Michael Ende
Die unendliche Geschichte
Thienemann, 2015
Was ist drin?
Ein Junge gerät in ein fantastisches Buch und kommt nur schwer wieder heraus.
- Kinderbuch
- Gegenwartsliteratur
Worum es geht
Fantastische Welten
Die unendliche Geschichte ist ein Hohelied auf die Fantasie. Seit ihrem Erscheinen 1979 fasziniert die Geschichte von dem Jungen, der in das Buch einsteigt, das er gerade liest, und so in das Land Phantásien gelangt, die Leser – Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene. Für Erstere ist es vor allem eine schier unendliche Kette spannender Abenteuer, für Letztere kommen noch zahlreiche andere Ebenen hinzu: Sie lesen eine Selbstfindung, die von europäischer und östlicher Philosophie, von Mythologie und Psychologie durchdrungen ist, oder eine Parabel mit zahlreichen Motiven aus der Kunst- und Kulturgeschichte. Nicht übemäßig fantasyaffine Leser ermüden vielleicht nach dem x-ten Abenteuer des 500-Seiten-Werks ein bisschen, und manchmal sind die Weisheiten, die den Helden zuteilwerden, ein wenig wohlfeil und allgemein raunend. Trotzdem: Ein Buch, das Grenzen einriss – zwischen Fantasie und Wirklichkeit und zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur.
Take-aways
- Mit der Unendlichen Geschichte, seinem dritten Kinder- und Jugendbuch, wurde Michael Ende 1979 zum international bekannten Bestsellerautor.
- Inhalt: Der dicke, ängstliche Bastian stiehlt ein Buch, die Unendliche Geschichte. Beim Lesen merkt er, dass die Figuren in Phantásien auf ihn als Retter warten, und so tritt er in die Geschichte ein. Er erlebt viele Abenteuer, indem er sich Dinge wünscht, aber dafür vergisst er nach und nach seine Vergangenheit. Nur schwer findet er zurück in seine Welt.
- Der Roman ist ein Loblied auf die Fantasie. Er zeigt jedoch auch die Gefahr, sich in Fantasiewelten zu verlieren.
- Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum werden eingerissen. Ende spielt mit den Realitätsebenen und mit Bild-im-Bild-Effekten.
- Der Text ist in zwei Farben gedruckt: rot die Rahmenerzählung, die in der äußeren Welt, blau die Binnenerzählung, die in Phantásien spielt.
- Der Roman lässt sich als Abenteuerbuch, Reiseroman, Kunstreflexion oder Geschichte einer Individuation lesen und spricht Kinder und Erwachsene an.
- Dem Autor erging es beim Schreiben ähnlich wie seiner Hauptfigur: Er fand nur schwer wieder aus Phantásien heraus und konnte mehrere Abgabetermine nicht einhalten.
- Von Teilen der Literaturkritik wurde Michael Ende nicht ernst genommen. Mit seinen Texten für Erwachsene hatte er keinen Erfolg.
- Von der Verfilmung durch Wolfgang Petersen 1984 distanzierte sich Ende heftig.
- Zitat: „Was da erzählt wurde, war seine eigene Geschichte! Und die war in der Unendlichen Geschichte. Er, Bastian, kam als Person in dem Buch vor, für dessen Leser er sich bis jetzt gehalten hatte!“
Zusammenfassung
Das Buch der Bücher
Ein dicker, x-beiniger, zehnjähriger Junge namens Bastian Balthasar Bux flieht vor dem strömenden Regen in ein Buchantiquariat. Karl Konrad Koreander, der mürrische Buchhändler, will ihn eigentlich schnell wieder loswerden, aber dann kommen sie doch ins Gespräch. Bastian ist gerade auf dem Weg zur Schule. Seine Mitschüler quälen ihn regelmäßig. Unter anderem bezeichnen sie ihn als Spinner, weil er gern Geschichten, Namen und neue Wörter erfindet. Bastian ist Halbwaise, und sein Vater, Zahntechniker von Beruf, ist seit dem Tod der Mutter für Bastian emotional nicht mehr zu erreichen, er wirkt abwesend und gleichgültig. Herr Koreander nimmt einen Telefonanruf entgegen und verschwindet aus dem Verkaufsraum. Bastians Aufmerksamkeit wird nun magisch von einem Buch namens Die Unendliche Geschichte angezogen. Der Titel wird von zwei Schlangen umrahmt, die sich in den Schwanz beißen. Bastian ist ein leidenschaftlicher Leser und muss dieses Buch haben. Also stiehlt er es kurzerhand. Sofort ist ihm klar, dass er als Dieb nun nicht mehr nach Hause gehen kann. Als er in der Schule angekommen ist, will er auch nicht mehr in seine Klasse. Er versteckt sich auf dem Speicher des Schulgebäudes, richtet sich auf alten Turnmatten und unter alten Decken ein – und liest.
