.“

Miklos Thanatz stößt in den Wirren der letzten Kriegstage zu Blicero und dem Schwarzkommando. Blicero ist völlig größenwahnsinnig geworden und hat die Mittelwerke unter seine Kontrolle gebracht. Zuletzt sieht Thanatz ihn in der Lüneburger Heide. Später ist er sich sicher: Die 00000-Rakete wurde abgefeuert, und zwar nordwärts. 

Geli Tripping zieht durch die verwüstete Zone und sucht Tschitscherin, doch der wird nach Russland zurückbeordert, wo er als Ortskundiger gefangene deutsche Raketenspezialisten in die zentralasiatische Wüste begleiten soll.

Die Enden der Parabel

Slothrop nimmt immer neue Identitäten an, bis er schließlich in eine Vielzahl von Personen zerfällt. Das letzte Foto, das ihn angeblich zeigt, ist das Cover einer britischen Rockgruppe namens „The Fool“. Slothrop soll auf der Platte Kazoo und Mundharmonika gespielt haben.

Gottfried, ein Sexsklave, den sich Blicero für perverse Sexspiele hält und der ihm blind ergeben ist, wird in eine aus Imipolex G bestehende Kleidung verpackt. Dann wird er ins Heck der Rakete 00000 gesteckt. Die Rakete wird mit Gottfried darin abgeschossen. Er trägt ein Funkgerät im Ohr, durch das er die Stimme seines Meisters bis zu seinem Tod hören wird. Eine Antwortvorrichtung gibt es nicht.

„Und es ist hier (…), dass die Spitze der Rakete, stürzend mit mehr als einem Kilometer pro Sekunde, absolut und für immer ohne Schall, ihren letzten, unmessbaren Spalt über dem Dach dieses alten Kinos erreicht, das letzte delta-t.“

Im Saal des alten Orpheus-Kinos in der Melrose Avenue in Los Angeles macht sich Unruhe breit. Die Menge wartet gespannt auf den Beginn des Hauptfilms, doch eine technische Panne spannt sie weiter auf die Folter. Der Saal klatscht im Rhythmus und skandiert: „An-fan-gen! An-fan-gen!“ Es sind die letzten Millisekunden, bevor die Rakete mitten in diesem Kinosaal einschlägt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Enden der Parabel ist ein enorm umfangreicher Roman. Die deutsche Übersetzung umfasst etwa 1200 Seiten. Das Buch ist in vier Großkapitel unterteilt. Die Kapitel bestehen wiederum aus zahlreichen Abschnitten, die lediglich grafisch durch eine Reihe von Kästchen voneinander getrennt werden. Die Erzählung ist vielschichtig und verschlungen: Über 400 handelnde Figuren kommen vor, einige nur kurz, andere tauchen viele Hundert Seiten später unvermittelt wieder auf. Einzig in der Figur Tyrone Slothrop gibt es so etwas wie einen Hauptcharakter oder roten Faden, der sich durch den Großteil des Romans zieht. Die erzählte Zeit des Romans erstreckt sich über die letzten zwei Jahre des Zweiten Weltkriegs. Es gibt aber auch zahlreiche Rückblenden, die die Vorkriegsjahre oder die Familiengeschichte einzelner Figuren behandeln. Der Stil ist komplex: Oft bleibt unklar, ob ein Erzählstrang real, geträumt oder halluziniert ist. Immer wieder stellen sich Narrative an späteren Stellen des Romans als falsch heraus. Auch die Erzählstile wechseln häufig. Sie reichen von Dialogen und auktorial erzählten Perspektiven über theoretische Überlegungen und technische Beschreibungen bis hin zu atmosphärischen Stimmungsbildern, absurden Liedtexten und modernistischem Bewusstseinsstrom. Stilistisch wie inhaltlich ist Die Enden der Parabel ein Musterbeispiel postmoderner Literatur.