Phantásien in Not
Viele Boten aus allen Ländern Phantásiens reisen zum Elfenbeinturm, wo die Kindliche Kaiserin residiert. Alle haben die gleiche Botschaft: Phantásien ist in Gefahr. Das Nichts ist im Vormarsch. Wenn man in das Nichts hineinschaut, kommt man sich vor wie blind, und wenn man ihm zu nahe kommt, wird man von ihm angezogen und verschwindet darin. Mit der Ausbreitung des Nichts hängt wohl auch die schwere Krankheit der Kindlichen Kaiserin zusammen. Die besten Ärzte Phantásiens sind bei ihr, denn mit ihrem Tod würde das ganze Reich untergehen. Der berühmteste Heiler, der Zentaur Caíron, kann der Kindlichen Kaiserin auch nicht helfen, aber er bekommt von ihr ein Medaillon namens Auryn mit zwei Schlangen darauf, die sich in den Schwanz beißen. Jeder in Phantásien kennt das Medaillon: Wer es trägt, handelt im Auftrag der Kaiserin und steht unter ihrem Schutz. Cairón soll es dem Helden bringen, den die Kaiserin auserkoren hat, den Grund für ihre Krankheit herauszufinden. Sein Name ist Atréju. Er wohnt bei den Grünhäuten im Gräsernen Meer. Als Caíron ihn endlich gefunden hat, kann er die Wahl der Kaiserin zunächst nicht fassen: Atréju ist ein zehnjährige Junge. Doch der Auserkorene nimmt den Auftrag an und macht sich auf den Weg. Gleichzeitig nimmt eine dunkle Gestalt die Verfolgung auf.
Auf der Suche nach Antworten
Träume weisen Atréju den Weg: Er soll die Uralte Morla suchen, die auf dem Hornberg in den Sümpfen der Traurigkeit wohnt. Hier angekommen, verliert Atréju Artax, sein Pferd. Artax geht im Schlick der Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit unter, während Atréju durch Auryn davor geschützt ist. Irgendwann stößt er auf den Hornberg und begreift nach einiger Zeit, dass dieser eine riesige Schildkröte ist, die Uralte Morla. Der ist alles gleichgültig, sie hat alles schon gesehen, und auch der drohende Untergang Phantásiens kann sie nicht schrecken. Atréju entlockt ihr schließlich den Grund für die Krankheit der Kindlichen Kaiserin: Sie braucht einen neuen Namen. Allerdings kann ihr den kein phantásisches Wesen geben – wer es denn könnte, weiß die Uralte Morla leider auch nicht. Vielleicht die Uyulála im südlichen Orakel? Während Bastian das liest, denkt er, dass es ihm leichtfallen würde, einen neuen Namen für die Kindliche Kaiserin zu finden.
„Das, genau das war es, wovon er schon oft geträumt und was er sich, seit er von seiner Leidenschaft befallen war, gewünscht hatte: Eine Geschichte, die niemals zu Ende ging! Das Buch aller Bücher!“ (über Bastian, S. 12)
Auf seinem Weg begegnet Atréju der Ygramul, die gerade einen weißen Glücksdrachen in seinem Netz gefangen hat. Atréju fragt nach dem Weg zur Uyulála. Ygramul sagt, das sei viel zu weit, aber Atréju könne sich von ihr beißen lassen: Ihr Gift töte zwar binnen einer Stunde, verleihe aber zuvor dem Gebissenen die Macht, sich durch reines Wünschen an jeden beliebigen Ort in Phantásien zu versetzen. Atréju lässt sich darauf ein. Er erwacht am gewünschten Ort. Fuchur, der Glücksdrache, ist neben ihm. Eine winzige runzlige Frau, die alte Urgl, pflegt die beiden gesund. Ihr Mann Engywuck ist Wissenschaftler und Spezialist für das südliche Orakel. Er erklärt Atréju, dass er durch drei Tore hindurch muss – eine schwierige Aufgabe. Doch es gelingt Atréju, Einmal ruft der lesende Bastian ihm zu, er dürfe nicht umkehren. Hinter dem dritten Tor hört Atréju eine singende Stimme, die Uyulála. Sie sagt, dass nur jemand aus der Äußeren Welt der Kindlichen Kaiserin einen neuen Namen geben kann. Ein Mensch.
Auf der Suche nach einem Menschenkind
Atréju möchte nun in die Äußere Welt gelangen, um ein Menschenkind zu finden. Auf Fuchurs Rücken fliegt er deshalb immer weiter, aber sie kommen einfach an keine Grenze. Stattdessen geraten sie in einen Kampf der Vier Windriesen. Diese verraten Atréju, dass Phantásien grenzenlos ist. In dem Unwetter, das sie erzeugen, verliert Atréju Fuchur und das Amulett Auryn und stürzt in die Tiefe. Er erwacht an einem Strand. Bald trifft er auf eine Prozession finsterer, ekstatisch tanzender Gestalten, die sich schließlich kollektiv ins Nichts stürzen. Auch Atréju spürt die Anziehungskraft des Nichts, wehrt sich heftig dagegen und rennt in die entgegengesetzte Richtung. In einer verlassenen Stadt trifft er auf einen fast verhungerten, angeketteten Werwolf. Als Wesen zwischen den Welten sagt dieser zu Atréju, dass die Phantásier, die sich ins Nichts stürzen, in der Äußeren Welt zu Lügen werden und nie mehr zurückkehren können. Kurz bevor der Werwolf stirbt, stellt sich heraus, dass er das Schattenwesen war, das Atréju verfolgte hatte. Noch im Tod beißt er sich in Atréjus Bein fest, sodass dieser nun auch festsitzt. In letzter Sekunde rettet ihn Fuchur vor dem nahenden Nichts. Der Drache hat auch das Amulett gefunden. Sie fliegen zur Kindlichen Kaiserin.
Auge in Auge mit der Kindlichen Kaiserin
Als Atréju der Kindlichen Kaiserin in der Spitze des Elfenbeinturms gegenübersitzt, erlebt Bastian einen kurzen Blickwechsel mit ihr. Und schlagartig weiß er ihren Namen: Mondenkind. Atréju erfährt von ihr, dass sie schon wusste, was er für sie herausgefunden hat. Sie erklärt ihm, dass seine Abenteuer notwendig waren, um das Menschenkind, das sie retten soll, auf sie aufmerksam zu machen. Nun warten sie auf ihn, doch Bastian zögert, obwohl die Kindliche Kaiserin sagt, dass er nur ihren neuen Namen sagen muss. Scham wegen seines unansehnlichen Äußeren hält ihn zurück. So muss die Kaiserin noch einen Umweg nehmen und den Alten vom Wandernden Berge aufsuchen. Der schreibt alles, was geschieht, in ein Buch namens Die unendliche Geschichte. Die Kaiserin fordert den Alten auf, die Geschichte noch einmal von Anfang an zu erzählen, um sie dem Menschenkind zu verdeutlichen. Der Alte beginnt mit der Szene, als Bastian das Antiquariat betritt. Er erzählt alles bis zum jetzigen Moment – und beginnt wieder von vorn. Bastian muss eingreifen, wenn er nicht will, dass es immer so weitergeht. Endlich ruft er: „Mondenkind“.