Interpretationsansätze

  • Ein Schwerpunkt in Pynchons Werk ist das Wechselspiel zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Viele Orte, Figuren und der historische Kontext in Die Enden der Parabel entstammen der Wirklichkeit. Sie werden von Pynchon aber auch verzerrt, überspitzt und spielerisch verändert.
  • Der Roman spiegelt eine postmoderne Geschichtsauffassung wider. Die Geschichte ist nicht länger eine kontinuierliche Chronologie mit klarem Sinnhorizont, sondern ein zusammenhangloses Chaos von Ereignissen, das kaum zu überblicken ist. Es gibt auch keine folgerichtige Entwicklung von Handlungen und Charakteren, die Aufeinanderfolge von Ereignissen und Personen erscheint vielmehr zufällig.
  • In Die Enden der Parabel gibt es zahlreiche Querverweise zu Pynchons erstem Roman V. Themen wie der Herero-Aufstand in der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika oder Figuren wie Kurt Mondaugen kehren aus dem Debütroman Pynchons wieder.
  • Das Menschenbild in Die Enden der Parabel ist dem Posthumanismus entnommen. Der Mensch ist nicht länger der Gestalter der Welt, der durch bewusste Handlungen die Geschichte gestaltet, sondern wird von Zufällen, Gefühlen und irrationalen Motiven getrieben.

Historischer Hintergrund

Postmoderne und Postmodernismus

Ab den späten 1960er-Jahren kam in unterschiedlichen Kunst- und Kulturfeldern – vor allem in den USA – immer häufiger der Begriff der Postmoderne auf, um die kulturellen Veränderungen der Nachkriegszeit zu beschreiben. Während „Postmoderne“ heute die allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen gegenüber der Moderne beschreibt, bezeichnet „Postmodernismus“ eine künstlerische Ästhetik, die vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren angesiedelt wird. Gegenüber der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Moderne, trat eine starke Individualisierung der Lebensweisen ein. Gegenkulturelle Bewegungen wie die Beat Generation oder die Hippies brachen gesellschaftliche Konventionen und Tabus. Kollektive Werte und kulturelle Prägungen traten zugunsten einer freien Selbstverwirklichung des Einzelnen zunehmend in den Hintergrund.

In den Künsten entstanden neue experimentelle Formate wie Action Painting, Aktionismus oder Free Jazz. In den Wissenschaften, aber auch in der Gesellschaftspolitik wurden Pluralismus und die Relativität von Geltungsansprüchen immer wichtiger, wie die politischen Emanzipationsbewegungen ethnischer Minderheiten in den USA zeigen. Durch das rasche Anwachsen der medialen Umwelt durch Fernsehen, Popkultur, Computerisierung und Digitalisierung wird auch die Erfahrung der Wirklichkeit in der Postmoderne zunehmend bruchstückhaft und unsicher. Die Unbeständigkeit und Unbestimmbarkeit von Realität und Subjektivität sind zwei wesentliche Kennzeichen postmoderner Kultur und Kunst.

Entstehung

Thomas Pynchon zählt zur zweiten Generation postmoderner Autoren. Vertreter der ersten Generation, die also in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts veröffentlichten, waren Vladimir Nabokov, John Barth oder John Hawkes. Sie brachten die typischen Stilmittel der Postmoderne wie Parodie, Ironie, Selbstreferenzialität und Metafiktion in Stellung. Die Autoren der zweiten Generation wie Donald Barthelme, E. L. Doctorow oder eben Pynchon radikalisierten diese Stilmittel dann. Thematisch stand bei vielen die Verarbeitung des Zweiten Weltkriegs im Zentrum ihrer Werke. Aber kein anderer postmoderner Autor war derart erfolgreich damit, ein schweres Thema mit komplexen Stilmitteln zu bearbeiten, wie Thomas Pynchon.

Das Geheimwaffenprogramm der Nationalsozialisten, insbesondere ihr teilweise fanatisch-religiöser Glaube an die V-Waffen, aber auch die Indienstnahme fortschrittlicher Wissenschaften wie Physik und Psychologie für Kriegszwecke sind Kernthemen in Die Enden der Parabel. Pynchon hatte für Boeing gearbeitet. In dieser Zeit hatte er Einblicke in die technischen Details von Flugkörpern erhalten und sich wohl auch mit Archivmaterial über die V-Raketen NS-Deutschlands beschäftigt. Über die Entstehung des Romans Die Enden der Parabel ist kaum etwas bekannt, da sich Thomas Pynchon mit dem Erfolg seines Debütromans V. 1963 vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzog, keine Interviews mehr gab und selbst seinen Aufenthaltsort geheim hielt.