Phantásien entsteht neu
Bastian findet sich in wohliger Dunkelheit wieder. Er hört Mondenkinds Stimme und wünscht sich, er könne sie sehen. Sogleich geschieht es. Mondenkind legt ihm ein Sandkorn in die Hand – alles, was von Phantásien übriggeblieben ist. Es wird zu einem Samenkorn, aus dem leuchtende Pflanzen hervortreiben. Bastian bemerkt erstaunt, dass er Auryn trägt. Außerdem ist er nun schön, er sieht aus wie ein Prinz. Bald hat er vergessen, dass das nicht immer so war. Nun will er stark sein – und wird der Stärkste, ebenso der Ausdauerndste und Mutigste. Für jeden seiner Wünsche, der in Erfüllung geht, vergisst er etwas aus seiner Vergangenheit. Er will anderen seine Fähigkeiten zeigen und wünscht sich, Atréju zu treffen. Da gelangt er in eine Stadt, in der gerade Heldenwettkämpfe stattfinden. Die drei Besten sollen Atréju auf seiner Suchexpedition begleiten dürfen, deren Ziel es ist, den Retter Phantásiens zu finden. Bastian besiegt sämtliche Gegner. Er möchte auch als Dichter anerkannt werden und erfindet der Stadt eine Vergangenheit und eine Bibliothek, die voll von seinen Werken ist. Manchmal erschrickt er, weil er die Konsequenzen seiner Wünsche nicht absehen kann. Atréju bemerkt, wie viel Bastian für die Erfüllung dieser Wünsche vergisst, und erinnert ihn daran, dass er auch wieder zurückkehren muss.
Streit unter den Helden
Bastian wünscht sich, Mondenkind wiederzusehen. Atréju und Fuchur versuchen vergeblich, ihn davon abzubringen, denn jeder könne der Kindlichen Kaiserin nur ein einziges Mal begegnen. Zwischen Bastian und Atréju kommt es zu Spannungen, Bastian fühlt sich bevormundet. Er wünscht sich, gefährlich zu sein, und deshalb begegnet ihm als nächstes Abenteuer Xayíde, die gefährlichste Magierin Phantásiens. Er nimmt ihr Schloss ein und besiegt ihre schwarzen Ritter. Schließlich bietet sie sich Bastian als Helferin an. Atréju ist das suspekt, aber Bastian nimmt sie als Helferin auf. Atréju schlägt Bastian vor, er wolle Auryn wieder an sich nehmen und Bastian führen, damit der nicht noch mehr Erinnerungen verliert. Es kommt zum Streit. Bastian sagt, er wolle überhaupt nicht mehr in die Menschenwelt zurückkehren. Als Atréju das Amulett entwenden will, erwischt Bastian ihn und verbannt ihn und Fuchur. Bastian und sein Gefolge kommen beim Elfenbeinturm an, doch die Kindliche Kaiserin ist nicht da. Xayíde redet Bastian ein, er sei der Nachfolger der Kaiserin und solle ihren Platz einnehmen. Er will sich selbst zum Kaiser krönen. Doch der dafür angesetzte Tag wird ein Tag der Schlacht: Atréju hat Rebellen um sich geschart und greift an. Schließlich gelingt es Bastians Heer, Atréjus Schar zurückzudrängen. Am Ende stehen sich die beiden gegenüber. Atréju fordert Bastian noch einmal auf, ihm Auryn zu geben. Beide werfen einander Anmaßung und Verrat vor. Bastian zieht sein Schwert und verletzt damit Atréju. Dieser fällt vom Elfenbeinturm und wird gerade noch von Fuchur aufgefangen. Dann stürzt der Turm ein.
Bastian will zurück
Bastian findet sich in einer Stadt wieder, in der alle Menschen wahnsinnig sind. Er trifft ein Äffchen namens Argax, das ihn darüber aufklärt, dass die Wahnsinnigen alles Menschen aus der Äußeren Welt sind, die einst in Phantásien Kaiser werden wollen. Sie finden nicht mehr zurück in ihre Welt, weil sie keine Wünsche mehr übrig haben und sich nicht mehr an ihre Vergangenheit erinnern. Bastian wird klar, dass er unbedingt den Rückweg finden muss. Er gelangt ans Nebelmeer. Weil er sich nach Gemeinschaft sehnt, trifft er auf eine Gruppe von Menschen, in der der Einzelne gar nichts und die Gemeinschaft alles zählt. Er heuert als Schiffsjunge an. Bei ihnen erfährt er Harmonie, aber keine Liebe. Dann sehnt er sich danach, so geliebt zu werden, wie er ist. Als das Nebelmeer überquert ist, kommt er in einem Land voller Rosen an. Dort wohnt die Dame Aiuóla, aus ihr wachsen Blumen und Früchte. Sie ist für Bastian wie eine Mutter und nährt ihn mit bedingungsloser Liebe. Sie sagt ihm, er müsse mit seinem letzten Wunsch das Wasser des Lebens finden. In Bastian entsteht der Wunsch, nun auch selbst zu lieben. Dafür verliert er seine letzte Erinnerung: die an seine Eltern.
„(…) doch ist es schon lange her, / dass Menschen zu uns nach Phantásien kamen. / Sie wissen den Weg nicht mehr. / Sie haben vergessen, wie wirklich wir sind, / und sie glauben nicht mehr daran. / Ach, käme ein einziges Menschenkind, / dann wäre schon alles getan!“ (Uyulála, S. 124)
Er kommt als Wanderer bei dem blinden Bergmann Yor vorbei, der aus einem Stollen Bilder auf hauchdünnem Glas an die Oberfläche holt: die vergessenen Träume der Menschenwelt. Bastian soll hier einen seiner eigenen Träume finden, damit er weiß, wen er lieben will. Nach langer Arbeit im Stollen findet Bastian ein Bild, das ihn berührt: Darauf ist ein Mann im weißen Kittel zu sehen, der ein Gipsgebiss in der Hand hat. Bastian fühlt Sehnsucht nach ihm – und vergisst dafür seinen eigenen Namen. Als das hauchdünne Bild durch Schmetterlinge zerstört wird, glaubt Bastian sich verloren. Da kommt Atréju auf Fuchur angeflogen.
Rückkehr in die Äußere Welt
Bastian geht auf Atréju zu und gibt ihm Auryn. Das Medaillon erstrahlt, ein Kuppelsaal ersteht. Darin befinden sich die beiden einander verschlingenden Schlangen, in ihrer Mitte entspringt die Quelle des Lebens. Doch ohne Erinnerung lassen die Schlangen Bastian nicht passieren. Atréju bietet an, für Bastian zu bürgen, denn er hat dessen Erinnerungen für ihn bewahrt. Die Schlangen lassen das gelten; sie bilden ein Tor, Bastian geht an Atréjus Hand hindurch. Dabei fallen alle Gaben Phantásiens wieder von ihm ab, bis er schließlich der dicke, ängstliche Junge vom Anfang ist. Dann springt er ins Wasser des Lebens und trinkt davon. Jetzt weiß er wieder, wer er ist und wohin er gehört. Er verabschiedet sich von Atréju und Fuchur, dann biegen sich die Schlangenkörper auf der anderen Seite zu einem Tor auf und Bastian rennt hindurch. Er findet sich auf dem Speicher der Schule wieder. Dort ist alles unverändert, nur das Buch ist nicht mehr da. Er geht nach Hause, wo der Vater sich sehr um ihn gesorgt hat. Er war einen Tag und eine Nacht weg. Sie fallen sich in die Arme, und der Vater hört sich Bastians Erlebnisse aufmerksam an. Am nächsten Tag geht Bastian ins Antiquariat, um Herrn Koreander zu sagen, dass er ihm ein Buch gestohlen hat, das nun aber verschwunden ist. Herr Koreander erwidert, dass ihm kein Buch fehlt. Auch ihm erzählt Bastian von seiner Reise nach Phantásien, und auch er hört ihm aufmerksam zu. Er sagt, er sei auch schon in Phantásien gewesen, und Bastian werde bestimmt noch oft dort hingehen. Auch Mondenkind könne er dort wiedersehen – wenn er ihr einen neuen Namen gebe.