Wirkungsgeschichte

Die Enden der Parabel erschien 1973 bei Viking Press. Die Kritiker bewerteten den Roman von Beginn an als enorm ambitioniertes Werk und als großen Wurf, verglichen es mit Größen der Moderne wie William Faulkner oder James Joyce, bemerkten aber auch kritisch, dass der Roman schwere Lesekost sei. 1974 erhielt der Roman den National Book Award und war auch für den Pulitzerpreis nominiert. Aber die obszönen Beschreibungen von sadomasochistischen Sexpraktiken und Drogenerfahrungen waren für die damaligen Standards doch zu skandalös. Die deutsche Übersetzung durch die spätere Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und Thomas Piltz erschien 1981 beim Rowohlt Verlag.

Da Thomas Pynchon als geheimnisumwitterte Ikone der Popkultur der letzten Jahrzehnte gilt, hatte auch Die Enden der Parabel eine enorme Wirkung auf die Popkultur. Alex Perrys Film Impolex von 2011 basiert lose auf Pynchons Roman. Die bisher einzige Hörspiellizenz für Die Enden der Parabel erhielten 2019 SWR 2 und Deutschlandfunk. 2020 strahlten sie eine 14-stündige Hörspielfassung aus, die von Klaus Buhlert konzipiert wurde. Zahlreiche Rockbands haben Alben oder Lieder mit Gravity’s Rainbow betitelt oder Songtexte aus dem Roman hergeleitet. Das Werk ist auf zahllosen Bestenlisten zu finden, wie etwa auf der Liste der 100 besten Romane seit 1923 des TIME-Magazins. Die Enden der Parabel gilt heute nicht nur als das Hauptwerk von Thomas Pynchon, sondern auch als Klassiker und Meisterwerk der postmodernen Literatur wie der zeitgenössischen US-amerikanischen Literatur überhaupt.

Über den Autor

Thomas Pynchon kommt am 8. Mai 1937 auf Long Island, New York zur Welt. Er entstammt einer bekannten puritanischen Familie – eine religiöse und kulturelle Tradition, mit der er sich in seinen Büchern intensiv auseinandersetzt. Mitte der 1950er-Jahre studiert er an der Cornell-Universität bei Vladimir Nabokov, einem der wichtigsten Wegbereiter der postmodernen Literatur. Nach seinem Studienabschluss 1958 lebt er in New York, zeitweilig in Mexiko und arbeitet als Schriftsteller für Boeing Aircraft in Seattle. 1963 beginnt mit dem Erfolg seines ersten Romans V. der berühmt-berüchtigte Rückzug Pynchons aus der Öffentlichkeit. Seither sind weder Aufenthaltsort noch Aussehen von Thomas Pynchon bekannt. Entsprechend ranken sich zahllose Gerüchte und Spekulationen um die wahre Identität Pynchons. Zehn Jahre nach seinem Debütroman landet Pynchon 1973 mit Die Enden der Parabel (Gravity’s Rainbow) einen Riesenerfolg. Bis heute gilt der Roman als sein Meisterwerk und als eines der Hauptwerke postmoderner Literatur. Nach einer längeren Pause erscheint 1984 Spätzünder (Slow Learner), eine Sammlung von Kurzgeschichten, die Pynchon früher bereits in Magazinen veröffentlicht hatte. Ein neuer Roman erscheint erst wieder 1990: Vineland. Nach dem historischen Roman Mason & Dixon 1997 erscheinen Pynchons Romane regelmäßiger: 2006 Gegen den Tag (Against the Day), der Kriminalroman Natürliche Mängel (Inherent Vice) 2009 und 2013 Bleeding Edge. Seit den 1990er-Jahren lebt Pynchon in New York und ist mit der Literaturagentin Melanie Jackson verheiratet. Seine zurückgezogene Lebensweise und seine erfolgreichen Romane machen ihn zu einer Ikone der zeitgenössischen Popkultur.

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