Zum Text
Aufbau und Stil
Die unendliche Geschichte wird auf fast 500 Seiten erzählt. Der Text weist einige gestalterische Besonderheiten auf. Er ist in zwei Farben gedruckt: in Rot die Rahmenerzählung, die in der äußeren Welt spielt, in Blau die weitaus umfangreichere Binnenerzählung, die in Phantásien angesiedelt ist. Zum Teil wechseln sich die Schriftfarben absatz- oder sogar satzweise ab. Die 26 Kapitel der Binnenerzählung beginnen mit großen Initialen, die von A bis Z durchlaufen und mit Hauptmotiven aus dem jeweiligen Kapitel bildlich gestaltet sind. Erzählende und beschreibende Passagen wechseln sich mit Dialogen ab. Der Ton ist zum Teil märchenhaft und oft altertümelnd. Ein typisches Stilmittel sind paradoxe Sinnsprüche, etwa „Ewig ist der Augenblick.“ Lose Enden bei Nebenfiguren werden eingesammelt mit der Formel: „Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.“
Interpretationsansätze
- Die unendliche Geschichte lässt zahlreiche Lesarten zu und spricht sowohl Kinder als auch Erwachsene an. Sie ist Abenteuerbuch, Reiseroman, Kunstreflexion und die Geschichte einer Individuation. Erwachsenen Lesern bietet sie viele Motive aus Malerei, Literatur, Mythologie, Psychologie und Philosophie.
- Wichtigstes Thema ist die Macht der Fantasie: Durch Fantasie entstehen ganze Welten in Köpfen und in Büchern, ohne Fantasie ist die Welt arm bzw. „krank“, Fantasie ist sowohl in der Kunst als auch im Alltag wichtig.
- Der Roman stellt immer wieder die Frage nach dem Realitätsstatus der durch Fantasie erzeugten Welten. Die klare Trennung zwischen realer und fiktiver Welt wird unterlaufen, indem die Rahmenhandlung in die Binnenerzählung einbricht. Am Ende erhält diese Frage einen weiteren Dreh: Das Buch ist verschwunden wird aber vom Antiquar nicht vermisst– während es der Leser in der Hand hält.
- Das Buch zeigt auch: Fantasie kann gefährlich werden, wenn nämlich die erdachte Welt auf gleicher Stufe steht wie die reale Welt. Bastian verliert sich fast in der Welt seiner Wünsche. So etwas kann in den Wahnsinn führen, wie die Stadt der Möchtegern-Kaiser zeigt: Die Menschen leben hier ohne Sinn und ohne Kontakt zu anderen.
- Bastian wird vor dieser Gefahr durch einen Selbstfindungsprozess gerettet, der deutlich an die Psychoanalyse anklingt: Ich oder Nicht-Ich bei der Gemeinschaft am Nebelmeer, kindliche Regression bei der Dame Aiuóla, Träume schürfen beim Bergmann Yor.
- Besonders zahlreich sind Anlehnungen an die Romantik. In der romantischen Literatur, etwa bei E. T. A. Hoffmann, gibt es ebenfalls das Spiel mit den Realitätsebenen. Das Nebelmeer geht auf Caspar David Friedrichs Bild Wanderer über dem Nebelmeer zurück.
- Zentrales Stilmittel in Erzählweise und Motivik ist das Bild im Bild, der Spiegel im Spiegel, die Erzählung, die sich selbst enthält und sich bis ins Unendliche fortsetzt.
- Eine wichtige Rolle spielt im Roman das Benennen: Indem Bastian der Kindlichen Kaiserin einen Namen gibt, entsteht Phantásien neu – das heißt, Sprache kann Realität erzeugen. Die Namen in Phantásien sind alle sprechend, Atréju bedeutet zum Beispiel „der Furchtlose“.
Historischer Hintergrund
Krise als Dauerzustand
In den 1970er-Jahren erstarb in der Bundesrepublik Deutschland jene Aufbruchsstimmung, die mit der Studentenbewegung in den späten 60er-Jahren Einzug gehalten hatte. Die Hoffnung der jungen Generation auf mehr Freiheit und soziale Gerechtigkeit wurde weitgehend enttäuscht, gleichzeitig pervertierte der Linksterrorismus die Ideale der Studentenrevolte. Regiert wurde das Land von einer Koalition von SPD und FDP. Mit Willy Brandt wurde zwar 1969 ein Politiker Bundeskanzler, der „mehr Demokratie wagen“ wollte, doch 1974 stürzte Brandt über die Affäre um Günter Guillaume, einen DDR-Spion im Kanzleramt. Zur Zeit von Brandts Nachfolger im Kanzleramt, Helmut Schmidt, erreichte die Terrorwelle der RAF ihren Höhepunkt. 1977 wurden mehrere hohe Repräsentanten von Staat und Wirtschaft ermordet.
Der Glaube an ein immerwährendes Wirtschaftswunder, wie es die Nachkriegszeit bis Ende der 1960er-Jahre beherrscht hatte, war ausgeträumt. Mehrere Erhöhungen des Rohölpreises lösten Wirtschaftskrisen mit bis dahin unbekannten Erscheinungen aus: Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, steigende Sozialausgaben, Zunahme der Inflation, steigende Staatsverschuldung, Rationalisierung, Streiks und Unternehmenspleiten. Als Reaktion auf die erste Ölkrise durften Ende 1973 in der Bundesrepublik an vier Sonntagen keine Autos fahren. Die Auswirkungen bedenkenloser Industrialisierung und wachsenden Wohlstands auf die Natur waren nicht mehr zu übersehen. Schmutzige Luft und schäumende, nahezu tote Gewässer rückten den Umweltschutz ins Bewusstsein der Menschen. Als Ersatz für fossile Energiequellen und zur Verminderung der Abhängigkeit von Ölimporten wurde der Bau von Atomkraftwerken forciert. Die Krise wurde zur Normalität.
Entstehung
Schon 1971 skizzierte Michael Ende in einem Brief an seinen Verleger das Projekt „Bastian im Buch“ in den Grundzügen. Es wurde jedoch von der Arbeit an Momo in den Hintergrund gedrängt. 1977 besuchte der Junior-Verleger Hansjörg Weitbrecht Michael Ende und seine Frau in Genzano bei Rom und drängte auf eine neue, große Geschichte. Da zog Ende aus einem Schuhkarton einen seiner Ideenzettel, auf dem stand: „Ein Junge gerät während des Lesens buchstäblich in die Geschichte hinein und findet nur schwer wieder heraus.“ Intensiv arbeitete Ende dann zwischen Juni 1977 und Mai 1979 an der Unendlichen Geschichte. Im Schreibmaschinen-Manuskript änderte er handschriftlich die Ich-Perspektive von Atréju in die Er-Perspektive um; auch der Tod des Pferdes Artax war zuerst ein anderer: das Tier starb in einer Kampfszene.
Ende schrieb immer nachts. Seine Frau unterzog die Texte am nächsten Tag einer Prüfung auf inhaltliche Schlüssigkeit und Sprachrhythmus, indem sie sie laut las. Ende hatte Mühe, den Roman zu strukturieren, die Handlung entwickelte eine starke Eigendynamik. Als er den für Frühjahr 1978 vorgesehenen Abgabetermin nicht einhalten konnte, lautete seine Begründung, dass er als Autor ähnlich schwer wieder aus Phantásien herausgefunden habe wie seine Hauptfigur. Die Buchgestaltung, auch die Idee mit der Schrift in zwei Farben, stammt von der Schriftstellerin und Buchgestalterin Roswitha Quadflieg.
Wirkungsgeschichte
Die unendliche Geschichte wurde unmittelbar bei Erscheinen zur Sensation und machte Michael Ende zum Bestsellerautor. Eine Auflage jagte die nächste, zeitweise kam die Druckerei nicht hinterher. Das Buch wurde mit mehreren renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet und in 40 Sprachen übersetzt. Aber es gab durchaus auch vereinzelte Verrisse: Die Vorwürfe lauteten: „apolitische Weltflucht“ und „Selbstfindungs-Kitsch“. Auch in einer Kommission von Literaturpädagogen, die über Schullektüren entschied, bemängelten manche, dass Selbstfindung, wie sie im Zentrum des Romans steht, nicht unbedingt ein taugliches Instrument für den Umgang mit den Zwängen der modernen Gesellschaft sei. Das Buch wurde trotzdem zur Lektüre an weiterführenden Schulen.
1984 wurde der erste Teil des Romans – Atréjus Suche – von Wolfgang Petersen unter dem Produzenten Bernd Eichinger verfilmt. Michael Ende arbeitete zunächst am Drehbuch mit, geriet aber mit den Machern in Streit und war schließlich über das Ergebnis entsetzt. Er sah die Grundbotschaften seines Buches dem Kommerz geopfert. Herausgekommen sei ein „gigantisches Melodram aus Kitsch, Kommerz, Plüsch und Plastik“. Es folgte ein Rechtsstreit, der durch die Presse ging und letztlich den Verkauf sowohl des Buches als auch des Films beförderte. In der Folge gab es noch weitere Filme, die aber nur entfernt mit der literarischen Vorlage zu tun hatten, außerdem Hörspiele, Theateradaptionen und ein Ballett.
Über den Autor
Michael Ende wird am 12. November 1929 in Garmisch-Partenkirchen geboren. 1931 zieht die Familie nach München, weil der Vater, ein Maler, sich dort mehr künstlerische Möglichkeiten verspricht. Er hat auch wirklich zunehmend Erfolg, doch im Nationalsozialismus werden seine Bilder als entarte Kunst verboten und die Familie gerät dadurch in eine Krise. Michael Ende besucht das Gymnasium, hasst aber die Schule. Den Einberufungsbefehl, den der 15-Jährige wenige Wochen vor Kriegsende erhält, zerreißt er. 1948 legt er sein Abitur an einer Waldorfschule in Stuttgart ab. In diese Zeit fallen auch erste Schreibversuche. Nach dem Abitur absolviert der gutaussehende junge Mann eine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München und arbeitet danach als Schauspieler an verschiedenen Regionaltheatern, allerdings eher mit dem Ziel, Theaterautor zu werden. Mit seinen Stücken hat er allerdings keinen Erfolg. Er schreibt auch Kabarett-Texte und zwischen 1954 und 1962 Filmkritiken für den Bayerischen Rundfunk. Ende der 1950er-Jahre möchte er sich in der Gattung Kinderbuch versuchen und verfasst Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer. Das umfangreiche Manuskript wird zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor der kleine Stuttgarter Thienemann Verlag es 1960 veröffentlicht. Es wird ein großer Erfolg, löst jedoch auch die sogenannte Eskapismus-Debatte aus: Von einigen Kritikern wird Ende vorgeworfen, er schreibe realitätsferne Märchen. 1964 heiratet Ende die Schauspielerin Ingeborg Hoffmann. Das Paar zieht Anfang der 1970er-Jahre nach Genzano bei Rom – unter anderem ist das eine Flucht vor der deutschen Literaturkritik. In Italien entstehen Momo (1973) und Die unendliche Geschichte (1979). Letztere macht Ende zum international bekannten Starautor. Mit der surrealistischen Geschichtensammlung Der Spiegel im Spiegel (1983) versucht sich Ende noch einmal jenseits der Kinderbuchliteratur, aber die Kritiker bleiben reserviert. Nach dem Tod seiner Frau 1985 kehrt er nach München zurück. 1989 heiratet er die japanische Übersetzerin Mariko Sato. Am 28. August 1995 stirbt er in Filderstadt an Magenkrebs.
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